Funeral Officer (Armenbestatter) John May ist ein Einzelgänger, pflichtbewusst, schüchtern, aber mit einem großen Herz für andere. Doch Mr.Mays Sorgfalt, Respekt und Menschlichkeit steht der Effizienz im Weg. Er wird fristlos entlassen. Die Stadt hat angeblich kein Geld für Menschlichkeit, doch sein überbezahlter Boss kann sich einen BMW leisten… May leistet Widerstand, entdeckt eine politische Welt -und triumphiert.
“Funeral Officer” John May (Eddie Marsan) ist ein Einzelgänger, pflichtbewusst, etwas schüchtern, aber mit einem großen Herz für andere. Mit ruhiger Beharrlichkeit sorgt er im Auftrag der Londoner Stadtverwaltung für die würdevolle Beisetzung einsam verstorbener Menschen. Sogar für das Schreiben sehr persönlicher Grabreden nimmt er sich Zeit und recherchiert in den Wohnungen der Toten. Gehalten werden seine Nachrufe auf Trauerfeiern, die neben dem Priester nur auf einen einzigen Gast zählen können: Mr. May selbst.
Aber Mr.Mays Sorgfalt, Respekt und Hingabe dem strengen Gebot der Effizienz im Weg, das seine Vorgesetzten exekutieren wollen: Mr.May wird fristlos entlassen. Sein Chef (Andrew Buchan), ein junger Manager-Geck, ist zu feige ihn alleine zu feuern und hält ihm im Beisein einer aufgetakelten Bürotussi eine heuchlerische Abschiedsrede: Mit falschem PR-Lächeln lobt der Chef seine Zuverlässigkeit, doch leider arbeite er zu langsam, dafür habe man kein Geld. Der Chef lügt dem Mitvierziger ungeniert mitten ins Gesicht, von großen Chancen, die er angeblich noch für einen Neuanfang habe. Doch der “Funeral Officer” kennt die Schicksale der abgeschobenen und ausgegrenzten Arbeitslosen, er trifft sie täglich post mortem.
Subtile Botschaft gegen den Neoliberalismus
Das befürchtete Aufbegehren des künftigen verelendeten Arbeitslosen bleibt jedoch aus. John May wirkt zunächst wie gelähmt, schon im Gehen, kehrt er um. Er bittet sich beim ungeduldig in seinen polierten BMW drängenden Chef ein paar weitere Tage aus: Der “Funeral Officer” will seinen letzten Fall noch ordnungsgemäß abschließen: Billy Stoke (Tim Hope), einsam gestorben in seiner verwahrlosten Wohnung genau gegenüber von Mays bescheidenem Zuhause in einer Arbeitersiedlung. Man ahnt: Mr.May hat mit seinem Leben abgeschlossen. Später wird er für seinen letzten Klienten Stoke sogar die Grabstätte aufgeben, auf der John May selbst einmal seine letzte Ruhe finden wollte.
Die politische Botschaft des wunderbaren Films von Uberto Pasolini bleibt subtil: Die Stadt hat angeblich kein Geld für Menschlichkeit, doch der schleimig-gnadenlose Council Manager kann sich von seinem fetten Gehalt einen BMW leisten. Mit aller Leidenschaft und Zähigkeit stürzt sich May in seinen letzten Fall, bei dem das Elend der neoliberalen Entmenschlichung ihm nahe gerückt ist, bis in seine Nachbarschaft.
Mr.May und das Flüstern der Ewigkeit
Wer war dieser Billy Stoke? Wie war sein Leben, wer waren seine Freunde, hatte er Familie? Als May auf die ersten
Spuren stößt, beginnt eine befreiende Reise, die ihn in eine Welt des Aufbegehrens führt. “Big Billy” Stoke erscheint zunächst nur als Säufer, Raufbold und Berufsversager. Dann kommt ans Licht: Er verlor seinen Job, weil er sich für die Kollegen im Betriebsrat einsetzte, er war ein Arbeiterkämpfer, der sich von den Bossen nichts bieten ließ. Mr.May spürt alte Arbeitskollegen auf, obdachlose Saufkumpane, Armykumpel, denen Billy einst das Leben rettete, und sogar eine Tochter nebst Enkelin, von denen Billy nichts wusste. Zwischen John und Billy’s Tochter Kelly (Joanne Froggatt) entwickelt sich eine Beziehung und der ehemals lammfromme Beamte zeigt erstmals echtes Aufbegehren: Uberto Pasolini lässt ihn in einer subtilen Abrechnung mit dem neoliberalen System an den BMW des Chefs pinkeln –nur hier, an dieser Stelle des Films lässt sich Mr.May auf das Niveau seiner Widersacher herab.

