Athen, EZB und Goldman Sachs

Gerd R. Rueger 10.10.2012

In Athen wütet die Finanzkrise, die EZB spricht zum EU-Parlament. Wenn Mario Draghi eine Rede hält, hören wir die EZB mit einer Stimme sprechen, die früher Goldman Sachs diente. Was er gestern zu sagen hatte, widersprach nicht den Interessen der mächtigsten US-Bank mit dem nach Edelmetall klingenden Namen. Es geht Draghi um die Installierung einer gesamteuropäischen Bankenaufsicht, die Schaffung eines Bailoutfonds nur für Banken und die Etablierung eines europäischen Einlagensicherungsfonds.

Die Geldmächtigen der EU lauschen Draghi

In seiner Rede vor dem Währungsausschuss des Europäischen Parlaments machte Draghi darauf aufmerksam, dass die EZB ab 01. Januar 2013 die Aufsicht über die größten Banken in der Eurozone übernehmen will. Die vollständige Kontrolle über die ca. 6.000 europäischen Banken soll ab Januar 2014 erreicht sein. Dazu kommt die zusätzliche Forderung eines neu zu schaffenden Bailoutfonds ausschließlich für Banken.

EZB-Chef Mario Draghi: „It is a pleasure to be back here in Parliament“

  • As you know, the European Central Bank (ECB) has recently taken important decisions to address severe distortions in government bond markets. The ECB stands ready to undertake, under appropriate conditions, what we have called outright monetary transactions (OMTs). These provide a fully effective backstop to avoid destructive scenarios that might threaten price stability in the euro area.
  • Our OMT announcements have helped to support financial market confidence. The ECB’s actions can help to build a bridge. But the bridge must have a clear destination.
  • Reaching that destination involves three processes: first, full implementation of fiscal consolidation and structural reforms to enhance competitiveness; second, full implementation of financial sector reform; and third, completion of a genuine economic and monetary union. The establishment of a Single Supervisory Mechanism (SSM) is a key step in these processes.

Draghi will also drei Ziele erreichen: 1. Die volle Umsetzung der Haushaltskonsolidierung und strukturelle Reformen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit; 2. Eine vollständige Umsetzung der Reform des Finanzsektors; 3. Die Fertigstellung einer echten Wirtschafts- und Währungsunion-Union, dabei sei die Einrichtung eines einzigen Kontroll-Mechanismus (SSM) ein wichtiger Schritt.

Der erste Punkt ist trivial: Umstrukturieren heißt für Banker immer, die arbeitende Bevölkerung mehr schuften zu lassen für weniger Geld; wer als arm, alt oder krank nicht auszubeuten ist, kann froh sein, wenn man seine Lebensgrundlagen über dem Existenzminimum lässt (Griechenland zeigt, dass auch darum schon gekämpft werden muss). Punkt zwei ist ebenso trivial: Die Finanzsysteme haben total versagt und stehen vor dem Zusammenbruch -sie müssen reformiert werden, aber unter Draghi wird dies im Sinne der zentralen Finanzmächte geschehen, statt zu ihrer Entmachtung. Der dritte Punkt ist interessant:

Sollten die von Draghi geforderten Maßnahmen realisiert werden, würde den europäischen Regierungen praktisch die Kontrolle über ihre  nationalen Bankensysteme entzogen. Die Entscheidungsbefugnis, was mit bankrotten Finanzinstituten künftig zu geschehen hat, würde sich bei der EZB konzentrieren. Draghi hätte Zugriff auf alle wichtigen Banken und es ist kaum anzunehmen, dass er vergessen hat, woher er kommt und wem er seine Position verdankt: Goldman Sachs, einer in dubiose Geschäfte verstrickten Großbank. Die Banker von Goldman gelten als elitärer, aufeinander eingeschworener Haufen. Die EZB wird unter dem Regime Draghi bis hinein in Personalentscheidungen aller Euro-Banken wirken können. Eine Invasion der Goldmänner wäre vorprogrammiert und Meldungen wie diese hier von LobbyControl werden wir dann wohl öfter lesen müssen:

„Die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament haben  den Verbraucherschutz beim Thema Finanzberatung torpediert. Eigentlich gab es im Wirtschaftsausschuss einen Kompromiss, dass Provisionen für Finanzprodukte in Zukunft an die Kunden weitergeleitet werden müssen. In letzter Minute brachten die Sozialdemokraten einen mündlichen Antrag ein, der diese Neuregelung aushebelte. Konservative und Liberale stimmten diesem Antrag zugunsten der Banken zu. Das Ganze hatte etwas von einer Nacht-und-Nebel-Aktion und man fragt sich, welche Lobbyisten da im letzten Moment ihre Finger im Spiel hatten.“

Die Nähe von Sozialdemokraten zur Welt der Hochfinanz zeigt sich in Deutschland besonders deutlich in der Person des SPD-Kanzlerkandidaten Steinbrück. Seine derzeitig etwas lautstarken Äußerungen zur Finanzbranche, speziell in Richtung Schweiz, kann man wohl als Überkompensation seines Bilderberger-Image werten. Wieviel solche Versprechungen nach der Wahl wert sein dürften, ist leicht zu ermessen.

