Kaupthing-Skandal: Bankster vor Gericht

Gerd R. Rueger 03.04.2013 Island Karte

Reykjavik. Knapp fünf Jahre nach dem Crash der isländischen Finanzindustrie wird der Ex-Chef der Kaupthing-Pleitebank Sigurdsson endlich vor Gericht gestellt. Die Bankenpleite und die Enthüllung der kriminellen Machenschaften hatten damals wochenlange Proteste in Island ausgelöst, die zum Sturz der Regierung führten und in eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft des Inselstaats mündeten.

Sogar eine neue Verfassung wurde mit nie dagewesener Beteiligung der Bevölkerung erarbeitet -diese steht nun allerdings vor dem Aus. Gegen Heidar Mar Sigurdsson und acht weitere frühere Angestellte der damals größten isländischen Bank wird, laut Sonderstaatsanwalt Olafur Thor Hauksson, am 24. April vor einem Bezirksgericht in Reykjavik Anklage erhoben. Das Verfahren sei auf ein Jahr angelegt -nicht viel, bei Wirtschaftskriminalität dieser Größenordnung. Dem Bankster Sigurdsson, der zahlreiche Bankkunden in aller Welt um ihre Ersparnisse brachte, werden Betrug und Manipulation des Aktienkurses der Bank vorgeworfen.

Am 9. Oktober 2008, gleich nach Beginn der Finanzkrise, hatte sich die Kaupthing Banki plötzlich für bankrott erklärt und stellte alle Auszahlungen an ihre Kunden sowie die Liquiditätsversorgung für ihre Niederlassungen im Ausland ein. Die Pleitebank wurde auf der Grundlage des wenige Tage zuvor erlassenen Notstandsgesetzes unter staatliche Kontrolle gestellt. Kaupthing war zusammen mit den beiden anderen führenden Banken Glitnir und Landsbanki zahlungsunfähig. Alle konnten nur durch Verstaatlichung vor dem Zusammenbruch gerettet werden, die aufgelaufenen Schulden betrugen das Zehnfache der jährlichen Wirtschaftsleistung Islands. Noch im selben Monat stellte die isländische Finanzaufsicht die Zahlungsunfähigkeit der Kaupthing Bank fest und somit den Entschädigungsfall. Eine New Kaupthing wurde gegründet, behielt die inländischen Kunden und heißt heute Arion Banki, das Auslandsgeschäft wurde in die Old-Kaupthing ausgelagert, einer Bad-Bank in staatlicher Aufsicht.

Arion von Lesbos

Die neue Bank wurde angeblich nach Arion von Lesbos benannt, der vor gut 2500 Jahren als berühmter Musiker auch Urvater der griechischen Tragödie war. Der Legende nach entkam er Piraten, die ihn ausrauben wollten auf einem Delphin und sorgte dafür, dass die Gauner später bestraft wurden -auf die Einlösung dieses Teils der Geschichte haben die Isländer lange warten müssen. Zunächst war die Bad Bank-Lösung nach neoliberalem Muster geplant: Wie wir es von der deutschen IKB kennen, sollte also der Steuerzahler blechen, nur dass in Island kein Millionenvolk, sondern eines in der Größenordnung der Stadtbevölkerung von Mannheim betroffen war.  Die meisten der ausländischen Kaupthing-Vertretungen gingen in die Insolvenz, die Kaupthing Edge Deutschland stand zunächst unter einem Moratorium und wurde am 19.11.2009 endgültig geschlossen –auch viele deutsche Anleger verloren ihr Geld.

Island war empört, die Banker rafften zusammen, was sie kriegen konnten und wollten damit untertauchen –doch Wikileaks machte damals zumindest einigen von ihnen einen Strich durch die Rechnung und enthüllte damit die kriminelle Seite der Finanzkrise. Nach dem Schweizer Bankhaus Julius Baer wurde WikiLeaks zum zweiten Mal maßgeblich gegen finanzkriminelle Machenschaften aktiv. Julian Assange brachte eine Liste auf der Whistleblower-Plattform, die in den Medien nicht hatte erscheinen dürfen -er selbst durfte mit seinem Mitstreiter Schmitt (al. Domscheit-Berg) sogar ins isländische Fernsehen.

