Firefox goes Foxconn -Mozillas Sündenfall?

Gerd R. Rueger 01.06.2013 

Montag werden Mozilla und Foxconn ein neues Smartphone bzw. Tablet präsentieren, das mit  dem Firefox OS laufen soll. Ob Mozilla dabei eine gute Wahl getroffen hat, ist angesichts des zweifelhaften Rufs von Auftragsfertiger Foxconn  fraglich. Die Firma machte in der Vergangenheit Schlagzeilen mit der Verletzung von Arbeits- und Menschenrechten: 4000 Arbeiter im Foxconn-Werk Zhengzhou (Zentralchina) streikten letzten Herbst gegen Ausbeutung für Apples neues iPhone 5.

Hon Hai Precision Industry Co., die Muttergesellschaft von Foxconn und einer der weltgrößten Hersteller von Computerhardware, will am Montag den 03. Juni zusammen mit der Firefox-Firma Mozilla ein tragbares Tool mit einem Firefox OS vorstellen. Vermutlich handelt es sich dabei um einen Tablet oder ein Smartphone, welches als eigene Marke firmieren soll.

Foxconn, bisher vor allem als Hersteller von Apple-Geräten bekannt, will damit den Rückgang der Marktanteile von Apple-Toys kompensieren, die eigene Produktivität steigern und vielleicht mit dem noblen Namen Mozilla sein wenig erfreuliches Image aufpolieren. Apple rückte just von Foxconn ab, um sich dem Foxconn-Konkurrenten Pegatron zuzuwenden. Die taiwanesische  Firma Pegatron wird Haupthersteller beim Bau des neuen Billig-iPhones, das Ende des Jahres auf den Markt kommen soll. Seit 2011 produziert Pegatron bereits iPhones in bislang geringen Mengen, 2012 hat die Firma auch mit dem Bau des Tablet-Computers iPad Mini begonnen.

Mozilla beißt Apple

Auf dem Mobile World Congress im Februar 2013 gab Mozilla Partnerschaften mit Sprint, SingTel, der Deutschen Telekom, LG und Huawei bekannt. Ziel: Ein innovatives Mobilgerät auf Basis des eigenen Firefox OS, mit dem iPad und  iPhone Konkurrenz bekommen sollen. In Kooperation mit der spanischen Firma GeeksPhone präsentierte die Mozilla-Corporation Ende April  immerhin schon mal zwei Vorabversionen eines Smartphones. Die Unternehmensleitung von Hon Hai aus Taiwan soll an den künftigen Marktchancen für Apple-Produkte zweifeln -aber vielleicht war es ja eher umgekehrt?

Aber Hon Hai hat mit seinen rüden Methoden nicht nur Apple verschreckt, die Firma sucht auch nach Alternativen zu Hewlett-Packard Co. und Nokia Corp., weil sich auch deren Produkte immer schlechter verkaufen. Durch den Vertrieb eigener Produkte erhofft man sich auch höhere Gewinnspannen  als mit der Auftrags-Produktion. Die Methoden Foxconns zur Profitmaximierung haben bislang wenig überzeugen können -hemmungslose Ausbeutung bis aufs Blut. Foxconn kündigte jüngst den Aufbau von zwei Entwicklungszentren für Displays und Touchscreens in Japan an, wo in den kommenden zwei Jahren 333 Millionen US-Dollar investiert werden sollen. Lockt billiges Bauland bei Fukushima?

Foxconn: Streiks und Selbstmorde

Rückblende: Einem Bericht der NGO  China Labour Watch (New York) zufolge streikten bis zu 4000 Arbeiter in Zhengzhou wegen schikanöser Kontrollen und weil sie die Urlaubswoche in China durcharbeiten mussten. Es wurde berichtet, dass die Foxconn-Fabrikleitung und Apple trotz einiger Designmängel die strengen Anforderungen an die Arbeitnehmer erhöht hätten.  Im September 2012 kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und Schließung der Apple-Fabrik, was das saubere Image von Apple und seiner hippen User-Gemeinde angekratzt hat. Neben Protesten und Streiks kam es zu  Selbstmorden mehrerer Angestellter. Apple und Foxconn sicherten damals zu, die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Die Fair Labor Association (zu deren Mitgliedern unter anderem Firmen wie Adidas, Puma, H&M, Nestlé und natürlich Apple zählen) attestierte Foxconn zwar Fortschritte, aber selbst diese industrienahe (Pseudo-) NGO mahnte weitere Anstrengungen bei Apple an. Die Arbeitsbedingungen in den Foxconn-Fabriken haben sich in der Zwischenzeit offenbar nicht geändert, in April und im Mai 2013 sind laut gulli weitere Selbstmorde bekannt geworden.

