IMMI: Icelandic Modern Media Initiative

WikiLeaks und die Datenoase IslandIsland Karte

Gerd R. Rueger  7.7.2010

Was geschieht, wenn eine Whistleblower-Plattform in einem Land wirklich Furore macht? Das Land verändert sich –so just geschehen in Island. Nicht nur wurden nach den finanzpolitischen und finanzkriminellen Verwerfungen, die WikiLeaks im Kaupthing-Leak enthüllte, völlig neue Parteien und Politiker an die Macht gebracht, es wurden auch Bedürfnisse nach einem neuen Umgang mit Medien, Transparenz und Information deutlich.

Gemeinsam mit WikiLeaks will die Icelandic Modern Media Initiative (IMMI) das fortschrittlichste Pressegesetz der Welt umsetzen, so meldete Matthias Monroy auf Telepolis. Die Initiative von Abgeordneten aller im isländischen Parlament vertretenen Parteien hatte am 16.02.2010 eine Resolution eingebracht. Die Vorschläge der IMMI wurden mit großer Mehrheit angenommen und die Erarbeitung einer Gesetzesvorlage begann. Die IMMI  entstand aus Basisbewegungen, die sich unter dem Namen The Movement verbündeten und in den Parlamentswahlen zum Althing 2009 drei Sitze erzielten. Die IMMI-Sprecherin und Abgeordnete Birgitta Jónsdóttir gehörte zu den engen Mitstreitern von Julian Assange und erlangte eine große Bekanntheit in den Medien.

The Movement verpflichtet sich laut Monroy der Meinungsfreiheit, Transparenz und Bürgerbeteiligung und arbeitet hierfür mit allen anderen Parteien zusammen. Die Gruppe wird unterstützt von zahlreichen Personen des öffentlichen Lebens, darunter Juristen, Wissenschaftlern und Journalisten. Auch die „Stiftung des Isländischen Internationalen Preises für Pressefreiheit“ ist Teil des Projekts.

Assange und Domscheit-Berg im TV-Reykjavik

Ein Auftritt von Assange und Domscheit-Berg (damals als Daniel Schmitt), 2009 noch traulich vereint, im isländischen Fernsehen brachte den Durchbruch: Mit der „Icelandic Modern Media Initiative“ (IMMI) sollte Island zum Datenfreihafen werden und das weltweit fortschrittlichste Pressegesetz auf den Weg bringen, um unabhängige Medien und investigativen Journalismus zu stärken. Für die Vorbereitung der IMMI-Resolution hatten sich die Initiatoren überall nach fortschrittlichen Regelungen und Praktiken umgesehen, die in der Initiative zusammengefasst wurden: größtmögliche Transparenz, Zensurfreiheit, Immunität für Telekommunikationsprovider und natürlich ein bestmöglicher Schutz der „Whistleblower“. So wurde das Projekt auch auf dem 26. Chaos Communication Congress (2010) vorgestellt:

IMMI, from concept to reality

The Icelandic Modern Media Initiative and our need for a well-regulated flow of information

Aus Belgien könnte ein Gesetz zum Schutz von Journalisten einfließen, aus Schweden die Regelung, Provider nicht für Inhalte verantwortlich zu machen, und aus den USA der erste Verfassungsgrundsatz zum Schutz der Meinungsfreiheit. Weitere Inspirationen kamen aus Estland, Großbritannien und Norwegen, sogar aus Empfehlungen des Europarats.

Dabei ist anzunehmen, dass die schönen Regelungen in ihren Ländern selbst zwar jeweils ein paar Vorteile für die Medienfreiheit bringen, die aber durch Einschränkungen anderswo wieder zunichte gemacht werden. Summiert man aber die Vorzüge und lässt die Gegenklauseln weg, kommt ein Super-Medienfreiheitsgesetz zum Vorschein. ((Die ungarische Regierung hat später mit dem umgekehrten Vorgehen eine Medien-Knebelverfassung ausgearbeitet und fragte leutselig, was die protestierende EU denn hätte, jede ihrer Zensur- etc. Maßnahmen sei doch irgendwo in Westeuropa vorhanden. Island geht mit der IMMI einen zu Ungarn konträren Weg)

Die Initiative ist letztlich ein Resultat der Finanzkrise, aber mit deren weltweit zu Lasten der Steuerzahler vollzogenen Abwicklung droht IMMI in den Mühlen der Verwaltung unterzugehen. Wobei durchaus auch die Zerschlagung von WikiLeaks den pressefreiheitlichen Elan der Isländer gebremst haben mag. Jonsdottir und einige ihrer Landsleute haben sich inzwischen mit Assange entzweit und zusammen mit Domscheit-Berg und den deutschen Hackern von WikiLeaks abgewandt. Andere Wikinger halten noch zu WikiLeaks.

Monroy, Matthias, Icelandic Modern Media Initiative, Telepolis 12.04.2010, http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32428/1.html

3 Gedanken zu “IMMI: Icelandic Modern Media Initiative

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