Oskar Lafontaine: Querfront und „Linkspopulismus“?


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Sarah Wagenknecht, Die Linke

Gastkommentar von Hannes Sies (Scharf Links)

Unmittelbar vor der großen Anti-TTIP-Demonstration am 10.10.2015 in Berlin hatte das Boulevardblatt B.Z. die Proteste als „hysterisch“ und „nationalistisch“ bezeichnet, SpiegelOnline (Bertelsmann) versuchte, TTIP-Gegner in eine Ecke mit Pegida zu stellen. Dies reiht sich ein in stereotype Populismus-Beschuldigungen von Rechts gegen Syriza, Podemos und die deutsche Linkspartei. Doch nun hängen sich auch Medien von Links an diese Kampagne dran: In der aktuelle Ausgabe der „Blätter“ versteckt sich ein ideologischer Debattenbeitrag, der Oskar Lafontaine mit Jürgen Elsässer in einen Topf werfen will: Beide würden gefährlichen „Linkspopulismus“ mit Verschwörungstheorie und Querfront-Bestrebungen verbreiten. Ist das wirklich wahr? Oder haben wir hier vielmehr eine Propaganda-Querfront von B.Z. bis zu den „Blättern“ vor uns?

Die „Blätter für deutsche und internationale Politik“ kurz „Blätter“ sind ein traditionell linkes Politmagazin mit wissenschaftlichem Anspruch. Die aktuellen Tiefschläge gegen die Linke teilte dort kein Geringerer aus als der Jurist, Politologe und „Blätter“-Geschäftsführer Albrecht von Lucke in seinem Artikel „EU in Auflösung? Die Rückkehr der Grenzen und die populistische Gefahr“. Die erste Hälfte des Textes referiert mäßig geistreich die aktuelle Flüchtlingskrise, Lage in Syrien, Versagen der Einwanderungspolitik von EU und BRD bis zur AfD als Kriegsgewinnler der Krise. Dann –und schon die Verknüpfung dieser Themenkomplexe ist vielsagend– folgt das Kapitel „Der linke Populismus: Versuchung und Gefahr“. Dort meint von Lucke nachzuweisen, dass die belgische Philosophin Chantal Mouffe kurz davor steht, beim Freund-Feind-Schema des Politischen von „Staatsrechtler und späteren NS-Juristen Carl Schmitt“ zu landen.

Mouffe hatte auf die stereotypen Populismus-Beschuldigungen von Rechts reagiert, indem sie offensiv einen „linken Populismus“ forderte, statt sich immer wieder am Unterschied von populär und populistisch abzuarbeiten. Albrecht von Lucke wirft Mouffe vor, diese breche mit der Idee eines vernünftigen Kompromisses in einer „diskursbasierten Konsenskultur“ und setze statt dessen auf „Emotion und Konfrontation“. Denn Mouffe regt an, die Geld- und Machteliten in ihrem Gegensatz zur Mehrheit, sprich: zum „Volk“, zu benennen.

Mouffes Strategie der radikalen Konfrontation erteilt, so von Lucke, Allianzen mit Linksliberalen wie Sozialdemokraten eine Absage, da diese „an den Mechanismen der neoliberalen Hegemonie eine zu große Mitschuld tragen“, zitiert von Lucke die von ihm kritisierte Mouffe und parodiert sie: „Hier das wahre, gute Volk –dort die bösen Eliten, die es ausbeuten“, das sei die neue „linkspopulistische Kampfanordnung“ und die griechische Syriza sei Beispiel für ihr Scheitern und ihre Gefahren. Syriza hätte „das griechische Volk als hilfloses Opfer infamer neoliberaler Euro-Eliten“ (so von Lucke) hingestellt. Nach der Zustimmung zu EU-Sparvorgaben sei Tsipras plötzlich selbst „Volksverräter“ geworden –für die Linksabspaltung Syrizas, die „Volkseinheit“ (LAE), die mit knapp drei Prozent in der Neuwahl den Einzug ins Parlament verpasste. Die einem Wirtschaftskrieg gleichkommende Erpressung dieser Zustimmung durch die EU-Finanzeliten, die den Zahlungsverkehr in Griechenland praktisch lahm gelegt hatten, erwähnt von Lucke nicht. Der „Blätter“-Redakteur tut damit implizit so, als wäre Tsipras damit einem von Luckeschen „vernünftigen Kompromiss“ in einer „diskursbasierten Konsenskultur“ gefolgt.