Die Namen, die auf der Liste genannt wurden, ließen den gerechten Zorn der Isländer hochkochen. Die größten Schuldner der Bank waren gleichzeitig Aktionäre, also die Eigentümer der Bank, etwa die Investmentgesellschaft Exista, mit 23 Prozent größter Kaupthing-Aktionär –die sich von der Bank gleichzeitig 1,4 Milliarden Euro geliehen hatte. Einen Großteil der Kredite soll Kaupthing ohne jegliche Sicherheit vergeben haben. Mit den Darlehen hätten die Großaktionäre teilweise noch mehr Aktien gekauft, um so den Kurs künstlich nach oben zu treiben, und damit die Bank also als Selbstbedienungsladen genutzt, so der Politikwissenschaftler Audunn  Arnorsson (Eigentümer sollen Krisenbank Kaupthing geplündert haben).

Wie dies genau geschah, wird jetzt das Reykjaviker Bezirksgericht klären. Der kriminelle Ex-Kaupthing-Chef soll laut Staatsanwaltschaft selber einen Kredit bei seiner Bank aufgenommen haben, um mit dem Geld dann Aktien eben dieser Bank zu kaufen. Diese Aktien habe er dann für 572 Millionen Kronen (3,6 Millionen Euro) an seine eigene Firma verkauft – und mit der Transaktion einen Gewinn von 325 Millionen Kronen gemacht. Damit hat der isländische Bankster dem Begriff „Insiderhandel“ eine völlig neue Dimension verliehen.

Wer die Wahrheit sagt, wird Staatsfeind

P.C.Roberts 03.04.2013 USAflag

paulcroberts In Amerika ist die Wahrheit eine Gefahr und eine Beleidigung. Wenn Sie die Wahrheit sagen, sind Sie gefährlich und beleidigend. Ich bin eine Gefahr, Noam Chomsky ist eine Gefahr,  Naomi Wolf und viele andere sind eine Gefahr. Glücklicherweise sind viele andere eine Gefahr. Aber wann wird einer zum „Staatsfeind“?
In der gesamten Geschichte hat gelitten, wer die Wahrheit sagte, aber Hofberichterstatter wurden beklatscht. So ist es auch heute. In den letzten 35 Jahren habe ich als Kolumnist diese Lektion gelernt. Wenn Sie ihren Lesern sagen, was wirklich passiert, wollen die von Ihnen wissen, warum Sie alles nicht positiver sehen können: „Warum willst du uns erzählen, dass es miese Dinge gibt? Weißt du nicht, dass Gott den Amerikanern die Macht gab, alles Unrecht DollarPyramidzu beheben? Bist du irgendein Idiot, ein anti-amerikanischer Pinko-Liberal-Commie? Wenn du Amerika so sehr hasst, warum verschwindest du nicht nach  Kuba, Iran oder China (oder wo auch immer die aktuellen Bösewichte sich befinden)?“
Schon die alten Griechen kannten dies Phänomen. In der griechischen Mythologie war Kassandra die unfehlbare Prophetin, der aber niemand glaubte. Die Wahrheit zu sagen, ist für Amerikaner oder Europäer heute ebenso mühsam, wie bei den Griechen der antiken Mythologie.
Bradley Manning ist gefährlich
Die Wahrheit zu sagen ist unpopulär, in Amerika und überall in der westlichenManning-Protest Welt, wenn nicht in der ganzen Welt. Tatsächlich wird in den USA die Wahrheit kriminalisiert: Zum Beispiel war Bradley Manning ohne Gerichtsverfahren volle zwei Jahre im Gefängnis,   in Verletzung der US-Verfassung. Für ein Jahr verletzte seine illegale Haft das Recht der USA und das Völkerrecht. Er wurde gefoltert und jetzt  durch korrupte Staatsanwälte wegen Beihilfe für „Feinde der USA“ unter Anklage gestellt. Warum? Nur weil er durch seine Aufdeckung der Wahrheit tat, was von ihm durch den US-Militär-Kodex verlangt wird: US-Soldaten müssen über Kriegsverbrechen berichten. Aber als Bradley Mannings Vorgesetzte sich gegenüber Kriegsverbrechen gleichgültig zeigten, berichtet Manning die Verbrechen durch WikiLeaks. Was sollte ein Soldat mit Pflichtgefühl und einem Gewissen sonst tun, wenn die vorgeschriebene Befehlskette nicht funktioniert?
Julian Assange ist gefährlich
JAssangeBobbyJulian Assange ist ein weiteres Beispiel. WikiLeaks hat die Berichtsfunktion übernommen, die die westlichen Medien aufgegeben haben. Denken Sie daran, dass 1971 die New York Times die Pentagon-Papiere veröffentlichte, als die Lügen Washingtons, sowohl gegenüber der Öffentlichkeit wie dem Kongress, den kostspieligen Vietnam-Krieg rechtfertigen sollten. Aber heute übernimmt keine Zeitung und kein TV-Kanal mehr Verantwortung dafür, die Öffentlichkeit wahrheitsgemäß zu informieren. Julian Assange füllte dieses Vakuum und wurde sofort verteufelt, nicht nur von Washington, sondern auch von links- wie rechtsgerichteten Medien, sogar im Internet. Es war eine Mischung aus Eifersucht, Unwissenheit und Kriechertum gegenüber der Regierung in Washington.
Ohne WikiLeaks und Assange würde die Welt im wesentlichen nichts wissen. Spindoktoren aus Washington, die Propaganda-Think tanks und die Marionetten in den Medien hätten ihre Lügen durchsetzen können. So wurde die Parole ausgegeben: „Zerstört Julian Assange“! Es ist erstaunlich, wie viele Menschen und Websites Washingtons Befehlen gehorchten. Assange wurde derart verteufelt, dass die britische Regierung, obwohl ihm von Ecuador politisches Asyl gewährt wurde,  ihm die sichere Passage aus London nach Ecuador verweigert -ihrem Meister aus Washington gehorchend. Soll Assange nun den Rest seines Lebens in der Botschaft in London verbringen?
Wird sich bei Assange die Geschichte des Kardinal József Mindszenty wiederholen, der am 4. November 1956 Asyl in der US-Botschaft in Budapest fand? Damals hatten sowjetische Panzer in Ungarn gerade die antikommunistischen Revolution niedergeschlagen und Kardinal Mindszenty musste 15 Jahre in der US-Botschaft ausharren. Heute sind es die „Freiheit und Demokratie“ Amerikas, die sowjetischen Praktiken während des Kalten Krieges gleichen.
Freiheit und Demokratie im Westen

