Börsencrash Portugal: Regierungskrise durch Troika-Sparwut

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Lissabon. Die Eurokrise kommt zurück, die Börsen zittern: Ministerpräsident Coelho musste sich schon von seinem Finanzminister Vitor Gaspar und von Außenminister Paulo Portas trennen. Nun sollen zwei weitere Minister vor einem Rücktritt stehen. Die Spitze der rechtspopulistischen Portugiesischen Volkspartei berät derzeit über den Verbleib in der Regierungskoalition, so reuters.

Präsident Anibal Cavaco Silva will sich noch in dieser Woche mit Ministerpräsident Coelho, den oppositionellen Sozialisten sowie weiteren Parteien treffen, um über die Krise zu beraten. Die Börse in Lissabon brach ein, neue Staatsanleihen blicken rapiden Zinssteigerungen entgegen. Sollte die Regierung von Coelho scheitern und Neuwahlen nötig werden, wird fraglich, ob das Land am von der EU-Troika ditktierten Sparkurs festhalten wird. Portugal steckt seit drei Jahren in der Rezession, es macht die tiefste Krise seit 1974 durch, als die Nelkenrevolution die Diktatur stürzte. Dagegen protestieren vor allem die Gewerkschaften. Sie werfen der Regierung vor, für eine Rekordarbeitslosigkeit von über 18 Prozent verantwortlich zu sein, unter der mehr als 42 Prozent aller jungen Menschen leiden. Sogar die Verbände der Unternehmer klagen Coelho dafür an, Portugal mit dem rabiaten Sparkurs immer tiefer in die Krise zu manövrieren.

Ende Juni war die konservative portugiesische Regierung schon mit ihrem vierten 24-stündigen Generalstreik konfrontiert worden. Dieser Juni-Generalstreik übertraf noch den vom November 2012 und war damit einmalig in der jüngeren Geschichte Portugals. Die beiden großen Gewerkschaftsverbände CGTP und UGT hatten zusammen mit zahlreichen Einzelgewerkschaften zum „großen Ausstand“ aufgerufen. Ihr Ziel war, die Regierung unter Pedro Passos Coelho zu stürzen -was nun teileweise zu funktionieren scheint. Coelho hatte sich zuletzt mit wenig Ruhm bekleckert.

Verfassungsrichter kassierten Sparpolitik

Portugals Verfassungsgericht kassierte im April mehrere Sparmaßnahmen der Mitte-Rechts-Regierung von Ministerpräsident Pedro Coelho Vorsitzender der liberal-konservativen Partido Social Democrata (PSD).  Der ehemalige Finanzmanager Coelho muss nun neue Ideen entwickeln, um das Haushaltsdefizit zu reduzieren, um nicht das 78 Milliarden Euro schwere Rettungspaket für sein Land zu gefährden. Das Gericht befand, es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung, dass Staatsbeamten die Gehälter und Pensionen gekürzt werden, andere Gruppen aber unangetastet bleiben. Ein klares Urteil gegen eine Politik des Ausbeutens durch Sparen, die das Geld nicht dort holt, wo es durch die Finanzmanipulationen hingeflossen ist: Bei den Reichen. Viel mehr greifen die Rechts- bis Mitterechts-Regierungen (mit New-Labour-Sozialdemokraten bzw. “Sozialisten”) denen in die Tasche, die sich am wenigsten wehren können.

Dieses Urteil stellt die Sparorgien-Politik in nahezu allen Ländern des EU-Hungergürtels am Mittelmeer in Frage, denn allen Regierungen, insbesondere den neoliberal-rechtsgerichteten in Madrid und Athen juckte es in den Fingern, die billige Lösung von Gehaltskürzungen bei Staatsangestellten zu gehen. Die Regierung wollte mit den irrsinnigen Sparmaßnahmen ein Haushaltsloch füllen, das zwischen 860 Millionen und 1,3 Milliarden liegen soll. Die Gläubiger haben Portugal aber dazu gemahnt, sein Defizit schnell abzubauen. Mit 124 Prozent der Wirtschaftsleistung sei die Staatsverschuldung bereits “extrem hoch” (die mächtigste Wirtschaftsnation der Welt, die USA, werden 2013 immerhin auch schon 110 Prozent erreichen).