„Hier die bösen Eliten“

Wenn linker Populismus die moralische Abwertung seiner Gegner billigend in Kauf nimmt, erinnert das Albrecht von Lucke an den Jargon der deutschen Rechten der 1920er Jahre, bevor sie die Weimarer Republik zerstörten und der NS-Faschismus siegte: „Wer daher in der radikalen Linken auf die Freisetzung politischer Emotionen setzt, spielt mit dem Feuer… Dem linkspopulistischen Jargon –hier die bösen Eliten, dort die gedemütigten Völker– ist dabei stets auch der Beifall der europäischen Rechten um Marine Le Pen gewiss.“

Die Emotion, auf die von Lucke selbst hier setzt, ist offensichtlich die Angst vor dem Faschismus. Ob es klug und fair ist, sie gerade gegen die Widersacher des Faschismus, die radikale Linke, in Anschlag zu bringen? Und welchem Jargon nähert sich von Lucke hier selber an wenn er sich schützend vor die angeblich zu emotional angegriffenen Geld- und Machteliten stellt, indem er sich über den linken Kampf gegen „die bösen Eliten“ mokiert? Bei Pegida setzt man allerdings noch einen drauf und mokiert sich über jene, welche die „pöhsen, pöhsen“ Pegida-Führer angreifen. Was Argumentationsstil und –niveau angeht, scheint von Lucke hier näher bei Pegida zu liegen als ihm selbst bewusst ist.

Bessere Argumente sucht sich Blätter-Mann Albrecht von Lucke für seine Warnungen vor radikalen Linken bei Marxens Beobachtung, das Lumpenproletariat sei anfällig für reaktionäre Umtriebe, und (vergeblich) bei Heinz Bude, dem Haussoziologen des vom Milliardär Reemtsma gestifteten „Hamburger Institut für Sozialforschung“. Bude wittert eine „Koalition der Angst“ einer prekärer werdenden Mitte mit dem „neuen Dienstleistungsproletariat“, die sich mit dem Mob vereinen könnten. Bude ist nicht dafür bekannt, die Ursachen besagter Abstiegs- und Verelendungs-Ängste bis zu den neoliberalen Umtrieben jener Milliardärsklasse zu verfolgen, der sein Mäzen Reemtsma zugehört. Zitat-bewehrt warnt Albrecht von Lucke vor Propagandisten einer „dubiosen Querfront“, die sogleich zwischen dem neorechten Magazin Compact und einem Aufruf zur Hilfe für Syriza „Für einen Plan B in Europa“ lokalisiert bzw. zwischen Lafontaine (nebst Varoufakis und Mélenchon) und dem „Nationalchauvinisten“ Jürgen Elsässer:

„So versucht der einstige Linke und heutige Nationalchauvinist Jürgen Elsässer längst alle Anti-Westler, von links wie rechts, gegen das ‚System‘ der EU zu sammeln: ‚Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks sind alle negativen Elemente der UdSSR auf die EUdSSR übergegangen: Das Politbüro mit den allmächtigen Kommissaren sitzt nicht mehr in Moskau, sondern in Brüssel.‘ (so Elsässer in Compact 6/2014) Mit exakt derselben populistischen (wie verschwörungslastigen) Argumentation gegen die ‚wirtschaftliche und politische Herrschaft der europäischen Oligarchie (…), die sich hinter der deutschen Regierung versteckt und sich dabei freut, dass Frau Merkel die Drecksarbeit übernimmt‘, heißt es in dem Aufruf ‚Für einen Plan B in Europa‘ von Oskar Lafontaine, Yanis Varoufakis und Anderen: ‚Wir haben es hier mit der neoliberalen Variante der ‚begrenzten Souveränität‘ zu tun, wie sie der sowjetische Parteichef Breschnew 1968 formulierte. Damals haben die Sowjets den Prager Frühling mit Tanks niedergewalzt. Diesen Sommer hat die Europäische Union den Athener Frühling mit Banken niedergewalzt‘“. Albrecht von Lucke, Blätter 10/2015, S.53

(Zu den „Anderen“, die der Blätter-Mann von Lucke hier neben Lafontaine und Varoufakis in die rechte Ecke stellt, gehören noch Zoe Konstantopoulou, Stefano Fassina und Jean-Luc Mélenchon.)

