Al Qaida in Tunesien

Gerd R. Rueger tunisia-flag-svg Tunis. Die islamistische Regierung hat gestern eine Konferenz der ultrakonservativen Salafisten verboten. Das für Sonntag geplante Treffen in Kairuan wurde aus  Sorge um die öffentliche Sicherheit abgesagt, teilte das Innenministerium laut DLF mit. Kein Wunder: Ins Land eingesickerte Al Qaida-Gruppen aus  Libyen oder Mali liefern sich seit einiger Zeit Scharmützel mit Armee und Polizei. Tunis verbietet damit erstmals das seit der Revolution 2011 etablierte Jahrestreffen der salafistischen Ansar al-Scharia.

Ansar Al-Sharia -Speerspitze der Salafisten

Dies stärkt neben dem tunesischen Sicherheitsapparat auch extreme Salafisten. Die größte salafistische Gruppe des Landes, Ansar Al-Sharia, rebelliert gegen den ihrer Ansicht nach zu laschen Islamismus der Ennahda. Der Kongress, den Ansar al-Scharia in der zentraltunesischen Stadt Kairouan geplant hatte, wurde vom Innenministerium wegen fehlender Genehmigung verboten. Ennahda-Chef Raschid al-Ghannouchi äußerte öffentlich seine Unterstützung für das Verbot. Sollte es jetzt deswegen Unruhen geben, würde dies die Extremisten weiter stärken. Abu Ajad ist eines der prominentesten Gesichter des Salafistenbundes Ansar al-Scharia -er  wird seit September 2012 von der tunesischen Polizei gesucht. Ihm wird vorgeworfen, hinter dem Angriff auf die US-Botschaft in Tunis zu stecken. Abu Ajad soll im Kontakt mit al-Qaida stehen: In den neunziger Jahren war er laut SpiOn einer der Köpfe hinter einer Al-Qaida-Zelle in London, wo er politisches Exil beantragt hätte. Seit 2002 stehe er auf einer Terrorliste der Uno als Chef einer Tunesier-Miliz, die Kämpfer in afghanische Qaida-Trainingslager schleuste. Dennoch lebe Abu Ajad, der eigentlich Saif Allah Ben Hassin heißt, unbehelligt in Tunis, gebe Interviews, predige in einer Moschee mitten in der Hauptstadt und zeige sich in einem Viertel, in dem die Ansar al-Scharia besonders stark ist. „Wir hätten ihn beinahe festgenommen, als er vor einigen Monaten in der Fatah-Moschee in Tunis war“, sagte Tunesiens Innenminister Ali Larayedh jüngst im Interview mit „Le Monde“. „Aber dann haben wir es für nicht ratsam gehalten, weil viele Gläubige bei ihm waren und es rundherum Läden und Passanten gab.“ Klarer hätte der Innenminister das Einknicken seiner Regierung vor den Radikalen kaum benennen können, so SpiOn:  Gefahr drohe Tunesien auch aus Syrien, denn dort gehörten die tunesischen Kämpfer zu den größten Ausländergruppen. „Viele von ihnen dürften mit Kampferfahrung und neuen Kontakten wieder zurückkehren. So wie auch Abu Ajad, der einst in Afghanistan mit Unterstützung von Osama Bin Laden sein Handwerk perfektionierte.“

