„Messias Robin Hood“: Medienecho auf die Balkon-Rede von Julian Assange

Gerd R. Rueger 31.8.2012

Angesichts der fast hysterischen Verleumdungskampagne im Vorfeld der Rede des Wikileaks-Gründers waren die Kommentare danach deutlich unaufgeregter. Man spürte förmlich das Aufatmen der Machteliten und ihrer Heralde –Julian Assange begnügte sich mit Appellen an die Ethik, berief sich auf Menschenrechte und forderte ein Ende der Hexenjagd auf Wikileaks, statt mit neuen Geheiminformationen die Mächtigen zu brüskieren.

In aktuellen Berichten von Reportern vor Ort hallte die Hysterie allerdings noch etwas nach, etwa bei Ulrich Klose vom Bertelsmann-Nachrichtensender  N-tv, der am 19.8.2012 live vor der ecuadorianischen Botschaft in London nach der Rede von Julian Assange ins Mikrofon hechelte:

„Die Strategie von Assange scheint mir relativ klar: Er will seinen eigenen Fall auf eine ganz ganz breite internationale Ebene hieven, will diplomatischen Druck aufbauen, und soviel internationalen Druck aufbauen wie eben möglich und so wenig wie möglich sprechen über seine Anschuldigung in Schweden, also über diese ganzen Sexualdelikte, die ihm dort angelastet werden. Assange will sich ganz augenscheinlich als Robin Hood der Freiheit präsentieren und als Messias der Meinungsfreiheit.“

Von sowjetischen Dissidenten hätte ein Ulrich Klose im Kalten Krieg wohl in erster Linie verlangt, zu den psychiatrischen Diagnosen Stellung zu nehmen, mit denen ihre Verfolgung damals gerechtfertigt wurde. Aber begriffen hat der N-tv-Reporter immerhin, dass hier internationaler Druck aufgebaut werden soll. Nur das Warum dazu ist offenbar in einem Kapierstau hängengeblieben und so müht er sich, seinen eigenen Kommentar auf eine „ganz ganz breite“ sexuelle Ebene zu hieven –australische Medien zeigen, dass es auch anders geht.

Ulrich Klose empörte sich dabei auch über die (von ihm selbst imaginierten) Anmaßungen von Assange, ohne Gründe zu erwähnen, die sie vielleicht gar nicht so anmaßend erscheinen lassen würden: Etwa die Publikation von geheimen Daten der Informationsreichen für die Informationsarmen, die so endlich erfahren konnten, was der Sheriff von Bagdad bzw. Kabul wirklich so treibt. Oder die Horden von Geheimdienstlern, die ihm auf den Fersen sind, nebst Horden von willfährigen Journalisten, die Assange mit dem Schrei „Kreuziget ihn!“ nachlaufen. In der plumpen „Messias Robin Hood“-Hetze, mit der Ulrich Klose vermutlich Julian Assange als überheblich bis größenwahnsinnig hinstellen wollte, findet sich wohl mehr schlechtes Gewissen als fairer Kommentar.

Bei einer Journalistenzunft, die sich oft genug zu willfährigen Vollstreckern einer Mafia aus korrupter Politik und großen Unternehmen macht, kann dies nicht wirklich verwundern. Eine Überraschung brachte dagegen  Spiegel-Online, wo ein Augstein-Spross einen gar nicht so unfreundlichen Assange-Kommentar ablassen durfte: Man fürchtete offenbar in der Netzgemeinde auch noch den letzten Rest an Glaubwürdigkeit zu verlieren, wenn man sich allzu besinnungslos an der allgemeinen Hexenjagd auf Wikileaks beteiligt –in der Papierversion des Spiegel suchte  man den Beitrag freilich vergebens, aber das wird das Netz schon nicht mitkriegen, oder? Andere Medien zeigen auch mal (verpixelt) die beiden Schwedinnen.

Julian Assange befindet sich immer noch im Asyl der Londoner Botschaft von Ecuador. Der berühmte spanische Richter Baltasar Garzón führt jetzt als schlagkräftige juristische Verstärkung das Juristenteam, das die Rechte von Julian Assange und WikiLeaks verteidigt. Richter Garzón wurde in Madrid aus politischen Gründen seines Amtes enthoben, weil er korrupte Politiker und ihre Schmiergeldgeber abhören ließ –in Spanien ist diese Ermittlungsmethode, anders als in den meisten anderen Ländern, nur bei Terrorismus erlaubt. In unseren Mainstream-Medien hörte man darüber öfters nur, Garzon habe als Richter ‚seine Kompetenzen überschritten‘, dass dahinter die organisierte Verdunklung politischer Korruption steckte wurde verschwiegen. So schaffen sich korrupte Politiker ihre jeweiligen juristischen Schlupfwinkel, deutsche Parlamentarier weigern sich ja auch seit vielen Jahren, die UN-Korruptionsregeln für Abgeordnete zu ratifizieren und umzusetzen und degradieren Deutschland damit zu einem Entwicklungsland der Korruptionsbekämpfung.

Richter Garzón glaubte offenbar, die spanische Korruptionsbekämpfung auf ein neues Level heben zu können, denn er ist seit Oktober 1998 weltbekannt. Damals erließ er einen internationalen Haftbefehl gegen den chilenischen Ex-Diktator Pinochet. Pinochet wurde „Verschwindenlassen“, also Folter und Ermordung auch zahlreicher spanischer Staatsangehöriger vorgeworfen. Die Anklage stützte sich auf Berichte einer chilenischen Wahrheitskommission, die 1990-91 Pinochets Verbrechen untersucht hatte. Garzón schrieb damit Rechtsgeschichte, denn dies war der erste Fall weltweit, in dem unter Berufung auf das Weltrechtsprinzip des Völkerstrafrechts gegen einen ausländischen früheren Machthaber ermittelt wurde. Dennoch gab es gegen seine Amtsenthebung keinen Aufschrei der internationalen Medien. Kaum jemand kennt etwa hierzulande die Hintergründe, also seinen Kampf gegen  eine Mafia aus Politik und großen Unternehmen. Die großen deutschen Unternehmen der Medienbranche informieren uns darüber kaum, wie sie auch keinen Skandal bei der deutschen Nicht-Ratifizierung der UN-Korruptionsregeln sehen, die hierzulande helfen könnten im Kampf gegen  eine Mafia aus Politik und großen Unternehmen. Aber Ddie großen Unternehmen der Medienbranche berichten lieber über Pussy Riot, denn die Punkband prangert die Korruption von Machteliten jenseits des westlichen Machtblocks an und gehen auch nicht so unangenehm tief ins Detail wie Julian Assange oder Baltasar Garzon.

Im Zusammenhang mit dem Asyl von Assange machten sich unsere Medien Sorgen um die Pressefreiheit, wenn nicht gleich um die Menschenrechte in Ecuador und legen dabei besonderen Wert auf den Hinweis, Ecuadors Regierung sei linksgerichtet. So meldete die Tagesschau (20.15 Uhr 19.8.2012) in ihrer Meldung Nr.1 zur „Erklärung von Wikileaks-Gründer Assange“:

„Im diplomatischen Streit über das Asyl von Assange habe Ecuador  Unterstützung bekommen. Ein linksgerichtetes Bündnis aus Venezuela, Bolivien, Kuba und Nicaragua drohte Großbritannien mit ernsten Konsequenzen, falls es die Immunität der Botschaft missachten sollte.“

Auf der Seite von Wikileaks steht also nur ein „linksgerichtetes Bündnis“ und natürlich wird die Gelegenheit nicht versäumt zu wiederholen, dass Assange „sexuelle Nötigung zur Last gelegt wird“. Wenigstens scheint die verleumderische Lüge vom „Vergewaltigungsverdacht“ inzwischen nicht mehr so leicht über Journalistenlippen zu kommen. Auch der Versuch, Wikileaks mit Kuba, Venezuela & Co. in eine „linksgerichtete“ Ecke abzudrängen hielt nur einen Tag. Schon am 20.8.2012 schlossen sich alle Staaten Südamerikas der Warnung an die Adresse Großbritanniens an.

Was unsere Machthaber bzw. unsere Medien an einem „linksgerichteten Bündnis“ auszusetzen haben, wird natürlich auch nicht weiter erörtert: Etwa, dass seine linksgerichteten Mitglieder sich nicht der globalen Diktatur einer westlichen Mafia aus Politik und großen Unternehmen beugen wollen. So sind Bolivien und Venezuela ganz dreist aus dem ICSID ausgetreten. Das ICSID ist ein „völkerrechtliches Abkommen“, das nur Klagen von Konzernen gegen Staaten bei Investitionskonflikten entgegennimmt; alle anderen Parteien (Regierungen, Kommunen, Kunden, Arbeitende, von Umweltverbrechen Betroffene, ganz allgemein: Menschen) haben dort keine Rechte. Bisher haben vor dem ICSID mehrheitlich die Konzerne gewonnen, was es für eine Mafia aus Politik und großen Unternehmen sicher sehr sympathisch macht. Aktuell verklagt dort, so kürzlich der Attac-Ökonom Christian Felber, gerade der globale Nikotin-Dealer Philipp Morris die Regierung bzw. das Volk von Uruguay auf zwei Milliarden US-Dollar Schadenersatz, wegen entgangener Gewinne, weil dort der Nichtraucherschutz verschärft wurde.#

Felber, Christian und Mühlbauer, Peter: „Schmuggeln ist über das Internet schwieriger als durch den Wald“. Christian Felber über Wege aus den Finanz-, Währungs- und Staatsschuldenkrisen, Telepolis-Interview  21.05.2012

Augstein, Jakob: Das System schlägt zurück, SpiOnline, 20.08.2012

Gerd R. Rueger ist Autor von

Julian Assange: Die Zerstörung von Wikileaks?

FAZ, ZEIT und WELT: Hexenjagd auf Assange-Freund Correa

Galindo Gaznate 19.8.2012

Ecuador ist nicht beliebt bei deutschen Journalisten. Denn Ecuador sieht Assange als politischen Flüchtling, der mit Auslieferung an die USA und dort mit der Todesstrafe bedroht wird. Nachdem die Briten wegen Julian Assange Ecuador mit der Stürmung seiner Botschaft in London drohten, schlugen deutsche Journalisten unbarmherzig zu. Treu im Dienste der Menschenrechte traf ihre unbarmherzige Kritik –nicht London, wegen der Drohung mit Verletzung internationaler Abkommen, nicht Schweden, wegen der absurden Auslieferungs-Posse, sondern Ecuador. Dort -und nicht in London- seien

Tiounine Kommersant (Moskwa)

angeblich die Menschenrechte bedroht.

Ecuadors Botschafter in Berlin, Jorge Jurado, wehrte sich dagegen mit einem Kommentar in der jW:

„Die Entscheidung unseres Landes, Herrn Julian Assange diplomatisches Asyl zu gewähren, war und ist das legitime Recht der Regierung der Republik Ecuador als demokratisch gewählter Vertretung eines souveränen, international anerkannten Staates. Präsident Rafael Correa und Außenminister Ricardo Patiño haben ihre Entscheidung auf der Grundlage der weltweit herrschenden humanitären Prinzipien und aufgrund des in unserem Land herrschenden Respekts für die Menschenrechte getroffen. Eine Verletzung unserer Souveränität wäre deshalb keine bilaterale Angelegenheit zwischen unseren beiden Ländern mehr, sondern müßte als Bedrohung aller Staaten unseres Kontinents und darüber hinaus aufgefaßt werden. Ecuador würde deshalb die Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) einschalten, um eine gemeinsame Reaktion aller Länder unserer Region zu beraten.“

Aber die kleine Linkszeitung jW steht politisch wie orthographisch (mit „ß“ zum Soßialismus) fast allein in der deutschen Medienlandschaft da. In den Mainstream-Medien muss Ecuador sich jetzt dem strengen Blick deutscher Journalisten stellen, nicht Schwedens Staatsanwälte, die sich weigern, den wegen eines geplatzten Kondoms gejagten Assange in London zu befragen. Wozu Assange sich immer bereit erklärte, was nicht berichtet wird. Aber für FAZ, ZEIT, WELT & Co. ist ja viel nützlicher, andauernd die Sexualskandal-Farce mit der Behauptung eines „Vergewaltigungsverdachts“ wiederzukäuen (inzwischen sind einige deutsche Journalisten, offenbar unter dem Sturm der Kritik im Web, mühsam wieder zur unverfänglicheren Rede von „Sexualdelikten“ zurückgekehrt).