Ob die Linke mit dem besagten Aufruf wirklich einer „dubiose Querfront… in die Hände“ spielt, wie von Lucke behauptet, darf bezweifelt werden, auch wenn er aus vermutlich Hunderten oder Tausenden Seiten EU-Kritik von Elsässer und Lafontaine et al. hier eine ähnlich klingende Polemik heraus fischen konnte. Völlig hahnebüchen ist aber von Luckes Alarmismus, hier eine präfaschistische Gefahr wie kurz vor 1933 an die Wand zu malen. Statt historische Totschlag-Argumente gegen die Linke aus dem NS-Faschismus zu drechseln, sollte er vielleicht besser fragen, wer die NSdAP finanzierte: Banken und Industriebarone, die man in Westmedien offenbar nur dann Oligarchen nennen soll, wenn sie slawischen Ethnien entstammen.

Vollends zum Herold der Macht- und Geldeliten wird von Lucke, wenn er die Suche nach verantwortlichen Akteuren bei Banken und europäischer Oligarchie mit der Kennzeichnung als „verschwörungslastig“ diffamieren will. Korrupte Eliten haben noch stets versucht, die Enthüllung ihrer Machenschaften als „Verschwörungstheorie“ abzuwiegeln (der Begriff kam in seiner jetzigen, rein pejorativen Benutzung bekanntlich durch eine Kampagne der CIA in den politischen Diskurs, womit die CIA gegen eine Aufklärung der Kennedy-Morde Stimmung machen wollte, vgl. Bröckers).

Diese „Verschwörungs“-Diffamierung ist kein Argument gegen die Analyse der Machtstrukturen einer transnationalen Klasse (bzw. „Globalizing Elites“, Gill S.195) von Superreichen, die eine mehr oder weniger heimliche „Monetarisierung des Politischen“ (Krysmanksi) betreiben und dabei Staat und Wirtschaft korrumpieren (Altvater). Nur deren kulturelle Hegemonie schafft mittels medialer Drapierung den Pawlowschen Reflex von der diffamierend so benannten „Verschwörungstheorie“ (etwa zum Kennedy-Mord oder 9/11) zu Ufologen und Geistersehern, also zu Paranoia und Aberglauben. Tausende von Stunden Pseudo-Dokumentationen, die solche Themen nebeneinanderstellen, hat der Medienkonsument genießen dürfen. An deren Ende findet sich stets ein wohliges Gruseln und Wispern, „wir werden wohl niemals die Wahrheit erfahren“. Die politische Forderung, die Kennedy-Morde endlich aufzuklären und zu diesem Zwecke bzw. bis dahin schon mal die Macht der Geheimdienste zu beschneiden, kommt solcher Propaganda nicht in den Sinn. Ebensowenig Albrecht von Lucke, wenn er –offenbar an diese medial installierten Stereotype anknüpfend– die Frage nach Verantwortung von Finanzadel und West-Oligarchen für die griechische Krise „verschwörungslastig“ nennt.

Die so beschriebene kulturelle und mediale Hegemonie, mit welcher sich die Geldeliten unsichtbar bzw. unangreifbar machen, wird aber nur mittels trockener, womöglich mit Marx-Zitaten garnierten Analysen nicht zu bekämpfen sein. So kann man in einer breiten Öffentlichkeit kein Gehör finden, so wahr die Analysen auch sein mögen. Dafür brauchen wir Formen, die auch Emotionen ansprechen, die klare Grenzen ziehen und die Interessen der Mehrheit in ihrem Gegensatz zu einer kleinen Geldelite aufzeigen. Dies könnte linke Politik durchaus populär machen, aber weil es politische Wahrheiten ausspricht –nicht weil es „Links-Populismus“ ist, wie von Lucke behauptet.