Den Salafisten scheint es dabei weniger um Religion als um politische Macht zu gehen, wofür sie von Ultra-Konservativen aus Saudi-Arabien und Qatar bezahlt und gesteuert werden, glaubt man in Tunis. Doch die Salafisten finden Anhänger: Die TV-Berieselung durch Al Dschasira und die Verlockungen des Geldes aus Qatar zeigen Wirkung bei perspektivlosen jungen Arbeitslosen. In Tunesien spielen sich inzwischen Szenen ab wie in Mali, als in Timbuktu religiöse Schreine von Extremisten zerschlagen wurden. In Gefahr durch derartigen politisch instrumentalisierten Vandalismus sind die antiken Ruinen von Karthago nahe Tunis genauso wie Hunderte Sufi-Schreine, von denen etliche sogar in der Liste der UNESCO aufgeführt sind. Vom Religionsministerium der Ennahda-Regierung wird das Problem der Salafisten und Extremisten heruntergespielt, meldet der DLF. Doch nahezu jede Woche wird von Überfällen radikaler Salafisten berichtet, auf Mausoleen, auf Schulen, Universitäten und Studentinnen-Wohnheime, wo sie die Schleierpflicht für Mädchen und Frauen einführen wollen (unzensuriert.at). Die Pseudo-Moslems haben keine Ahnung von ihrer eigenen Kultur. Denn schon 1930 wehrte sich Tahar Haddad (1899–1935) in seinem Werk über Frauen und die Scharia (al-Tahir Haddad: Imra’atunā fī al-sharī’a wa-al-mujtama‘, 1930) gegen die falsche Deutung des Korans, der in Wahrheit die Unterdrückung der Frauen verbiete. Er forderte das Verbot des Ganzkörperschleiers, des Verstoßens und der Polygynie und all der Sitten, die die Ursache für die seinerzeitige Rückständigkeit des Landes gewesen seien. Zudem forderte er Bildung und Ausbildung für Mädchen und ihren Schutz vor Zwangsverheiratung. Diese tunesische Tradition eines modernen Islam lehnen die Salafisten ab und wollen den Rückfall ins Mittelalter.

Sidi Bou Said, north of Tunis, Tunisia.

Sidi Bou Said, nördlich von Tunis

Ziel der Neobarbarei unter dem Deckmantel eines pervertierten Koran werden auch Kinos und Ausstellungen, weil dort Gotteslästerung betrieben würde. Sogar Tabakhändler auf der Straße und Restaurantbesitzer, die Alkohol verkaufen, werden angegriffen, oft mit dem dümmlichen Fluch „Kafir“ (Ungläubiger). Die ungebildeten Extremisten haben keine Ahnung, dass sie von Machtgruppen aufgehetzt werden, die nur eins im Sinn haben: Eine demokratische Entwicklung Tunesiens blockieren und das Land wirtschaftlich ruinieren (die Zahl der Touristen halbierte sich von ca. sieben Millionen auf ca. drei Millionen jährlich nach der Revolution). Ziel sind Gewalt und Chaos, um die Ausbeutung Nordafrikas mit anderen Diktatoren fortsetzen zu können.

Armee jagt Terroristen an der Grenze zu Algerien

Eine militärische Destabilisierung Tunesiens soll die Bevölkerung in Angst versetzen und salafistischer Terror mit Bezug zu Al Qaida lässt die Ennahda-Partei als gemäßigte Vermittler glänzen. Ihre Schläger gegen liberale Tunesier und Tunesierinnen, die von ihren Freiheitsrechten Gebrauch machen wollen, werden von der Polizei geduldet, die selbst unverschämter wird und Rechtsbrüche begeht, bei Straßenkontrollen Geld erpresst. Um dies zu rechtfertigen oder bagatellisieren zu können, kommen den Sicherheitskräften und der Ennahda terroristische Eindringlinge aus dem Dunstkreis von Al Qaida vermutlich gerade recht. Denn gewaltsamer noch als im Alltag der Städte geht es in der Region um Kasserine zu. In den Bergen rund um die Stadt nahe der algerischen Grenze jagt die tunesische Armee seit Wochen  bewaffnete Islamisten. In einem 60 Quadratkilometer großen Gebiet rund um den höchsten Berg des Landes, den Djebel Chambi (1.544 Meter) sollen sich Kämpfer aus Mali verschanzt haben, die vor der französischen Armee nach Algerien und Tunesien geflohen seien, so die taz . Auch Algerien soll 6.000 Soldaten an die tunesische Grenze entsandt haben. Die mindestens 20-50 algerischen und tunesischen Terroristen sollen in Verbindung mit Al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQMI) stehen. Eine zweite Gruppe soll weiter nördlich in der Region Kef ihr Unwesen treiben und die schwache tunesische Demokratie destabilisieren. Etwa 45 der Eindringlinge sollen in den vergangenen Wochen festgenommen worden sein, zuletzt in Kasserine selbst. Die Armee steht einem  von den Terroristen weiträumig verminten Gebiet gegenüber: Mindestens 16 Polizisten und Soldaten wurden bisher durch Sprengsätze verletzt –zwei von ihnen schwer. Verteidigungsminister Raschid Sabbagh beklagt den Mangel an Spezialgerät zur Minenräumung, man versuche mit Granatfeuer die Sprengsätze zu zerstören, um anschließend in die Wälder vorrücken zu können.