Ecuador aber will den USA die Suppe versalzen, einen weiteren Kritiker in Folterhaft zu bringen, wo Bradley Manning als mutmaßlicher Whistleblower eingekerkert ist und wie man sie in Guantanamo und Abu Guhraib sehen konnte. Die Regierung in Quito hatte sogar gewagt, mit scharfen Worten zu protestieren, warf den Briten sogar Kolonialismus vor. Das können FAZ, ZEIT, WELT & Co. natürlich nicht hinnehmen und schlagen zu:

„Dass sich ausgerechnet eine Regierung wie die Ecuadors als Verteidigerin der Menschenrechte aufspielen kann, ist beschämend“, kommentiert die FAZ, ohne weitere Begründung. Die ZEIT springt dem rechten Wirtschafts-Blatt bei: Um die Presse- und Meinungsfreiheit „unter Präsident Correa“ sei es „zunehmend schlecht bestellt“. Ebenso das Springerblatt WELT: Für Ecuadors Präsident Rafael Correa sei der Fall Assange „eine ideale Gelegenheit, seinen Ruf als pressefeindliches Staatsoberhaupt reinzuwaschen.“  Einen beschmutzen Ruf, den Quito maßgeblich dem Dreck verdankt, mit dem FAZ, ZEIT, WELT & Co. das kleine linksliberale Land bewerfen, das sich unter Correa westlichen Ausbeutungsmethoden widersetzt. Für französische Mainstream-Medien wurde eine ähnliche Gleichschaltung im Sinne der USA berichtet:

„Überall wird mit den selben Wörtern und in der selben Tonlage wie jene der rechten und rechtsextremen ecuadorianischen Presse Rafael Correa vorgehalten,  „ sich um die Pressefreiheit wenig zu kümmern“ und sogar, ohne Beweis und auch nur ohne Andeutung  einer Erklärung als „Chef eines Staates zu sein, der für seine anhaltenden Verletzungen der Pressefreiheit bekannt ist“ (Le Figaro“) „ die Redefreiheit zu Hause  zu malträtieren“ (Le Monde) , wenn er nicht gleich ein „Diktator“ genannt wird (in lateinamerikanischen Medien).“ Tlaxcala

Unterschlagen wird da wie hier die Vorgeschichte von Correas angeblicher „Pressefeindlichkeit“, die darin besteht, dass er bei der Abwehr eines Putschversuches gegen die regierungsfeindliche Zeitung El Universo vorgegangen war. Doch vor dem Putsch ging es um Öl und Umweltverbrechen: Der US-Konzern Texako/Chevron wurde in Ecuador wegen Umweltkriminalität angeklagt –und schließlich von einem Gericht in Quito zur Zahlung von mehr als acht Milliarden Dollar verurteilt. Texaco, 2001 von Chevron übernommen, förderte bis 1992 Erdöl im Osten Ecuadors, wo die Bewohner bis heute unter verseuchtem Trinkwasser, vergifteten Flüssen und Krebs leiden: Der US-Ölriese hatte das verseuchte Förderwasser nicht wie üblich wieder unter die Erde gepumpt, sondern einfach in die Landschaft geleitet, um ein paar Prozent Kosten zu sparen. Kein Wunder, dass Ecuador auf die Idee kam, für ein Naturschutzgebiet  über Erdöl-Lagerstätten eine Art ökologisches Stipendium bei der UNO zu beantragen – für Artenschutz statt Ölausbeutung.

Die kriminell verseuchte Zone, die US-Multi Texako hinterlassen hat, erstreckt sich über die gigantische Fläche von einer Million Hektar ökologisch wertvoller Regenwälder. Mit der korrumpierten damaligen Regierung in Quito waren die Gesetze so gestaltet worden, dass der US-Konzern sich heute keiner Schuld bewusst ist. Seine Verurteilung ist ein wichtiger Präzedenzfall gegen die ungehemmte Ausbeutung der Welt durch westliche Konzerne. Im Vorfeld der Verurteilung kam es 2010 zu einem Putsch gegen den linksliberalen Präsidenten Correa.

FAZ, ZEIT, WELT & Co. verschwiegen dies alles jetzt und auch, dass Correa bei dem Rechtsputsch von meuternden Sicherheitskräften entführt wurde und nur knapp mit dem Leben davon kam. El Universo, die als mächtigste private Tageszeitung Ecuadors schon vorher gegen Correa gehetzt hatte, beschuldigt nun nicht die Putschisten, sondern den Präsidenten als Verbrecher. Er hätte bei seiner Befreiung Todesopfer billigend in Kauf genommen und damit selbst ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen.

In dieser Situation, in der jederzeit ein weiterer Putsch drohte, wurde Chefredakteur Emilio Palacio und die Direktoren der Zeitung zunächst zu je drei Jahren Haft und insgesamt 40 Millionen US-Dollar Schadensersatz verurteilt. Später, als die Lage sich stabilisiert hatte, wurden sie von Correa begnadigt. Diese Affäre zu einer problematischen Menschenrechtslage in Ecuador aufzubauschen, wie von FAZ, ZEIT, WELT & Co. derzeit betrieben, ist hohe journalistische Kunst. Die Pressefreiheit Ecuadors ist wohl eher durch die marktwirtschaftliche Struktur des Mediensektors bedroht, der Landeskenner Jean-Luc Mélenchon weist darauf hin:

„Die ecuadorianischen „unabhängigen Medien“ befinden sich im persönlichen Besitz von sechs Familien, die sich der rechten und rechtsextremen Opposition verschrieben sind. Die Assange-Affäre kennen sie recht gut, denn sie hatten ihren Zeitungen verboten, die Diplomatenberichte von Wikileaks zu veröffentlichen.“

Correa war nicht der einzige Politiker in Lateinamerika, der Probleme mit den an US-Interessen orientierten Medien seines Landes bekam, als er sich für sein Land einsetzen wollte.  Sergio Fernández Novoa, Vorsitzender der Union lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen, sagte dazu:

„Wenn es also kein neues Mediensystem gibt, wenn neue Akteure keine Chancen erhalten, werden Regierung und weite Bevölkerungsteile ihrer Stimme kaum Gehör verschaffen können. Eben das ist ja auch dem bolivianischen Präsidenten Evo Morales im Konflikt mit der Opposition im Osten des Landes geschehen, oder dem ecuadorianischen Präsidenten Rafael Correa, als er versuchte, Privilegien bestimmter mächtiger Gruppen anzutasten.“

Im krassen Gegensatz zur aufgehetzten deutschen Journaille, lobt  Amnesty International Ecuador. Lutz Möller, Leiter des Fachbereichs Wissenschaft und Menschenrechte der Deutschen UNESCO-Kommission, gibt zu bedenken, dass Ecuador Zeit brauche, sich vom Erbe der korrupten US-hörigen Rechtsregierungen zu befreien. Jene ecuadorianischen Gesetze, die heute von Menschenrechtsorganisationen noch zu Recht bemängelt werden, hat Regierung Correas von ihren reaktionären Vorgängern geerbt. Jorge Jurado, ecuadorianischer Botschafter in Deutschland, bat um mehr Fairness bei der berichterstattung: „Wir haben ein schweres Erbe mit dieser Gesetzgebung, aber wir versuchen, die Gesetze nach und nach zu reformieren.“ Mit der reaktionären Vorgänger-Regierung und anderen rechten Unrechtsregimen, die aber westlichen Konzernen ihre Länder und Völker zur Ausbeutung überlassen, sind FAZ, ZEIT, WELT & Co. selbstredend nachsichtiger, was Menschenrechte angeht. Aber schließlich haben andere auch Julian Assange, Staatsfeind Nr.1 der USA, kein Asyl gewährt.

Denn Assange hat dem Westen mit „Collateral Murder“ den Spiegel vorgehalten, was dort zu sehen war, war die Fratze eines mordlüsternen Killers, feiger Massenmord, das Abschlachten von kritischen Beobachtern, zufälligen Zeugen, helfenden Zivilisten, kleinen Kindern; Täter: Unsere angeblich die Freiheit verteidigenden Truppen. Unglaubwürdig war plötzlich der strahlende Kriegsheld und humanitäre Helfer, den unsere Medien uns Jahr für Jahr zeigten. Dafür hassen die westlichen Machthaber Assange, dafür hassen ihn auch die Heerscharen von Journalisten, duckmäuserischer Redakteure, kriecherischer Reporter deren verlogenes Wunschbild Wikileaks hat platzen lassen. Darum hetzen sie jetzt Assange mit den übelsten Verleumdungen, die sie sich nur aus den Fingern saugen können. Sie hassen und Verteufeln Assange, Wikileaks und jeden der ihnen zu Hilfe kommt -wie aktuell Ecuador.

Siehe auch:

Rueger, Gerd R.: Julian Assange –Die Zerstörung von Wikileaks, Hamburg 2011, S.63-82.

Assange: Jagd auf einen Whistleblower

Gerd R. Rueger 18.08.2012

Die drohende Auslieferung des Wikileaks-Gründers Assange ist zu einer Staatsaffaire geworden. Die Briten drohten Ecuador mit der Stürmung seiner Botschaft in London, weil sie Assange Asyl gewährt. London lenkt ein, wie selbst zugegeben, nur aus Furcht, britische Botschaften in aller Welt könnten künftig ebenfalls Opfer solcher völkerrechtswidrigen Lynchjustiz werden.

Wikileaks fordert den Rücktritt des britischen Außenministers und die Regierung in Quito protestiert mit scharfen Worten, wirft den Briten Kolonialismus vor, mobilisiert die Weltöffentlichkeit, ruft internationale Gerichte an. Ecuador sieht Assange als politischen Flüchtling, der mit Auslieferung an die USA und dort mit der Todesstrafe bedroht wird. Assange hat Kriegs- und Staatsverbrechen der USA und anderer Machthaber aufgedeckt und wird deshalb wegen sogenannten „Geheimnisverrats“ verfolgt. Der angebliche Auslieferungsgrund nach Schweden ist als fadenscheinige Justizposse, die ursprünglich der Verleumdung von Assange dienen sollte, zu sehen.

Vergewaltigung!“ Journalisten als Lynchmob

Die hysterische Atmosphäre der des August 2012 wird in der Geschichte der westlichen Medien vermutlich als Tiefpunkt einer inhumanen Anti-Assange-Kampagne zu verzeichnen sein. In kaum einem deutschen Medienbeitrag über den Wikileaks-Gründer fehlte der Begriff „Vergewaltigung“ –obwohl lange bekannt ist, dass die dünnen Anklagepunkte der schwedischen Justiz sich maximal zwischen sexueller Belästigung und dem in Schweden sehr ausgedehnten Begriff des sexuellen Missbrauchs bewegen. Keine der beiden Schwedinnen, auf deren Anzeigen hin Assange von Interpol zur Fahndung ausgeschrieben wurde, hat je geleugnet, mit Assange einvernehmlichen Sex gehabt zu haben.

Assange hat sich in den letzten Jahren in unzähligen Verleumdungsklagen gegen britische Medien verschlissen, die dennoch stur auf ihrer Lüge von der „Vergewaltigung“, derer Assange angeblich verdächtigt würde, beharrten. Jeder Journalist kann heute wissen, dass es nicht um Vergewaltigung geht, sondern um ein geplatztes Kondom bzw. die Behauptung, es sei im Verlauf einer einvernehmlich durchvögelten Liebesnacht auch zu Sex ohne Kondom gekommen – angeblich entgegen dem Willen der Schwedin. Sie forderte von Assange einen Aidstest, was er verweigerte. Sie fand heraus, dass er noch mit einer anderen Schwedin einvernehmlichen Sex gehabt hatte und beide Frauen zeigten Assange an. Warum schreien die westlichen Journalisten dennoch fast unisono „Vergewaltigung!“ aus allen Medienkanälen? Die einzige Vergewaltigung, die hier vorzuliegen scheint, ist die Vergewaltigung der Menschenrechte des Julian Assange durch eine wildgewordene Journaille. Eine Journaille, die ihre Aufgabe nicht in der Verteidigung eines Whistleblowers sehen will, dem ein unfairer politischer Prozess gemacht wird.