Wie populistisch ist die Populismus-Beschuldigung gegen Links?

Der Populismus-Vorwurf gegen Links wird immer dann laut, wenn linke Politik die Verteilungsfrage erfolgreich stellt, etwa bei Hugo Chávez in Venezuela. Gelingt es, mit dieser Frage demokratische Mehrheiten zu logo_psgewinnen, und folgt darauf tatsächlich eine gerechtere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums, lautet der Schlachtruf von Rechts: „Populismus!“ Das ist nicht ganz falsch, denn Gerechtigkeit ist populärer als Ungerechtigkeit. Und ebenso kann gerechte Verteilung, die das Leben vieler im Elend vegetierender Menschen besser macht, indem sie wenigen, die sowieso im Luxus schwelgen, einen Teil ihres Reichtums entzieht, Popularität erreichen. Vorausgesetzt ist dabei, linke Politik kann plausibel machen, dass diese Umverteilung gerecht ist.

Der Populismus-Vorwurf untergräbt diese Bemühungen jedoch, denn Populist ist nach allgemeinem Verständnis, wer mit Heuchelei, Lügen und Hetze populär wird. Der Rassist etwa, der eine Mehrheit gegen ethnische Minderheiten aufhetzt. Populist will deshalb niemand sein und niemand will einem Populisten hinterher laufen, denn es ist nicht populär einem Populisten auf den Leim zu gehen. Daraus folgt, dass der Populismus-Vorwurf selber populistisch ist –und damit Heuchelei.

In einer Demokratie Mehrheiten zu gewinnen, setzt Popularität voraus, sie anzustreben ist legitim. Durch Umverteilung populär zu sein, ist ebenso legitim, sofern es dabei gerecht und rechtmäßig zugeht. Doch mediale Vernebelungstaktik und rechter Populismus, zumal der neoliberale Populismus der Markt-Ideologie, der an Habgier, Neid und Hass appelliert, machen dies schwer. Gegen Kalte Krieger und antikommunistische Hassprediger auf allen Medienkanälen kann ein weniger einseitiges Bild von Sozialismus und sozialen Errungenschaften nur mühsam existieren. Die Menschen leiden unter der Umverteilung hin zu den Reichen, doch sie sollen nicht erkennen, warum. Sie sollen an den Markt glauben, an seine Segnungen von Effizienz, Wachstum und Wohlstand: „Die Klassenkonstellation, das Ausbeutungsverhältnis, erscheint ihnen nicht als gesellschaftliche Bedingung ihres Lebens, sondern (verdinglicht) als sachliche Abhängigkeit von den Wechsellagen des Marktes.“ (Helmut Dahmer, S.375)

Wenn die Linke diesen medialen Wall aus Lügen und Verzerrungen überwinden würde, könnte sie dies durchaus populär werden lassen. Popularität durch Heuchelei, Lügen und Hetze zu erlangen, ist dagegen illegitim. Wer die linke Forderung nach gerechter Umverteilung als „Linkspopulismus“ diffamiert, will sie demnach in eine Ecke mit rechten, wenn nicht rassistischen Hetzern stellen. Soweit der „Linkspopulismus“-Vorwurf dies intendiert, addiert er zur Heuchelei noch Lüge und Hetze.

Denn die Minderheit der Superreichen ist keine ethnische Minderheit, die um ihre Menschenrechte fürchten muss. Es ist eine privilegierte Minderheit, die nur um ihre meist völlig unverdienten Privilegien fürchten muss. Und zu diesen Privilegien gehört neben dem Schwelgen in Luxus auf Kosten der im Elend lebenden Armen auch eine unverhältnismäßig große politische Macht durch ihr Geld: Die Privatisierung der Macht (Krysmanski). Diese neoliberale Herrschaftsstrategie wird uns von Medien und Politik seit Jahrzehnten als Lauf der Dinge, Globalisierung und TINA (There Is No Alternative) verkauft. Demokratisierung statt Privatisierung (Lutz Brangsch) wird dagegen oft als Rückfall in den Sozialismus dämonisiert, der unterschwellig immer mit Stalinismus identifiziert und dieser mit dem Nationalsozialismus auf eine Stufe gestellt wird. Womit wir fast schon eine ähnliche Assoziationskette haben, wie Albrecht von Lucke sie von Lafontaines Bankenkritik über Elsässers Querfront zum Sieg der Nazis 1933 zog.

