Weltsozialforum 2018 in Bahia Brasilien

WSF 2018 Brasilien, Bahia! Mídia-Ninja-CC-BY-NC

Manfred Gleuber

Nach Davos, dem Tanz der Teufel von Profit und Ausbeutung, und dem Hexensabbat auf dem Bilderberg, wo korrupte Politik und konspirative Milliardäre ihre Ränke schmieden, treffen sich jetzt die anderen Akteure in Bahia, die Globalisierungskritiker und Sozialisten. Das Weltsozialforum (WSF) 2018 wird wieder das große Treffen von Akteuren des Widerstands gegen die Unterordnung der Gesellschaften unter die Interessen des Profits: Vom 13. bis 17. März findet in Salvador de Bahia im Nordosten Brasiliens das bereits vierzehnte WSF statt. »Eine andere Welt ist möglich«, lautet die Kampfansage und Botschaft der Hoffnung, die es verbreiten möchte, und das Motto der diesjährigen Veranstaltung: „Widerstehen heißt gestalten, widerstehen heißt verändern.“

Erwartet werden Zehntausende Teilnehmer aus aller Welt, wobei einheimische und Aktivisten aus anderen Teilen Lateinamerikas im Namen der Solidarität das Gros stellen werden. Die Linksregierungen des Subkontinents stehen unter gnadenlosem Beschuss von Norden, wo die Supermacht USA ihren ehemaligen „Hinterhof“ (Kissinger) wieder in ihre totale Gewalt bringen will. Dass auch Nordamerika  nur ein Subkontinent ist vergessen Westmedien notorisch, wenn sie von „Amerika“ reden, genauso vergessen sie die Berichterstattung über die zahllosen US-Geheimkriege gegen z.B. Venezuela: Wirtschaftskrieg, Sabotage-Truppen, Terroristen, Putschisten, unablässige Einmischungen in Medien, Wahlen, Handel und Transport -alles um wieder einen Sozialismus heimlich zu zerstören als „Beweis“ für die Überlegenheit ihres Kapitalismus. Das WSF ruft zum Widerstand auf, der kreativ dagegen hält. Lasst die Superreichen und ihre Schergen in Geheimdiensten, medien, Militär, Konzernen nicht siegen gegen die Menschlichkeit!

International werden es vor allem Repräsentanten größerer Nichtregierungsorganisationen und besonders im WSF-Kontext Engagierte dorthin schaffen. Das alle ein bis zwei Jahre abgehaltene Forum, 2001 im südbrasilianischen Porto Alegre gegründet, kehrt einmal wieder in sein Ursprungsland zurück. Zuletzt hatte es 2016 im kanadischen Montreal und damit erstmals in einem nördlichen Industrieland gastiert. 2015 war das WSF in Tunesien, wo man gegn den islamistischen, von der CIA angeheizten Terrorismus für eine demokratische islamische Welt kämpfte.

Widerstehen ist gestalten, widerstehen ist verändern

Nicht ein starres Programm, sondern von den teilnehmenden Aktivisten selbstorganisierte Veranstaltungen bilden das auch wenige Tage vor Beginn noch im Entstehen befindliche Gerüst des Weltsozialforums. Neben denen am zentralen Veranstaltungsort, der staatlichen Universidade Federal da Bahia (Ufba) und ihrem Campus, sind zahlreiche weitere an verschiedenen Orten in der Stadt Salvador geplant. Allein die Universität selbst ist mit 202 Initiativen beteiligt, darunter Konferenzen, Ausstellungen (s.u.), künstlerische und wissenschaftliche Beiträge.

Orientierung und freie Medienkultur

Thematische Achsen sollen den Aktivisten Orientierung bei der Vorbereitung ihrer Veranstaltungen geben. Befassen will sich das Forum mit einer großen Breite an Themen. Sinngemäß handelt es sich um Demokratie und deren Radikalisierung, um wirtschaftliche Alternativen, um Umweltgerechtigkeit – insbesondere mit Blick auf die indigenen Völker, um den Kampf gegen Rassismus und Intoleranz, um Feminismus und Genderfragen, um die Vielfalt sexueller Orientierungen, um den Kampf für Wasser und Land als Gemeingüter, um Stadtentwicklung und Wohnen, um Migration, um Arbeitsrechte und deren Verteidigung, um Bildung, Kultur, Gesundheit und Soziales, um Antiimperialismus und Frieden – und auch die Zukunft des Weltsozialforums selbst wird verhandelt. Kurz gesagt: Es geht um alles! Nicht zu vergessen Kommunikationskultur und alternative Medien.

