Hartz IV: Phoenix deckt Bertelsmann

Theodor Marloth 20.03.2013 PHOENIXonline

Liberalismus ist, wenn der Arme wie der Reiche die Freiheit haben, unter einer Brücke zu schlafen. Neoliberalismus ist, wenn die Brücke privatisiert wird und der Arme selbst dafür noch an den Reichen zahlen soll. Theodor Marloth

In der heutigen Phoenix-Dokumentation zur „Agenda 2010“ und Hartz IV wurde angeblich über die Hintergründe des Sozialabbau-Programms berichtet. Tatsächlich kamen neben zahlreichen Befürwortern der neoliberalen „Sozial“-Politik auch einige Gegner zu Wort. Verschwiegen wurde jedoch der wichtigste Aspekt: Die Wurzeln der sogenannten „Reformen“ in jahrelangem Lobbyismus, speziell von Bertelsmann. Wie unabhängig ist der öffentlich-rechtliche TV-Kanal Phönix von den privaten Medienmogulen in Deutschland wirklich?

Bertelsmann ist der größte Medienkonzern Deutschlands und Europas (RTL, n-tv, „Stern“, „Spiegel“), die Milliardenschwere Konzern-Stiftung der wohl mächtigste Lobby-Think tank. Sein Einfluss reicht bis weit hinein in Politik, Gewerkschaften und sogar die öffentlich-rechtlichen Medien. Der Doku-Kanal Phoenix scheint sich diesem Einfluss nicht entziehen zu können, denn obgleich die Fakten seit Jahren bekannt sind verschwieg Phoenix die Urheberschaft Bertelsmanns für die Agenda 2010 und Hartz IV.

Immerhin wurden auch einige negative Fakten angeführt: Das Wuchern des deutschen Niedriglohnsektors auf 22 Prozent, die verdeckte Arbeitslosigkeit von fast einer Million „Aufstocker“, deren Billig-Sklavenarbeit, an der sich ausbeuterische Unternehmer eine goldene Nase verdienen, vom Staat subventioniert wird. Nicht erwähnt wird dabei der offensichtliche Zusammenhang mit dem boomenden Reichtum, der auf Kosten der prekär Schuftenden entsteht. Am wichtigsten jedoch: Das komplette verschweigen der Hintergründe der Agenda- und Hartz-Politik in dem angeblichen Phoenix-Hintergrundbericht: Die Wühlarbeit der Bertelsmann-Stiftung und die neoliberale Begleit-Propaganda der Bertelsmann-Medien.

Hartz IV-Blaupausen kamen von Bertelsmann

Inzwischen ist es für jeden, der etwas länger im Netz recherchiert wohlbekannt: Die Blaupausen für Hartz I-IV wurden klammheimlich von der Bertelsmann-Stiftung entwickelt, einer der reichsten Stiftungen des Landes, der die Mehrheit der Konzernaktien gehört. Die Stiftung selbst gehört dabei jedoch praktisch der Milliardärsfamilie Mohn, so dass die offensichtlichste Kritik lauten muss: Die Stiftung ist ein „Steuerspar-Modell“. Doch dies ist in Wahrheit nur der kleinste Mangel –vor allem ist die Bertelsmann-Stiftung ein neoliberaler Think tank, vielleicht der mächtigste Drahtzieher im Berliner Polit-Zirkus. Die im politischen Hintergrund agierenden Think tanks sind eine zentrale Machtbasis des Neoliberalismus gegen die Demokratie. Von der Industrie finanziert, als neutrale Forschungsinstitute, Stiftungen oder NGOs getarnt, nutzen Think tanks Geld- und Medienmacht, um dafür empfängliche Parteien, Regierungen und die Öffentlichkeit zu manipulieren. Ihr mächtigster Vertreter in Deutschland und Europa ist vermutlich die  Bertelsmann Stiftung (Hauptsitz: Gütersloh).