Wer viel Geld hat, kann sich Medien kaufen und Meinungen beeinflussen. Die Superreichen haben dafür ihre Medienkonzerne und Think Tanks. Die Milliardärin Mohn hat ihre Bertelsmann-Stiftung und der Milliardär Reemtsma hat sein Hamburger Institut für Sozialforschung. So gewinnt die Geldelite Macht über kulturelle Hegemonie in Wissenschaft und Öffentlichkeit. Wie viele von den Tausenden Journalistinnen, die jeden Monat von der neuesten „Studie der Bertelsmann-Stiftung“ berichten, erwähnt dabei, dass diese Stiftung der Think Tank eines Medienkonzerns ist, der einem mächtigen Milliardärs-Clan gehört?

Wie viele Journalisten hinterfragen die Studienansätze und –ergebnisse daraufhin, ob sie die politische Macht dieses Clans bzw. der Klasse der Superreichen fördert? Und was wird aus den wenigen Mutigen, die es wagen? Sie werden ökonomisch marginalisiert, diskriminiert und die wirklich kritischen von ihnen verschwinden sogar manchmal spurlos. Wo ist etwa der Historiker und Publizist Hersch Fischler geblieben, der die Machenschaften von Bertelsmann aufdeckte?

Wer viel Geld hat, hat viele „Freunde“, gerade in den Medien. Denn die manipulieren Meinungen und können sich in Demokratien schützend vor die Minderheit mit den vielen Privilegien stellen. Soziale Utopien wurden vom Mainstream nach 1990 als „ausgeträumt“ hingestellt, ein Hobbesianisches Menschenbild propagiert (Kuhlmann); Medien klagen über leere Staatskassen, fragen aber nicht nach dem „rätselhaftem Verbleib des anschwellenden Reichtums“ der Milliardäre (Dieter Klein). Erst Netzmedien völlig neuer Art wie WikiLeaks (Assange) oder The Intercept (Snowden/Greenwald) brachten Transparenz in Macht-, Militär- und Bankgeheimnisse der westlichen Herrschaftseliten, etwa WikiLeaks in der Finanzkrise durch Enthüllung von Bankster-Kriminalität in Island, welches dadurch als einziger Staat relativ glimpflich aus der großen Finanzkrise 2008/2009 kam (G. R. Rueger, S.36 ff.). Mainstream-Medien sorgen weiterhin dafür, dass die Mehrheit ungerechte Verteilung nicht erkennen kann, nicht davon weiß, sie für gerecht hält oder im Irrglauben gefangen bleibt, die Welt müsse nun mal Ungerecht sein. Die Geldeliten haben heute offenbar ihre Freunde und Verteidiger sogar bei den traditionell linken „Blättern“ gefunden. (Erschien zuerst auf Scharf Links

Quellen:

Altvater, Elmar, Globalisierung und Korruption, in: Altvater, E., Privatisierung und Korruption: Zur Kriminologie von Globalisierung, Neoliberalismus und Finanzkrise, Hamburg 2009, S.2-24

Assange, Julian und Suelette Dreyfus, Underground, Sydney 1997

Böckelmann, Frank und Hersch Fischler, Bertelsmann: Hinter der Fassade des Medienimperiums, Frankfurt/M. 2004

Brangsch, Lutz, Demokratisierung: Alternative zur Privatisierung, in: Altvater, E., Privatisierung und Korruption: Zur Kriminologie von Globalisierung, Neoliberalismus und Finanzkrise, Hamburg 2009, S.98-117

Bröckers, Mathias, JFK – Staatsstreich in Amerika, Frankfurt/M. 2013

Dahmer, Helmut, Libido und Gesellschaft, Münster 2013

Gill, Stephen, Power and Resistance in the New World Order, New York 2008

Klein, Dieter, Milliardäre –Kassenleere: Rätselhafter Verbleib des anschwellenden Reichtums, Berlin 2006