USA und Al CIAda Wem die Destabilisierung Tunesiens und der ganzen Region nützt, ist den stupiden Jüngern von Al Qaida nicht bewusst: Den USA. Die können als globale Militär- und Geheimdienst-Supermacht Gewaltausbrüche zu ihren Gunsten einsetzen, viele glauben an eine Steuerung des angeblich islamistischen Terrors durch die USA -Al CIAda. Der US-Filmer Michale Moore hat in seinem Werk Fahrenheit 9/11 sehr klar die dubiosen Verbindungen des US-Präsidentenclans der Familie Bush mit der Saudi-Milliardärsfamlie Bin Laden dargelegt. Bush und seine Geheimdienste sicherten den Bin Ladens freies Geleit aus den USA zu, nachdem angebliche Islamisten das World Trade Center in New York sprengten (oder wie auch immer zerstörten). Bush installierte danach in den USA eine Krypto-Militärdiktatur, schaffte Bürgerrechte ab, hetzte ununterbrochen die in Panik gehaltene Bevölkerung auf und bereitete für seine Freunde von der ganz großen Geldelite die globale Abzocke mittels „Finanzkrise“ vor. In Tunesien soll ebenfalls mittels Terror Politik gemacht werden. Mit Waffen aus Libyen könnten auch islamistische Sympathisanten in anderen Landesteilen für die terroristische Destabilisierung ausgerüstet werden. Die salafistische Gruppe Ansar al-Scharia, die offen für einen Gottesstaat in Tunesien eintritt, ruft auf Facebook zur „Islamischen Revolution“ auf und verbreitet Anleitungen zum Bombenbau.  Die Opposition wirft der Ennahda-Regierung Untätigkeit vor, die Radikalen könnten sich frei in den Moscheen bewegen und ihre Propaganda betreiben, ohne dass die Polizei eingreife. „Dank Ennahda haben wir nunmehr aktive Al-Qaida-Zellen in Tunesien, sie nutzen das für ihre Aktivitäten günstige Klima“, zitiert die taz den ehemaligen Chef der Übergangsregierung von 2011, Béji Caïd Essebsi. In der jungen tunesischen Republik greift brutale Waffengewalt um sich -von außen und durch Finanzierung innerer Extremisten aus dem Emirat Qatar. Am 06. 02.2013 war der linke Oppositionspolitiker Chokri Belaid ermordet worden, was landesweite Proteste und Generalstreik gegen die herrschende Ennahda-Partei auslöste. Von Belaids Umfeld wurden die Islamisten für dessen Tod verantwortlich gemacht, denn der Jurist war einer der schärfsten Kritiker der in Tunesien regierenden Islamisten. Chokri Belaids Beisetzung wurde zu einer der größten Protestaktionen seit der Jasminrevolution vor gut zwei Jahren. Der Sonntag könnte nun zur Machtprobe zwischen den Salafisten und der Regierung werden. Denn Ansar al-Scharia will trotz des Verbotes an dem Treffen festhalten.