Es ist aber nicht so, als ob unsere westlichen Journalisten Kritik an Machthabern nicht zu schätzen wüssten. Es dürfen nur nicht die Machthaber unseres eigenen, des westlichen Machtblocks sein, die kritisiert werden. Über „Pussy Riot“, die Punkband, die 30 Sekunden in Moskaus Hauptkirche einen Gottesdienst mit Putin-Schmähungen unterbrach, wird anders berichtet, da sieht z.B. die SZ den russischen Rechtsstaat in Gefahr. Minutenlang breitet sich die Tagesschau über den unfairen „politischen“ Prozess aus, spielt Bilder von weltweiten Unterstützern ein und Screenshots von Solidaritätsmails im Internet. Tags zuvor im Fall Assange gab es nichts dergleichen.

Dabei könnte wenigstens die deutsche TV-Leitsendung Tagesschau mitbekommen haben, dass auch die Internet-Plattform Wikileaks im Internet ein paar Unterstützer hat, deren unermüdlicher Kampf für Assange ein paar Screenshots wert gewesen wäre. Zur Motivation Schwedens hätten sie dort z.B. gefunden: „Sweden has frankly always been the United States‘ lapdog and it’s not a matter we’re particularly proud of.“ Assange supporter (im australischen OL-Magazin 4corners).

Stattdessen der dauernde verleumderische Verweis auf die angebliche „Vergewaltigung“, nicht relativiert oder hinterfragt – und kein Ton über die offensichtlichen Hintergründe der Auslieferungsfarce: die Kriegsverbrechen der USA und anderer westlicher Regierungen und deren aus politischer Motivation zum Verbrechen erklärte Enthüllung. Das totale Versagen der westlichen Medien im Krieg „gegen den Terror“ in Irak und Afghanistan setzt sich heute fort in Libyen, Syrien und bei Wikileaks. Leider fallen auch viele Medienkonsumenten dem dauernden Propagandafeuer zum Opfer, die es besser wissen könnten oder müssten, weil der Whistleblowerschutz ihr Metier ist -etwa das „Whistleblower-Network„, das sich von der Assange-feindlichen Stimmungsmache infiziert zeigt.

Die Verleumdung eines Whistleblowers

Was Julian Assange erleben muss, ist in seinem Arbeitsgebiet nichts prinzipiell Ungewöhnliches. Whistleblower werden regelmäßig Opfer von Rufmord-Kampagnen durch die Straftäter, deren Verbrechen oder Verfehlungen sie ans Licht gezerrt haben. Wikileaks hat grauenhafte Kriegsverbrechen der USA, der westlichen Besatzungstruppen in Irak und Afghanistan enthüllt. Mehr noch: Assange hat die Verbrechen einer abgestumpften, willfährigen westlichen Journaille so unmissverständlich unter die Nase gerieben, dass sich keiner mehr abwenden oder lapidar darüber hinweggehen konnte. „Collateral Murder“ hat das Selbstbild des Westens, vor allem der USA ins Mark getroffen und für immer verändert. Kein duckmäuserischer Redakteur, kein kriecherischer Reporter konnte ableugnen, was dort geschehen war: bestialischer, feiger Massenmord, das Abschlachten von kritischen Beobachtern, zufälligen Zeugen, helfenden Zivilisten, kleinen Kindern. Täter: unsere angeblich die Freiheit verteidigenden Truppen.

Assange hat dem Westen den Spiegel vorgehalten, was dort zu sehen war, war die Fratze eines mordlüsternen Killers – nicht der strahlende Kriegsheld und humanitäre Helfer, den unsere Medien uns Jahr für Jahr zeigten. Dafür hassen die westlichen Machthaber Assange, dafür hassen ihn auch die Heerscharen von Journalisten, deren verlogenes Wunschbild Wikileaks hat platzen lassen. Darum hetzen sie jetzt Assange mit den übelsten Verleumdungen, die sie sich nur aus den Fingern saugen können: „Vergewaltigung!“ Sogenannte Qualitätsjournalisten etwa von der Süddt.Zeitung können sich immerhin noch schwach erinnern: „Wikileaks publizierte Tausende geheimer Unterlagen, die das Vorgehen der USA in den Konflikten in Afghanistan und Irak beleuchten.“ -Das Vorgehen, aha, „beleuchten“ -da fragt man sich doch, wie dieser paranoide Assange wegen ein wenig Beleuchten von ein paar Vorgängen jetzt meint, die USA wollten ihn aus Schweden flugs in die Nachbarzelle von Bradley Manning expedieren…

Zitieren wir zum Schluss eine nüchterne, weibliche Stimme zum Thema des angeblichen Vergewaltigungsverdachtes: 2011 schrieb Antje Bultmann, Expertin für Whistleblower, in ihrem Beitrag „WikiLeaks und die Grenzwachen bürgerlicher Freiheitsrechte: wie die USA ihre demokratischen Ideale verraten“, in der kriminologischen Fachzeitschrift Big Business Crime:

„Zwei wehrlose Frauen? Beide Frauen sind Intellektuelle, keine ‚Hascherl‘ vom Land, Frauen, die sich später rächen wollten, weil Assange sich nicht mehr für sie interessierte. Jedenfalls ließ Anna Ardin sich im Internet darüber aus, wie man sich bei Männern rächen kann. Sie gingen zusammen zur Polizei. Die Beweislage war aber so dünn, dass die Klage fallengelassen wurde. Allerdings fanden sich ein paar Wochen später Argumente, die Verfolgung wieder aufzunehmen. Wie das? Über den Sinneswandel der Staatsanwaltschaft kann nur spekuliert werden. Auf was sich der Vorwurf der Vergewaltigung oder der sexuellen Belästigung bezieht, wurde dem Rechtsanwalt von Assange lange nicht gesagt. Amerika hat hier vermutlich mitgemischt. Es gibt ja wohl keinen zweiten Fall, der wie der von Assange wegen unterschiedlicher Ansichten um ein Kondom von Interpol zur Fahndung ausgeschrieben wurde. Der Gejagte stellte sich in London am 7. Dez. 2010 selbst der Polizei und wurde festgenommen.“ (Antje Bultmann, S.8)

Quellen

Bultmann, Antje: WikiLeaks und die Grenzwachen bürgerlicher Freiheitsrechte: Wie die USA ihre demokratischen Ideale verraten, in: Big Business Crime Nr.2, 2011, S.8-12.

Rueger, Gerd R., WikiLeaks, Whistleblower und Anonymous, in: Big Business Crime Nr.4, 2011, S.25f.

Rueger, Gerd R., Die Diskreditierung von Wikileaks basiert auf Lügen und Verdrehungen, in: The Intelligence, 19. 09. 2011, http://www.theintelligence.de/index.php/gesellschaft/volksverdummung/3263-die-diskreditierung-von-wikileaks-basiert-auf-luegen-und-verdrehungen.html

Rueger, Gerd R.: Kampagne gegen WikiLeaks? Die TV-Dokumentation “WikiLeaks – Geheimnisse und Lügen”, Berliner Gazette, 14.4.2012, http://berlinergazette.de/tv-doku-wikileaks-the-guardian/#more-29944

Rueger, Gerd R., Professorale Kampfdrohnen: Der Kampf für das Staatsgeheimnis und gegen WikiLeaks, in: Le Bohemien,18.10.11, http://le-bohemien.net/2011/10/26/professorale-kampfdrohnen/

Rueger, Gerd R.: Julian Assange –Die Zerstörung von Wikileaks, Hamburg 2011, S.63-82.

Zaschke, Christian: Nowhere Man: Julian Assange… SZ 17.08.2012, S.3.

Assange: Ecuador-Asyl -Briten-Justiz schlimmer als im Kalten Krieg

Gerd R. Rueger 16.08.2012

London. Die Briten drohen mit Stürmung der Botschaft, Ecuador reagiert scharf.

Selten hat ein politischer Flüchtling solchen Anlass zu militanter Verfolgung gegeben: Selbst die realsozialistischen Regime gingen nicht so weit wie jetzt London, etwa als DDR-Flüchtlinge in Ungarns Botschaft Asyl bekamen. Wir erinnern uns: Offiziell geht es immer noch um eine schwedische staatsanwaltliche Befragung wegen geplatzten bzw. weggelassenen Condomen, was unter extrem windigen Vorwänden zu einer sexuellen Straftat aufgebauscht wurde (mutmaßlich um Julian Assange als Vergewaltiger verunglimpfen zu können -er muss sich immer noch in Hunderten Fällen gegen entsprechende Lügen in der Britischen Presse und weltweit zur Wehr setzen).

Ecuador keine Kolonie der Briten

In einer kurzen Pressekonferenz gab heute Ecuadors Außenminister Ricardo Patino bekannt, dass Ecuador eine entsprechende Mitteilung der Briten erhalten hat -was der Botschafter als unerhörten Affront betrachte, so Detlef Borchers. Ecuador sei souverän, keine Kolonie irgendeiner Imperialmacht und weise in aller Deutlichkeit die britische Drohung zurück. Botschafter Patino gab inzwischen bekannt, dass Ecuador dem Wikileaksgründer Asyl gewährt. Wikileaks protestierte scharf gegen die Behandlung von Julian Assange durch die Briten.

Formal gesehen könnte die britische Regierung Assange freies Geleit zum Flughafen gewähren, von dem aus er nach Südamerika ausreisen würde (die ach so totalitäre DDR verfuhr so mit den „politischen“ Flüchtlingen aus Ostdeutschland). Gegenüber Reuters erklärte London jedoch, dass man angesichts des schwedischen Auslieferungsgesuchs „Verpflichtungen zu erfüllen“ hätte. Wenn jeder Ausländer, der Schweden nach Meinungsverschiedenheiten um ein Condom verlassen hat, derartiger Strafverfolgung unterliegen würde, hätte Interpol wohl viel zu tun gehabt.

Sollte die britische Justiz auf dem Haftbefehl bestehen, könnte der von den USA zum Staatsfeind Nr.1 erklärte Hacker also auf dem Weg zum Flughafen festgenommen werden. Und genau das ist wohl zu befürchten, wenn man das unverhältnismäßige agieren Londons betrachtet. Eine derartig agressive Tonlage spricht weniger für ein Auslieferungsverfahren in einem läppischen Fall in Schweden als vielmehr für eine ernstere Planung: Die Auslieferung in die USA nebst Anklage wegen Geheimnisverrat usw. unter Androhung der Todesstrafe.

The Cloud is Big Brother 2012

Gerd R. Rueger 09.08.2012 BigBrotherAwards-Logo

„Cloud“ ist mehr als ein Buzz-Word aus dem PR-Babbel des Netz-Biz. Es steht für eine Untergrabung von Privacy und Datenschutz durch Firmen. Daher haben die BBA-Juroren diesmal einen „Trend“ gekürt, der sich durch alle Webanbieter zieht…

BigBrotherAward der Kategorie Kommunikation: „an die Cloud“

Der BigBrotherAward in der Kategorie Kommunikation geht an die Cloud als Trend, Nutzerinnen und Nutzern die Kontrolle über ihre Daten zu entziehen. Wer Adressbücher und Fotos – und damit die Daten anderer Menschen – oder Archive, Vertriebsinfos und Firmeninterna unverschlüsselt in den undurchsichtigen Nebel der Cloud verlagert, handelt mindestens fahrlässig. Fast alle Cloud-Anbieter sind amerikanische Firmen – und die sind laut Foreign Intelligence Surveillance Act verpflichtet, US-Behörden Zugriff auf alle Daten in der Cloud zu geben, auch wenn sich die Rechnerparks auf europäischem Boden befinden. Das 2008 vom Bundesverfassungsgericht postulierte Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme wird damit eklatant verletzt.

Der BigBrotherAward 2012 in der Kategorie „Kommunikation“ geht an die Cloud Laudatorin Rena Tangens:

„…geht an die Cloud als Trend, den Nutzerinnen und Nutzern die Kontrolle überVollbild anzeigen ihre Daten zu entziehen.

Aber warum das denn? So eine Schäfchenwolke – die sieht doch nett aus! Und die sind voll im Trend! Bei der diesjährigen CeBIT wurde über kaum was anderes als über das so genannte „Cloud-Computing“ gesprochen. Na, dann gucken wir sie uns doch mal genauer an, diese Schäfchenwolke …

Wo ist denn da der Preisträger? Es sieht so aus, als sei da niemand so richtig verantwortlich. Näher herangehen … mal gucken …. aber auch von Nahem besehen ist das vor allem Nebel … Bevor Sie jetzt blind der Nebelschlussleuchte Ihres Vordermannes nachfahren und auch Ihre Daten ach-so-einfach in der Cloud abspeichern, versuchen wir mal etwas Aufklarung – und Aufklärung – zu bringen.

