Schweizer Abzock-Plebiszit: Viel Heuchelei bei CDU bis SPD

Theodor Marloth 4.März 2013 Fahne und Wappen der Schweiz

Die Schweizer Bevölkerung hat sich in einem Plebiszit für eine Begrenzung von Managergehältern ausgesprochen: Die Aktionäre sollen jährlich entscheiden, wie viel Geld die Spitzenmanager verdienen. Da wird in Zukunft auf so manch einer Luxusyacht der Armanigürtel enger geschnallt werden müssen. Das klingt toll, angeblich auch in deutschen Politikerohren -aber wer hatte den Berliner Regierenden der CDU/CSU und Ex-Regierenden der SPD eigentlich verboten, das schon vor dem Schweizer Alpen-Appell anzupacken? (Von FDP und Grünen ganz zu schweigen.)

Deutsche Politiker merken schnell, dass diese Entscheidung auch dem deutschen Volk aus der Seele spricht: Kaum einer, nicht mal der dümmste FDP-Lümmel, hat sich diesmal hinreißen lassen, die stereotype „Neid!“-Retourkutsche heraus zu plärren, mit der sonst jeder Ansatz für mehr Gerechtigkeit niedergebrüllt wird. Man zeigt sich offen für die Schweizer Anstöße -nur warum haben SPD und gar erst CDU/CSU auf den Ruf der Alpen gewartet? Forderungen nach Gierschlund-Steuern gab es in den letzten 20 Jahren genug -Die Linke kommt in jeder Legislatur damit an und wird eins ums andre Mal abgeschmettert -mit „Neid“-Geschrei und anderen Lügenparolen. Die FDP macht erstmal ein dummes Gesicht dazu und setzt auf die Aktionäre, die sind ja meist auch Besserverdienende und werden schon dafür sorgen, dass kein Geld aus den Konzernkassen etwa bei Armen, Alten und Kranken landet. Neoliberalismus ist ökonomische Gewalt, die auf Deregulierung der Finanzsysteme beruht -bis hin zu einer institutionalisierten Finanzmafia .

Gehaltsexzesse sind Gewaltexzesse

Ökonomische Gewalt gegen die Bevölkerung macht sich in einer immer brutaleren Umverteilung von Armen zu Reichen bemerkbar. Und wie ändern wir das am Besten? Da nicht nur der Fisch vom Kopf her stinkt, ist es logisch, bei den Top-Managern anzufangen. Sie sind die größten Abzocker bei uns wie in der Schweiz oder anderswo. Ihre immer mehr ausufernde Macht zurückzustutzen ist daher ein sinnvoller Ansatz, der nicht bei der dreisten Boni-Abzockerei stehen bleiben darf.

Das Plebiszit endete mit einer großen Mehrheit von 68 Prozent für die vom parteilosen Ständerat Thomas Minder gegründete Volksinitiative „gegen die Abzockerei“. Die Initiative will unter Androhung von Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren und Geldstrafen bis zu sechs Jahresvergütungen verbieten, dass sich Konzernvorstände die Höhe von Managergehältern großzügig selbst zuteilen. Es soll ein neuer Absatz 3 den Artikel 95 (Privatwirtschaftliche Erwerbstätigkeit) der schweizerischen Bundesverfassung ergänzen, der bestimmt, dass die Generalversammlung einmal jährlich über die Vergütungen des Verwaltungsrates (Schweizerisch für Aufsichtsrat), der Geschäftsleitung und des Beirates abstimmt.

Sprachräume -frz., dt., it., ruten.

Die Schweizer wollen auch die heute oft millionenschweren Extrazahlungen wie „Begrüßungsgeld“ und „Goldenen Handschlag“ verbieten, ebenso wie Prämien für Firmenkäufe und -verkäufe, mit denen Top-Manager bisher nochmal extra in die Konzernkassen langen können. In Deutschland heuchelte die etablierte Politik viel Zustimmung für das Schweizer Modell.

Mehr als zwei Drittel der Schweizer stimmten bei der „Volksinitiative gegen die Abzockerei“ mit „Ja“. Nach dem klaren Votum der Schweizer Bevölkerung ist nun die eidgenössische Politik dran: Regierung und Parlament müssen nach dem Willen des Volkes gesetzliche Grundlagen schaffen, den Gierschlünden im Top-Management beim Griff in die Kasse auf die Finger zu klopfen. Anders als in Deutschland, wo Plebiszite oft von der Politik mit Verachtung behandelt und mit hinterfotzigen Tricksereien abgewürgt werden, wird dies in der Schweizer Tradition nicht so leicht möglich sein. Da wird in Zukunft auf so manch einer Luxusyacht der Armanigürtel enger geschnallt werden müssen.

Schweizer ließen sich von ihren korrupten Politikern keinen Sand in die Augen streuen

Und das Schönste daran: Unsere korrupte Politkaste kann bei linken Forderungen gegen Habgier- und Finanzdiktatur jetzt wenigstens nicht mehr mit dem Finger auf die Schweiz zeigen und über das Ausland jammern, das zuerst eine demokratische Politik anfangen soll. Den Neoliberalismus niederzukämpfen muss erste Aufgabe jeder Demokratie sein -nur die neoliberalen Medien verhindern, dass die Menschen dies erkennen können. Die Hartz-IV-Diktatur im deutschen Sozialsystem ist nur ein Auswuchs dieser auf Ausbeutung und Massenmanipulation basierenden Finanzdiktatur, die durch Deregulierungen legalisierte Abzock-Kriminalität des Top-Managements ist das andere Extrem.