Theodor Marloth 20.03.2013
Liberalismus ist, wenn der Arme wie der Reiche die Freiheit haben, unter einer Brücke zu schlafen. Neoliberalismus ist, wenn die Brücke privatisiert wird und der Arme selbst dafür noch an den Reichen zahlen soll. Theodor Marloth
In der heutigen Phoenix-Dokumentation zur „Agenda 2010“ und Hartz IV wurde angeblich über die Hintergründe des Sozialabbau-Programms berichtet. Tatsächlich kamen neben zahlreichen Befürwortern der neoliberalen „Sozial“-Politik auch einige Gegner zu Wort. Verschwiegen wurde jedoch der wichtigste Aspekt: Die Wurzeln der sogenannten „Reformen“ in jahrelangem Lobbyismus, speziell von Bertelsmann. Wie unabhängig ist der öffentlich-rechtliche TV-Kanal Phönix von den privaten Medienmogulen in Deutschland wirklich?
Bertelsmann ist der größte Medienkonzern Deutschlands und Europas (RTL, n-tv, „Stern“, „Spiegel“), die Milliardenschwere Konzern-Stiftung der wohl mächtigste Lobby-Think tank. Sein Einfluss reicht bis weit hinein in Politik, Gewerkschaften und sogar die öffentlich-rechtlichen Medien. Der Doku-Kanal Phoenix scheint sich diesem Einfluss nicht entziehen zu können, denn obgleich die Fakten seit Jahren bekannt sind verschwieg Phoenix die Urheberschaft Bertelsmanns für die Agenda 2010 und Hartz IV.
Immerhin wurden auch einige negative Fakten angeführt: Das Wuchern des deutschen Niedriglohnsektors auf 22 Prozent, die verdeckte Arbeitslosigkeit von fast einer Million „Aufstocker“, deren Billig-Sklavenarbeit, an der sich ausbeuterische Unternehmer eine goldene Nase verdienen, vom Staat subventioniert wird. Nicht erwähnt wird dabei der offensichtliche Zusammenhang mit dem boomenden Reichtum, der auf Kosten der prekär Schuftenden entsteht. Am wichtigsten jedoch: Das komplette verschweigen der Hintergründe der Agenda- und Hartz-Politik in dem angeblichen Phoenix-Hintergrundbericht: Die Wühlarbeit der Bertelsmann-Stiftung und die neoliberale Begleit-Propaganda der Bertelsmann-Medien.
Hartz IV-Blaupausen kamen von Bertelsmann
Inzwischen ist es für jeden, der etwas länger im Netz recherchiert wohlbekannt: Die Blaupausen für Hartz I-IV wurden klammheimlich von der Bertelsmann-Stiftung entwickelt, einer der reichsten Stiftungen des Landes, der die Mehrheit der Konzernaktien gehört. Die Stiftung selbst gehört dabei jedoch praktisch der Milliardärsfamilie Mohn, so dass die offensichtlichste Kritik lauten muss: Die Stiftung ist ein „Steuerspar-Modell“. Doch dies ist in Wahrheit nur der kleinste Mangel –vor allem ist die Bertelsmann-Stiftung ein neoliberaler Think tank, vielleicht der mächtigste Drahtzieher im Berliner Polit-Zirkus. Die im politischen Hintergrund agierenden Think tanks sind eine zentrale Machtbasis des Neoliberalismus gegen die Demokratie. Von der Industrie finanziert, als neutrale Forschungsinstitute, Stiftungen oder NGOs getarnt, nutzen Think tanks Geld- und Medienmacht, um dafür empfängliche Parteien, Regierungen und die Öffentlichkeit zu manipulieren. Ihr mächtigster Vertreter in Deutschland und Europa ist vermutlich die Bertelsmann Stiftung (Hauptsitz: Gütersloh).
Ab Mitte der 90er Jahre pirschte sich die Bertelsmann-Stiftung an SPD, Gewerkschaften und Grüne heran, spendete, unterstützte und vergab Posten. Ein Personalkarussell mit den Parteien bahnte die spätere eindringliche Politikberatung der rotgrünen Regierung von Gerhard Schröder an. Auch andere Bereiche der Politik wurden von Beratung seitens des Medienkonzerns inspiriert: Von der Medienpolitik über die Kultur- und Bildungspolitik bis hin zum Außen- und Sicherheitsressort. Die Bertelsmann-Stiftung wurde zum Cheflobbyisten der deutschen Industrie, zur politischen Interessenvertretung der Besserverdienenden und zur wichtigsten PR-Agentur des Neoliberalismus. Eines der wichtigsten Felder war dabei die Abkopplung Deutschlands vor humanen, demokratischen und sozialen Marktwirtschaft nach skandinavischem Vorbild und die Anbiederung an das angelsächsische Modell des neoliberalen Raubkapitalismus. Sozialabbau und Dumpinglöhne wurden zur Chefsache der einstigen Arbeiterpartei SPD: Schröder, der „Genosse der Bosse“.