Was ist überhaupt eine Cloud?

Eigentlich ist das gar nicht so schwer. Eine Cloud ist ein Computer, oder mehrere Computer, das weiß man nicht, weil man die Cloud eben nicht sehen kann. Klingt komisch, ist aber so. Cloud bedeutet, dass man irgendeine Infrastruktur, irgendeine Software oder irgendeinen Speicherplatz auf irgendeinem Rechner oder mehreren Rechnern benutzt, die diesen Service übers Netz anbieten, und zwar immer so viel, wie ich gerade brauche. Wer? Was? Wo? Wieviele? Kann mir doch egal sein, das ergibt sich irgendwie und solange es funktioniert, ist doch alles super. Frei nach dem Motto: „Was interessiert mich die Atomkraft, mein Strom kommt aus der Steckdose.“

Die Cloud ist undurchsichtig – zumindest für die Nutzer/innen: Was passiert eigentlich wo? Für die Nutzer/innen geht inzwischen der Unterschied zwischen „Dies habe ich auf meinem Rechner gespeichert „ und „Das wird irgendwo online abgelegt“ verloren. Und den Anbietern dieser Dienste ist das ganz recht so. Es soll ja vor allem alles einfach sein, oder?

Aber wer doch mehr wissen will, bei seinem Flug durch die Wolke, der sucht vergeblich nach dem Kabinenpersonal. Kennen Sie die schöne Geschichte aus der Netz-Frühzeit, in der Computer-Betriebssysteme (DOS, Windows, Mac, Unix etc.) mit Fluglinien¹ verglichen werden? Windows sieht nett aus, stürzt aber unvermittelt ab, bei Unix müssen alle Fluggäste beim Bau des Flugzeugs mit anfassen. Bei der Macintosh-Airline sehen alle Angestellten gleich aus, egal ob Bodenpersonal, Pilot oder Steward. Und wenn Sie eine Frage haben, dann klopft man Ihnen auf die Finger und sagt „Das brauchen Sie nicht zu wissen, das wollen Sie auch gar nicht wissen – und jetzt gehen Sie zurück an Ihren Platz und schauen einen Film.“ So ungefähr läuft das auch bei der Cloud. Die Grenze zwischen Nutzerfreundlichkeit und Bevormundung durch Technik ist nicht nur bei Apple seit längerem überschritten.

Die persönlichen Daten, irgendwo im Bits-und-Bytes-Nebel – viele fürsorglich umwölkte Nutzerinnen denken, dass ihre Daten ihnen gehören und dass nur sie selbst sie wieder aus den Wolken holen könnten. Weit gefehlt!

Wer sich ein bisschen mehr Gedanken macht, sucht sich einen Cloud-Anbieter, dessen Rechnerparks in Europa stehen. Und denkt: „Server in Europa, alles gut, denn hier sind die Datenschutzgesetze ja viiiiiiiiel besser als auf der anderen Atlantikseite.“ Pustekuchen!

Anders als viele Privatanwender und auch Firmenkundinnen denken, ist es egal, ob sich die Rechner der Cloud in Europa, in den USA oder anderswo befinden: Sobald die Betreiberfirma eine amerikanische ist, muss sie den amerikanischen Behörden Zugriff auf die Daten auch europäischer Kund/innen geben. Dazu ist sie nach dem US-Antiterrorgesetz „Patriot Act“ und dem „FISA Amendments Act of 2008“ (Foreign Intelligence Surveillance Act) Absatz 1881 verpflichtet. Die Nennung von „remote computing services“ meint unter anderem „Cloud Computing“. Caspar Bowden, ehemaliger Datenschutzbeauftragte von Microsoft Europe, 2011 gefeuert, wird nicht müde, auf diesen Punkt hinzuweisen und den Datentransfer von Europa in die USA anzuprangern.

Auch ENISA, die EU-Agentur für Netzsicherheit, warnt, dass europäische Unternehmen beim Cloud Computing leichtfertig sensible Daten aus der Hand gäben.

Ganz konkret: Microsoft räumte im Juni 2011 ein, europäische Daten aus seinem Cloud-Dienst Office 365 an US-amerikanische Regierungsstellen weiterzureichen. Microsoft könne auch nicht garantieren, dass die betroffenen Nutzer davon benachrichtigt würden. Denn die Geheimdienste können sie per Maulkorberlass („gagging order“) zwingen, die Maßnahme zu verschweigen. Ein Unternehmenssprecher von Google folgte im August 2011 und erklärte, dass Google schon mehrfach Daten europäischer Nutzer an US-amerikanische Geheimdienste weitergeleitet habe.

Und an dieser Stelle wird die Schäfchen- zur Gewitterwolke: Hier kollidiert amerikanisches Recht mit dem deutschen Grundrecht, das 2008 vom Bundesverfassungsgericht im Urteil gegen die Online-Durchsuchung von Computern postuliert wurde: Das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.

Dabei gibt es da doch das „Safe Harbor“ Abkommen zwischen USA und EU, durch das amerikanische Unternehmen zusichern, europa-ähnliche Datenschutzregeln einzuhalten. Microsoft, Amazon, Google, Hewlett-Packard und Facebook gehören dazu. Doch die Unternehmen zertifizieren sich selbst – ohne unabhängige Kontrolle. Die sogenannte Galexia-Studie stellte 2008 fest, dass von 1.597 amerikanischen Unternehmen, die in der Safe Harbor Liste stehen, tatsächlich nicht mehr als 348 auch nur die formalen Voraussetzungen für diese Zertifizierung erfüllten. „Safe Harbor“ ist mitnichten ein „sicherer Hafen“, sondern eher eine Fata Morgana.

Denn lüften wir den Nebel einmal weiter und blasen wir uns den Blick auf die Beweggründe der Cloud-Anbieter frei: Denn warum schützen die Cloud-Anbieter die Daten ihrer Kundinnen und Kunden nicht besser? Da gibt es doch mittlerweile viele schöne Worte in den Nutzungsbedingungen a la „Ihre Privatsphäre ist uns wichtig …“ „Wir sind uns des Vertrauens bewusst, das unsere Nutzer in uns setzen und unserer Verantwortung, ihre Privatsphäre zu schützen …“ und so weiter und so fort. Der Datensicherheitsexperte Christopher Soghoian nennt diese Prosa passenderweise „Privacy Theatre“. Tatsächlich machen die Cloud-Anbieter keinerlei Anstrengungen, die Nutzerinnen und Nutzer zu schützen und eine starke Verschlüsselung für die gespeicherten Daten anzubieten. Aber warum eigentlich?

Da gibt es mehrere Gründe. Der Cloud-Anbieter Dropbox zum Beispiel spart schlicht Speicherplatz, indem er die Hashwerte der Dateien der Nutzer vergleicht – und wenn der gleich ist, die Datei nur einmal abspeichert, auch wenn sie vielen Nutzerinnen „gehört“. Dropbox versprach Nutzern eine sichere Verschlüsselung, doch tatsächlich hat Dropbox den Generalschlüssel. Auch Apple kann verschlüsselte iCloud-Daten einsehen und behält sich in den Nutzungsbedingungen vor, die Daten zu entschlüsseln und weiterzugeben, wenn sie es für „angemessen“ halten.

Google, Amazon, Facebook etc. haben noch einen anderen wichtigen Grund: Ihre Dienste sind „gratis“ und finanzieren sich durch Werbung. Und um die Werbung auf die Nutzerinnen und Nutzer gezielt psychologisch und kontextabhängig abzustimmen, müssen die Firmen deren Inhalte lesen können. So einfach ist das.

Warum aber lassen sich so viele Menschen und Firmen auf das Cloud-Computing ein? Vielleicht, weil sie einfach ihren Verstand ausschalten, sobald ein Angebot gratis ist. Erstmal alles nehmen, kostet ja nix. Bei der Wahl zwischen kurzfristigem ökonomischen Vorteil und einem langfristigen abstrakten Wert wie der Privatsphäre zieht der abstrakte Wert fast immer den Kürzeren.

Klar, die Cloud ist praktisch und günstig. Aber sie bedeutet eben auch, sich der Kontrolle eines gewinnorientierten Konzerns auszuliefern, der die Regeln bestimmt und bei Bedarf willkürlich auslegen kann. Wer viel über mich weiß, hat mich in der Hand.

Sorry, liebe investigative Journalisten, wer einen GMail-Account zur Kommunikation mit Informanten nutzt und seine Dokumente mit der Redaktion auf Google Docs teilt, handelt fahrlässig. Wer wie Wikileaks Speicherplatz bei Amazon als Mirror mietet, darf sich nicht wirklich wundern, wenn der unter politischem Druck plötzlich gesperrt wird.² Und der Aachener Fotograf, der künstlerische erotische Fotografien (wohlgemerkt keine Pornografie) im persönlichen Bereich einer Cloud abspeicherte und sich dann wunderte, als ihm mit Sperrung des Zugangs gedroht wurde, sollte er das Material nicht binnen 48 Stunden entfernt haben – na, der hatte halt die Nutzungsbedingungen nicht gelesen – (ich vermute, irgendwo auf Seite 68 von 71, in hellgrau, 3 Punkt Schrift) – wo steht, dass anstößiges Material nicht in der Cloud gespeichert werden darf³. Diese Beispielreihe könnten wir endlos fortsetzen.

Die Cloud kommt modern, bequem und flexibel daher. Tatsächlich markiert die Cloud als Trend einen Rückschritt: Vom intelligenten Personal Computer zurück zum dummen Terminal am Großrechner – nur dass das dumme Terminal jetzt „Smartphone“ heißt und der Großrechner „Internet“. All diese Geräte werden dafür designt, dass sie uns ständig „online“ – an der Leine – halten – soll heißen mit ständiger Verbindung zum und in Abhängigkeit vom Internet.

Richard Stallman, Gründer der „Free Software Foundation“, hat es auf den Punkt gebracht: Er nannte die Cloud eine Verschwörung, um den Nutzerinnen die Kontrolle über ihre Daten zu entziehen. Und es spricht einiges dafür, dass er damit Recht hat.Und jetzt alle im Chor: „Wenn ich für den Service einer Firma nichts bezahlen muss, bin ich nicht die Kundin, sondern das Produkt, das verkauft wird.“ Den sollten wir uns alle als Merksatz an den Badezimmerspiegel kleben.

So schön es wäre, sich Speicher- und Rechnerkapazitäten ganz nach Bedarf mit anderen zu teilen – ob vertrauenswürdige Cloud-Dienste überhaupt geben kann, das muss erst erforscht werden. Ein entsprechendes EU-Projekt läuft gerade beim Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein an, wo wir es in guten Händen wissen.

Um zwei andere Punkte werden wir uns selber kümmern müssen: Wir müssen uns energisch in die gerade laufende Gestaltung der neuen europäischen Datenschutzrichtlinie einmischen und uns für eine Einschränkung des Datentransfers in die USA stark machen. Dafür wollen wir mit mehr Kräften nach Brüssel. Die amerikanischen Lobbyisten sind längst dort. Und wir müssen unsere eigene digitale Mündigkeit bewahren – und das bedeutet vor allem, uns technisch und juristisch kundig machen und nicht immer den bequemsten Weg gehen.

Eigentlich mögen wir Wolken – wie langweilig wäre der Himmel ohne sie und Regen braucht ja auch ein Transportmittel. Und wir lieben die ebenso verschrobene wie charmante britische „Cloud Appreciation Society“ (Gesellschaft zur Wertschätzung der Wolken).

Aber vielleicht ist die Wolke ja auch das falsche Bild und es handelt sich eigentlich um eine alte Bekannte: Eine Datenkrake, die sich nur mit einer Wolke aus Tinte vernebelt.