Ab Mitte der 90er Jahre pirschte sich die Bertelsmann-Stiftung an SPD, Gewerkschaften und Grüne heran, spendete, unterstützte und vergab Posten. Ein Personalkarussell mit den Parteien bahnte die spätere eindringliche Politikberatung der rotgrünen Regierung von Gerhard Schröder an. Auch andere Bereiche der Politik wurden von Beratung seitens des Medienkonzerns inspiriert: Von der Medienpolitik über die Kultur- und Bildungspolitik bis hin zum Außen- und Sicherheitsressort. Die Bertelsmann-Stiftung wurde zum Cheflobbyisten der deutschen Industrie, zur politischen Interessenvertretung der Besserverdienenden und zur wichtigsten PR-Agentur des Neoliberalismus. Eines der wichtigsten Felder war dabei die Abkopplung Deutschlands vor humanen, demokratischen und sozialen Marktwirtschaft nach skandinavischem Vorbild und die Anbiederung an das angelsächsische Modell des neoliberalen Raubkapitalismus. Sozialabbau und Dumpinglöhne wurden zur Chefsache der einstigen Arbeiterpartei SPD: Schröder, der „Genosse der Bosse“.

Bertelsmann-Studien: Neoliberale Pseudowissenschaft

Ab der Jahrtausend-Wende ließ die Bertelsmann-Stiftung Studien zur angeblichen Notwendigkeit der Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe (Hartz IV) anfertigen und publizieren; 2003 legte die Konzernstiftung ihr Grundkonzept für die Job-Center (Hartz III) vor; die Idee der Personal-Service-Agenturen (Hartz I) erarbeitete Bertelsmann gemeinsam mit und der Bundesanstalt für Arbeit und mit dem Beratermulti McKinsey (damals der externe Haus-Berater des Medienkonzerns). Doch die Durchsetzung der unsozialen Konzepte erforderte mediale Macht –ein Skandal musste her.

Medienmacht wirkte schon im Vorfeld der industrie-freundlichen Deformierung der deutschen Arbeitsmärkte: Der Whistleblower Erwin Bixler, der Übertreibungen bei den Vermittlungszahlen von Arbeitslosen ans Licht brachte, hatte im Gegensatz zu vielen anderen Whistleblowern keine Probleme, ein breites Medienecho zu finden. Sein aufgedeckter „Skandal“ war eher ein Skandälchen, das so zu Wasser auf Bertelsmanns Mühlen zur Durchsetzung der Hartz-„Reformen“ wurde.

Obwohl kaum einer je geglaubt hatte, die Bundesanstalt für Arbeit wäre jemals übertrieben selbstkritisch bei der Darstellung der eigenen Erfolge gewesen, wurde die Petitesse zu einem riesigen Ding aufgeblasen. Wochenlang durfte jeder noch so dümmliche Hinterbänkler in den Parlamenten auf die Arbeitsmarktpolitik von Schröder und das Arbeitsamt einprügeln, bis bei SPD und Grünen kein Widerstand gegen die Hartz-„Reform“ mehr zu sehen war. Auf Phoenix schwadronierte Müntefering noch zehn Jahre später von den angeblichen Skandal, der seine Hartz-Reformen rechtfertigen sollte.

Phoenix tendenziös Pro-Hartz IV

Der Phoenix-Schwerpunkt zur Agenda 2010 ist insgesamt sehr tendenziös im Sinne einer Bemäntelung der sozialen Schäden von Hartz IV. Einzelfälle werden zwar angeführt, aber dagegen setzt man die neoliberale Behauptung, „Deutschland“ ginge es mit der Prekarisierung besser, weil die Exporte boomen. Das Gegenbeispiel Frankreich wird nicht erwähnt –dort wurde der Sozialstaat nicht preisgegeben und stattdessen auf faire Löhne und Binnennachfrage gesetzt: Einziges Problem die fette deutsche Export-Industrie im Nachbarland, die mit Ausbeutermethoden die französischen Betriebe unterbieten kann. Merkels Politik exportiert aber letztlich nur Arbeitslosigkeit und Verschuldung in die europäischen Nachbarländer –um dann frech von ihnen zu fordern, ihre Bevölkerung ebenfalls zu verelenden und Billiglohn-Ausbeutern auszuliefern (sog. „Strukturreformen“).

