Luxemburg: Gladio-Juncker entmachtet

Gerd R. Rueger 22.10.2013

Luxemburg. Bei der Parlamentswahl hat die CSV von  Jean-Claude Juncker unerwartet starke Verluste eingefahren. Junckers Partei, die 2009 noch auf 38 Prozent gekommen war, kam nur noch auf 33,7 Prozent der Stimmen. Damit bleibt sie zwar stärkste Kraft, aber durch den Gladio-Geheimdienstskandal hatte sie ihren Koalitionspartner, die Sozialdemokraten schon verstimmt. Die Sozialdemokraten erreichten 20,3 Prozent der Stimmen, die Liberalen verbuchten große Zugewinne und landeten bei 18,3 Prozent. Eine Rot-Gelb-Grün-Koalition kann die Konservativen nun stürzen.

Bei der Parlamentswahl in Luxemburg hat die Christlich-Soziale Volkspartei (CSV) von Regierungschef Jean-Claude Juncker unerwartet starke Verluste hinnehmen müssen.  „Ich beanspruche für meine Partei den Führungsanspruch in diesem Land“, tönte  Juncker, der die Regierung seit 18 Jahren führt, nach der Wahl. Doch dies könnte ein Wunschtraum bleiben. Sozialdemokraten, Liberale und Grüne werden nun wohl eine Regierungskoalition gegen die konservative CSV bilden. Der bisherige Koalitionspartner, die Sozialdemokraten (LSAP), erreichte 20,3 Prozent der Stimmen und die oppositionellen Liberalen (DP) verbuchten große Zugewinne mit 18,3 Prozent.  Junckers CSV, die 2009 noch auf 38 Prozent gekommen war, kam nur noch auf 33,7 Prozent der Stimmen. Damit bleibt sie zwar stärkste Kraft, aber durch den Gladio-Geheimdienstskandal hatte sie ihren Koalitionspartner, die Sozialdemokraten schon verstimmt.

Die Gladio-Geheimdienstaffäre war ursprünglich nur die Nebenkriegsschauplatz eines Gerichtsprozesses, der eine Serie von Bombenanschlägen vor zwanzig Jahren in Luxemburg aufklären soll. Angeklagt waren zwei Gendarmen, denen vorgeworfen wurde, sie hätten mit den Bombenanschlägen auf Strommasten und öffentliche Gebäude mehr Geld für die Polizei erpressen wollen. Weil die Anschläge lange nicht aufgeklärt wurden, gab es Gerüchte über die Beteiligung von hochrangigen Beamten, sogar der Bruder des Großherzogs von Luxemburg geriet unter Verdacht. Dem Geheimdienst wurde vorgeworfen, Ermittlungen über Jahre hintertrieben zu haben. Das Parlament richtete deshalb vor einem halben Jahr endlich einen Untersuchungsausschuss ein. Dieser kam nach etwa 50 Sitzungen und zahlreichen Anhörungen zu einem haarsträubenden Ergebnis: Der SREL habe jahrelang illegale Abhöraktionen durchgeführt, es gebe zahlreiche Fälle von Korruption und ein absolut intransparentes internes Regelwerk. Verantwortlich ist vor allem Juncker selbst.

Deutsche Medienkonsumenten wurden weitgehend im Unklaren über den Skandal gelassen: Die NATO-Geheimtruppe Gladio stand im Mittelpunkt der Luxemburgischen Regierungskrise. Dennoch verschwieg die Tagesschau, das wichtigste TV-Leitmedium im Land, was andere Medien längst berichten. Das Wort “Gladio” wurde ebenso vermieden wie “Stay-behind”. Statt dessen langatmiger Infotainment-Video zu Junckers Gefühlen und dem Herzogssitz. Auch auf der ARD-Website keine Hintergrundinformation. Ein Medien-Skandal im Geheimdienst-Skandal.

ARD-Journalisten hielten dem zurücktretenden Juncker ihr Mikro ins Gesicht und fragten wie dümmliche Sportreporter im Stil von “Und wie fühlen Sie sich jetzt, Herr Juncker, wo sie zurücktreten müssen?” Dann filmten sie ausgiebig seinen Fußweg vom Regierungsgebäude zum daneben liegenden Sitz des Großherzogs, brachten launige Kommentare. Tenor: Nichts besonderes passiert und Juncker ist so beliebt, dass er sicher sein Comeback erleben wird.

Auf ihrer Website präsentierte die Tagessschau nach dem ellenlangen, aber Wappen Luxemburgsvöllig nichtssagenden Juncker-Bericht nur einen einzigen weiterführenden Link, der mit der Bombenleger-Affäre zu tun hat. Dort erfährt man jedoch ebenfalls nichts über Gladio, geschweige denn über die Aussagen des Zeugen Kramer, der über die BND-Verwicklung seines verstorbenen Vaters mit Gladio und dem Anschlag auf das Münchner Oktoberfest 1981 berichtete. Nichts über die hier schon am 1.Mai dokumentierte Bommeleeer-Gladio-Affäre: 20 Gladio-Bombenanschläge auf Sendemasten und Hochspannungsleitungen in den Jahren 1984-86. SREL-Chef Charles Hoffmann hatte 1985 die Stay-Behind (Gladio)-Manöver beim damaligen Staatsminister Jacques Santer wohl genehmigt bekommen. Ziel: Die Untaten Linksextremisten in die Schuhe schieben, um Stimmung für die Rechtspopulisten Westeuropas zu machen (z.B. die CDU unter Kohl). Und der deutsche BND war immer mittendrin.

Großherzog Henri entscheidet nun in dieser Woche, wem er den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt. Knapp 240.000 Wahlberechtigte waren zur Stimmabgabe in ca. 600 Wahlbüros aufgerufen. Neun Parteien schickten 540 Kandidaten ins Rennen. In Luxemburg herrscht Wahlpflicht, die Wahlbeteiligung liegt daher meist bei etwa 90 Prozent.