Die Richter hatten schon in Coelhos Budget von 2012 mehrere Einsparungen für diskriminierend und daher verfassungswidrig erklärt. Die PSD-Regierung beschloss trotzig im nächsten Haushalt noch drastischere Einsparungen. Gegen die Sparmaßnahmen für 2013 hatten die Linksparteien der Opposition geklagt, der sozialistische Oppositionsführer Antonio Seguro forderte nach der juristischen Schlappe Coelhos jetzt den Rücktritt der Regierung. Besonders pikant: Auch Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva, der ebenfalls der PSD angehört, hatte sich der Klage angeschlossen und diesen Schritt damit begründet, dass der Haushalt „berechtigte Zweifel an der Gerechtigkeit bei der Verteilung der Opfer“ wecke.

Portugal ist eines der ärmsten Länder des Hungergürtels der südlichen Eurozone. Lissabon versinkt seit Einsetzung der von den Gläubigern der Troika verordneten Spaßmaßnahmen und Steuererhöhungen vor zwei Jahren immer tiefer in der Rezession. Die kontrproduktive Umverteilung von Arm zu Reich hat die Wirtschaft um fast 5 Prozent geschrumpft und die Arbeitslosenquote auf 17 Prozent hoch getrieben -und jeder klar denkende Mensch weiß: Nur ein Esel hätte etwas anderes erwartet. Oder ein Neoliberaler (zumindest behaupten die neoliberalen Wirtschaftsexperten das).

Ziel der Neoliberalen ist ganz offenbar eine neue Struktur der Volkswirtschaften, die dann weniger Güter für die verarmte Bevölkerung herstellen werden und mehr Luxusgüter für den Export bzw. die Reichen im Lande selbst. Erst mit Tony Blair und Gerhard ‘Hartz IV’ Schröder und ihrem “New Labour” kamen perfide Propaganda-Eperten auf die Idee, so eine Ausbeutungs-Politik als “sozialdemokratisch” verkaufen zu wollen. In Ungarn kann man sehen, wie die Diktatur der Reichen mit Neorassismus einhergeht: Man braucht Sündenböcke für das wütende Volk.

Europa provoziert Bolivien: Morales gekidnappt

Galindo Gaznate 03.07.2013

Evo Morales Präsidentenmaschine wurde auf dem Weg von Russland nach Bolivien von Paris gestoppt -die Überflugsrechte verweigert. Vor der französischen Botschaft in La Paz protestieren Bolivianer gegen das “Kidnapping” ihres Präsidenten. Grund für das Verhalten Frankreichs war wohl Angst vor den USA: Man vermutete,  der NSA-Dissident Snowden sei an Bord der Maschine. Ebenso verweigerten sich Spanien, Portugal und Italien. Die Organisation Amerikanischer Staaten protestierte gegen den respektlosen Angriff auf ein Staatsoberhaupt. 

UPDATE: um 12:00 MEZ durfte Präsident Morales nach einer Kontrolle seines Flugzeugs seinen Flug fortsetzen. Wiener Behörden betonten jedoch, dass mangels Rechtsgrundlage keine genaue Durchsuchung vorgenommen werden konnte.

Boliviens Präsident Morales wurde auf dem Flug von Moskau nach La Paz in der Nacht vom 2. zum 3.Juli aufgehalten -die Erlaubnis zum Überfliegen französischen Bodens wurde aus zunächst angeblich technischen Gründen verweigert. Auch Spanien, Portugal und Italien verweigerten der bolivianischen Präsidentenmaschine die Überflugsrechte. Boliviens Verteidigungsminister Ruben Saavedra erklärte dem venezolanischen Fernsehsender Telesur aus Wien, Frankreich habe dem Flugzeug von Morales schließlich doch das Überflugrecht gewährt, nachdem Paris ein paar Stunden vorher “aus technischen Gründen” dies verweigert hatte und die Maschine zu einer Landung in Wien gezwungen hatte. Frankreichs Regierung habe so ihren Fehler zugegeben, sagte Saavedra. Portugal, Italien und Spanien verweigern die Überflugrechte jedoch weiterhin.