Dies darf oder will keiner der von Phoenix ins Bild gesetzten Experten sagen, letztlich bleiben nur bedauerliche Einzelfälle von bis  zum Umfallen schuftenden Billigarbeitern und der ewige Kritiker Oskar Lafontain, den die SPD jahrelang als „Verräter“ verunglimpfte. Dabei wollte er einfach nur vernünftige Sozialdemokratie betreiben, statt sich von Bertelsmann kaufen zu lassen. Das inszeniert Phoenix tendenziös: Ausführlich dürfen Altkanzer Schröder, sein Gefolgsmann Müntefering und viele andere mehr die Agenda-Hartz-Politik rechtfertigen. Nur spärlich kommt als Gegner Oskar Lafontain zu Wort, natürlich nicht ohne ihm die stereotypen Verleumdungen anzuhängen, er wäre der Regierung Schröder „davon gelaufen“. Siehe auch Marloth zu Hartz IV

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Westerwelle: Ein Neoliberaler in Tunesien

Gerd R. Rueger 20.03.2013  Der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle hat wenige Tage nach der Bildung einer neuen Regierung Premierminister Ali Larayeth (Nahda) die weitere Unterstützung zugesagt.

Unser neoliberaler Aussenminister Guido Westerwelle hat wenige Tage nach der Bildung einer neuen Regierung Premierminister Ali Larayeth (Nahda)Tunesien einen Besuch abgestattet. Keine große Meldung, eher ein Abtauchen vor der Euro-Krise an den schönen Stränden Tunesiens. Westerwelle hat die weitere Unterstützung Berlins für den demokratischen Übergangsprozess in Tunesien zugesagt -und meinte vermutlich den neoliberalen Umbau des Landes.

Westerwelle sprach am Dienstag auch mit Staatspräsident Moncef Marzouki, dem Präsidenten der Konstituante, Mustapha Ben Jaafar, sowie Oppositionspolitikern. Ausgerechnet der fanatische Neoliberale forderte die neue Regierung auf, Gewalt, Extremisten und Fanatikern entgegenzutreten -Westerwelles extreme Parolen zum Thema Hartz IV und Sozialabbau hatte in Berlin viel böses Blut gesät. Die Ermordung des Oppositionspolitikers Chokri Belaïd Anfang Februar bedeute einen Rückschlag für die tunesische Revolution, erkannte immerhin Westerwelle, der unbeliebteste Außenminister den Bonn und Berlin je gekannt haben.  Westerwelle betonte die Notwendigkeit wirtschaftlichen Aufschwungs für den Erfolg des demokratischen Übergangsprozesses. Das „verlässliche Bild“ eines demokratischen Tunesien werde zu mehr Touristen, mehr Investitionen und mehr Arbeitsplätzen im Land führen, versprach Westerwelle und meinte damit Demokratie im neoliberalen Sinne: Ohne soziale Menschenrechte und ganz im Sinne der großen Konzerne.

Westerwelle -Markenzeichen: Zynismus pur

Westerwelle appellierte an die tunesische Regierung, den Zeitplan, der Wahlen Ende dieses Jahres vorsieht, einzuhalten und die grossen Hoffnungen der Bevölkerung nicht zu enttäuschen -denn damit hat er große Erfahrung: Seine Partei ist eine einzige große Enttäuschung für alle, die nicht zu den oberen 1% zählen. Tunesien „habe einen Neuanfang gewagt, bei dem das Gemeinwohl über parteipolitischen Interessen stehen müsse“ -solche schwülstigen Worte fehlen im Rederepertoire Westerwelles leider in der Innenpolitik -in der Sozialpolitik tat er stets das genaue Gegenteil davon: Die Parteispenden und Schmiergeld-Interessen der FDP gingen ihm immer vor den Landesinteressen, zumal den Belangen der Bevölkerung (ausgenommen die besserverdienenden Millionäre, versteht sich).

Hartz IV, „Florida-Rolf“ und die „spätrömische Dekadenz“ der FDP

Theodor Marloth 20.03.2013 

Rückblick: Februar 2010, nach dem BGH-Urteil, das die Hartz-Gesetze für verfassungswidrig erklärte, hörte man wenig über das Leid der Hartz-Opfer von der journalistischen Klasse. Die Medien jagten lieber „Florida-Rolf“, einen angeblichen Sozialhilfe-Empfänger, der es angeblich geschafft hatte, seine Bezüge am Strand des sonnigen US-Bundesstaates zu verjubeln. Wenigstens gab es am 25.02.2010 noch eine Bundestags-Debatte zu „Entwicklung und Zukunft von Hartz IV“. Schwarzgelb wälzte sich in wohlfeilen Schuldzuweisungen an die rotgrüne Schröder-Clique, die Hartz IV verbrochen hatte –obwohl sie weder dagegen gewesen waren, noch etwas zum Besseren hätten ändern wollen. Der FDP-Hinterbänkler Dr. Heinrich Kolb verstieg sich dabei bis hin zu einer Art Neuauflage der Dolchstoß-Legende :