Krysmanski, H.-J., Die Privatisierung der Macht, in: Altvater, E., Privatisierung und Korruption: Zur Kriminologie von Globalisierung, Neoliberalismus und Finanzkrise, Hamburg 2009, S.25-55

Kuhlmann, Andreas, Saddam Hussein ist überall: Die neuen Szenarien der Gewalt und die Entstehung einer schwarzen Anthropologie, in: Lohmann, H.-M., Extremismus der Mitte, Frankfurt/M. 1994, S.219-226

Lucke, Albrecht von, EU in Auflösung? Die Rückkehr der Grenzen und die populistische Gefahr, in: Blätter für deutsche und internationale Politik Nr.10, 2015, S.45-54

Rueger, Gerd R., Julian Assange: Die Zerstörung von WikiLeaks, Hamburg 2011

 

Portugal wählt links -Bilderberger-Gazette SZ bejubelt rechts

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Die Rechtskoalition Coelhos ist abgewählt, doch Atlantiker-Blatt SZ (Sueddeutsche) trommelte bis zuletzt für den Austeritäts-Politiker. Presselügen? Gut zwei Wochen nach der Parlamentswahl in Portugal haben die Sozialisten (PS) jetzt ihre Absicht bekräftigt, eine Linksregierung zu bilden und die Mitte-Rechts-Regierung von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho von der Macht zu vertreiben. Nachdem die Presselügen sich nicht mehr aufrecht erhalten lassen, verschwand das Thema aus den Mainstream-Medien.

Thomas Urban von der SZ kommentierte die Wahl am 5.Oktober unter dem Aufmacher „Ministerpräsident Passos Coelho feiert seine Wiederwahl“ noch so:

Die Mitte-rechts-Koalition in Lissabon ist aus den Parlamentswahlen am Sonntag als Siegerin hervorgegangen. Sie erreichte demnach knapp 39 Prozent der Stimmen und überflügelte somit die Sozialistische Partei (PS), die auf etwa 32 Prozent kam und zur zweitstärksten Kraft wurde. Das Regierungslager feierte am Sonntagabend bereits den Sieg. SZ (Sueddeutsche Zeitung 5.10.2015)

Doch das dürfte Wunschdenken der Westoligarchen, Bilderberger, Goldman Sachs usw. bleiben. Denn die Wahrheit ist: Die bisherige rechts-neoliberale Regierungskoalition stürzt von der absoluten Mehrheit auf 36,8% ab, vor allem wurde die radikale Linke stärker. Die Parlamentswahl in Portugal 2015 fand am 4. Oktober 2015 statt. Gewählt wurden die Abgeordneten der Assembleia da República für die Legislaturperiode 2015/19. Dabei verlor die amtierende Regierung unter Ministerpräsident Pedro Passos Coelho die absolute Mehrheit im Parlament. Das Wahlbündnis von PSD und CDS, Portugal à Frente, blieb aber die relativ stärkste Kraft. Die Wahlbeteiligung lag bei nur knapp 57 Prozent.

Die deutsche SZ lag mit ihrer Propaganda genau auf Kurs der Rechten Ex-Regierung. Die rechtskonservative Koalition „Portugal à Frente“ (PàF) stellte sich als Wahlsieger dar. In der Koalition haben sich vor den Wahlen die „Sozialdemokratische Partei“ (PSD) – real Christdemokraten – und das „Demokratische und Soziale Zentrum – Volkspartei“ (CDS-PP) zusammengeschlossen, die ohnehin schon eine Koalition ist. So wurde eine Koalition geschmiedet, um nach den Wahlen behaupten zu können, Wahlsieger zu sein, um einen Anspruch auf die Regierungsbildung zu verkünden. Das tat der bisherige Ministerpräsident Pedro Passos Coelho wie erwartet am späten Sonntag. Er hielt deshalb die Finger mit dem Siegeszeichen in die Kameras. „Es wäre merkwürdig, wenn nicht der regieren könnte, der die Wahlen gewonnen hat“, sagte er.