Unser Amerika und seine Präsidenten: Evo Morales (Bolivien), Lula da Silva (Brasilien), Rafael Correa (Ecuador), Hugo Chávez (Venezuela) und Fernando Lugo (Paraguay) verfolgten auf dem 9. Weltsozialforum eine Rede der Gouverneurin von Pará, Ana Julia Carepa (WSF Belém, 29.1.2009)

Eine multimediale Ausstellung wird Ergebnisse der elektronischen coronelism Forschung präsentieren: asymmetrische Dynamik von Macht und Verhandlung. Die Idee ist, einen offenen und überdachten Raum zu haben (eine Gebäude Halle, wie die Außenseite des Eingangs und die Halle des Make/UFBA). Die Ausstellung besteht aus Wandmalerei Stationen, deren Titel (provisorisch) beziehen sich auf populäre Lieder:

1) Fotos zur Ermächtigung freier Stimmen: Briefe und offizielle Dokumente der Anträge auf Erteilung von Lizenzen für Radio und Fernsehen von 1931 bis in die 1990er-Jahre. Aufzeichnungen über crony, patrimoniism und politischen Kampf in den Medien;

2) Ich bin es, der seinen Durst nach Gerechtigkeit löscht und seinem Kummer eine Stimme des Trostes gibt: Radio-und Fernsehmoderatoren als Vermittler von sozialen und politischen Kämpfen. Hier, je nach Raum, zeigen wir Audios, Videos und Bilder im Zusammenhang mit der Rolle der Kommunikatoren und der politischen Nutzung von medialen Lizenzen;

3) die Kunst des Lebens und des Glaubens: Tempel und Vorlagen: Ein Blick auf religiöse Dominanz in der Programmgestaltung, in TV- und Radio-Kanälen selbst und in der säkularen Welt, und die Vermengung von Kirche und Medien;

4) Es ist verboten, zu träumen? Dann lassen Sie mir das Recht auf Samba: Musik, Stars und Politik;

5) Hallo tricky, die eklatanten: Polizei-Programme, Polizei Moderatoren, Polizei-Abgeordneten;

6) Wir haben bereits den Namen des Heilers der Verhältnisse -wer das Land bewirtschaftet, der wird senden: die Bewohner des Landes sollten die Eigentümer der Medien sein.

A exposição pretende apresentar resultados parciais da pesquisa Coronelismo Eletrônico: dinâmicas assimétricas de poder e negociação. A ideia é ter um espaço aberto e coberto (um saguão de prédio, como por exemplo a parte externa de entrada e o saguão da Facom/UFBA, que pudesse pegar partes de paredes). A exposição consta de estações-murais cujos títulos (provisórios) fazem referência a canções populares: 1) ex-votos das concessões: cartas e documentos oficiais de pedidos de concessão de rádio e televisão desde de 1931 até os anos 90. Registros de compadrio, patrimonialismo e uso político; 2) Sou eu que mato a sua sede e dou alívio à sua mágoa: apresentadores de rádio e tv como entidades mediadoras dos dilemas sociais e políticos. Aqui, a depender do espaço, teremos áudios, vídeos e imagens relativas ao papel dos comunicadores-políticos e o uso político das concessões; 3) A arte de viver da fé: templos e templates: painel sobre o domínio religioso na programação, tanto nos canais de tv e rádio próprios quanto nos seculares, e a intersecção entre templos e canais de tv e rádio; 4) É proibido sonhar, então me deixe o direito de sambar: música, celebridades e política; 5) Alô malandragem, maloca o flagrante: programas policiais, policiais apresentadores, policiais deputados; 6) Já tem nome de doutor, e agora na fazenda é quem vai mandar: os donos da terra, donos da mídia.