„Es ist unglaublich, was Sie heute morgen hier abziehen. Mit Ihren Angriffen auf den Vize-Kanzler versuchen Sie davon abzulenken, dass Sie eine erhebliche Schuld an dem Desaster in Karlsruhe tragen, denn es ist Ihr Gesetz, das da in Karlsruhe gescheitert ist… Sie können doch nicht nach dem Motto ‚Haltet den Dieb, er hat mein Messer im Rücken!‘ hier so tun als ob Sie frei von jeder Schuld wären.“

Ob Dr.Kolb wohl durchdacht hatte, wer da Dieb, was Messer und warum im Rücken gewesen sein sollte? Aber, unglaublich, abr wahr:  es wurde noch weit Dümmeres zum Thema Hartz IV in unser Parlament hineingepöbelt. Damals hallten im Bundestag noch die Worte eines FDP-Mannes nach, der sich mittlerweile der unbeliebteste deutsche Außenminister der Nachkriegszeit nennen darf: Guido Westerwelle hatte die Hilfe zum Lebensunterhalt als  „spätrömische Dekadenz“ beschimpft und so einen Tiefpunkt in der damaligen Hetzkampagne gegen Arbeitslose gesetzt. Statt wenigstens noch einen Rest von Verantwortung für die Ärmsten und Wehrlosesten im Land zu übernehmen, wurde trotz Millionen fehlender Arbeitsplätze, den Arbeitslosen selbst die alleinige Schuld für ihre Lage zugeschoben. Ein „sozialer und demokratischer Bundesstaat“ (Grundgesetz Artikel 20) sieht anders aus. Annette Kramme, die Sprecherin der SPD für Arbeit und Soziales, ging darauf ein:

„…die Beiträge von Herrn Westerwelle zeigen, dass wir uns nicht im Zustand spätrömischer Dekadenz befinden, sondern im Zeitalter spätmittelalterlicher Hexenjagd. Da werden die Armen gegen die Armen in Stellung gebracht, da werden Heerscharen von Schmarotzern und Betrügern herbei zitiert, die heuschreckenartig über den Sozialstaat herfallen und ihn kahlfressen. Meine Damen und Herren, Florida-Rolf ist die Ausnahme, nicht die Regel.“

Ob die breite Wiederholung übelster Schmähungen durch die SPD-Funktionärin wirklich nötig war, kann bezweifelt werden –aber immerhin grenzte sie sich und ihre Partei von der Hetze der „Bild-Zeitung“ und anderen Medien gegen Arbeitslose ab.

Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) schlug umgehend zurück:

„Frau Kramme und andere… von Folter war die Rede und von Hexenjagd. Ich lese, das sei ein Ausflug in irgendeine rechte Politik. …Wenn man in Deutschland Leistungsgerechtigkeit als rechtsradikal ansieht, dann zeigt das nur, welches linke Gedankengut man mittlerweile im Kopf hat.“

„Linkes Gedankengut“ als Diffamierung des Sozialstaatsgebotes unserer Verfassung? „Leistungsgerechtigkeit“ als Synonym für Lohndumping, Ausbeutung und vorsätzliche Verelendung? Die FDP bewegte sich hier weit in Richtung Rechtspopulismus. Wenn ihr jetziger Boss Rösler gegen das NPD-Verbot eintritt, Begründung „Dummheit lässt sich nicht verbieten“, dann ist letzteres vielleicht Wunschdenken. Wo die Dummheit Macht erlangt und Menschenrechte verletzt, muss man sie verbieten. Klaus Ernst, Vize-Fraktionsvorsitzender der Linkspartei, bot dem auf die Armen und Verelendeten einprügelndem FDP-Chef schon eher Paroli:

„Leistungsverweigerer, Herr Westerwelle, leben in Deutschland nicht von Hartz IV… Die Leistungsverweigerer in diesem Land sind die Steuerhinterzieher und die Spekulanten und nicht Leute, die im Hartz-Bezug sind. … Ich sage Ihnen eins, Herr Westerwelle, vielleicht haben Sie da in der Schule nicht aufgepasst, aber im alten Rom waren es nicht die Sklaven und auch nicht die Unfreien und auch nicht die Unteren in der Gesellschaft, die diese Dekadenz gelebt haben, sondern es war die politische und wirtschaftliche Führung -und ich habe den Eindruck, heute ist es wieder so.“