PS-Chef Antonio Costa bekundete nach einem Gespräch mit Staatspräsident Anibal Cavaco Silva, seine Partei habe die Bedingungen geschaffen, um eine Regierung mit einer ausreichenden Mehrheit zu bilden. Die PS hatte Verhandlungen mit dem marxistischen Linksblock BE und der kommunistischen Allianz CDU geführt. Die Ankündigung von Costa überraschte die Portugiesen, denn eine Einigung auf ein Regierungsbündnis hatte aufgrund der großen Differenzen zwischen den Linksparteien als wenig wahrscheinlich gegolten.

Es zeichnet sich also nach den verheerenden Wahlverlusten der rechtskonservativen Koalition von Pedro Passos Coelho und Paulo Portas ab, dass auch in Portugal die neoliberale Austeritätspolitik abgewählt ist. Aber weil die Linksparteien zerstritten sind, die bei diesen Wahlen deutlich zugelegt haben, war vermutet worden, dass die Sozialisten (PS) von António Costa entweder eine große Koalition anstreben oder die Konservativen stützen, bis die Lage für vorgezogene Neuwahlen für die PS günstig wäre. Denn Costa hat eine „Negativmehrheit“ eines Linksbündnisses zunächst ausgeschlossen.

Die Gespräche mit den Konservativen traten auf der Stelle, doch über die Widersprüche hinweg boten der große Wahlsieger Linksblock (BE) und die grün-kommunistischen Koalition (CDU) der PS eine Regierung an. Die Grundlage dafür war deren Schwenk weg vom Austeritätskurs. Und nun hat Costa am späten Dienstag Staatspräsident Anibal Cavaco Silva angekündigt, eine Linksregierung bilden zu wollen. Er habe eine Mehrheit, um eine stabile Regierung bilden zu können. Costa setzt auf eine „alternative Lösung“, welche den „ausgedrückten Willen der Portugiesen“ respektiert.

Nun hat es leider der konservative Staatspräsidenten in der Hand, ob das Land monatelang in Instabilität verharrt. Das wäre der Fall, wenn er heute seinen Parteikollegen Coelho mit der Regierungsbildung banner-aderebeauftragt. Denn der hat keinerlei Chance, eine Parlamentsmehrheit zu schmieden. Sein Programm würde von der linken Mehrheit abgelehnt, weshalb es zu Neuwahlen käme. Da die nicht vor Mai 2016 stattfinden könnten, droht dem Krisenland eine instabile Phase, wenn der Staatschef die Parteiinteressen über die Interessen des Landes stellt. Costa appellierte an Cavaco, keine Versuche zu starten, die „keine Möglichkeit auf eine Parlamentsmehrheit haben“. Auch die Linksblock-Chefin Catarina Martins sprach von einem „Zeitverlust“ und kündigte an, dass ein stabiles Abkommen in wenigen Tagen vereinbart werde. Die Widersprüche seien ausgeräumt, um dafür zu sorgen, dass die Rechtsregierung Geschichte sei.

Das Gerangel um die Regierung findet vor dem Hintergrund statt, dass an den Bilanzen und der realen finanziellen Lage des Landes gezweifelt wird. Es gibt Hinweise, dass die konservative Regierung die Bilanzen aufgehübscht hat und die Lage deutlich schlechter als ohnehin erwartet ist. Zwar wurde dies von der Regierung dementiert, doch der Verdacht wird dadurch bestärkt, dass nun auch die EU-Kommission einen Rüffel ausgesprochen hat. Die Konservativen haben nicht, wie vereinbart, bis zum 15. Oktober einen Budgetentwurf für 2016 nach Brüssel geschickt. Coelho hatte sich geweigert und damit argumentiert, dass sei die Aufgabe der neuen Regierung. Das Letzte, was das Land in dieser Lage nun gebrauchen kann, ist eine instabile Lage. Die würde es wieder ins Fadenkreuz von Spekulanten bringen und die Risikoaufschläge würden wieder steigen. Die enormen Schuldenstände würden dann schnell unbezahlbar. Man darf gespannt sein, wie der Staatspräsident agiert, ob er die rücksichtslose Zerstörung ganzer Länder ebenso mitmacht wie andere Machteliten aus Kreisen der Westoligarchie, Bilderberger, Transatlantiker usw.