Das WSF: eine stolze Tradition

Claire Diaz WSF 2018

Gemäß seiner Charta geht es dem Weltsozialforum um einen Prozess von internationaler Dimension. Unabhängig vom Ort, an dem sie abgehalten werden, sollen die Versammlungen und Konferenzen mit seiner Marke, häufig widmen diese sich Spezialthemen, als ein Teil dieses Prozesses gesehen werden. Dieser soll sich bis hinunter auf die lokale Ebene fortpflanzen. Die Kämpfe bleiben dezentral, ein Machtzentrum möchte man ausdrücklich nicht sein. Die Teilnehmer sind ausdrücklich »nicht ersucht, Beschlüsse als Institution zu treffen«. Dennoch ist das WSF als Treffpunkt ein wichtiger Ort, an dem internationale Zusammenarbeit und Solidarität eingeleitet wird. Mit seinen Ideen, seiner Vielfalt, durch die Größe der Zusammenkunft ist es auf jeden Fall ein bedeutendes Kraftzentrum für den Kampf gegen den Neoliberalismus.

In den ersten Jahren seines Bestehens erregte das Weltsozialforum großes Aufsehen. Das internationale Medienecho war enorm. David trat gegen Goliath an, die »Weltzivilgesellschaft« nahm es mit den Globalisierern auf. Parteien, Stiftungen und Parlamentarier aus aller Welt mussten in Porto Alegre ihre Visitenkarte abgeben, auch die Sozialistische Internationale breitete die Arme weit aus. Aus den Ländern des Nordens strömten linke Aktivisten zum brasilianischen Jungbrunnen. Das Forum profitierte für seine Ausstrahlung zu dieser Zeit von seinem ersten Veranstaltungsort Porto Alegre und sich günstig entwickelnden innenpolitischen Rahmenbedingungen. Die Hauptstadt des Bundesstaates Rio Grande do Sul befand sich damals noch – von 1988 bis 2004 stellte sie durchgehend die Bürgermeister – in der Hand der organisatorisch und propagandistisch fähigen Arbeiterpartei PT, machte Furore mit dem partizipativen Konzept eines Bürgerhaushalts. Mit der Wahl des PT-Politikers Luiz Inácio Lula da Silva im Herbst 2002 zum Präsidenten Brasiliens brach eine neue, bis zum parlamentarischen Putsch 2016 gegen seine Nachfolgerin Dilma Rousseff währende Ära an.

Meilenstein setzen

Für Vereinnahmungsversuche von außen erwies sich das WSF als zuwenig fassbar, doch spannungsfrei kann ein solch heterogenes Projekt nicht sein. Die konzeptionellen Herausforderungen an den internationalen Rat und die jeweiligen Organisatoren vor Ort sind enorm. Aktivisten beklagen Erstarrung und Bürokratisierung. Auch macht die Klassengesellschaft darum keinen Bogen. Er spannt sich von den VIP-Bereichen zu den Zeltplätzen der campierenden Aktivisten, letztere zweifellos spannende und kreative Orte. Die Nord-Süd-Trennung läuft nicht nur durch die Hotelklassen. Trotz aller Solidarität: Kleinere und weniger finanzstarke Organisationen waren über die Jahre vom Turnus und den zu überwindenden Distanzen überfordert. Mit Ortswechseln und dezentralen Aktionen nahm die öffentliche Wahrnehmung des Ereignisses ab. In den hiesigen Medien fand es in letzten Jahren auch außerhalb der etablierten kaum noch Beachtung.

Das Treffen in der afrobrasilianischen Metropole soll einen neuen Aufschwung der Bewegung einleiten. Wie das gehen soll, wird in Hunderten Seminaren und Foren diskutiert werden. Auch für die verstärkter Repression ausgesetzten Bewegungen im Land selbst – etwa die der Frauen, der Indigenen, der Landlosen, der Favelabewohner, der LGBT-Menschen – werden die fünf Tage ein wichtiger Moment, um sich zu koordinieren und ihre Stärke zu zeigen. Den Bundesstaat Bahia regiert mit Rui Costa ein PT-Politiker, hier im Nordosten liegen viele Hochburgen der Linken. Das ist sicher nicht von Nachteil für die Veranstalter. Der Widerstand der brasilianischen Linken gegen die illegitime Temer-Regierung und gegen einen Ausschluss Lulas von den Präsidentschaftswahlen im Herbst auf der Basis eines Skandalurteils wird in Salvador natürlich sichtbar werden. Das Weltsozialforum von Bahia fällt in die richtige Zeit, um deutliche Signale zu setzen: gegen die kriegerische Durchsetzung imperialer Interessen, gegen die Ungerechtigkeiten des globalen Kapitalismus. Vor allem auch dafür, dem rechten und rechtsextremen Vormarsch gerade in Lateinamerika, dessen neoliberale Anschläge auf die Bevölkerungsmehrheiten als Reformen verkleidet werden, eine Barrikade in den Weg zu stellen.