Athen: Merkel kontra Rosa Luxemburg

Gerd R. Rueger 10.10.2012

Athen. Kanzlerin Angela Merkel erlebte Proteste der Bevölkerung, verstand sich prächtig mit ihrem Gesinnungsfreund Samaras. Derweil eröffnete die Rosa Luxemburg Stiftung ein Büro in Athen, Ziel ist ein Schulterschluss mit griechischer Linker und Bevölkerung. Die brutale Sparpolitik wird hierzulande nur von der Linken entschlossen abgelehnt. Union und FDP finden die Solidarität mit den Griechen empörend und die FDP verweist auf außenpolitische Gepflogenheiten -hat noch jemand den Putsch in Honduras 2009 in Erinnerung?

Ziel der  Rosa Luxemburg Stiftung ist in Athen zunächst die Bearbeitung der Themen  Neo-Faschismus in Griechenland, Die Situation von MigrantInnen, Die Krise und linke Lösungsansätze, Auswirkungen von Privatisierungen öffentlicher Güter, Kommunalpolitiker im Austausch. Union und FDP finden die Solidarität mit den Griechen empörend. Während die LINKE den Schulterschluss mit dem griechischen Widerstand gegen die brutale Ausbeutungspolitik sucht, spucken schwarzgelbe Funktionäre Gift und Galle:

„Es ist beispiellos und empörend, wie der Vorsitzende einer im Bundestag vertretenen Partei die antideutschen Proteste in Athen als Bühne nutzt, um Politik gegen die Interessen des eigenen Landes zu machen“, sagte Gerda Hasselfeldt, die Vorsitzende der CSU-Bundestagsgruppe in der „Passauer Neuen Presse„. Die Regierung Merkel sei angeblich solidarisch mit Griechenland, aber natürlich nicht bedingungslos. „Diese Solidarität tritt Herr Riexinger mit Füßen“, sagte Hasselfeldt.

Mit ihrer neuen Filiale in Griechenland will die Rosa-Luxemburg-Stiftung die dramatischen Auswirkungen der Krisenmaßnahmen auf die griechische Gesellschaft analysieren und publik machen. Auch sollen „unsere griechischen PartnerInnen in ihrem Kampf gegen diese Politik unterstützt werden.“ Linken-Chef Bernd Riexinger war in Athen mit dabei und stellte sich zum Auftakt der künftigen Solidaritätsarbeit auf die Seite der Anti-Merkel-Demonstranten. Er warf Merkel vor, an ihrer Austeritäts-Politik des Kaputt-Sparens wirtschaftlicher Potenziale zu kleben. „Damit schadet sie auch den deutschen Steuerzahlern. Aufschwung in Europa geht anders.“ Statt sich nur mit Beamten, Ministern und Unternehmern zu treffen, hätte sich Merkel den protestierenden Menschen in Athen stellen sollen.

Bild: Christos Tsoumplekas / flickr (cc2.0:by-nc)

FDP-Generalsekretär Patrick Döring kritisierte den Linken-Parteichef: „Herr Riexinger bricht bewusst mit außenpolitischen Gepflogenheiten und verschärft die Lage vor Ort, weil er und seine Partei die marktwirtschaftliche Grundidee Europas und den Kurs der Konsolidierung konsequent ablehnen.“  In Außenpolitik kennt sich die FDP aus, auch wenn ihr unbeliebter Amtsträger Westerwelle wenig sichtbar ist -die FDP-nahe Naumann-Stiftung organisiert mit Stiftungen von CDU und CSU einen neuen Rechtsruck in Lateinamerika und über ihre Verwicklung in einen neoliberalen Militärputsch in Honduras 2009 besteht wenig Zweifel: Nach dem blutigen Putsch gegen den gewählten Präsidenten stellte die FDP-Stiftung den Putschisten als Opfer dar, weil der linke Präsident sich dem ALBA-Bündnis sozialer und sozialistischer Länder Lateinamerikas hätte annähern wollen.

Der Militärputsch gegen die Regierung von Manuel Zelaya in Honduras wurde weltweit einhellig verurteilt. Aber neo- bzw. wirtschaftsliberale Feinde der sozialen Reformen in Lateinamerika versuchten hartnäckig einen Diskurs zu etablieren, der den Putsch schönredet: Sie stützten die Position der Putschisten-Regierung unter Roberto Micheletti, wonach der rechtsmäßig gewählte Zelaya angeblich verfassungsgemäß seines Amtes erhoben wurde, so die Lateinamerika Nachrichten.

Würde es den FDP-Gepflogenheiten also mehr entsprechen, wenn eine demokratisch gewählte Linksregierung, wie sie um einige Prozente nur von Tsipras SYRIZA verfehlt wurde, durch einen blutigen Militärputsch beseitigt wird? Fragen, die man wohl einer Partei stellen muss, die sich als Hüterin der Freiheit aufspielt und leider auch noch immer unseren Außenminister stellt. Rosa Luxemburg wollte vor allem die Freiheit der Andersdenkenden schützen, dafür hat die FDP aber wohl kein großes Verständnis.