Effizienzdenken entwürdigt den Menschen
Es ist dennoch eine sehr subtile Gegenüberstellung von großer Menschlichkeit bei Mr.May, der sich existenziellen Themen wie Leben, Tod und Gedenken stellt, mit den kleinkarierten, gierigen Managertypen, die in den Medien als Heroen der Globalisierung gefeiert werden. Hier werden sie als erbärmliche Figuren gezeigt, die bedenkenlos das Leben ihres Untergebenen zerstören, um sich an den heute üblichen, unverschämten Gehältern eines nichtswürdigen Führungspersonals zu bereichern. Der Film lenkt den Zuschauer sehr behutsam auf die Ahnung einer humaneren Welt hin, seine Gesellschaftskritik wirkt untergründig.
Es ist ein Schlag, der mit dem weißen Samthandschuh des Bestatters ausgeführt wird. Aber es ist dennoch ein Schlag ins Gesicht der neoliberalen Konsum- und Karrierewelt, deren Zahnpasta-Grinsen uns in Werbung und Medien die immer ungerechtere Verteilung, die verschärfte Ausbeutung verkaufen soll. In Medien, die (wie etwa der “Spiegel” von Bertelsmann) die Globalisierung preisen, wird dieser subversive Teil der Botschaft Uberto Pasolinis natürlich verschwiegen. Dort bleibt man an der menschelnden Oberfläche der Story und wehrt sich gegen die Erkenntnis, die emotional aber hoffentlich doch ihre Wirkung tun wird: Die Effizienz- und Profitgier des Neoliberalismus entwürdigt den Menschen, im Leben wie im Tod.
Und wir haben die Pflicht, uns dagegen aufzulehnen.
Gute Kritik, anders als die in der JUNGEN WELT, wo ein linksradikaler Kulturschwätzer, die politische Aussage des Films einfach nicht kapiert hat. Mr.May ist dem Verriss-Schreiber André Weikard nur ein Spießer:
„Mr. May, ein duckmäusiger britischer Beamter, der eigentlich den Nachnamen Grey verdient hätte.“
Ob André Weikard den Nachnamen Weichkopp verdient hat, will ich hier nicht mutmaßen, aber sein Geseiere in der jw kommt leider nicht ohne das komplette Verraten des Plots aus -anders als Lobmueh hier. Und Weikard fällt auf dümmliche Art über die Hauptfigur und ihren Darsteller her -klar ist Mr.May KEIN großspurig auftrumpfender Held -aber DAS wäre der Kitsch gewesen, den Weikard in anderen Teilen der Story gefunden zu haben meint: Nur eben Proletarierhelden-Kitsch.
Mein Tipp: wenn überhaupt, erst lesen nachdem du den Film gesehen hast:
http://www.jungewelt.de/2014/09-04/015.php?sstr=uberto|pasolini
Pingback: Menschlichkeit steht der Effizienz- und ProfitGier im Weg | BildDung für das VOLK
Schöner Film, absolut geeignet, strammdumme Spießer subtil von ihrem reaktionären Trip runter zu holen.
Geht mit euren Eltern mal ins Kino! Spendiert verbitterten FDPlern ein Ticket 😉
Neoliberalismus?
Neuseeland hat sich den just again aufschwatzen lassen
https://jasminrevolution.wordpress.com/2014/09/21/kim-dotcom-hat-es-nicht-geschafft/
Filmjuwel 🙂
Ein Gedicht! Der Film wie diese Rezension…