Da hat unsere FDP-„Leistungselite“ wenigstens einmal eine passende Antwort auf ihre notorisch dümmliche Hetze gegen die Opfer ihrer Verelendungspolitik und (linke) Andersdenkende bekommen. Oder im FDP-Jargon politischer Hochleistungspoesie formuliert: Das spätrömische Holzbein, auf dem die neoliberale Metaphorik durch den Bundestag hinkt, zieht sich wie ein roter Faden durch das Messer im Rücken ihrer sich selbst entlarvenden Debilität. Insofern sollte diese Partei den letzten Verbalerguss ihres aktuellen Großen Vorsitzenden vielleicht zum Wahlkampfmotto machen: „Dummheit lässt sich nicht verbieten –FDP“.

Aber solche Debatten interessierten die Medien leider wenig, die FDP ließ ihren allzusehr nach großmäuligem Rechtspopulismus riechenden Boss in der Versenkung verschwinden und feierte später wieder Umfrage- und Wahlsiege. Das BGH-Urteil brachte in der Praxis auch nicht wirklich große Hilfe für die Opfer der rotgrünen, schwarzroten und schwarzgelben „Sozial“-Politik. Noch weniger Aufmerksamkeit bekamen von unseren Mainstream-Medien die Rügen der UNO bezüglich Verletzung der sozialen Menschenrechte und des UNO-Sozialpaktes bei der Durchsetzung von Hartz IV. Kein Wunder, die meisten Medien gehören eben dem Konzern, der als Lobbyist Hartz IV betrieben hatte (und die meisten anderen vertreten ähnliche Positionen). Im kommenden Bundestagswahlkampf sollten wir uns an diese Sternstunden parlamentarischer Debatte erinnern und unsere Gelegenheit zur Antwort nutzen: Etwa auf Veranstaltungen und an Wahlkampfständen der FDP, wo so mancher satte, selbstzufriedene Besserverdiener und aufgeblasene Politfunktionär auf die soziale Realität unseres Landes hingewiesen werden möchte.

Zypern: Bankensturm und böse Russen

Galindo Gaznate und Prometheus 20.03.2013 Flagge Zypern statisch

Das zyprische Parlament in Nikosia hat den „Rettungsplan“ der Europäer abgeschmettert -zu sehr trug er die neoliberale Handschrift der Regierung Merkel. Deren Rezepte haben von Athen bis Lissabon die Banken auf Kosten der Menschen saniert und sozialen Raubbau betrieben.  Nach unsozialen Sonderabgaben hätte ein Bankensturm gedroht. In unseren Medien wird die Schuld an der Finanzmisere Zyperns jedoch andauernd dem „russischen Schwarzgeld“ bzw. russischen Geldwäschern und sonstigen bösen Russen in die Schuhe geschoben. Aber ist das wirklich wahr?

„Von Putin einen hohen Preis verlangen“

„Klein-Moskau“, so behauptet Spiegelonline zu wissen,  nennen die Einwohner der zyprischen Stadt Limassol ihre Heimat -wegen „der vielen Geschäftsleute aus Russland“, denn im Süden Zyperns residieren zahlreiche Holdings russischer Oligarchen und dann sind da die „unzählige Milliarden“, die „in den vergangenen Jahren  auf die Mittelmeerinsel geflossen sind“. Aber warum nennen ARD, Bertelsmann & Co.  dies so gerne „Schwarzgeld“? Während die deutschen Milliarden, die man in Athen und anderswo retten wollte folglich als „sauberes Geld“ gewertet wurden, scheinen Richtung Moskau rassistische Ressentiments zu dominieren. Zypern hat aus kulturellen Gründen viele russische Anleger -na und? Da ist es doch klar, dass die Regierung der Insel sich lieber an Moskau wendet als die üblen Rezepte nach Berlins Neoliberalismus zu akzeptieren.

Die EU als Banken-Retter,
aber nicht für russische Milliardäre?