USA-Qatar: „counter“-terrorist financing

Flagge Katars

Gerd R. Rueger 18.05.2013

Porsche-Aktionär Qatar (Katar) soll die Anti-Assad-Rebellion in Syrien mit bis zu drei Milliarden US-Dollar unterstützt haben. Die Junge Welt deckte jetzt unter Berufung auch auf Wikileaks auf, dass es dabei um ein Big Game mit Erdgas zwischen Moskau und Washington gehen könnte. Assad verweigerte Qatar eine Pipeline, die russisches Gas in Europa der Konkurrenz aus der Golfregion aussetzen könnte. Der Emir von Katar bietet dafür Deserteuren der syrischen Armee 50.000 Dollar -er finanziert auch die Moslembrüder in Kairo und Tunis.

Porsche-Aktionär Qatar (Katar) soll die Anti-Assad-Rebellion in Syrien bislang schon mit bis zu drei Milliarden US-Dollar finanziert haben. Die brutale Gewalt des Bürgerkriegs in Syrien geht also zu einem Großteil auf Konto des reichen Emirats. Die Tageszeitung Junge Welt deckte jetzt unter Berufung auch auf Wikileaks auf, dass es dabei um ein Big Game mit Erdgas zwischen Moskau, Teheran und Washington gehen könnte. Assad verweigerte Qatar eine Pipeline in die Türkei, die russischem Gas in Europa eine qatarische Konkurrenz aus der Golfregion entgegensetzen könnte. Auch die Türkei ist daher gegen Assad aufgebracht und große Geostrategen aus den USA reiben sich die Hände über einen Ausbau ihrer Vorherrschaft am Golf über den Rückzug aus dem Irak hinaus. Qatar selbst versucht offensichtlich, mit Geld und mit raffiniertem medialen Einfluss über Al-Dschasira die Geschicke der arabischen Welt zu lenken. Der Westen profitiert mit am „proislamischen“ Engagement seiner mutmaßlichen Sockenpuppe Katar, überhaupt oft an der überall aufflackernden islamistischen Gefahr, aktuell neben Syrien auch in Mali.

Katar: Flüssiggas und US-Militärbasen

Quatar besteht aus der drittgrößten Erdgaslagerstätte der Welt, einem EmiratWappen Katars und zwei großen US-Militärbasen, die das alles militärisch absichern. Qatars Außenhandel basiert zu über 90 Prozent auf dem Export von Erdgas und Erdöl nach Fernost, hauptsächlich Japan, Korea, Singapur. Seit 1996 ist das Emirat durch den internationalen Fernsehsender Al-Dschasira in der Beliebtheit zwar bei vielen Menschen gestiegen, doch bleibt es eine Diktatur und, wie viele meinen, eine US-Marionette.

In Ägypten und Tunesien ist Qatar strategisch engagiert und finanziert die Parteien der Muslimbruderschaft. In Ägypten konkurriert Qatar mit den Vereinigten Arabischen Emiraten um Teile am lukrativen Servicesektor des Suezkanals. Die USA pflegen intensive Beziehungen zum Emir Hamad bin Khalifa al-Thani, der den Arabischen Frühling in seinem Land brutal niederwalzen ließ. Qatar soll seinen ca. 250.000 Bürgern das höchste Pro-Kopf-Einkommen der Welt bescheren, die sich von ca. einer Million arabischen, iranischen, indischen, europäischen usw. Gastarbeitern versorgen und bedienen lassen.

„Um vor saudi-arabischen oder iranischen Begehrlichkeiten sicher zu sein, hatWL_Logo sich der feudale Zwergstaat die Vereinigten Staaten als Beschützer ins Land geholt, die dort in strategisch günstiger Lage zwei Militärbasen errichtet haben. Für deren Kosten kommen laut der von Wikileaks veröffentlichten diplomatischen Depeschen der USA die Katarer zu sechzig Prozent auf. So abgesichert, kann sich das Emirat auch auf der politischen Weltbühne einiges erlauben.“ Junge Welt

Amnesty International kritisierte laut Wikipedia die zahlreichen Verletzungen der Menschenrechte, die in Katar begangen wurden. Frauen erführen oft weiterhin Benachteiligungen, Blasphemie in der Öffentlichkeit kann Haftstrafen von bis zu sieben Jahren zur Folge haben. In Katar besteht die Todesstrafe, allerdings wird sie derzeit kaum vollstreckt. Im Oktober 2002 wurde ein jordanischer Journalist von einem Gericht in Doha zum Tode verurteilt, da er für den jordanischen Geheimdienst gezielte Spionage in Katar betrieben habe. Später wurde er allerdings durch den Emir Hamad bin Chalifa Al Thani begnadigt, beschwichtigt Wikipedia.

