Gera: Hartz IV-Statistik gefälscht?

Theodor Marloth 3.2.2013

Gera. Die Arbeitsagentur Altenburg-Gera nannte gegenüber der Ostthüringer Zeitung (OTZ) eine niedrigere Hartz IV-Quote der Stadt Gera (15,0 Prozent) als sie sich beim Nachrechnen ermitteln lässt (16,5 Prozent). So maust sich die regionale Bürokratie ihre Statistiken zusammen und schönt die blühenden Landschaften im Osten der Republik.

Die Anti-Hartz-Aktivisten Plattform Gegen-Hartz.de brachte es an den Tag: Die von der Arbeitsagentur an die Ostthüringer Zeitung gelieferten niedrigeren Hartz IV-Zahlen der Stadt Gera eergaben sich durch das Vergessen der 21 nicht erwerbsfähigen Jugendlichen in SGB II-Bedarfsgemeinschaften im Zähler; dazu kam die veraltete Bevölkerungszahl von Ende 2010 statt Ende 2011.

Das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe hatte in seiner Veröffentlichung „SGB II-Leistungsberechtigte im Alter von 15 bis unter 25 Jahren“  folgende Daten für die Stadt Gera im September 2012 genannt: Ende 2011 lebten in der Stadt Gera 8.150 Jugendliche im Alter von 15 bis unter 25 Jahren. (Quelle: Statistisches Bundesamt)

Im September 2012 lebten in den SGB II Bedarfsgemeinschaften (Hartz IV) insgesamt 1.348 Personen im entsprechenden Alter, davon 21 nicht erwerbsfähige und 1.327 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. (Quelle: Statistik der BA) Aus dem Verhältnis von 1.348 Jugendlichen in SGB II-Bedarfsgemeinschaften und den 8.150 Jugendlichen ergibt sich die vom BIAJ für die Stadt Gera errechnete SGB II-Quote von 16,5 Prozent.

Im Artikel „Hohe Hartz-IV-Quote von Jugendlichen in Gera“ in der Ostthüringer Zeitung (OTZ) meint der Sprecher der Arbeitsagentur Altenburg-Gera, dies korrigieren zu müssen. Die OTZ-Journalistin: „Die Geraer Agentur für Arbeit hat unterdessen die Zahlen, die der Bremer Verein veröffentlicht hatte, leicht korrigiert. So seien im September in Gera 1327 junge Leute zwischen 15 bis 25 Jahren auf Leistungen nach dem zweiten Sozialgesetzbuch (SGB 2) angewiesen. Die SGB 2-Quote bei Jugendlichen unter 25 Jahren liege bei 15 Prozent, so Carsten Rebenack, Sprecher der Arbeitsagentur.“

Nun ja, die üblichen Methoden des Abwiegelns mit Statistik im Dienste der neoliberalen Ideologen also. Kein Wunder, denn die Herren und Damen da oben haben einiges zu verbergen: Hartz IV ist eine Verletzung der Menschenrechte, für die die deutsche Regierung bereits eine Rüge kassiert hat -was leider wenig Interesse bei der satten Mehrheit der fett bezahlt in den Redaktionsstuben herum sitzenden Journalisten gefunden hat. Ausgenommen ist der inzwischen exotische Bereich links der breiten, reaktionären „Mitte“.

Katja Kipping
(Die LINKE)

Neues Deutschland brachte immerhin eine Meldung zu Katja Kippings Anfrage bezüglich Hartzer-Denunziantentum: Für Arme soll totale Transparenz durchgesetzt werden, auch mit anonymen Anschwärzern, etwas was die „bürgerliche“ Presse von FAZ bis SPEIGEL aufheulen lassen würde, würde man es für die edle Elite unserer parasitären Superreichen fordern.

UNO rügt Menschenrechtsverletzung durch Hartz IV

Der Neoliberale sieht im Sozialstaat nicht die soziale Basis der Freiheit –wohl tut das unsere Verfassung, das deutsche Grundgesetz (Artikel 20 Sozialstaatsgebot). Der Neoliberale sieht im Sozialstaat die angebliche Unfreiheit des Bürgers –des “Wirtschafts-Bürgers” (1). Der Rechtsstaat ist dem Neoliberalen dabei scheißegal, auch wenn die FDP ein chronisches Abo auf das Justizministerium zu haben scheint: 1973 ratifizierte die Bundesrepublik Deutschland den UNO-Sozialpakt, dem damit formell der Rang eines deutschen Bundesgesetzes zukommt. Der Sozialpakt konkretisiert die Menschenrechte und verbietet Zwangsarbeit und das Vorenthalten eines angemessenen (bescheidenen) Lebensstandards.