Bertelsmann-Studien: Neoliberale Pseudowissenschaft
Ab der Jahrtausend-Wende ließ die Bertelsmann-Stiftung Studien zur angeblichen Notwendigkeit der Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe (Hartz IV) anfertigen und publizieren; 2003 legte die Konzernstiftung ihr Grundkonzept für die Job-Center (Hartz III) vor; die Idee der Personal-Service-Agenturen (Hartz I) erarbeitete Bertelsmann gemeinsam mit und der Bundesanstalt für Arbeit und mit dem Beratermulti McKinsey (damals der externe Haus-Berater des Medienkonzerns). Doch die Durchsetzung der unsozialen Konzepte erforderte mediale Macht –ein Skandal musste her.
Medienmacht wirkte schon im Vorfeld der industrie-freundlichen Deformierung der deutschen Arbeitsmärkte: Der Whistleblower Erwin Bixler, der Übertreibungen bei den Vermittlungszahlen von Arbeitslosen ans Licht brachte, hatte im Gegensatz zu vielen anderen Whistleblowern keine Probleme, ein breites Medienecho zu finden. Sein aufgedeckter „Skandal“ war eher ein Skandälchen, das so zu Wasser auf Bertelsmanns Mühlen zur Durchsetzung der Hartz-„Reformen“ wurde.
Obwohl kaum einer je geglaubt hatte, die Bundesanstalt für Arbeit wäre jemals übertrieben selbstkritisch bei der Darstellung der eigenen Erfolge gewesen, wurde die Petitesse zu einem riesigen Ding aufgeblasen. Wochenlang durfte jeder noch so dümmliche Hinterbänkler in den Parlamenten auf die Arbeitsmarktpolitik von Schröder und das Arbeitsamt einprügeln, bis bei SPD und Grünen kein Widerstand gegen die Hartz-„Reform“ mehr zu sehen war. Auf Phoenix schwadronierte Müntefering noch zehn Jahre später von den angeblichen Skandal, der seine Hartz-Reformen rechtfertigen sollte.
Phoenix tendenziös Pro-Hartz IV
Der Phoenix-Schwerpunkt zur Agenda 2010 ist insgesamt sehr tendenziös im Sinne einer Bemäntelung der sozialen Schäden von Hartz IV. Einzelfälle werden zwar angeführt, aber dagegen setzt man die neoliberale Behauptung, „Deutschland“ ginge es mit der Prekarisierung besser, weil die Exporte boomen. Das Gegenbeispiel Frankreich wird nicht erwähnt –dort wurde der Sozialstaat nicht preisgegeben und stattdessen auf faire Löhne und Binnennachfrage gesetzt: Einziges Problem die fette deutsche Export-Industrie im Nachbarland, die mit Ausbeutermethoden die französischen Betriebe unterbieten kann. Merkels Politik exportiert aber letztlich nur Arbeitslosigkeit und Verschuldung in die europäischen Nachbarländer –um dann frech von ihnen zu fordern, ihre Bevölkerung ebenfalls zu verelenden und Billiglohn-Ausbeutern auszuliefern (sog. „Strukturreformen“).
Dies darf oder will keiner der von Phoenix ins Bild gesetzten Experten sagen, letztlich bleiben nur bedauerliche Einzelfälle von bis zum Umfallen schuftenden Billigarbeitern und der ewige Kritiker Oskar Lafontain, den die SPD jahrelang als „Verräter“ verunglimpfte. Dabei wollte er einfach nur vernünftige Sozialdemokratie betreiben, statt sich von Bertelsmann kaufen zu lassen. Das inszeniert Phoenix tendenziös: Ausführlich dürfen Altkanzer Schröder, sein Gefolgsmann Müntefering und viele andere mehr die Agenda-Hartz-Politik rechtfertigen. Nur spärlich kommt als Gegner Oskar Lafontain zu Wort, natürlich nicht ohne ihm die stereotypen Verleumdungen anzuhängen, er wäre der Regierung Schröder „davon gelaufen“. Siehe auch Marloth zu Hartz IV
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