Der Präsident Zyperns, Nikos Anastasiades, telefonierte mit Russlands Staatschef Wladimir Putin. Nikosias Finanzminister Michael Sarris traf bereits am Dienstagabend in Moskau ein, denn er verhandelt mit dem Kreml und seinem Amtskollegen über russische Unterstützung. Nichts ist natürlicher als das: Für Moskau nimmt Zypern, ähnlich wie Griechenland, eine Sonderstellung unter den EU-Ländern ein. Zyprer und Griechen gehören der orthodoxen Kirche an, die recht enge Beziehungen zum Moskauer Patriarchat unterhält -man verwendet schlöießlich auch das kyrillische Alphabet, das nach einem orthodoxen Mönch benannt ist. Zyperns Erzbischof Chrysostomos soll den Patriarchen Kirill auch gebeten haben, bei Wladimir Putin ein gutes Wort für Zypern einzulegen. Deutsche Medien versuchen nun verzweifelt, mit Berichten über angebliche Spannungen zwischen den Ländern Zwietracht zwischen Russlands Finanzminister Anton Siluanow und den Zyprioten zu beschwören -Wunschdenken oder kriecherische Haltung zugunsten Merkels Spardiktaten, die Athen gerade an den Rand des Abgrunds getrieben haben? Der frühere britische Schatzkanzler Alistair Darling soll jetzt davor gewarnt haben, dass die Situation in Zypern eine Panik in ganz Europa auslösen könnte… Hätte Merkel bzw. die schwarzgelbe Regierung in Berlin hier lieber etwas weniger gierig Druck ausgeübt? Dann müssten die deutschen Medien sich nicht in ihrer üblichen Propaganda gegen Moskau überschlagen…

10 Jahre Hartz IV-Heuchelei: Bertelsmann und seine Politik

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Bertelsmann

Theodor Marloth 20.03.2013

Die Durchsetzung von Hartz IV wurde maßgeblich durch Lobbyisten des Medienkonzerns Bertelsmann vorbereitet und durchgesetzt. Der Grund dafür: Die Pläne für die „Reformen“ stammten aus der Bertelsmann-Konzernstiftung. Heute schieben Bertelsmann-Medien die Schuld für alles auf die SPD und ihren Altkanzler Schröder: Eine Strategie, um die Grünen, aber auch Union und FDP reinzuwaschen?

Zum 1.Jahrestag der Hartz IV-Einführung brachte der Nachrichtensender n-tv (Bertelsmann) einen Bericht über die „Klageflut“ gegen  Entscheidungen der Jobcenter. Obwohl in Untertönen nebenher gegen die soziale Einrichtung der Prozesskostenhilfe gehetzt wurde („So lässt es sich leicht klagen!“), die auch Armen bislang einen minimalen Zugang zum Rechtsstaat erlaubt, kritisierte n-tv auch Hartz IV. Die Misere habe man „Altkanzler Schröder und den Sozis“ zu verdanken. Was n-tv nicht erwähnt: Sein eigener Mutterkonzern ist maßgeblich für diese Misere mitverantwortlich –als Lobbyist und politischer Drahtzieher.

„Wer zumutbare Arbeit ablehnt…“

Hartz IV-Kanzler Schröder

„Wer zumutbare Arbeit ablehnt, wird mit Sanktionen rechnen müssen“, sagte Kanzler Schröder am 14.3.2003 im deutschen Bundestag: Damals ahnte niemand, welche menschenverachtende Schinderei ein Jahrzehnt später als „zumutbar“ gelten würde. Selbst Verletzungen des UNO-Sozialpaktes und der Menschenrechte gelten anscheinend in Folge dieser zynischen Politik als „zumutbar“. Die Hintermänner dieser Politik sitzen in der Industrie und ihren Lobby-Organisationen, die sich selbst zunehmend als „Zivilgesellschaft“ bezeichnen und sich als eine Art Bürgerengagement tarnen. Neben der viel gescholtenen „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ ist dies vor allem die Bertelsmann-Stiftung, federführend bei Hartz IV und vielen anderen neoliberalen Grausamkeiten.

Da wundert es wenig: Die Hartz IV-Durchsetzung wurde von Medien, die  Bertelsmann gehören oder an denen der Konzern Anteile hält, vorbereitet, propagiert, hochgejubelt und erst viel später auf Druck der Öffentlichkeit kritischer gesehen. Bertelsmann ist es erfolgreich gelungen, seine Rolle als führender Politikberater bei der Planung und Durchsetzung der Hartz IV-Agenda zu vernebeln. Wie konnte Bertelsmann, dem größten Medienkonzern Europas (Hauptsitz: Gütersloh), das gelingen? Ein Beispiel für die Macht von Medien und Lobbyismus.