Der Einfluss der USA entgeht jedoch (wie so oft) den eifrig Lexika abtippenden Wikipedianern bzw. wird von ideologisch gleichgeschalteten wikipedianischen Löschtrollen flugs wegzensiert. Aber Wikileaks schafft hier ein Gegengewicht und dokumentierte im US-Depeschen-Leak (Auszüge):

(http://wikileaks.org/cable/2010/01/10DOHA8.html)

P 071413Z JAN 10 / FM AMEMBASSY DOHA/S E C R E T DOHA 000008 Classified By: Ambassador Joseph E. LeBaron The eleventh meeting of the U.S. – Qatar Military Consultative Committee (MCC) is scheduled for 11-15 January 2010 in Washington DC. The last MCC between Qatar and the U.S. took place in March 2007. Brigadier General Abdulla Juma’an, Chief of International Relations, (referred to as „General Abdulla“), will lead the Qatar delegation. The Qataris see this MCC as an important demonstration of the U.S. – Qatar strategic relationship reflecting Qatar’s commitment to a broad strategic partnership with the United States (…) Qatar provides the U.S. military rent-free access to two major Qatari military installations, Al Udeid Airbase and Camp As-Sayliyah (…) Security of Qatar’s oil and natural gas infrastructure, especially the North Field off the northern tip of the country, and the on-shore gas liquefaction facilities at Ras Laffan, are of high interest to the U.S.(…) Qatar’s location, wide-ranging foreign relations, fast-growing economy, and expanding transportation links have made counterterrorism cooperation, including counterterrorist financing, a key aspect of our relationship. (…)

Laut Junge Welt steht hinter dem finanz-militärischen Eingreifen Qatars der Wunsch, Assad durch einen dem Emirat gewogeneren Führer zu ersetzen, keineswegs Menschenrechte oder die Begeisterung für Demokratie. Assad ist nicht nur verbündeter Russlands, sondern auch des Iran, der ebenfalls im Gasgeschäft mit dem Emir konkurriert. Und auch Syrien selbst könnte durch das neu entdeckte Gasfeld im Mittelmeer, von dem auch Zypern einmal profitieren wird, auf den Gasmarkt drängen. Ökonomisch-politische Gründe gibt es für Qatar also genug, um etwa den Truppen Assads beim Überlaufen zu den Rebellen ein Kopfgeld von 50.000 US-Dollars jährlich zu bieten.

Hintergrund: Katar -Emirat, konstitutionelle Monarchie oder Diktatur?