Ob Mozilla bei Foxconn die Ablösung von Apple ausgleichen kann, darf bezweifelt werden. Für die Netzkultur war Apple schon immer von enormer Wichtigkeit, weil der erste Kleincomputer-Hersteller der Welt nicht nur avancierte Technologie und Design, sondern auch eine Lebensphilosophie verkörperte -den Traum der “Digerati”: “Computer for the people”.Wikileaks geriet einst in Misskredit, weil ein angeblicher Aids-Test der Apple-Ikone Steve Jobs voreilig geleakt wurde; ein zweifelhafter Eingriff in die Privatsphäre, selbst eines weltberühmten Mannes. Freunden von Apple und Fans von Steve Jobs bleibt sein Andenken in der inzwischen erfolgreichsten Firma der Welt, den Apple-Produkten –hoffentlich mit einer höheren Firmenethik als der von Foxconn.

Technologie und Demokratie mangelhaft: Madagaskar kritisiert Paris

Flagge Madagaskars

Galindo Gaznate 01.06.2013

Der Internet-Aktivist Ratozamanana ist von Paris enttäuscht -technologisch mangelhaft und auch in Menschenrechten rückständig empfing ihn die Grande Nation. Auf dem Weg von Madagaskar zur re:publica nach Berlin wurde er von der französischen Flughafenpolizei in Paris schikaniert. Grund: Die Flics konnten seine digital gespeicherte Hotelreservierung nicht lesen.

Andriankoto Harinjaka Ratozamanana war bei der Zwischenlandung seines Air-France-Flugs in Paris festgehalten und nach Reisepapieren und seiner Hotelreservierung gefragt worden. Die ehemaligen Kolonien Frankreichs sind oft nur nach Umsteigen in Paris auf dem Luftweg mit dem Rest der Welt verbunden. Obwohl der fließend Französisch sprechende Afrikaner alle Dokumente bei sich geführt habe, sei er inhaftiert worden. Dass er seine Hotelbestätigung für Berlin nur in elektronischer Form und nicht ausgedruckt bei sich gehabt habe, hat die Einreisebehörden jedoch offenbar überfordert. „Ich bin sehr enttäuscht vom Stand des E-Governments in Europa. Da sind wir in Afrika vielleicht manchmal schon weiter“, sagte Ratozamanana. Sein Visum habe alle wesentlichen Daten über ihn enthalten.

Erst nach einer Intervention der   re:publicaWappen MadagaskarsVeranstalter und der von diesen alarmierten deutschen Botschaft in Paris konnte  Ratozamanana noch rechtzeitig vor Ende der Konferenz in Berlin eintreffen. Nach der Intervention aus Deutschland wurde der Internet-Aktivist am Montagabend freigelassen. Weil er am Abend keinen Flug mehr nach Berlin bekommen konnte, musste der Netzaktivist, der in Frankreich studiert hatte, die Nacht auf dem Flughafen Charles de Gaulle verbringen. Der Flughafenpolizei warf Ratozamanana vor, ihn nicht korrekt behandelt zu haben:

„Ich bin nach Berlin gekommen, um über meine Erfahrungen mit Technologie-Zentren in Afrika zu sprechen und zu lernen, wie Internet-Technologie in Europa verwendet wird. Die Inhaftierung in Paris war eine sehr schlechte Erfahrung, auch dabei habe ich viel gelernt.“

Vermutlich über wenig subtilen Rassismus europäischer Behörden. In den deutschen Medien kommt Schwarzafrika ja vorwiegend als Hunger- und Krisengebiet vor und mehr noch als kontinentaler Safaripark in den beliebten Tierfilmen. Auch Madagaskar ist dem hiesigen Medienkonsumenten fast ausschließlich als Heimat exotischer Äffchen bekannt, der Lemuren. Weniger häufig erfährt man etwas über die Netzkultur auf Madagaskar bzw. in Afrika überhaupt. Hier die Angaben zur Person bei der re:publica (Berlin 2013):

Harinjaka Andriankoto RATOZAMANANA:

CEO / co-founder, Habaka – Madagascar innovation Hub

Harinjaka Andriankoto RATOZAMANANA is a New Media Strategist, Social Entrepreneur and Pioneer in New Media in Madagascar. He is co-founder and CEO of Habaka -Madagascar Innovation Hub, a nonprofit organisation which lead Madagascar’s youth in Web and Mobile Technology. Habaka’s vision emphasizes new media tools and their use in solving issues of concern to all in Madagascar and its continent, including the most marginalized and impoverished. Ratozamanana is an international consultant who understands how the web can be applied to the purposes of the development of his contient. For example, he was member of ATPS (African Technology Policy Network) a multi-disciplinary network of researchers, practitioners and policy makers that promotes science, technology and innovation (STI) for African Development. Ratozamanana came into international fame after being selected by TED (www.ted.com), which stands for Technology Entertainment and Design as inaugural fellow. TED is often referred to as “the Davos of ideas and communication.” As a TED Fellow in Arusha, Tanzania in 2007, and also TED Fellow in Long Beach California in 2009, Andriankoto Harinjaka Ratozamanana was recognized as an outstanding young world leader who demonstrated achievement and potential, especially in improving the lives of young people in his local communities.

Blockupy: EZB & Deutsche Bank bringen Hunger & Elend

Theodor Marloth 1.Juni 2013 Blockupy

Frankfurt. SPD-Bürgermeister Feldmann und sein schwarz-grüner Senat tun alles, um Blockupy das Bürgerrecht auf freie Demonstration so unangenehm wie möglich zu machen. Ihr gutes Recht, die Kritik an der EZB durch Versammlung vor der EZB deutlich zu machen, mussten sie erst durch Gerichtsentscheid erstreiten. Blockupy protestiert: Polizei will Wunsch-Route der Stadt erzwingen -die Exekutive unterläuft damit das vor drei Tagen ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs.

Aufstand der Polizei gegen die Judikative?

20130601_105834-555445190Das Blockupy-Bündnis kritisiert scharf das Verhalten der Polizei bei der derzeit laufenden Blockupy-Demonstration in Frankfurt am Main. Die Polizei hat gewaltsam die Spitze der Demonstration von den nachfolgenden Demo-Teilnehmern abgetrennt und eine Gruppe von mehreren hundert Menschen grundlos eingekesselt. In Durchsagen fordert die Polizei die nachfolgenden Teilnehmer des Demozuges auf, auf die ursprünglich von der Stadt gewünschte Route am Mainufer auszuweichen. Das Bündnis fordert die Polizei auf, den Demonstrationsteilnehmern nicht länger ihr Recht auf Versammlungsfreiheit zu rauben:

„Das ist skandalös. Die Polizei versucht offensichtlich, das Urteil des VHG zu unterlaufen und die Demo auf die von der Stadt gewünschte Route zu zwingen“, sagte Blockupy-Sprecherin Ani Dießelmann. „Die Route an der EZB vorbei wurde über mehrere rechtliche Instanzen genehmigt. Hier setzt sich die Exekutive über den Rechtstaat hinweg.“

Überraschender Sieg vor Gericht

Soziale Grundrechte werden oft vom Kapital mit Füßen getreten (z.B. Hartz IV), Politik und Polizei helfen meist dabei mit. Doch manchmal setzt sich auch das Menschenrecht durch -immer wieder eine Überraschung. Das Blockupy-Bündnis musste seine Route für die  Großdemonstration nicht ändern, wie der Hessische Verwaltungsgerichtshof  am 29.Mai entschied. Damit wies das Gericht die Beschwerde der Stadt Frankfurt gegen die gleichlautende Entscheidung eines Verwaltungsgerichts zurück. Die Stadt habe keinerlei harten Fakten vorgelegt, welche die Streckenführung des Demonstrationszuges in die Nähe der Europäischen Zentralbank (EZB) ausschlössen, heißt es in der Urteilsbegründung. Nach der geltenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben Veranstalter von Demonstrationen grundsätzlich das Recht, über Ort und Verlauf selbst zu entscheiden. Eine Einschränkung dieses Rechts sei ohne nachweisbare Tatsachen als Grundlage einer Gefahrenprognose nicht zulässig, wobei die Beweislast bei den Behörden liege. Bloße Spekulationen und Vermutungen, wie sie die Frankfurter Blockupy-Blockierbehörden ins Feld geführt hätten, reichten nicht aus, so Hintergrund.