In beiden Punkten wurde die heutige Hartz-IV-Sozialpolitik Deutschlands von der UNO gerügt. 2011 warf der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der deutschen Bundesregierung vor, die Umsetzung des Sozialpaktes der Bevölkerung rechtswidrig zu verweigern, wie der Theologe Franz Segbers berichtet (2). Zwangsarbeit wurde in der deutschen Praxis gesehen, von Sozialleistungen abhängige Menschen mit schikanösen Mitteln zur Arbeit zu nötigen –von Rotgrün als Agenda 2010 eingeführt, von Schwarzrot und Schwarzgelb stetig verschärft. Kein Wunder, wenn Hartz-IV-Betroffene in Hungerstreik treten. Auch die geizige Verelendung der Armen bei Verhätschelung der Reichen wurde bemängelt, insbesondere auch das Elend der Asylsuchenden in Deutschland, ein Auswuchs des heimlichen Rassismus neoliberaler Ideologie.

Sozialstaat ist Freiheitsverlust? Eine rechtsradikale Parole: Torben Klimmek vergleicht die Neoliberalen deshalb sogar mit Nietzsche  (was vom philosophischen Niveau her allerdings sehr schmeichelhaft für die FDP&Co. erscheint). Unsere parasitären 1%, die sich in den Medien als „Leistungselite“ hochjubeln lassen, sind mit so einem Staat fein raus -und haben neben der gekauften Politik doch noch ihre eigentliche Exekutive: Die Finanzfirmen, Banken, Hedgefonds usw.

Liberalismus ist, wenn der Arme wie der Reiche die Freiheit haben, unter einer Brücke zu schlafen. Neoliberalismus ist, wenn die Brücke privatisiert wird und der Arme selbst dafür noch an den Reichen zahlen soll.

Das alles schreit zum Himmel -Skandale liegen täglich auf der Straße, warten auf Berichterstattung und die gerechte Empörung der Bevölkerung, der am Wahltag der Zahltag für korrupte Parteien folgen sollte. Doch die deutschen Medien hatten andere Themen. Die deutsche JournalistIn guckt lieber auf den Sex von Wetterfröschen, angeblich faule Griechen und lobhudelt wo sie nur kann kriecherisch die “Eliten”. Und verteufelt die einzige Lösung der Misere -eine Rotrotgrüne Regierung unter Führung einer starken Linken. Warum wohl bzw. in wessen Auftrag?

Siehe zu den ideologischen Hintergründen:

Marloth „Woher kommt das Elend des Neoliberalismus?“

Fußnoten/Quellenangaben:

1. Vgl. Butterwegge, Christoph, Rechtfertigung, Maßnahmen und Folgen einer neoliberalen (Sozial-) Politik, in: Butterwegge/Lösch/Ptak, Kritik des Neoliberalismus, Wiesbaden 2007,  135-220,  S.136.

2. Segbers, Franz, Die Armut der Politik: Menschenrecht auf Nahrung und der Irrweg der Tafelbewegung, Blätter f.dt.u.int.Politik Nr.1/2013, S.80-89, S.80 f. (VORSICHT! Paywall!!)

http://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2013/januar/die-armut-der-politik

Wikileaks/Anonymous: Urteil gegen jungen Hacker

Gerd R. Rueger 03.02.2013 Anonymous_Flag.svg

London. Der britische Anonymous-Aktivist Jake Birchall (18) wurde am 01.02.2013 verurteilt, weil er vor zwei Jahren Wikileaks im Rahmen von “ Payback“ zu Hilfe eilte. Unter dem Namen Anonymous verteidigten Hacktivisten Wikileaks gegen die Finanzmafia (Operation Payback).