Die sogenannten „Hartz-Reformen“ werden heute von allen Seiten als soziales wie finanzielles Desaster betrachtet –außer vielleicht von den damaligen Machthabern in Berlin. Nur noch Altkanzler Schröder selbst findet Hartz IV noch so richtig gut gelungen, und vielleicht die Altsozialdemokraten Münte, Clements und die neoliberale Agenda 2010-Gang vom Seeheimer Kreis.

Anfang Februar 2006 räumte das Bundeskabinett sogar selbst den Misserfolg der Hartz-„Reformen“ ein –inzwischen hatte Merkels schwarzrote Regierung die Macht übernommen. Merkel hatte kein Problem mit Hartz IV, nur das Bundesverfassungsgericht mahnte die Achtung der Menschenwürde an –mit wenig Medienecho. Die Medien jagten lieber „Florida-Rolf“, einen angeblichen Sozialhilfe-Empfänger, der es angeblich geschafft hatte, seine Bezüge am Strand des sonnigen US-Bundesstaates zu verjubeln.

Die Idee Hartz IV stammt von Bertelsmann

Denn die Blaupausen für Hartz I-IV wurden klammheimlich von der Bertelsmann-Stiftung entwickelt, einer der reichsten Stiftungen des Landes, der die Mehrheit der Konzernaktien gehört. Die Stiftung selbst gehört dabei jedoch praktisch der Milliardärsfamilie Mohn, so dass die offensichtlichste Kritik lauten muss: Die Stiftung ist ein „Steuerspar-Modell“. Doch dies ist in Wahrheit nur der kleinste Mangel –vor allem ist die Bertelsmann-Stiftung ein neoliberaler Think tank, vielleicht der mächtigste Drahtzieher im Berliner Polit-Zirkus. Die im politischen Hintergrund agierenden Think tanks sind eine zentrale Machtbasis des Neoliberalismus gegen die Demokratie. Von der Industrie finanziert, als neutrale Forschungsinstitute, Stiftungen oder NGOs getarnt, nutzen Think tanks Geld- und Medienmacht, um dafür empfängliche Parteien, Regierungen und die Öffentlichkeit zu manipulieren. Ihr mächtigster Vertreter in Deutschland und Europa ist vermutlich die  Bertelsmann Stiftung (Hauptsitz: Gütersloh).

Ab Mitte der 90er Jahre pirschte sich die Bertelsmann-Stiftung an SPD, Gewerkschaften und Grüne heran, spendete, unterstützte und vergab Posten. Ein Personalkarussell mit den Parteien bahnte die spätere eindringliche Politikberatung der rotgrünen Regierung von Gerhard Schröder an. Auch andere Bereiche der Politik wurden von Beratung seitens des Medienkonzerns inspiriert: Von der Medienpolitik über die Kultur- und Bildungspolitik bis hin zum Außen- und Sicherheitsressort. Die Bertelsmann-Stiftung wurde zum Cheflobbyisten der deutschen Industrie, zur politischen Interessenvertretung der Besserverdienenden und zur wichtigsten PR-Agentur des Neoliberalismus. Eines der wichtigsten Felder war dabei die Abkopplung Deutschlands vor humanen, demokratischen und sozialen Marktwirtschaft nach skandinavischem Vorbild und die Anbiederung an das angelsächsische Modell des neoliberalen Raubkapitalismus. Sozialabbau und Dumpinglöhne wurden zur Chefsache der einstigen Arbeiterpartei SPD: Schröder, der „Genosse der Bosse“.

Ab der Jahrtausend-Wende ließ die Bertelsmann-Stiftung Studien zur angeblichen Notwendigkeit der Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe (Hartz IV) anfertigen und publizieren; 2003 legte die Konzernstiftung ihr Grundkonzept für die Job-Center (Hartz III) vor; die Idee der Personal-Service-Agenturen (Hartz I) erarbeitete Bertelsmann gemeinsam mit und der Bundesanstalt für Arbeit und mit dem Beratermulti McKinsey (damals der externe Haus-Berater des Medienkonzerns). Doch die Durchsetzung der unsozialen Konzepte erforderte mediale Macht –ein Skandal musste her.