Boliviens Präsident Morales am Wiener Flughafen

Präsident Evo Morales macht zur Stunde auf dem Rückweg von einem Moskauer Treffen der weltgrößten Gasexporteure einen Zwangsstopp in Wien. Seine Maschine vom Typ Dassault Falcon landete um ca. 23 Uhr am Flughafen Wien Schwechat, so der Standard. Morales Aufenthalt in Österreich  verdankt sich unbestätigten Gerüchten, wonach sich der NSA-Dissident Edward Snowden an Bord des bolivianischen Regierungsjets befinden könnte. So verweigerten Frankreich, Italien, Spanien und Portugal in der Nacht auf Mittwoch die Überflugrechte  auf den Weg von Moskau nach La Paz. Morales hatte dem russischen Fernsehen gesagt, sein Land sei bereit, Asyl für Snowden in Erwägung zu ziehen.

Evo Morales ist seit  2006 Präsident Boliviens. Er ist Vorsitzender der sozialistischen bolivianischen Partei Movimiento al Socialismo (MAS) und der Bewegung für die Rechte der Coca-Bauern. Er gewann  die vorgezogenen Präsidentschaftswahlen 2005 mit 54 Prozent der Stimmen und wurde damit als erster Indígena Staatsoberhaupt von Bolivien. Zudem errang er den deutlichsten Wahlsieg seit Ende der letzten Militärregierung 1982. Bei der Präsidentenwahl vom Dezember 2009 übertraf er mit einer Zustimmung von 64 Prozent sogar noch das Ergebnis von 2005.

Auch die illegale Verfolgung von Edward Snowden führt wie die Hetzjagd auf Julian Assange zu diplomatischen Querelen mit Lateinamerika: Zwischen Bolivien und westlichen Ländern kocht die Stimmung und Boliviens Außenminister David Choquehuanca zeigt sich empört über Paris. Er warf den Pariser Behörden vor, das Leben des bolivianischen Präsidenten in Gefahr gebracht und internationale Rechte des Luftverkehrs verletzt zu haben.  Das französische Außenministerium in Paris hatte zwischenzeitlich erklärt, man wisse von all dem nichts. Vor der französischen Botschaft in La Paz protestieren Bolivianer gegen das „Kidnapping“ ihres Präsidenten durch die gegenüber ihrer Führungsmacht USA kriecherischen Europäer. Ausgerechnet der „Sozialist“ Hollande in Paris hat sich nun durch seine Vorreiterrolle in der Konfrontation mit Morales endgültig als Pappnasen-Linker entlarvt.

OAS fordert Erklärung von EU-Staaten

Die OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) hat das von einigen europäischen Ländern verhängte Überflugverbot für die Maschine des bolivianischen Präsidenten Evo Morales kritisiert und eine Erklärung gefordert. Eine solche Respektlosigkeit gegen das höchste Amt eines Landes sei nicht zu rechtfertigen, erklärte in Washington der OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza. Die entsprechenden Länder müssten ihr Handeln rechtfertigen, so Insulza. Schon nach dem Asyl von Assange in der Londoner Botschaft Ecuadors hatte ein diplomatischer Amoklauf der Briten, sie drohten mit Stürmung des exterritorialen Botschaftsgeländes, zur Solidarisierung der Lateinamerikaner gegen ihre einstigen Kolonialherren und Sklaventreiber aus Europa geführt. Die Spanier sollten sich gerade gegenüber Bolivien besonders sensibel verhalten: Allein in der gigantischen Silbermine von Potosi sollen sie bis zu acht Millionen Indígenas zu Tode geschunden haben (Eduardo Galeano) -der wirtschaftliche Aufschwung Europas in der Neuzeit verdankt sich zu einem guten Stück dem so geraubten Reichtum (vgl. Die offenen Adern Lateinamerikas). Von Schuldeingeständnissen, Gedenken der Opfer oder Wiedergutmachung gegenüber den lateinamerikanischen Staaten ist beim Westen jedoch wenig zu sehen.

Bis heute betrachten die USA ganz Lateinamerika als ihren „Hinterhof“ und schrecken auch vor Staatsterror nicht zurück, etwa jüngst im sozialistisch regierten Venezuela. Gegen den Whistleblower Edward Snowden, der die USA des globalen Ausspionierens aller Kommunikationswege entlarvte, schlagen US-Geheimdienste derzeit mit allen Mitteln zu: Es gibt Anzeichen für eine Wiederholung der dreckigen Sex-Kampagne gegen den Wikileaksgründer Julian Assange.