Herzlichen Glückwunsch zum BigBrotherAward!“

Anmerkungen/Fußnoten:
¹ http://www.eecis.udel.edu/~zurawski/humor/new_os_air.html

² heise.de: Amazon bestreitet politischen Druck wegen Wikileaks
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Amazon-bestreitet-politischen-Druck-wegen-Wikileaks-4-Update-1146758.html

³ Aachener Zeitung: Wie ein Handy-Fan von Wolke Sieben fiel
http://www.aachener-zeitung.de/news/topnews-detail-az/1533902?&_jumps=0&_g=Wie-ein-Handy-Fan-von-Wolke-Sieben-fiel

Weitere Preise erhielten:

Behörden und Verwaltung: Innenminister Sachsen

Der BigBrotherAward 2012 in der Kategorie Behörden und Verwaltung geht an den Sächsischen Staatsminister des Inneren, Herrn Markus Ulbig, für Funkzellenabfragen im Raum Dresden. Nachdem am 19. Februar 2011 in Dresden 20.000 Menschen gegen einen Nazi-Aufmarsch demonstriert hatten, forderten das Landeskriminalamt und die Polizei in Dresden die Telekommunikationsverbindungsdaten für 28 Funkzellen an, die Masse davon aus dem örtlichen Bereich des Versammlungsgeschehens. Bald tauchten die erhobenen Daten in Strafverfahren auf, für die man sicher keine Funkzellenabfrage genehmigt bekommen hätte. Der Preisträger verteidigt den ausgelösten Daten-Tsunami von über einer Millionen Datensätze zu inzwischen mehr als 55.000 identifizierten Anschlussinhaberinnen und -inhabern bis heute als rechtmäßig.Mehr

Politik: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich

Der BigBrotherAward 2012 in der Kategorie „Politik“ geht an Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU) für die Einrichtung eines Cyber-Abwehrzentrums ohne Legitimation durch den Bundestag, für die Einrichtung eines Gemeinsamen Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus (GAR), ebenfalls am Parlament vorbei, sowie für den Plan, alsbald eine gemeinsame zentrale Verbunddatei „gewaltbezogener Rechtsextremismus“ zu errichten. Mit der geplanten Verbunddatei und den neuen Abwehrzentren werden Polizei, Geheimdienste und teilweise das Militär auf problematische Weise vernetzt und verzahnt – unter Missachtung des historisch begründeten Verfassungsgebotes, nach dem diese Sicherheitsbehörden strikt voneinander getrennt sein und getrennt arbeiten müssen.Mehr

Verbraucherschutz: Blizzard Entertainment

Der BigBrotherAward 2012 in der Kategorie „Verbraucherschutz“ geht an die Firma Blizzard Entertainment für diverse Datenschutzverletzungen bei ihren Online-Spielen (z.B. World of Warcraft). Aus der protokollierten Spieldauer, erhobenen Rechnerdaten, dem Abgleich von Freundeslisten und dem zum Teil öffentlich im Netz einsehbaren Spielerverhalten (z.B. wie hat jemand eine bestimmte Aufgabe gelöst) lassen sich Persönlichkeitsprofile und Charakterstudien erstellen. Für eine entsprechende Auswertung wurde bereits 2007 ein US-Patent eingetragen – auf einen wissenschaftlichen Mitarbeiter von Google. Stück für Stück werden die Methoden zur Datenklauberei in den endlosen Nutzungsbedingungen weiter ausgeweitet. Immerhin: Der Versuch, den Zwang zu öffentlichen realen Klarnamen einzuführen, wurde durch Spielerproteste verhindert – noch.Mehr

Technik: Gamma International

Den BigBrotherAward in der Kategorie Technik erhält die Gamma Group, in Deutschland vertreten durch die Gamma International in München, namentlich den Prokuristen Stephan Oelkers, für ihre Software „FinFisher“. Gamma wirbt damit, dass Sicherheitslücken in iTunes und Skype genutzt werden, um z.B. per gefälschten Updates Spionagesoftware auf andere Rechner einzuschleusen und über ihre Software FinSpy Mobile auch auf Blackberrys zugreifen zu können. Gamma-Software wird an Geheimdienste und staatliche Institutionen im In- und Ausland verkauft. Gefunden wurde sie zum Beispiel bei der Erstürmung der Kairoer Zentrale des ägyptischen Geheimdienstes durch Bürgerrechtler.Mehr

Arbeitswelt: Bofrost

Der BigBrotherAward 2012 in der Kategorie Arbeitswelt geht an die Firma Bofrost für die rechtswidrige Ausforschung von Daten auf einem Betriebsratscomputer. Bofrost hat die Dateiinformation eines dort gefundenen Schreibens verwendet, um einem Betriebsratsmitglied zu kündigen. Das Arbeitsgericht hat die Unzulässigkeit dieses Vorgehens bestätigt. Auf einem Computer eines anderen Betriebsrats wurde ohne Zustimmung des Betriebsrats die Fernbedienungssoftware Ultra VNC installiert und erst nach gerichtlichem Vergleich wurde zugesichert, dies in Zukunft zu unterlassen. Mehr

Die US-Strategie denkt um: Slawen, Russen und Rassismus

Wikileaks, geopolitische und ideologische Hintergründe der aktuellen Medienkampagnen gegen Griechenland

Gerd R. Rueger, 07.08.2012

Zbigniew Brzezinski, Ex-Direktor der Trilateralen Kommission, ist ein Nestor des Kalten Krieges, einflussreicher Polit-Technokrat der US-Think-Tank-Szene, nach Henry Kissinger vielleicht wichtigste graue Eminenz des außenpolitischen Establishments der USA. Dekade um  Dekade wiederholte er seine Hauptparole „Delenda Russia“ in verschiedenen rhetorischen Variationen mit der Beharrlichkeit eines Cato –bis jetzt. Sein neues Buch „Strategic Visions“ brachte die Sensation: Brzezinski deutet Fürsprache für einen Pakt der USA mit Putins GUS an [1]. Wie der Brzezinski-Beobachter Hauke Ritz in seiner hier maßgeblichen Analyse betont, war die von ihm beschriebene „erstaunliche Wandlung“ keineswegs vorherzusehen.

Und dies gerade jetzt, wo deutsche Medien just anti-russische, anti-slawische Ressentiments in einer zynischen Medienkampagne auf Griechenland ausdehnten –womit sie eine alte ideologische Tradition von Jakob Fallmerayer bis Alfred Rosenberg im Dienste aktueller Finanzkriminalität mobilisierten.

Geopolitischer Hintergrund: Mackinders Weltinsel-Theorie

Hauke Ritz zufolge war Geopolitik immer Hauptanliegen des als Russenhasser bekannten Alt-Strategen. Bei seinen alten wie auch bei seiner neuesten Strategie orientierte sich Brzezinski stets implizit an Konzepten des englischen Geopolitikers Halford J. Mackinder (1861-1947). Mackinder spricht von einer globalen Zentralregion (dem Heartland) in der Mitte der eurasischen Landmasse und bezeichnet dieses Gebiet als geographischen Angelpunkt der Geschichte [2]. Die geopolitische Bedeutung dieser Region beruht auf ihrer geografischen Lage: Zentralasien und Sibirien sind für Mackinder uneinnehmbare Festungen, für Seemächte unerreichbar –so sieht es sein angelsächsischer Blick. Zentralasien war daher in der Geschichte immer wieder Ausgangspunkte für Eroberungszüge an den Rand des eurasischen Kontinents, wie Invasionen hunnischer und mongolischer Steppenvölker nach Europa, aber auch bis nach Persien, China und sogar Indien belegen.

Seit Iwan der Große, der Großfürst von Moskau, 1485 Russland nach der Unterwerfung Nowgorods einte und in der Folge die Mongolen der Goldenen Horde zurückdrängen konnte, beherrscht Russland dieses Herzland. Damit ist seit bald einem halben Jahrtausend das strategische Zentrum der Weltinsel russisch, das Zentrum einer gigantischen Landmasse, welche annähernd 60% der globalen Wirtschaftsleistung, 75% der Weltbevölkerung und 75% der bekannten Energievorkommen beherbergt. Russland nahm damit eine besondere Stellung in Europa ein, die in der Zeit der maritimen Entdeckungen und kolonialen Eroberungen als Randstellung erschien, die sich in ökonomischen Nachteilen und kulturellen Besonderheiten äußerte.

Iwan, der „erste Zar über ganz Russland“, stellte sich von Anfang an in die Tradition von Byzanz –im Einklang mit der russisch-orthodoxen Kirche. Er übernahm nicht nur das Wappenbild des byzantinischen Doppelkopfadlers, sondern heiratete auch Zoe Sophia Palaiologina, die Nichte des letzten Kaisers von Byzanz. Hier wurzelt neben dem geopolitischen Wettbewerb auch kulturell-ideologischer Konfliktstoff mit Europas latinisiertem Westen. Aus dieser Teilung resultierten subkutan schwelende Ressentiments, die sich bis hinein in aktuelle, vordergründig finanzplutokratisch motivierte Medienkampagnen gegen Griechenland erahnen lassen.

Brzezinski, der Kalte Krieger

Zbigniew Brzezinski war, so Ritz, zumindest zeitweise in beiden US-Regierungsparteien verankert. So war er einerseits Mentor von Madeleine Albright, Bill Clintons Außenministerin. Aber seine Position im Center for Strategic and International Studies (CSIS), dem u.a. Henry Kissinger angehört, sicherte seinen Einfluss auch in Kreise der Republikaner hinein. Die doppelte Verankerung in beiden Parteien lässt sich jedoch nur für die Periode Carter, Reagan wirklich festellen. Für gut möglich halten Brzezinski-Kenner aber, dass der Nestor der US-Strategie neben Clinton auch noch auf Bush Sen. Einfluss ausgeübt hat. Spätestens auf die Bush Jun. -Administration hatte er aber wohl keinen Einfluss mehr, was durch seine Opposition zu George W. Bush deutlich wird.

Brzezinski wurde, so Ritz,  auch als Obama-Berater gehandelt, sein Sohn Mark Brzezinski gehörte zum Obama-Team und seine Tochter Mika Brzezinski, eine TV-Journalistin, ergriff Partei für den ersten schwarzen US-Präsidenten. Aber seine Position im Center for Strategic and International Studies (CSIS), dem u.a. Henry Kissinger angehört, sicherte seinen Einfluss auch in Kreise der Republikaner hinein. Als Hardliner im Kalten Krieg griffen vor allem Ronald Reagan und die beiden Bush-Präsidenten gerne auf Brzezinskis sowjet- und russlandfeindlichen Thesen zurück. 1998 enthüllte er dem Le Nouvel Observateur in einem spektakulären Interview, dass die USA die Mudschaheddin bereits vor dem Einmarsch der Roten Armee (1980) finanziert hatten, um Moskau in “seinen Vietnamkrieg“ zu treiben [3a].

Noch 2008 hatte Brzezinski Putin mit Hitler verglichen, sehr zur Freude deutscher Reaktionäre [4]. Brzezinski sprach sich damals während der Georgienkrise für eine dauerhafte Isolierung Russlands aus, ganz i.S. einer an Mackinder orientierten Strategie der Umklammerung des russischen Heartland von der Südflanke her. Das Ausspielen von Islam und China gegen Putin sollte die GUS von zentralasiatischen Ressourcen abschneiden und diese in die Gewalt des US-Unilateralismus bringen. In Brzezinskis letztem großen Buch „The Grant Chessboard“ (1998) ging es um die Kontrolle über Zentralasien, und er phantasierte dort von einer „neuen Seidenstraße“, so Brzezinski-Experte Ritz, geschaffen durch eine ostwärts expandierende EU und eine Nato, die sich Georgien und die Ukraine einverleiben sollte. Bis hin nach China, dem potentiellen Verbündeten gegen das dann fest umklammerte russische Heartland, sollte die anti-russische Zone sich erstrecken. Ein Gürtel aus Handelsrouten, Pipelines, pro-westlichen Staaten und US-Militärbasen würde diese „Seidenstraße“ zum Rückgrat einer neuen Weltordnung unter Führung Washingtons machen.

Die unter Boris Jelzin heruntergewirtschaftete GUS sah Brzezinski damals als gescheiterten Staat, als „schwarzes Loch“ [5]. Russland war für ihn ein geschlagener Staat, der in Armut und Chaos versinken, womöglich sogar einer territorialen Dreiteilung entgegen blicken würde: Ein europäisches Russland wäre von einer sibirischen und einer fernöstlichen Republik abzutrennen. Die USA dagegen sah er als Sieger im Kalten Krieg und für mindestens eine Generation als führende alleinige Supermacht, deren „Kultur“ danach in einem transnationalen System von globalen Konzern- und Finanzverflechtungen weiter existieren könne. Brzezinskis größenwahnsinnige Weltherrschaftsideen stellten dabei für US-Verhältnisse noch die bescheidene Variante des autoritären Machtdenkens dar. Die Neokons, um den Bushclan und seine Öl-, Energie- und Rüstungsmafia herum angesiedelt, beanspruchten dagegen das komplette 21.Jahrhundert, so Ritz, also mindestens drei Generationen,  für die Weltführungsmacht USA. Sie verzierten ihre Ideologie mit einem Glorienschein evangelikaler Prädestinationslehre, doch die Dinge liefen nicht so glatt für die US-Unipolarität, wie sich mancher in Washington es erträumt hatte.