Bankenmacht gegen Menschenrecht

Die Macht der Banken steht gegen Menschenrechte und Demokratie -Millionen Kinder verhungern wegen Rohstoff-Spekulation mit Nahrung, Europas Süden wird unter Finanz-Kuratel geknechtet. Eine große Merkelei sondergleichen. Die Botschaft von Blockupy lautet: „Wir können den Alltag des kapitalistischen Systems stören.“ Blockupy protestiert auch prekäre Arbeitsverhältnisse und  Abschiebungen als Teil der kapitalistischen Unrechtsordnung. Völlig repressionsfrei reagierten die Sicherheitskräfte dementsprechend nicht auf die Proteste: Wo die Aktivisten den Polizeiketten an EZB oder Flughafen allzu nahe kamen, wurde Pfefferspray eingesetzt. Auch wurden im Vorfeld wieder Busse mit anreisenden Aktivsten über mehrere Stunden festgehalten. Ein Augenzeuge berichtete gegenüber Telepolis:

„Die Polizei hat fünf Busse aus Berlin sowie je einen Bus aus Münster und Hamburg auf dem Weg zu den Blockupy-Aktionstagen in Frankfurt gestoppt. Alle Aktivistinnen und Aktivisten aus Berlin wurden fotografiert, ihr Gepäck wird durchsucht und ihre Personalien aufgenommen. Ein Teil der Anreisenden wurde gezwungen, in den Zug umzusteigen. Eine Gruppe Geflüchteter kehrte nach Berlin um. Sie hätten sonst möglicherweise ihre Aufenthaltsrechte gefährdet, weil sie sich mit der Teilnahme an der Demonstration der Residenzpflicht widersetzt haben, der ihre Bewegungsfreiheit erheblich einschränkt und gegen die sie sich seit Jahren wehren.“

Nach der Blockade der Europäischen Zentralbank (EZB), die am Freitagmorgen20130601_121248-7179425 trotz des strömenden Regens von ca. 3000 Menschen durchgehalten wurde, folgte eine Kundgebung vor der Deutschen Bank. Nachmittags wurde in der Frankfurter City gegen prekäre Arbeitsverhältnisse und am Rhein-Main- Flughafen gegen die Abschiebung von Flüchtlingen  demonstriert. Anders als im letzten Jahr blieb die Lage heute weitgehend entspannt. 2012 waren sämtliche Blockupy-Proteste von Stadtverwaltung, Polizei und Justiz verboten worden. Diesmal hatte sich zumindest die Justiz zur Wahrung des Demonstrationsrechts durchgerungen und die Konfrontation damit entschärft.

Erfolge von Blockupy?

Die Polizei bestreitet, dass -wie die Aktivisten berichten- zeitweise sämtliche Eingänge der EZB blockiert waren.  Anzunehmen ist zwar, dass die Geschäfte der EZB großteils auch bei geschlossenen Toren funktionieren. Doch darum geht es auch gar nicht -so ein Ziel wäre naiv. Es genügt, wenn einige der politisch indolenten Bankster dieser Welt daran erinnert werden, dass ihre Tätigkeit nicht so rosig ist, wie sie glauben. Auch wenn die Medien sie inzwischen wieder netter darstellen als kurz nach der Finanzkrise. Die Öffentlichkeit, sonst 365 Tage im Jahr mit der Propaganda der Herrschenden berieselt, muss ein Wochenende lang zur Kenntnis nehmen, dass es andere Meinungen gibt und Menschen, die bereit sind dafür auf die Straße zu gehen.

Die Botschaft von Blockupy lautet: „Wir können den Alltag des kapitalistischenKapitalismus ist eine Religion. Systems stören.“ Aber wo wäre Linker Protest ohne die Einwürfe der Palästinensischen Befreiungsfront zur Befreiung Palästinas:

Schützenhilfe gegen die „Banken-Hasser“ (Wirtschaftswoche) kommt, wie gewohnt, aus dem Lager der „antideutschen“ Neokonservativen. In der Wochenzeitung Jungle World werden die Proteste unter dem Titel „Kritik ist das Gegenteil von Mitmachen“ nicht nur als „Unfug“ bezeichnet, sondern der Bewegung auch hochgradig gefährliche Eigenschaften bescheinigt  – Interventionismus und Solidarität (diese hatten tatsächlich in der Vergangenheit immer wieder schlimme Folgen, beispielsweise als die Arbeiterbewegung 1918 den Achtstundentag durchsetzte). (Hintergrund)

Andere haben echte Probleme und Blockupy ist Teil der Lösung in Solidarität mit den unter Merkeleien leidenden Südländern: Im letzten Jahr starben Menschen durch Zwangsräumungen – die Spanier zeigten ihren Zorn auf der Straße. Diese Woche trat ein Gesetz in Kraft, das Rajoy unter dem Druck der Proteste  auf den Weg gebracht hatte: Die Beschränkung des Rechtes der Banken, ihre Schuldner rücksichtslos auf die Straße zu werfen. Die Mitschuld der Banken an der Überschuldung vieler Menschen wurde damit indirekt anerkannt. Ob dies auch in der Rechtspraxis Wirkung zeigt, muss sich erst noch erweisen.