Gerd R. Rueger 28.Oktober 2010
Im Visier von WikiLeaks befinden sich auch Umweltkriminelle. Geleakt wurden niederländisch-britische Geschäftsleute, die Giftmüll in der Elfenbeinküste abgeladen und dort lebende Menschen damit in Krankheit und Tod getrieben haben.
Die Elfenbeinküste oder Cote d’Ivoire ist als westafrikanischer Staat der französischen Einflusszone zuzurechnen. Das arme Kakao- und Petrochemieland ist etwa so groß wie Deutschland, mit 20 Millionen Einwohnern, von denen vier Millionen in der größten Stadt Abidjan leben. Das von Bürgerkrieg und Hungerrevolten verwüstete Land erschien einer Ölfirma offenbar als gute Giftmülldeponie, zumal die Cote d’Ivoire Rohöl aus Nigeria weiterverarbeitet und daher ohnehin oft von Tankern angelaufen wird. Die landeseigenen Chemieanlagen (die wohl unter Kontrolle von ausländischen Konsortien stehen dürften) könnten den Kriminellen auch als gute Tarnung bei später möglichen Giftfunden erschienen sein.
Trafigura Beheer ist ein seit 1993 international tätiges niederländisches Handelsunternehmen, welches hauptsächlich Geschäfte mit Erdölprodukten, Nichteisenmetallen, Erzen und Konzentraten für die Industrie macht. Im globalen Handel mit Nichteisenmetallen ist Trafigura zweit-, im Handel mit Erdöl drittgrößtes Unternehmen mit einem Umsatz von an die 50 Milliarden Dollar 2009 bei weniger als 2000 Mitarbeitern in etwa 40 Ländern. Hauptstandorte des gewaltigen Rohstoffdealers sind Amsterdam, sowie die Steueroasen London und Luzern (Schweiz).
2006 transportierte ein Schiff stark ätzenden Giftmüll in die Elfenbeinküste, um ihn dort zu abzuladen, über Einhunderttausend Einwohner brauchten ärztliche Behandlung, Dutzende sind qualvoll an den Folgen gestorben. Ab 2009 gab es Medienberichte, Trafigura hätte rund 31.000 Bürgern der Elfenbeinküste eine außergerichtliche Einigung angeboten, falls sie ihre Klage zurückziehen.
Im Februar 2007 hatte sich Trafigura mit der Regierung der Elfenbeinküste auf die Zahlung von 150 Millionen Euro als Wiedergutmachung geeinigt, jedoch ohne Verantwortung für den Müll zu übernehmen. Die imagebewusste Firma wollte formal eine weiße Weste behalten und der ivorische Staat stellte tatsächlich seine Klage gegen Trafigura ein: Die Machtelite steckte Dreiviertel des Geldes ein. Die Opfer erhielten von dem Geld nur ein Viertel und klagten in London durch die Anwaltsfirma Leigh Day & Co auf 150 Millionen Euro Schadensersatz. Trafigura lehnte jede Verantwortung für die Giftmüllverseuchung ab, man habe nicht gewusst, was vor Ort geschehen würde. Medien, die das Gegenteil behaupteten, wurden zum Teil erfolgreich wegen Verleumdung verklagt. Dann veröffentlichte der britische Guardian interne E-Mails von Trafigura-Angestellten, die laut taz (17.09.09) belegten, dass die Giftmüllverklappung vorgesehen war.
Wenn über eine undichte Stelle ein interner Bericht beim britischen Guardian landet, der als Schuldeingeständnis ausgelegt werden könnte, ist das ärgerlich. Trafigura versuchte abzustreiten und die Medien juristisch zu knebeln. Die Anwaltsfirma des Ölkonzerns erwirkte eine scharfe Unterlassungsverfügung. Dieser Maulkorb-Erlass zwang den Guardian, weder über die Vorgänge in der Elfenbeinküste zu berichten, noch über das interne Papier, nicht einmal über die schiere Existenz dieser gerichtlichen Anordnung durfte der Guardian schreiben. Die Anwaltsfirma Carter-Ruck ist bekannt für ihr hartes Vorgehen gegen unliebsame Medienberichte. Sie nutzte die Eigenheiten des britischen Rechtssystems zu Gunsten von Trafigura, denn im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern muss in Großbritannien die Presse im Fall einer Verleumdungsklage nachweisen, dass sie Recht hat. Doch der Chefredakteur des Guardian, Alan Rusbridger, veröffentlichte in seiner Zeitung am 13.10.2009 einen Artikel, der praktisch nur aus Andeutungen bestand. Rusbridger twitterte einen Link darauf und Aktivisten von WikiLeaks wiesen darauf hin, dass der unterdrückte Bericht bei ihnen zu finden sei. Die Nachricht verbreitete sich und Twitterer kombinierten, dass es sich um Trafigura handeln musste, Blogger mit hunderttausenden Lesern zogen nach, so Telepolis, 26.10.2009.
Der Elfenbeinküste war Gerechtigkeit zu teil gewordenund WikiLeaks hat damit die Zusammenarbeit mit dem Guardian erprobt –und zugleich eine wichtige Funktion in der Medienwelt: Das Aushebeln einer Geldmacht, die sich in juristisch-plumper Direktheit gegen die Pressefreiheit durchsetzt.
Im Juli 2010 befand auch ein niederländisches Gericht das Unternehmen für schuldig, illegal giftigen Müll von Amsterdam nach Afrika exportiert sowie den wahren Inhalt der Fracht verborgen zu haben.
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