WikiLeaks ruinierte die „Second Chance“

2008 sah Brzezinski die Rolle der USA schon weit weniger enthusiastisch, sprach aber immerhin noch von einer „Second Chance“ für die unipolare Supermacht Amerika. Er ging mit der besinnungslosen Großmannssucht der Neokons hart ins Gericht. Ihre grenzenlose Gier und ihr plumper Imperialismus hätten das Ansehen Amerikas ramponiert und damit verhindert, dass seine, Brzezinskis, Vorhersagen sich hätten in die Tat umsetzen lassen. Der blutige globale Bush-Krieg „gegen den Terror“ hätte die USA in der islamischen Welt zum Satan gemacht und ihre  geopolitische Position dadurch empfindlich geschwächt. Die erfrischende Offenheit seiner Kritik an der Bush-Administration setzt sich 2012 noch drastischer fort:

„…profit-motivated mass media exploites public fears allowing for the demagogically inclined Bush administration to spend eight years remaking the united States into a crusader state. The ‚war on terror‘ became synonymous with foreign policy…“ Brzezinski, Zbigniew: Strategic Vision: America and the Crisis of Global Power, Basic Books 2012, S.122

Die Lügengebäude, die westliche Medien zur Glorifizierung der Besatzungsregime in Irak und Afghanistan fabrizieren, haben seitdem sogar im westlichen Lager stark an Glaubwürdigkeit verloren, wozu insbesondere Julian Assange mit seinen Enthüllungen auf WikiLeaks beigetragen haben dürfte [6] -was Brzezinski natürlich kaum zugeben dürfte. Die Feindschaft der US-Machteliten gegen Wikileaks hat hier ihren Ursprung und Brzezinski straft die Whistleblower-Plattform auch mit Nichterwähnung –obwohl er die Netzmedien immerhin kurz als Mitauslöser des arabischen Frühlings bzw. eines „political awakenings“ würdigt (S.30f.). Ansonsten firmiert das Internet bei ihm unter „global commons“ (neben Trinkwasser, Umwelt, Ozeanen, Arktis, Weltraum und Atomwaffenkontrolle) und er findet die bisherige Dominanz der USA bei der Verwaltung dieser Commons ganz fabelhaft (S.110ff.).

Gegen die Entwicklung einer Achse Moskau-Peking, so Brzezinski schon 2008,  hätte eine tolpatschige US-Diplomatie zu wenig getan –den Rest gab den USA auch auf dieser Ebene vermutlich, was aber Brzezinski zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen konnte, 2010 die Publikation der US-Depeschen durch WikiLeaks [7]. Wikileaks erwähnt er nicht, spricht aber öfters von der „revolution in communication technology“, die zusammen mit den „youth bulges“, den demographischen Wellen junger Menschen in einigen Ländern, zu explosiven politischen Entwicklungen geführt habe (Strategic Vissions,  S.30).

Wird Brzezinski altersmilde?

Angesichts zahlreicher Rückschläge sieht der „neue Brzezinski“ in seinem neuesten Buch die Washingtoner Weltherrschaftspläne als Makulatur an, auch Obama habe versagt, den US-Amerikanern die Wahrheit über die schrumpfende Bedeutung der USA zu sagen. Er konstatiert die wachsende Schwäche des Westens, der inzwischen unter Führung der USA sogar in eine globale Isolierung zu geraten droht. Das politische Gravitationszentrum der Welt verlagere sich nun von Westen nach Osten. Den Ausweg, den die militaristischen Neocons offenbar anstreben, neue Kriege gegen Iran oder womöglich gegen Nordkorea anzuzetteln, sieht Brzezinski wenig optimistisch: das Image Amerikas und der Nato würde noch weiter leiden, eine Dominanz über China, Russland, Indien, selbst über Brasilien und Mexiko sei so nicht mehr zu erlangen. Die neuen Medien, siehe die tunesische Jasminrevolution, hätten zudem eine Welle von erwachendem politischen Bewusstsein ermöglicht. Ausweg sieht Brzezinski nunmehr nur noch in einer Annäherung Europas an Putins GUS und die Türkei –statt der Umklammerung und Isolierung des russischen Heartland, schlägt Brzezinski also eine Bündnispolitik vor.

Die USA seien heute in der Lage der Sowjetunion der 80er Jahre: Bankrott durch Rüstungswahn und militärische Abenteuer, namentlich Irak und Afghanistan; eine politische Klasse von Privilegierten, die sich nicht ums eigene Volk scheren, folglich sinkender Lebensstandard der Mehrheit und sozialpolitischer Zündstoff; Versuche, von inneren Problemen durch äußere Feinde abzulenken und eine Außenpolitik, die in Isolation zu führen droht. Der globale Legitimitätsverlust westlicher Außenpolitik sei bereits heute weit größer als unsere Medien uns glauben machen, die 500jährige Epoche atlantischer Vorherrschaft ginge zu Ende.

Eine Dominanz Chinas lasse sich nun nur noch durch  eine Strategie der Umzingelung, diesmal mit Hilfe Russlands abwenden. Dank der strategischen Interessen der chinesischen Nachbarstaaten Indien, Japan, GUS sei dies auch sehr gut möglich –Indien etwa blicke bereits mit Sorge auf Pekings Beziehungen zu Pakistan und Sri Lanka. Bei Verlust der US-Position drohe der Welt eine Periode wachsender Instabilität und kriegerischer Konflikte vor allem in den Randbereichen der Großmächte, etwa in Georgien, Ukraine, Afghanistan, Pakistan, Israel, Taiwan und Südkorea.

Brzezinski, Europa und der Ethnorassismus

Europa und die Europäer hat Brzezinski in seinen „Strategic Visions“ nicht wirklich im Blick, kritisiert hauptsächlich ihre mangelnde Fähigkeit zur Überwindung politischer Zerstrittenheit, fordert aber implizit, die Aufnahme der Türkei in die EU endlich voranzutreiben. Die strategische Rolle, die Ankara künftig in Bezug auf die turksprachigen Völker Zentralasiens spielen wird, ist ihm wohlbewusst. Brzezinskis Hauptanliegen ist aber die Warnung vor einem Niedergang der USA, dies würde die instabile Welt, die wir heute erleben, noch chaotischer machen:

„The world needs an America that is economically vital, socially appealing, responsibly powerful, strategically deliberate, internationally respected, and historically enlightened in ist global engagement with the new East.“ (Z.Brzezinski: Strategic Visions, Foreword)

Man könnte sagen, dass Brzezinski jetzt die Folgen jener atlantischen Misere erkannt hat, die Kees van der Pijl knapp drei Dekaden zuvor so analysierte:

„Bowing to the military and monetary exigencies of the Reagan administration’s hard-line unilateralism, their successors have shown themselves incapable of formulating a new comprehensive concept of control adequate to the realities of the post-Atlantic world economy while preserving a minimal degree of imperialist unity.“[8]

Die von van der Pijl kritisierte Konzeptlosigkeit beruhte vielleicht wenigstens teilweise auf einem unterschwelligem Rassismus, der schon früh bei Brzezinski spürbar war. Vorurteile und Rassenwahn sind keine Kennzeichen rationalen Denkens, mithin kaum geeignet, klare strategische Ideen zu entwickeln. Schon als er in den 60er Jahren zusammen mit seinem Kollegen Samuel P. Huntington das Verhältnis von USA und Sowjetunion analysierte, mischten sich ethnorassistische Ressentiments mit elitären Dünkel:

„Die Tatsache, daß die sowjetische Elite von Arbeitern und Bauern abstammt, hat ihrem Verhalten und ihren moralischen Normen den Stempel aufgedrückt. Sie kommt in der Direktheit, Derbheit und gelegentlich sogar Brutalität des offiziellen Sprachgebrauchs im Innern wie gegenüber solchen Ausländern zum Ausdruck, die die sowjetischen Führer mit Feindseligkeit betrachten.“ [9]

Das soziopolitische US-Modell einer Herrschaft der „oberen Mittelschicht“ habe dagegen weder die „Amerikanische Revolution“ noch die „Revolution Jeffersons“ noch die „Revolution Jacksons“ beseitigen können, so das Duo Brzezinski/Huntington [10]. Sie scheuen sich dabei nicht, auf soziologische Analysen von C.Wright Mills zurück zu greifen, die dieser allerdings als Beleg für soziale Verkrustung und mangelhafte Gerechtigkeit der US-Gesellschaft gedacht hatte [11]. Das ficht die Kalten Krieger jedoch wenig an: Hauptsache ist ihnen also im Vergleich USA/UdSSR, dass den schwarzen Sklaven und anderen unterdrückten Minderheiten der USA die derbe Sprache der Offiziellen erspart geblieben ist. Einem nur subtil angedeuteten slawischen Barbarentum steht die stilvolle Diktatur der angelsächsischen Gentlemen gegenüber. Huntington sollte diese muffigen Ideen später zum traurigen Höhepunkt seiner „Kampf der Kulturen“-Ideologie weiterentwickeln, die Washington als ethnorassistische Rechtfertigung seiner unipolaren Weltmachtpolitik dienen durfte.

Kyrill, Byzanz und der Historismus

Ressentiments gegen slawische Völker und Kulturen haben eine lange

Ikone: Kyrill und Method, Apostel der Slawen, Bukarest, 19. Jahrhundert

Tradition, die sich mit einer abschätzigen historischen Bewertung des oströmischen Reiches von Byzanz und sogar der orthodoxen christlichen Kirchen mischt. Jahrhunderte vor dem Anglikanismus entstanden nationale Kirchen in Russland, Albanien, Bulgarien, Griechenland bis nach Syrien und bei den Kopten Afrikas. In populären Darstellungen des Christentums rühmt sich heute der Westen, die römisch-katholische Kirche hätte das Beste der alteuropäischen Großreiche in sich vereinigt: Von den Griechen den Geist, von den Juden den Gott und von den Römern das Recht (oder den Staat). Der orthodoxe Kulturkreis hätte dagegen bei der Teilung der Christenheit nur das Minderwertige abbekommen: Die Dekadenz von Byzanz, eine verlotterte Ostkirche, die auf mystische Heiligenverehrung statt auf stramme Kurie und Kirchenrecht setze, und die kyrillische Schrift.

Dabei vergisst man gern, dass die vom Mönch Kyrill zur Missionierung des Balkans entwickelte Schrift, „ein grässlicher Mischmasch aus verdrehten griechischen Buchstaben und frei erfundenen Zeichen“ [12], immerhin die erste Bibelübersetzung in eine Volkssprache brachte. Erst Luther konnte hier im Westen später anknüpfen –und auch an den vom Papst geächteten Zugang zur persönlichen, mystischen Glaubenserfahrung der „närrischen Christen von Byzanz“ [13]. Als närrische Eigenheiten belächelt die westliche Theologie neben der mystischen Ikonenverehrung die Ablehnung von päpstlicher Unfehlbarkeit, jungfräulicher Empfängnis sowie Fegefeuer und Ablasshandel. Es verwundert kaum, dass ein deutsches „Handbuch der Oekumene“ von der „griechisch-katholisch östlichen Kirche“, abgekürzt als „GOK“ spricht [14] –welchem Bibelkundigen fielen da nicht sofort die teuflischen Völker der Gog und Magog aus der Offenbarung des Johannes ein

In klassisch westlicher Rezeption der Historiker wurde mit dem Begriff Byzanz ein Ressentiment gegenüber „orientalischer Dekadenz“ verbunden. Man fokussierte bereits in der Klassik der Geschichtswissenschaft auf Byzanz als Symbol für den „Zerfall und Untergang des Römischen Reiches“ [15]. Schon bei Gibbon zeigt sich in der Tendenz zum Historismus, zum völligen Eintauchen in die Sichtweise einer Epoche, aber auch die Vernachlässigung übergeordneter Gesichtspunkte [16]. So wurde die ungeheure Kraft des byzantinischen Reiches übersehen, die es tausend Jahre überdauern und dabei Europas Südostflanke schützen ließ. In der Byzantinistik scheint Byzanz heute als eigenständiges historisches Gesamtphänomen eine gewisse Anerkennung zu finden –dennoch bleibt selbst dem westlichen Fachhistoriker eine „Fremdheit“ der byzantinischen Geschichte gegenüber spürbar [17].