Im Gegensatz zu „Freiheit und Demokratie“ in den USA und Großbritannien, hat eine chinesische Regierung, die angeblich aus „autoritären, repressiven Kommunisten“ besteht,  ihren Dissidenten Chen Guangcheng gehen lassen, nach dem er in der US-Botschaft in Peking Schutz gesucht hatte. Die Welt steht Kopf, wenn Amerika und die Briten abzulehnen, Internationales Recht zu befolgen, aber die chinesischen Kommunisten das Völkerrecht wahren.

Läppische Amerikaner stört es nicht, wenn mutmaßliche Terroristen gefoltertWL_Logo und ohne ordentliches Verfahren auf unbestimmte Zeit eingekerkert werden, wenn frei nach Lust und Laune Exekutiv-Beamte ohne ordentliches Verfahren mit ihren Häftlingen tun und lassen können was sie wollen.
Die meisten Amerikaner tolerieren zügellosen Mord, Folter und Inhaftierungen ohne Beweise, ihre Leichtgläubigkeit schreit zum Himmel. Nie in der Geschichte gab es eine Bevölkerung, die so ahnungslos war wie die Amerikaner. Die Welt staunt, dass derart läppische Menschen, wenn auch nur für eine kurze Zeit, eine Supermacht schaffen konnten.
Die Welt braucht Intelligenz und Führung um der Katastrophe zu entgehen, aber Amerika hat heute weder Intelligenz noch Führung. Amerika ist ein verlorenes Land, wo Atomwaffen in den Händen derer liegen, die nur um ihren eigenen erbärmlichen Vorteil besorgt sind. Washington ist der Feind der ganzen Welt und die größte Konzentration des Bösen auf dem Planeten.
Wo ist das Gute, um sich gegen das Böse zu erheben?
(Anmerkung der Übersetzerin: So verbittert kann nur ein vormals glühender Patriot in der enttäuschten Liebe seines Lebens zurückbleiben, der Liebe zu seiner Nation. Patriotismus hat immer etwas Pathetisches, das uns zum Spott reizt… aber dafür ist die Kommentarfunktion ja da.)

Truth Is Offensive: How long before being Offensive becomes being “An Enemy of the State”  /Originalpost von Paul Craig Roberts, Global Research, 3.4.2013, (hier: nicht autorisierte deutsche Übersetzung).

