Frankfurt. SPD-Bürgermeister Feldmann und sein schwarz-grüner Senat tun alles, um Blockupy das Bürgerrecht auf freie Demonstration so unangenehm wie möglich zu machen. Ihr gutes Recht, die Kritik an der EZB durch Versammlung vor der EZB deutlich zu machen, mussten sie erst durch Gerichtsentscheid erstreiten. Blockupy protestiert: Polizei will Wunsch-Route der Stadt erzwingen -die Exekutive unterläuft damit das vor drei Tagen ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs.
Aufstand der Polizei gegen die Judikative?
Das Blockupy-Bündnis kritisiert scharf das Verhalten der Polizei bei der derzeit laufenden Blockupy-Demonstration in Frankfurt am Main. Die Polizei hat gewaltsam die Spitze der Demonstration von den nachfolgenden Demo-Teilnehmern abgetrennt und eine Gruppe von mehreren hundert Menschen grundlos eingekesselt. In Durchsagen fordert die Polizei die nachfolgenden Teilnehmer des Demozuges auf, auf die ursprünglich von der Stadt gewünschte Route am Mainufer auszuweichen. Das Bündnis fordert die Polizei auf, den Demonstrationsteilnehmern nicht länger ihr Recht auf Versammlungsfreiheit zu rauben:
„Das ist skandalös. Die Polizei versucht offensichtlich, das Urteil des VHG zu unterlaufen und die Demo auf die von der Stadt gewünschte Route zu zwingen“, sagte Blockupy-Sprecherin Ani Dießelmann. „Die Route an der EZB vorbei wurde über mehrere rechtliche Instanzen genehmigt. Hier setzt sich die Exekutive über den Rechtstaat hinweg.“
Überraschender Sieg vor Gericht
Soziale Grundrechte werden oft vom Kapital mit Füßen getreten (z.B. Hartz IV), Politik und Polizei helfen meist dabei mit. Doch manchmal setzt sich auch das Menschenrecht durch -immer wieder eine Überraschung. Das Blockupy-Bündnis musste seine Route für die Großdemonstration nicht ändern, wie der Hessische Verwaltungsgerichtshof am 29.Mai entschied. Damit wies das Gericht die Beschwerde der Stadt Frankfurt gegen die gleichlautende Entscheidung eines Verwaltungsgerichts zurück. Die Stadt habe keinerlei harten Fakten vorgelegt, welche die Streckenführung des Demonstrationszuges in die Nähe der Europäischen Zentralbank (EZB) ausschlössen, heißt es in der Urteilsbegründung. Nach der geltenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben Veranstalter von Demonstrationen grundsätzlich das Recht, über Ort und Verlauf selbst zu entscheiden. Eine Einschränkung dieses Rechts sei ohne nachweisbare Tatsachen als Grundlage einer Gefahrenprognose nicht zulässig, wobei die Beweislast bei den Behörden liege. Bloße Spekulationen und Vermutungen, wie sie die Frankfurter Blockupy-Blockierbehörden ins Feld geführt hätten, reichten nicht aus, so Hintergrund.