Antislawismus von Fallmerayer bis Rosenberg

Mit dem griechischen Geist, den Giganten der Philosophie, Sokrates, Platon, Aristoteles, und natürlich dem Welteroberer Alexander, identifizierte sich der Westen gerne. Dabei blieb nur ein Problem: Byzanz war ein griechisch geprägtes Reich und die Griechen gehören bis heute dem orthodoxen Kulturkreis an. Der österreichische Orientalist und Publizist Jakob Philipp Fallmerayer (1790-1861) löste diesen „Widerspruch“ indem er in seinen Büchern die heutigen Griechen rassisch und kulturell vom klassischen Griechentum trennte.

Bekannt wurde Fallmerayer, der Experte für eine Byzanz-Abspaltung, das

Jakob Philipp Fallmerayer (1790-1861)

anatolische Trapezunt, hauptsächlich durch seine ethnogeografischen Arbeiten. Fallmerayer begleitete den russischen Grafen Alexander Ostermann-Tolstoi 1831-1834 auf dessen Forschungsreisen durch Griechenland und den Vorderen Orient, wohin er ab 1840 und erneut ab 1847 weitere Studienreisen unternahm. Fallmerayer reussierte vor allem mit seiner umstrittenen These, dass die antiken Griechen im Mittelalter ausgestorben und durch hellenisierte Slawen und Albaner verdrängt worden seien.

Fallmerayers Folgerung, die Bevölkerung des griechischen Staates in den Grenzen von 1830 bestünde lediglich aus hellenisierten Slawen und Albanern, empörte auch westliche Philhellenen und Griechen, die sich gegen die osmanische Besatzung auflehnten. Fallmerayers Geschichte der Halbinsel Morea (des griechischen Peloponnes) während des Mittelalters löste 1830 hitzige Kontroversen aus. Darin postulierte er eine Ethnie von blonden, blauäugigen Hellenen im antiken Griechenland und stellte die These auf, dass die antiken arischen Griechen im Mittelalter völlig ausgerottet worden wären:

„Das Geschlecht der Hellenen ist in Europa ausgerottet (…) Denn auch nicht ein Tropfen ächten und ungemischten Hellenenblutes fließet in den Adern der christlichen Bevölkerung des heutigen Griechenlands.“ [18]

Als Publizist schrieb Fallmerayer in der Augsburger Allgemeinen Zeitung meist zu Griechenland und dem mittleren Osten, wobei er stets die russische Bedrohung betonte [19]. So bediente er antirussische Ressentiments ebenso wie K.u.K.-Ambitionen auf dem Balkan, indem er den Zaren bezichtigte, die Weltherrschaft anzustreben. In Westdeutschland und Österreich wurden später Straßen und Schulen nach Fallmerayer benannt, seine Thesen zur Rassenkunde der Griechen wurden von Hitlers Leibhistoriker, Alfred Rosenberg in seinem Buch „Der Mythus des 20.Jahrhunderts“ für seine kruden Rassentheorien verwendet.

Rosenbergs Religion des Blutes scheitert an den Griechen

Alfred Ernst Rosenberg, geboren im russischen Reval 1892, hingerichtet 1946 in Nürnberg, verbreitete eine von russischen Rechtsextremen übernommene Theorie der „jüdisch-freimaurerischen Weltverschwörung“. Demnach hätten die Freimaurer den Weltkrieg und die Juden die Russische Revolution angezettelt und Kapitalismus und Kommunismus seien folglich nur scheinbare Gegner. In Wahrheit handele es sich um eine Zangenbewegung, mit der das „internationale Judentum“ nach der Weltherrschaft strebe.

Rosenberg beruft sich dafür auf antisemitische Thesen bei Dostojewskij und entwirft das Wahnbild einer „jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung“, die wiederum zum Kern von Hitlers Denken wird. Gerüchte über jüdische Familienwurzeln des NS-Ideologen bestätigten sich nicht, scheinbar wurden aber diesbezügliche Akten während der deutschen Besatzungszeit in den Jahren 1941-45 gezielt vernichtet.[20] Rosenberg setzt sich für die Verbreitung der zaristischen Hetzschrift „Protokolle der Weisen von Zion“ ein, wird aber trotz russischer Herkunft zunehmend antirussisch und beeinflusst Hitlers „Mein Kampf“. Während Hitlers Haft 1923 führt er sogar in dessen Auftrag die zeitweilig verbotene NSdAP und bekleidet später höchste Ämter im NS-Staat.

Rosenbergs 1930 publiziertes Buch „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“ sollte die Fortsetzung von Houston Stewart Chamberlains Werk „Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts“ sein. Bis 1944 publizierte der NS-Staat eine „Volksauflage“ in über einer Million Exemplaren dieses neben „Mein Kampf“ wichtigsten Buches der Nazi-Ideologie. Hitler soll zwar bekannt haben, Rosenbergs Buch nie ganz gelesen zu haben, da es ihm zu theoretisch war. Aber Himmlers Ideen eines arischen Kultes, den die SS verwirklichen sollte, dürften daraus gespeist worden sein: Eine neue „Religion des Blutes“ sollte laut Rosenberg ein an „jüdischen Einflüssen“ krankendes Christentum ersetzen. Eine neue „Metaphysik der Rasse“ und ihres „kollektiven Willens“ sollte die Religion ablösen –Hitlers „Vorsehung“ könnte hier ihre Inspiration gefunden haben. Die modernen Griechen sah Rosenberg, an Fallmerayer anknüpfend, ihrer ruhmreichen Vorfahren unwürdig, weil die Übermacht des „Vorderasiatentums durch tausend Kanäle einsickerte, Hellas vergiftete und anstelle des Griechen den schwächlichen Levantiner zeugte, der mit den Griechen nur den Namen gemeinsam hat“ [21].

Im Zweiten Weltkrieg versuchte das faschistische Italien den britischen Verbündeten Griechenland vom italienischen Vizekönigreich Albanien aus zu erobern. Mussolinis Invasion wurde jedoch von den sich nicht so schwächlich wie vom NS-Ideologen geglaubt wehrenden Levantinern zurückgeschlagen. Griechische Truppen konnten sogar große Teile Albaniens von den Faschisten befreien und Rom in die Verlegenheit bringen, Hitler um Hilfe bitten zu müssen [22]. Das mit Italien verbündete Deutschland sah sich zum Eingreifen gezwungen und besetzte Griechenland, wobei man zunächst am positiven Griechenbild vieler Deutscher orientiert, den tapferen Griechen Respekt zollte –Hitler selbst soll dem Philhellenentum zugeneigt gewesen sein. Mit wachsendem griechischen Widerstand gewannen aber die rassistischen Thesen Rosenbergs die Oberhand zur Rechtfertigung brutaler Repressionsmaßnahmen.

Was Slawen, Russen und Griechen angeht, schließt Rosenberg an die von Fallmerayer aufgebauten Ressentiments an. Dem NS-Ideologen gleich tun es heute die meisten deutschen Medien –und das, obwohl sonst in der schreibenden Zunft schon banalstes Anknüpfen an NS-Propaganda zum journalistischen Todesurteil genügt, man denke z.B. an jene prominente TV-Frau, die über „Hitlers Autobahnen“ stolperte.

Rosenberg, Brzezinski, Bertelsmann

In deutschen Medien, und zwar beileibe nicht nur im Gossenblatt BILD mit seiner plump-stereotypen Hetzkampagne, wurde versucht, „nach dem Motto ‚2000 Jahre Niedergang‘ ein ganzes Volk diffamierend in die Niederungen politischer und kultureller Barbarei abzuschieben. Das Titelbild des Magazins „Focus“ mit dem Bild der einen Stinkefinger hoch haltenden Venus von Milo und der Zeile daneben ‚Betrüger in der Euro-Familie –bringt uns Griechenland um unser Geld?‘ steht beispielhaft für diesen üblen Hetz-Journalismus.“ so Strohmeyer [23]

Der mediale Rechtspopulismus setzt dabei zwar nicht mehr auf den traditionellen Rassismus des Kolonialismus und Nationalsozialismus, aber auf einen modernisierten Ethno-Rassismus frei nach dem “Kampf der Kulturen” des Brzezinski-Kollegen Samuel Huntington. Die Griechen wurden in diesem Sinne in Deutschland zum Sündenbock für die von der Finanzindustrie verursachten Krise gemacht, so Buckley/Rueger [24].

BILD hetzte am radikalsten gegen Athen, dichtete den in über 200 Artikeln notorisch als „Pleite-Griechen“ verhetzten Hellenen stereotyp Genusssucht, Faulheit und Luxus-Frührenten an. Dies prügelten Schlagzeilen in die deutschen Köpfe, obwohl Statistiker belegten, dass Griechen im Schnitt nicht jünger in den Ruhestand gehen als Deutsche, aber viel weniger Rente erhalten.  In einem alarmistischen Krisentitel „Akropolis adieu! Warum Griechenland jetzt den Euro verlassen muss“ (Nr.20, 14.05.2012) verband der SPIEGEL die drohende Euro-Apokalypse mit einer digitalen Schändung des Nationalheiligtums der Hellenen. Das Titelblatt erregte großes Aufsehen bis nach Athen und wurde dort als Affront, als Erpressung mit einem Rauswurf aus Europa verstanden. So war es wohl auch gemeint und in den Formulierungen mehr als angedeutet.

Das nächste Heft (Nr.21, 21.5.2012, S.146) warf  in der Rubrik „Rückspiegel“ einen befriedigten Blick auf Reaktionen der griechischen Presse, die Tageszeitung Ta Nea habe dazu geschrieben: „Nach den chaotischen Wahlergebnissen will uns jetzt auch der SPIEGEL, das große deutsche Nachrichtenmagazin, aus dem Euro werfen.“ Das griechische Blatt To Ethnos schreibe zum selben Thema: „Der SPIEGEL zerlegt die Akropolis, das ist anmaßend“ und das Netzmagazin Tsantiri: „Der Terrorismus der Geldgeber geht weiter, der SPIEGEL verabschiedet Griechenland aus der Euro-Zone. Dafür zertrümmert er die Akropolis…“.

Im SPIEGEL Nr.21/2012 schlugen noch zwei weitere Artikel auf Athen ein, speziell auf den Linken-Chef Alexis Tsipras: „Griechenland: Kranke Verhältnisse“ und „Zweifelhafte Nothilfe“ (für Athens „Zombiebanken“); im SPIEGEL Nr.22 wird dann Tsipras selbst einem Interview bzw. Verhör unterzogen, SPIEGEL Nr.23 lässt den konservativen „Vom Unglück ein Grieche zu sein“-Bestsellerautor Dimou über die kranke Seele der Hellenen schwadronieren, und wie er sich vom Akropolis-Schändungs-Titel des SPIEGEL aus Europa rausgeworfen fühlte. Auch das letzte Heft vor der Athener Wahl am 17.6.2012, SPIEGEL Nr.24, trat im Stil von BILD noch einmal kräftig nach –wenn auch nur durch seine Feuilletonistin: Unter der Überschrift „Das Blut der Erde“ erfahren SPIEGEL-Leser, Deutsche „verachten griechischen Wein. Sein Ruf ist wie der des Landes.“ (S.48)

Selten haben sich die deutschen Medien so deutlich bemüht, in den Wahlkampf eines anderen europäischen Landes einzugreifen. Die Mühe des Flaggschiffes der mächtigen Bertelsmann-Medienflotte trug für die Griechen bittere Früchte: Tsipras wurde um seinen Sieg betrogen, die Konservativen stellten die Regierung. Seither wird das Spardiktat der EU-Kommissare, die Berlins Austeritätspolitik exekutieren, fortgesetzt. Die Bertelsmann-Linie, Athen aus dem Euro zu drängen, wird seither von Politikern der Bundesregierung weiter propagiert, zum Nutzen und Frommen der Finanzindustrie. Sogar der alles andere als sozialistisch gesinnte Luxemburger Jean Claude Juncker hat inzwischen die deutsche Politik, insbesondere die FDP, aufgefordert, die respektlose antigriechische Kampagne einzustellen und an das drohende Schicksal der griechischen Bevölkerung zu denken. Anders als in der SPIEGEL-Titelstory „Akropolis adieu!“ im Mai wahrheitswidrig behauptet, wäre eine Rückkehr zur Drachme für die Hellenen keineswegs mit einer Sicherung ihrer Lebensgrundlagen verbunden [25].