Zum Autor

WikiPedia zu: Dr. Paul Craig Roberts (geboren 3. April 1939) ist ein paulcrobertsUS-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und Kolumnist. Er steht für eine libertär-reaktionäre Kritik an den US-Neocons des Bushclans, Enron, Halliburton & Co., die sich nicht als Patrioten an die US-Verfassung gebunden fühlen und schon gar nicht an die UN-Menschenrechtsdeklaration; die Neocons sind aus rechtslibertärer Sicht keine US-Patrioten, weil sie die Stärke der USA nur zum eigenen Nutzen ausbeuten und dabei für eine faschistoide und korrupte Degeneration der „Elite“ stehen.
Paul Craig Roberts diente als Assistant Secretary Of The Treasury in der Finanzbürokratie der Reagan-Administration und war bekannt als Mitbegründer der berüchtigten Reaganomics. Reagonomics stehen für eine neoliberale US-Wirtschaftspolitik, die massive Rüstungsausgaben auf Kosten von Sozialsystemen und eine nie dagewesene Verschuldung zur Belebung der US-Wirtschaft einsetzte.
Roberts ist auch ehemaliger Redakteur und Kolumnist für das Wall Street Journal, Business Week und Scripps Howard News Service. Er hat  30mal zu Fragen der Wirtschaftspolitik vor Kongressausschüssen ausgesagt und seit der Jahrhundertwende häufig im Counterpunch publiziert. Dabei kritisierte er die Bush- und Obama-Administrationen im „Krieg gegen den Terror“. Roberts meint, die US-Politik der letzten Jahrzehnte habe die US-Verfassung untergraben und den Schutz  bürgerlicher Freiheiten der US-Amerikaner zerstört, etwa das Habeas Corpus-Prinzip (historische Basis der Individualrechte) und das Recht auf ein ordentliches Verfahren.
Roberts wandte sich gegen den Irak-Krieg und schrieb häufig zu diesem Thema,DollarPyramidPrison forderte den Rücktritt von G.W. Bush wegen der Lügen an den Kongress über die Irak-Kriegsgründe. Roberts kritisierte auch einen  geplanten Angriff der Bush-Administration auf den Iran. In einem Artikel am 15. 08.2005 erklärte er: „Bush…dismisses all facts and assurances and is willing to attack Iran based on nothing but Israel’s paranoia.“
Obwohl seine Kritik an Bush ihn unter Bush und Obama oft mit der politischen Linken zu einen schien, blieb Roberts seiner alten Linie treu: Gemäß der beiden Hauptziele der Politik Ronald Reagans, 1.die US-Stagflation und 2.den Kalten Krieg  („siegreich“ durch Totrüsten der anderen Seite) zu beenden. Roberts kritisierte, dass „echte Konservative“ die „ersten Opfer“ der Neocons der Bush-Administration waren. Roberts erklärte, dass die Befürworter von George W. Bush in ihrer niedrigen Intelligenz und Moral den begeisterten Anhängern Adolf Hitlers gleichen würden („Brownshirts“).
Roberts hat mit seinen 73 Jahren also noch keine Zeit gefunden, seine eigenen Fehler einmal zu überdenken -die Welt mit Reagans Billionen-teurem Säbelrasseln (Pershing2, Starwars usw.) 3-8mal an den Rand des Atomkriegs zu bringen, die Sozial- und Gesundheitssysteme der USA  verkommen zu lassen usw. Da er zu den reichen zehn Prozent der US-Amerikaner gehört, werden ihm dazu vermutlich noch einige Jahre Zeit bleiben -im Gegensatz zu den vielen Millionen früh versterbenden Menschen, die im reichsten Land der Welt ohne menschenwürdige medizinische Versorgung auskommen müssen (vielleicht guckt er sich ja mal „Sicko“ von Michael Moore dazu an).
Fantastisch ist, dass Roberts trotz aller moralischer Unbelehrbarkeit die Verletzung der Freiheitsrechte so vehement bekämpft und den Niedergang des US-Rechtswesens so klar beschreibt. Wenn schon ein alter bornierter Libertärer für Manning und Assange eintritt, sollten viele hiesige Wikileaks-Hasser ihre Position wohl dringend nochmal überprüfen, statt die Medien-Hetze gegen den Wikileaksgründer stumpfsinnig nachzuplappern. Selbst rechts der Mitte kann man sich von der Macht der Wahrheit überzeugen lassen: Roberts ist das beste Beispiel dafür. (Anmerkungen von Gerd R. Rueger )