Damals hatten US-Finanzfirmen auf Drängen der US-Regierung Wikileaks rechtswidrig Konten gesperrt, um die Plattform finanziell zu töten. Die Rechtswidrigkeit wurde später von einem isländischen Gericht bestätigt, leider erst in einem Fall und nach langwieriger Verhandlung. Die britische Justiz war keine große Hilfe für Assange gegen den illegalen Boykott-Terror der Finanzfirmen. Wohl aber für die Finanzfirmen gegen Anonymous, wobei die Frage nach der Verhältnismäßigkeit den Richtern ihrer Majestät der Königin von England wohl nicht in den Sinn kam. Ist eine nicht erreichbare Website wirklich schlimmer als das kriminelle Zurückhalten von Geld, für das die Finanzfirmen treuhänderisch verantwortlich waren? Die Finanzfirmen waren in ihrer Existenz nicht bedroht, Wikileaks schon.

Der Hacktivist Jake Birchall wurde jetzt  im Namen der Königin wegen seiner Beteiligung an DDoS-Angriffen und Defacements gegen PayPal und andere Internet-Dienstleister verurteilt. Anders als seine Mittäter entging Birchall einer Haftstrafe, wegen Strafunmündigkeit und vom Gutachter festgestellter psychosozialer Probleme (mutmaßliches Asperger-Syndrom).

Der britische Anonymous-Aktivist Jake Birchall ist im Web als „Fennic“ bekannt. Er wurde für Aktivitäten zwischen dem 01.08.2010 und dem 22.01.2011 verurteilt. Jake war also zum Tatzeitpunkt erst zarte 16 Jahre alt. Von einem Londoner Gericht wurde er nun zum Besuch eines 18-monatigen Jugend-Rehabilitations-Projekts und zu 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit verknackt.

Richter Peter Testar erklärte, angesichts von Birchalls Taten hätte er eigentlich eine „substanzielle“ Haftstrafe für angemessener erachtet, sei aber gezwungen Milde walten zu lassen. Neben der Jugendlichkeit von Jake habe er psychologische Gutachten berücksichtigen müssen, in denen der Hacker als sozial „zutiefst isoliert“ beschrieben wurde (Asperger-Symptom?).

Jake habe aber bei den Aktionen von Anonymous eine wichtige Aufgabe erfüllt, erklärte Richter Testar: „Er spielte in diesen Dingen eine prominente und wichtige Rolle und ich denke, er muss lernen, morgens aufzustehen und unbezahlte Arbeit zu leisten,“ berichtet gulli.com. Der ehrenwerte Richter wusste wohl nicht, dass bei Anonymous grundsätzlich nur freiwillig unbezahlte Arbeit geleistet wird, oft auch früh morgens -wenn auch nicht unbedingt früh morgens aufgestanden wird.

Jake Birchall begann nach eigenen Angaben schon im Alter von acht Jahren das Internet zu nutzen, aha ein echter Hacker! Er sei also höchst erfahren im Umgang mit Computern und spielte eine einflussreiche Rolle in der Gruppe „AnonOps“, der von Anonymous verwendeten Infrastruktur zu verdanken sei. Jake beschrieb sich selbst in Befragungen als „Netzwerk-Administrator“, nahm aber nach Einschätzung der Justizbehörden auch selbst an DDoS-Angriffen teil.

paybackZu Details des psychologischen Gutachtens durfte sich Richter Testar nicht weiter auslassen. Er sagte lediglich, dass Kriterien für „bestimmte Krankheiten“ erfüllt seien,  etwa sei ein „merklicher Mangel an nonverbalen Fähigkeiten“ festgestellt worden. Sag doch gleich Asperger, oder? Bedenke: Dies ist eine anerkannte psychische Behinderung und kein Grund sich zu schämen (und wenn man es vortäuschen kann, eine tolle Sache, um das Strafmaß zu mildern). Nieder mit der Diskriminierung von Aspergern und anderen psychisch beeinträchtigten Menschen! Der berühmte Anti-Psychiater Thomas S. Szasz hielt sogenannte Geisteskrankheiten für Erfindungen der Psychiater, um unangepassten Menschen ein Stigma anzuhängen und sie zu entrechten. Wenn hier ein Stigma (Hacker) mit einem anderen (Asperger) etwas in den justiziellen Folgen entschärft werden konnte, ist dies vielleicht nicht so übel…