Seit 2003 hat Qatar bleibt eine absolutistische Monarchie, obgleich es heute Qatar rel95.jpgeine Verfassung und ein darin verankertes Parlament gibt -mit 35 vom Emir ernannten Parlamentariern. Die Macht vererbt sich innerhalb der herrschenden Al-Thani-Familie, die – mit Billigung der Briten – im frühen 19. Jahrhundert bereits ein eigenes Scheichtum gebildet hatte. Der heute amtierende Scheich Hamad bin Khalifa Al-Thani setzte seinen Vater 1995 ab, so dokumentiert die AG Friedensforschung:
„Bis 1915 gehörte Katar zum Osmanischen Reich, dann wurde es zu einem britischen Militärprotektorat. Die Briten verhalfen der Perlenproduktion des Landes zu internationalem Durchbruch, doch 1929, mit der Weltwirtschaftskrise, war die kurze Blütezeit vorbei. Nach 1933 übernahm die japanische Zuchtperlenwirtschaft die Weltmarktführung in dem einträglichen Geschäft. Öl wurde erstmals 1939 entdeckt, doch erst 1949, nach dem Zweiten Weltkrieg, begann die industrielle Förderung durch die Qatar Petroleum Company, ein Ableger der von den Briten kontrollierten irakischen Ölgesellschaft. Dank der Ölförderung machte Katar in den folgenden 20 Jahren einen enormen Entwicklungssprung, der 1971 zur Unabhängigkeit des Landes und dem Abzug der Briten führte. Heute leben knapp 1,9 Millionen Menschen auf 11437 Quadratkilometern… Die militärische Eskalation und der politische Stillstand in Syrien sind auf das Emirat zurückzuführen, das – zusammen mit der Türkei – den Islamisten und der Muslimbruderschaft vorgibt, sich auf keine Verhandlungen einzulassen. In Syrien selbst haben diese Gruppen weniger Einfluß, doch in der syrischen Auslandsopposition geben sie den Ton an. … Seit Beginn des »Arabischen Frühlings« hat sich der Emir von Katar zum Kriegsherrn gewandelt. Mit vollen Händen verteilt er die schier unendlichen Reichtümer aus den Gas- und Ölvorkommen.“

Qatar finanziert Muslimbrüder auch in Tunesien

In Tunesien, Ägypten und Libyen artikulierte sich seit einiger Zeit Widerstand gegen die finanziellen Einmischungen von Qatar. In der letzten Woche kam es zu Protesten in Tunis, Tripoli und Bengasi, in Kairo  schon Ende April. Anlass war die Außenpolitik des Emirats, die seit zwei Jahren immer aggressiver in die Innenpolitik arabischer Staaten interveniert, so die jW. In Tunesien begannen die Aktionen gegen Qatar in Gafsa, dem Zentrum der wichtigen, aber derzeit darnieder liegenden tunesischen Phosphatindustrie. Es gab liberale Proteste aus Solidarität mit Syrien nach dem Angriff israelischer Kampfjets auf Ziele bei Damaskus Anfang Mai. Protest gegen den „zionistischen Angriff“ auf Syrien richtete sich auch gegen Qatar, Fahnen des Golfstaates gingen in Flammen auf. Die Tunesier sind sich der immensen Gelder bewusst, die das Emirat Muslimbrüdern und anderen Gruppen zufließen lässt.

Doch die miserable Wirtschaftslage Tunesiens macht es dem reichen Emir leicht, sich Einfluss auch durch Versprechungen auf normale Investitionen zu kaufen: Qatar hat sechs Milliarden US-Dollar in Aussicht gestellt, die in Raffinerien, in die Phosphatindustrie, in Tourismusanlagen und Wohnanlagen fließen sollen. Zudem investiert das Emirat in die staatliche Stromversorgung Tunesiens und ein tunesisch-katarisches Investmentforum soll Entwicklungsprojekte im tunesischen Hinterland fördern.

Wo genau Qatars Geld etwa in Tunesien  landet, ist schwer zu sagen: tunisia-flag-svgTransparenz gibt es nicht. Man kann aber davon ausgehen, dass die Muslimbrüder die Hauptprofiteure sind, manche glauben, dass ihr Vormarsch in Tunis und Kairo sich vor allem den märchenhaft hohen Geldströmen aus dem Emirat verdankt. Der Einfluss, den Qatar damit ausübt, ist nicht nur in Syrien zerstörerisch für Freiheit und Demokratie. Auch in den jungen Republiken greift brutale Waffengewalt um sich. Am 06. 02.2013 war der linke Oppositionspolitiker Chokri Belaid ermordet worden, was landesweite Proteste und Generalstreik gegen die herrschende Ennahda-Partei auslöste. Von Belaids Umfeld wurden die Islamisten für dessen Tod verantwortlich gemacht, denn der Jurist war einer der schärfsten Kritiker der in Tunesien regierenden Islamisten. Chokri Belaids Beisetzung wurde zu einer der größten Protestaktionen seit der Jasminrevolution vor gut zwei Jahren.