Bertelsmanns Medienmacht trommelte für Hartz IV

Medienmacht wirkte schon im Vorfeld der industrie-freundlichen Deformierung der deutschen Arbeitsmärkte: Der Whistleblower Erwin Bixler, der Übertreibungen bei den Vermittlungszahlen von Arbeitslosen ans Licht brachte, hatte im Gegensatz zu vielen anderen Whistleblowern keine Probleme, ein breites Medienecho zu finden. Sein aufgedeckter „Skandal“ war eher ein Skandälchen, das so zu Wasser auf Bertelsmanns Mühlen zur Durchsetzung der Hartz-„Reformen“ wurde.

Obwohl kaum einer je geglaubt hatte, die Bundesanstalt für Arbeit wäre jemals übertrieben selbstkritisch bei der Darstellung der eigenen Erfolge gewesen, wurde die Petitesse zu einem riesigen Ding aufgeblasen. Wochenlang durfte jeder noch so dümmliche Hinterbänkler in den Parlamenten auf die Arbeitsmarktpolitik von Schröder und das Arbeitsamt einprügeln, bis bei SPD und Grünen kein Widerstand gegen die Hartz-„Reform“ mehr zu sehen war.

Schröder wurde im Wahlkampf 1998 wohl kaum zufällig von Sendern und Blättern Bertelsmanns (RTL, n-tv, Stern, Spiegel) gehypt und zum „Medienkanzler“ geadelt. Die Idee dahinter könnte gewesen sein, dass ein neoliberal gewendeter Sozialdemokrat Angriffe auf den deutschen Sozialstaat und das Lohnniveau leichter vortragen kann als ein Kanzler aus der rechten Ecke. Und so wurde Deutschland ohne nennenswerten Widerstand der Gewerkschaften zum Billiglohnland gemacht, der Sozialstaat geschleift und die Umverteilung von Armen zu Reichen nicht gestoppt (wie viele rotgrüne Wähler gehofft hatten), sondern noch verschärft. Das (angeblich nicht erwünschte) Ergebnis des Sozialkahlschlags: Das Wuchern des deutschen Niedriglohnsektors auf 22 Prozent, die verdeckte Arbeitslosigkeit von fast einer Million „Aufstocker“, deren Billig-Sklavenarbeit, an der sich ausbeuterische Unternehmer eine goldene Nase verdienen, vom Staat subventioniert wird. Klar ist dabei der offensichtliche Zusammenhang mit dem boomenden Reichtum, der auf Kosten der prekär Schuftenden entsteht.

Die Fettlebe der Millionäre ohne Erbschafts-, Vermögens- oder nennenswerte Einkommenssteuern nahm ungeahnte Ausmaße an, die Merkel freilich noch zu steigern wusste. Die Löhne der Massen, die wirklich die Arbeit tun, wurden dabei soweit nach unten gedrückt, dass hämische Neoliberale heute schon darauf verweisen, die obersten zehn Prozent würden ja den Löwenanteil der Lohnsteuern zahlen. Die oberen Zehntausend schwimmen im Geld, aber Armut und Obdachlosigkeit breiten sich aus. Arbeitsplätze, die den Bedürfnissen der Bevölkerung dienen würden, werden vernichtet, die Aktienwerte der Luxusgüter-Industrie steigen. In teuren Privatkliniken blüht das Geschäft, aber immer mehr Menschen werden ungenügend medizinisch versorgt.

Merkels schwarzgelbe Regierung hat in den letzten Jahren das Hartz-Elend noch zu verschärfen getrachtet: Fordern statt fördern bei den Arbeitslosen, deren Langzeit-Wiedereingliederungshilfen um satte 40 Prozent gekürzt und qualitativ verschlechtert wurden –statt sinnvoller Maßnahmen nur noch „quick&dirty“ unnütze Bewerbungstrainings etc., an denen meist nur zwielichtige Anbieter-Agenturen mit gut verfilzten Beziehungen zum örtlichen Jobcenter verdienen. Die Misere ist komplett. Da hilft auch kein von FDP-Funktionär Dr.med. Rösler geschönter Armuts- und Reichtumsbericht (den seine Behörde vermutlich ohnehin so unkritisch wie möglich erstellt hatte), die soziale Wirklichkeit ist heute eine Menschenrechtsverletzung.