altertümliche Kapitalismuskritik
-auf „eigentümlich frei“ immer noch zutreffend
Theodor Marloth 18.1.2013
„eigentümlich frei“ ist ein seltsames Pressemedium. Der saloppe Reaktionär mit flotten Sprüchen aus der zynischen Mottenkiste. Die Macher dieses Mediums leben in einer Welt, die kein Hartz-IV-Elend kennt. Der Sozialstaat ist für sie immer noch zu ausgebaut, sie wollen ihn reduzieren. Die Freiheit, die sie meinen, ist die Freiheit zur steuerfreien Ausbeutung, ihre Freiheit ist die eigentümliche Freiheit nur des Eigentümers.
Liberalismus ist, wenn der Arme wie der Reiche die Freiheit haben, unter einer Brücke zu schlafen. Neoliberalismus ist, wenn die Brücke privatisiert wird und der Arme selbst dafür noch an den Reichen zahlen soll. (Theodor Marloth)
ei-frei (eigentümlich frei) ist ein wirklich sehr seltsames Pressemedium. Man gibt sich jung und locker, kaut aber älteste, reaktionäre Phrasen vor sich hin: Staat schlecht, freier Markt toll -man nennt es Neoliberalismus. Arbeitgeberbosse dürfen bei ihnen Gourmetstipps geben, neoliberale Hassprediger ereifern sich für die „Freiheit“, die sie meinen.
Besonderen Hass hegen die vermutlich von Multimillionären alimentierten Schreiberlinge der rechtspopulistischen Agitprop-Front gegen den Sozialstaat. Er sei die Wurzel allen Übels, er wuchert und tötet die Freiheit (die eigentümliche des Eigentümers versteht sich). Wer nix hat, soll sich nicht so haben und den Gürtel enger schnallen. Dann können die Steuern sinken und die Reichen jubeln -hurra! Aber leider neidet der Ausgeraubte dem Räuber dessen Beute, will gar etwas zurück.
eigentümlich frei: Niemals würde es heißen, ein Finanzminister „scheffelt Millionen“. Das können in dieser Sprachwelt nur „Konzerne“ oder „Reiche“. Auch würde immer nur ein Unternehmen, niemals aber ein Finanzamt „Kasse machen“.
Das ist wahrhaft schlimm: Dass reiche Schmarotzer Steuern zahlen müssen, die womöglich nicht für den Schutz ihrer Luxusvillen ausgegeben werden, sondern für die Unterstützung von Armen. Die Armen sind ja nicht alle arm geboren, einige wurden auch abgezockt von solchen, die dann eben zu Reichen wurden. Und nun wollen die einen Teil des gestohlenen Geldes zurück, nur wegen ihrer Menschenrechte? Das ist Sozialneid! Kann man die ei-frei-Ideologie so zusammenfassen? Scheinbar schon.
eigentümlich frei: Ein Land, in dem die Todsünde Neid in „soziale Gerechtigkeit“ umbenannt und zur Tugend umgedeutet wurde, erfordert eine spezifische Rhetorik, die ihre Botschaften auf das tatsächliche Hörpotential ihrer Empfänger feinjustiert.
So die Weltsicht der Ausbeuter -aber ist es nicht eher so, dass wir in einem Land leben, in dem die Todsünde Habgier in „Unternehmergeist“, „Winner-Mentalität“ oder „Leistungsbereitschaft“ umgedeutet wurde? Und die Todsünde Eitelkeit in „professionelle Selbstdarstellung“ oder „Public Relation-Effizienz“? Ob Ei-frei hier wirklich große PR-Erfolge verbucht, sei dahin gestellt. Die plumpen Drohungen mit katholischem Sündenregister sind altbacken und witzlos. Die Macher des Propagandaorgans sehen sich auf der Siegerseite, jammern aber zugleich lauthals über ihre angebliche Benachteiligung im öffentlichen Diskurs… Als ob ARD oder Bertelsmann dauernd das kommunistische Manifest verlesen und soziale Errungenschaften Kubas und Ecuadors preisen würden. Sie wollen tatsächlich den Opfern ihrer Herren Geldgeber einreden, mit Liberalo-Parolen auf die Winner-Seite zu gelangen. Na dann viel Glück.
eigentümlich frei: Die rhetorische „Ich-Botschaft“ des Liberalen hierbei ist: Ich stehe auf der Seite derer, die ein ernsthaftes „Fair Play“ statt scheinheiliger Pseudoargumente wünschen. Und der zentrale liberale Appell richtet sich nicht (mehr nur) auf die Einsicht der Mitglieder unserer Umverteilungskasten, sondern an die Massen der Umverteilungsverlierer…
Mal sehen, welcher Hartz-IV-Unterworfene sich so einen Blödsinn aufschwatzen lässt, statt Widerstand gegen Ausbeuter und staatliche Willkür zu leisten. Die Politik der Zerstörung des Sozialstaates gehört zum Konzept von “New Labour”, wie es SPD und Grüne in Deutschland einführten und FDP und CDU noch verschärften. Tägliche Schikane auf dem Amt gehört ebenso dazu wie die öffentliche Ausgrenzung von Arbeitslosen, Armen, Alten und Kranken als “Sozialschmarotzer”. Im gut bezahlten Dienste der Finanzeliten haben sich ehemals linke Parteien für diese menschenverachtende Praxis in den westlichen “Postdemokratien” einspannen lassen. Sachbearbeiter müssen den Kopf für diese Praxis hinhalten, sie erleben jedoch zunehmend Widerstand der Betroffenen.
Bei ei-frei weiß man nichts davon oder tut zumindest so. Hier ist Sozialstaat eine unnötige Einrichtung –sollen die Armen doch verhungern. Provokation? Oder geht es den Schreiberlingen von ei-frei nur um das Geld von ein paar debilen „Leistungselite“-Deppen, die einem reaktionären Schundblatt teure Anzeigen schalten sollen?