Vielmehr droht einem wachsenden Teil der Griechen Arbeitslosigkeit und Elend, während selbst ehedem liberale Medien sich in Deutschland im Sinne antislawisch-antirussischer Ressentiments betätigen. Die Verwicklung führender Großbanken in die Erzeugung der desolaten Lage Athens wird dabei selbstverständlich von keinem der Mainstream-Medien erwähnt [26].  Wenn die USA sich mit Brzezinski von antislwawischen Ressentiments lösen, könnte es auch deutschen Medien erschwert werden, diese alten Stereotype weiterhin auf das orthodoxe Griechenland auszudehnen.

Seltsam genug ist, dass ein Pentagon-Ideologe wie Brzezinski sich zu einem Umdenken in der russischen Frage durchgerungen hat, und dass der Chefpolitiker der dreistesten Steueroase der Europäischen Union heute Fürbitte für die Griechen gegen ein gnadenloses Berlin leistet. Vielleicht können wir tatsächlich bald einem geopolitischen Umschwenken der USA gegen über Putins GUS entgegensehen, Brzezinski hat mehr als einmal dem strategischen Denken Washingtons seinen Stempel aufgeprägt. Wenn Wikileaks einen Beitrag zur Schwächung der bisherigen antirussischen Linie der US-Ideologen geleistet hat, wäre dies auch eine Erklärung für die Stärkung von Assange durch das Moskauer Fernsehen. Von Seiten der angelsächsischen Politik hätte Wikileaks wohl dennoch keine Milde zu erwarten [27].

Anmerkungen

[1] Brzezinski, Zbigniew: Strategic Vision: America and the Crisis of Global Power, Basic Books 2012; vgl. Ritz, Hauke: Warum der Westen Russland braucht -Die erstaunliche Wandlung des Zbigniew Brzezinski, Blaetter Juli 2012, http://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2012/juli/warum-der-westen-russland-braucht

[2] Ritz, Hauke: Warum der Westen Russland braucht -Die erstaunliche Wandlung des Zbigniew Brzezinski, Blaetter Juli 2012, http://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2012/juli/warum-der-westen-russland-braucht

[3] Mackinder, Halford John: The Geographical Pivot of History, The Geographical Journal, Jg. 23 (1904), Nr. 4, zit. n. Buckley, Michel: Die Ukraine als geopolitischer Dreh- und Angelpunkt, The Heartland Blog (2012)

[3a] Brzezinski-Interview: „How Jimmy Carter and I Started the Mujahideen“, Le Nouvel Observateur, 15.1.1998.

[4] Brzezinski, Zbigniew: Russlands Vorgehen ähnelt dem von Hitler, Welt Online 11.8.2008, http://www.welt.de/politik/article2296378/Russlands-Vorgehen-aehnelt-dem-von-Hitler.html

[5] Brzezinski, Zbigniew: Die einzige Weltmacht –Amerikas Strategien der Vorherrschaft, Berlin 1997, S.180, zit.n. Ritz 2012

[6] Rueger, Gerd R.: Julian Assange –Die Zerstörung von Wikileaks, Hamburg 2010, S.5ff.

[7] Rueger ebenda, S.42 ff.

[8] Pijl , Kees van der: The Making of an Atlantic Ruling Class, (Epilogue: From Trilateralism to Unilateralism) Seite 272, First published in London by Verso, 1984, published by http://www.theglobalsite.ac.uk, 2004, http://www.theglobalsite.ac.uk/atlanticrulingclass/

[9] Brzezinski, Z. u. Samuel P. Huntington: Politische Macht: USA/UdSSR. Ein Vergleich, Köln/Berlin 1966, S.158f.

[10] Brzezinski/Huntington ebd. S.155.

[11] Mills, C. Wright: The Power Elite, New York 1956, S.400 ff.

[12] Zitelmann, Arnulf: Die Geschichte der Christen, Weinheim/Basel 2009, S.111.

[13] Zitelmann ebd. S.82.

[14] Littell, F.H. u. H.H.Walz: Weltkirchenlexikon. Handbuch der Ökumene, Stuttgart 1960, Sp.1084 ff.

[15] Gibbon, E., The History of the Decline and Fall of the Roman Empire, London 1788/1900.

[16] Schuller, Wolfgang: Einführung in die Geschichte des Altertums, Stuttgart 1994, S.44f.

[17] Maier, Franz Georg: Byzanz, Augsburg 1998, S.13.

[18] Fallmerayer, Jakob P.: Geschichte der Halbinsel Morea während des Mittelalters, Stuttgart 1930, S.IIIf.

[19] Kollautz, Arnulf, „Fallmerayer, Jakob Philipp“, in: Neue Deutsche Biographie 5 (1961), S. 19 f. (online verfügbar: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118685996.html)

[20] Piper, Ernst: Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe, München 2005, S. 22 f.

[21] Rosenberg, Alfred: Der Mythus des 20.Jahrhunderts, München 1935, S.50.

[22] Vgl. Noack, David X.: Griechenland im Spiegel von Großmachtinteressen und Globaler Politischer Ökonomie, The Heartland Blog.

[23] Strohmeyer, Arn: Deutsche und Griechen –das ewige Missverständnis? http://vm2000.net/60/weiteres/griechenland.html

[24] Buckley, Michel und Gerd R. Rueger: Der reaktionäre Geist des Griechen-Bashings, Le Bohemien (16.4.2012), http://le-bohemien.net/2012/04/16/sturm-auf-die-akropolis/#more-8929

[25] Rueger, Gerd R.: „Akropolis adieu!“ Bertelsmann droht Athen mit Militärputsch, Jasminrevolution (22.6.2012), https://jasminrevolution.wordpress.com/2012/06/22/spiegel-schandet-nationalheiligtum-der-griechen/

[26] Vgl. Rueger, Gerd R.: Die Wurzeln der Euro-Krise: Goldman Sachs versus Griechenland, Le Bohemien (24.5.2012), http://le-bohemien.net/2012/05/24/die-wurzeln-der-euro-krise/#more-10754

[27] Vgl. Rueger, Gerd R.: Kampagne gegen WikiLeaks? Die TV-Dokumentation “WikiLeaks – Geheimnisse und Lügen”, Berliner Gazette (14.4.2012), http://berlinergazette.de/tv-doku-wikileaks-the-guardian/#more-29944

Quellenverzeichnis

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Ritz, Hauke: Die Welt als Schachbrett. Der neue Kalte Krieg des Obama-Beraters Brzezinski, (ungekürzte Fassung) http://www.hintergrund.de/20080826235/politik/welt/die-welt-als-schachbrett-der-neue-kalte-krieg-des-obama-beraters-zbigniew-brzezinski.html

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Zitelmann, Arnulf: Die Geschichte der Christen, Weinheim/Basel 2009.

Antileaks „Hacktivisten“ blockieren Wikileaks

Baltasar Garzón verteidigt Julian Assange

Gerd R. Rueger 09.08.2012

Seit letzter Woche steht Wikileaks unter DDOS-Attacken, angeblich von „patriotischen“ US-Hackern. Die Site http://justice4assange.com ist inzwischen wieder erreichbar, die Leak-Dokumentationen werden über http://mirror.wikileaks-press.org aufrecht erhalten. Derweil reorganisiert Julian Assange seine Verteidigung mit Hilfe des berühmten spanischen Richters Baltasar Garzón.

Der Twitter-Account von WikiLeaks meldet schwere DDoS-Attacken auf zahlreiche WL-Sites und Verbündete. Zu den Angriffen hat sich eine anonyme Gruppe namens Antileaks bekannt, die sich als „patriotische junge US-Amerikaner“ darstellen. Sie werfen Julian Assange und Wikileaks ganz im Sinne der US-Regierung und des Pentagon vor, das Leben von US-Soldaten sowie von Afghanen gefährdet zu haben und diffamieren Assange als angeblichen „Terroristen“. Damit übernehmen sie die Propaganda der Bush-Regierung, die von Obama fortgesetzt wurde und in deren Gefolge auch reaktionäre Lynchjustiz an Assange gefordert wurde.

Die angeblichen „Patrioten“, die auch angeheuerte oder bei US-Behörden bedienstete Cyber-Krieger sein könnten, agieren nicht nur anonym, sondern zusätzlich im Schutz der Supermacht USA -und ausgerechnet sie werfen Assange auch noch „Feigheit“ vor. Ob jemand, der Kriegsverbrechen seines Landes vertuschen will, ein Patriot ist oder nur ein Komplize von Kriegsverbrechern? Wenn die patriotische Begeisterung für die eigene Nation in Nationalismus umschlägt, zeigt sich spätestens die Wahrheit jener Redensart, wonach Dummheit und Stolz auf demselben Holz wächst.

Die DDoS-Attacken haben auch die Möglichkeit eingeschränkt, Wikileaks Spenden zukommen zu lassen,. So waren zeitweise WikiLeaks Central und FDNN nicht erreichbar, und Unterstützer konnten Wikileaks Spenden nur über Umwege via Spreadshirt und CDBaby zukommen lassen. Hinter Anonymous kann sich, das war schon immer das bewusst eingegangene Risiko, kann sich jeder verbergen. Nur am Ziel der Aktionen lässt sich erkennen, ob wirklich Hacktivisten für ein freies Internet kämpfen -oder ob sich reaktionäre Militaristen oder Büttel mörderischer Regime von Kriegsverbrechern hinter der Maske verbergen.

Baltasar Garzón kämpft für Assange

Derweil befindet sich Julian Assange immer noch im Asyl der ecadorianischen Botschaft in London und hat sich inzwischen schlagkräftige juristische Verstärkung organisiert. Der berühmte spanische Richter Baltasar Garzón führt jetzt das Juristenteam, das Julian Assange und WikiLeaks vertritt. Richter Garzón ist derzeit aus politischen Gründen seines Amtes enthoben, er wurde im Oktober 1998 weltbekannt, als er einen internationalen Haftbefehl gegen den chilenischen Ex-Diktator Pinochet erließ. Pinochet wurde „Verschwindenlassen“, also Folter und Ermordung auch zahlreicher spanischer Staatsangehöriger vorgeworfen. Die Anklage stützte sich auf Berichte einer chilenischen Wahrheitskommission, die 1990-91 Pinochets Verbrechen untersuchte. Garzón schrieb Rechtsgeschichte, denn dies war der erste Fall weltweit, in dem unter Berufung auf das Weltrechtsprinzip des Völkerstrafrechts gegen einen ausländischen früheren Machthaber ermittelt wurde. Anders als jetzt bei Julian Assange weigerte sich London damals, den Massenmörder Pinochet, der laut Anklage auch für die Folterung und Vergewaltigung von Tausenden von Frauen verantwortlich war, an Madrid auszuliefern. Umso absurder scheint die Bessenheit der Britischen Regierung heute, den Wikileaks-Gründer an Schweden auszuliefern.

Baltasar Garzón traf sich Ende Juli mit Julian Assange im Botschaftsasyl, um eine neue juristische Strategie gegen den Missbrauch des britischen Rechtssystems zu entwerfen. Es geht darum aufzuzeigen, wie geheim gehaltene US-Verfahren gegen Julian Assange und WikiLeaks, eine geregelte Rechtsprechung einschließlich des Auslieferungsverfahrens gegen Julian Assange beeinflussen bzw. unmöglich machen. Ferner geht es um die Ahndung rechtswidriger Aktionen seitens des internationalen Finanzsystems, die nunmehr schon seit Jahren gegen Julian Assange und WikiLeaks laufen. Denn trotz Inhaftierung und Hausarrest mit elektronischer Fußfessel seit über 650 Tagen, wurde Assange bislang in keinem Land tatsächlich einer Straftat angeklagt. Derartige Freiheitsberaubungen durch eine angeblich rechtsstaatliche Justiz sind sonst eher aus Diktaturen bekannt, die Oppositionspolitiker mundtot machen wollen.