Am 26. Juni hatte ein Terrorist am Strand von Sousse 38 Touristen ermordet, unter ihnen 30 Briten und zwei Deutsche. Präsident Béji Caïd Essebsi hatte für zunächst 30 Tage den Ausnahmezustand verhängt. „Wir sind in großer Gefahr“, sagte er. „Wir befinden uns im Kriegszustand.“ Das Land sei in einer schwierigen Lage und es sei notwendig, ausländische Investoren anzuziehen. Zu dem Anschlag bekannte sich die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). Das Attentat auf das Hotel Riu Imperial Marhaba war das bislang schwerste in der Geschichte Tunesiens. Zuvor waren im März beim Massaker im Bardo-Museum in Tunis 21 ausländische Touristen und ein Polizist getötet worden.
Zu groß war der Hass der Militaristen, wer auch immer dahinter stecken mag, dass Tunesien dem Terror trotzte und sogar das Weltsozialforum erfolgreich beendete -nach einem blutrünstigen feigen Angriff auf unbewaffnete wehrlose Zivilisten von „Islamisten“. Ein erneuter Angriff, noch blutdürstiger, noch feiger als der letzte, soll die Tourismus-Branche, Stütze der tunesischen Ökonomie, in die Knie zwingen. Tunesiens Premierminister Habib Essid hat inzwischen das Versagen der Polizei eingestanden und unter anderen den Gouverneur von Sousse entlassen. Versprochen hat er außerdem mehr als 1300 zusätzliche Polizisten für Strände und Hotels. Aber dabei soll es nicht bleiben. Tunesien will kämpfen, um seine Feriengäste, um seinen Ruf, um seine Stabilität, so Alexander Göbel, ARD-Hörfunkstudio Nordwestafrika.
Aber ein Ruck geht nicht durch das Land: Tunesien scheint wie gelähmt. Nicht einmal Staatstrauer wurde angeordnet. Das Attentat, gab Präsident Essebsi gegenüber dem französischen Sender Europe 1 zu, habe Tunesien kalt erwischt: „Ja, wir wurden von dieser Attacke überrascht. Wir waren darauf eingestellt, dass im Fastenmonat Ramadan etwas geschehen könnte. Aber niemals hätten wir damit gerechnet, dass sich ein Täter Strände und Urlauber als Ziele aussucht.“
Seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Zine El Abidine Ben Ali in der Jasminrevolution 2011 hat die islamistische Gewalt in Tunesien deutlich zugenommen. Grund sind die vom Westen betriebenen Putsche in zahlreichen Ländern der arabischen Welt, die geopolitisch motiviert sind und den westlichen Zugriff auf das Erdöl sichern und vertiefen sollen: Besonders in Irak, Libyen und Syrien zogen die Nato-Truppen eine breite Blutspur durch ganze Gesellschaften.
Dazu kommt in Tunis der mangelnde ökonomische Erfolg -auch dies ist zumindest teilweise eine Folge der blutigen Westeinmischungen, welche die ganze Region schwächen und zur Rohstoffkolonie von EUSA degradieren. Präsident Essebsi gab zu:
„In vielen Regionen gibt es extreme Armut, dort sind vor allem junge Leute marginalisiert, sie haben keine Arbeit, auch wenn sie studieren. Deswegen fallen sie dieser radikalen Propaganda zum Opfer.“
Viele junge Tunesier sind daher frustriert über mangelnde Perspektiven und mehr als 3000 sollen sich bereits islamistischen Milizen im Irak, in Syrien und im Nachbarland Libyen angeschlossen haben. Vier Jahre nach der Revolution wartet die junge Generation noch immer darauf, dass die Kernforderungen von damals erfüllt werden: Arbeit, Freiheit, und Würde. Wie tief der soziale Riss durch Tunesien geht, wie schnell aus Frust religiös getränkte Gefahr werden kann, zeigt einer der letzten Facebook-Einträge des Attentäters von Sousse. Dort heißt es: „Helden in Gräbern, Männer in Gefängnissen, Verräter in Palästen und Diebe in hohen Ämtern – das ist die tunesische Politik.“ Tunesiens Regierung unterscheidet sich da wenig von Europa oder den USA. Dass der Massenmörder bei Facebook seine Ideen entwickelte, also unter den Five Eyes der NSA & Co., zeigt dass deren Massenüberwachung keinen Terror verhindern kann -oder dass Terror nicht so unerwünscht ist, wie die Kreuzzügler behaupten.