Wikileaks-Spielfilm: Bertelsmann hetzt weiter gegen Assange

Gerd R. Rueger 03.02.2013  Assange_(Norway,_March_2010)

Immer noch oder schon wieder? Trotz der unzähligen Klagen, die Julian Assange gegen den brutalen Shitstorm der Mainstream-Medien Journaille führen musste, geht die Sex-Lügen-Kampagne gegen Wikileaks weiter. Jüngst kommt jetzt wieder der STERN von Bertelsmann mit der hetzterischen Verleumdung vom „mutmaßlichen Sexualverbrecher“ Assange. Diese publizistische Politik folgt dem ambivalenten Umgang mit Wikileaks, den auch der SPIEGEL betrieb, auch eine Illustrierte des berüchtigten Medienkonzerns aus Gütersloh.

Heimtückisch im Feuilleton wird dem unbedarften Medienkonsumenten die intrigante Propagandalüge untergeschoben: In einem Bericht über den anstehenden ersten Assange-Spielfilm TheFifth State, den Julian Assange selbst schon nach Blick ins Drehbuch als Propaganda-Attacke bezeichnete. Er wird wissen warum. Und etwas anderes ist aus der Mainstream-Filmindustrie auch nicht zu erwarten.

Der Propagandastreifen protzt mit  „Sherlock Holmes“-Darsteller Benedict Cumberbatch in der Hauptrolle als Wikileaks-Gründer und dem deutschen Star Daniel Brühl als Chaos-Computer-Club-Hacker Daniel Domscheit-Berg (ein Kraut spielt den Kraut, alte Hollywood-Tradition, vor allem wenn Schurkenrollen zu vergeben sind). Klar, dass die Medienmafia sich diese Gelegenheit nicht entgehen lässt, weiter gegen Assange zu hetzen, hier STERN-Schreiberin Sophie Albers im Dienste von Medientycoonin Liz Mohn:

„Julian Assange ist vieles: Gründer der umstrittenen Enthüllungsplattform Wikileaks, gefeierter Hacker, gesuchter Staatsfeind, Popstar, mutmaßlicher Sexualverbrecher, Internet-Held – und nun auch Filmstar. Es ist ein kleines Wettrennen entstanden um die popkulturelle Auswertung des Australiers, der seit dem 19. Juni 2012 politisches Asyl in der ecuadorianischen Botschaft in London genießt.“

Die zynische Schreibe begnügt sich nicht mit dem Wiederholen der nachweislich falschen Hetzparole vom „Sexualverbrecher“, sie setzt noch einen drauf mit der Formulierung, dass Assange sein Asyl in der Botschaft „genießt“ -tatsächlich leidet er unter gesundheitlichen Problemen durch die lange erzwungene de fakto Inhaftierung. Ob scham- oder ahnungslos, hier wird wieder einmal alles geleugnet, was an Aufklärungsarbeit über die Sex-Intrige um Assange und die beiden Schwedinnen im Internet geleistet wurde, gerade hier bei Jasimrevolution. Journalisten als Lynchmob gegen Kritiker der Finanz- und Medienmafia sind nichts Neues und besonders heimtückisch wirkt solche Propaganda, wenn sie, wie hier von Sophie Albers, in sich dumm stellender Beiläufigkeit eingeflochten wird. Der Kinofilm wird ein weiterer Propagandaschlag gegen Assange, wie schon die Guardian-nahe Lügen-Doku „Wikileaks -Geheimnisse und Lügen“.

Frankf_FoWL

Der Niedergang des Journalismus lässt sich am Fall Assange lupenrein mitverfolgen. Kritische und intellektuelle Ansprüche werden gegen eine rückgratlose Hofberichterstattung ausgetauscht. Wer schreiben will muss anscheinend heute lügen -im Sinne der ökonomisch herrschenden Machteliten. Die Kunst bleibt von soviel Kriechertum nicht verschont: Die Assange-freundliche Theaterversion der Wikileaks-Story „Assassinate Assange“ wurde vom Mainstream-Feuilleton dagegen mit Hohn bespuckt und in ihrer künstlerischen Qualität unfair heruntergemacht.