Bankenmacht gegen Menschenrecht
Die Macht der Banken steht gegen Menschenrechte und Demokratie -Millionen Kinder verhungern wegen Rohstoff-Spekulation mit Nahrung, Europas Süden wird unter Finanz-Kuratel geknechtet. Eine große Merkelei sondergleichen. Die Botschaft von Blockupy lautet: „Wir können den Alltag des kapitalistischen Systems stören.“ Blockupy protestiert auch prekäre Arbeitsverhältnisse und Abschiebungen als Teil der kapitalistischen Unrechtsordnung. Völlig repressionsfrei reagierten die Sicherheitskräfte dementsprechend nicht auf die Proteste: Wo die Aktivisten den Polizeiketten an EZB oder Flughafen allzu nahe kamen, wurde Pfefferspray eingesetzt. Auch wurden im Vorfeld wieder Busse mit anreisenden Aktivsten über mehrere Stunden festgehalten. Ein Augenzeuge berichtete gegenüber Telepolis:
„Die Polizei hat fünf Busse aus Berlin sowie je einen Bus aus Münster und Hamburg auf dem Weg zu den Blockupy-Aktionstagen in Frankfurt gestoppt. Alle Aktivistinnen und Aktivisten aus Berlin wurden fotografiert, ihr Gepäck wird durchsucht und ihre Personalien aufgenommen. Ein Teil der Anreisenden wurde gezwungen, in den Zug umzusteigen. Eine Gruppe Geflüchteter kehrte nach Berlin um. Sie hätten sonst möglicherweise ihre Aufenthaltsrechte gefährdet, weil sie sich mit der Teilnahme an der Demonstration der Residenzpflicht widersetzt haben, der ihre Bewegungsfreiheit erheblich einschränkt und gegen die sie sich seit Jahren wehren.“
Nach der Blockade der Europäischen Zentralbank (EZB), die am Freitagmorgen trotz des strömenden Regens von ca. 3000 Menschen durchgehalten wurde, folgte eine Kundgebung vor der Deutschen Bank. Nachmittags wurde in der Frankfurter City gegen prekäre Arbeitsverhältnisse und am Rhein-Main- Flughafen gegen die Abschiebung von Flüchtlingen demonstriert. Anders als im letzten Jahr blieb die Lage heute weitgehend entspannt. 2012 waren sämtliche Blockupy-Proteste von Stadtverwaltung, Polizei und Justiz verboten worden. Diesmal hatte sich zumindest die Justiz zur Wahrung des Demonstrationsrechts durchgerungen und die Konfrontation damit entschärft.
Erfolge von Blockupy?
Die Polizei bestreitet, dass -wie die Aktivisten berichten- zeitweise sämtliche Eingänge der EZB blockiert waren. Anzunehmen ist zwar, dass die Geschäfte der EZB großteils auch bei geschlossenen Toren funktionieren. Doch darum geht es auch gar nicht -so ein Ziel wäre naiv. Es genügt, wenn einige der politisch indolenten Bankster dieser Welt daran erinnert werden, dass ihre Tätigkeit nicht so rosig ist, wie sie glauben. Auch wenn die Medien sie inzwischen wieder netter darstellen als kurz nach der Finanzkrise. Die Öffentlichkeit, sonst 365 Tage im Jahr mit der Propaganda der Herrschenden berieselt, muss ein Wochenende lang zur Kenntnis nehmen, dass es andere Meinungen gibt und Menschen, die bereit sind dafür auf die Straße zu gehen.
Die Botschaft von Blockupy lautet: „Wir können den Alltag des kapitalistischen Systems stören.“ Aber wo wäre Linker Protest ohne die Einwürfe der Palästinensischen Befreiungsfront zur Befreiung Palästinas:
Schützenhilfe gegen die „Banken-Hasser“ (Wirtschaftswoche) kommt, wie gewohnt, aus dem Lager der „antideutschen“ Neokonservativen. In der Wochenzeitung Jungle World werden die Proteste unter dem Titel „Kritik ist das Gegenteil von Mitmachen“ nicht nur als „Unfug“ bezeichnet, sondern der Bewegung auch hochgradig gefährliche Eigenschaften bescheinigt – Interventionismus und Solidarität (diese hatten tatsächlich in der Vergangenheit immer wieder schlimme Folgen, beispielsweise als die Arbeiterbewegung 1918 den Achtstundentag durchsetzte). (Hintergrund)
Andere haben echte Probleme und Blockupy ist Teil der Lösung in Solidarität mit den unter Merkeleien leidenden Südländern: Im letzten Jahr starben Menschen durch Zwangsräumungen – die Spanier zeigten ihren Zorn auf der Straße. Diese Woche trat ein Gesetz in Kraft, das Rajoy unter dem Druck der Proteste auf den Weg gebracht hatte: Die Beschränkung des Rechtes der Banken, ihre Schuldner rücksichtslos auf die Straße zu werfen. Die Mitschuld der Banken an der Überschuldung vieler Menschen wurde damit indirekt anerkannt. Ob dies auch in der Rechtspraxis Wirkung zeigt, muss sich erst noch erweisen.