Das WSF ist ein Kind des Aufbruchs in eine progressive Ära, den Lateinamerika vor zwei Jahrzehnten erlebte. Die Ideen der Zapatisten aus Mexiko standen dabei mit Pate. Es ist ein Gegenentwurf zu den Meetings der globalen Wirtschaftselite wie dem Weltwirtschaftsforum von Davos und den Gipfeln ausgewählter Staatenlenker. Unterschiedlichste soziale Bewegungen und NGO aus einem politisch relativ breiten Spektrum kommen als Anwälte der Interessen der Regierten zusammen. Einigendes Band ist der Kampf gegen den Neoliberalismus, der in internationaler Solidarität geführt werden soll. Auch Reformer und Revolutionäre begegnen sich hier auf Augenhöhe, weltliche und spirituelle Überzeugungen stehen sich nicht im Weg, Zwischentöne sind möglich. Dass das Projekt in seiner Konsequenz notwendigerweise den Kapitalismus als die vorherrschende Wirtschaftsweise in Frage stellt, wurde bei den vorangegangenen Treffen immer deutlicher zu seinem Tenor. »Transatlantiker« würden sich wenig heimisch fühlen: Die Linkskräfte des globalen Südens finden bei aller Verschiedenheit in einem antiimperialistischen Ansatz eine weitere Klammer. Forum meint Forum: Es ist ein »offener Treffpunkt« für die Debatte, für den Erfahrungsaustausch, für die Diskussion von Alternativen, die Mensch und Umwelt eine Zukunft sichern.

Na sociedade atual, um grande conflito entre esquecimento e Memória. A reprovação moral dos crimes passados, feita de forma difundida e oficial, influencia na formação da identidade de uma sociedade e na seleção de suas memórias. Nesse sentido, é de fundamental importância o debate e estudo sobre direito à Memória e à Verdade. A democracia é uma luta, uma conquista diária e não podemos viver num Estado Democrático de Direito sem a identificação e a justa responsabilização dos responsáveis, mandantes e executores na época da Ditadura Civil Militar. A Verdade precisa vir à tona. “Hoje não estás comigo e, no entanto, vives em mim, na boca de meus irmãos no povo regressando à praça no gesto dos que prosseguem…”

In der heutigen Gesellschaft, ein großer Konflikt zwischen Vergessenheit und Erinnerung. Der moralische Vorwurf vergangener Verbrechen, der in einer weit verbreiteten und offiziellen Weise gemacht wurde, beeinflusst die Bildung der Identität einer Gesellschaft und die Auswahl ihrer Erinnerungen. In diesem Sinne ist die Debatte und die Studie über das Recht auf Erinnerung und die Wahrheit von grundlegender Bedeutung. Demokratie ist ein Kampf, eine tägliche Eroberung, und wir können nicht in einem demokratischen Rechtsstaat Leben, ohne die Identifikation und faire Rechenschaftspflicht der Verantwortlichen, Kommandeure und Testamentsvollstrecker zum Zeitpunkt der militärischen Zivil Diktatur. Die Wahrheit muss herauskommen.

„heute seid ihr nicht mit mir und doch lebt ihr in mir, im Mund meiner Brüder in den Menschen, die auf den Platz zurückkehren, in der Geste derer, die fortfahren…“

CETA: Wallonen als letzte Resistance

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Nachdem das deutsche Verfassungsgericht CETA grünes Licht gab, Gabriels SPD und sogar die SPÖ in Wien den Lockrufen des großen Geldes erlegen sind, ruht die Hoffnung auf sturen Walloner Bauern. Das belgische Regionalparlament von Wallonien hat am Freitag den EU-Freihandelsvertrag CETA mit Kanada abgelehnt und damit eine neue Hürde für den Pakt aufgebaut. Die Mehrheit der Abgeordneten forderte die Regionalregierung auf, die Unterzeichnung des Abkommens durch die belgische Regierung nicht mitzutragen. CETA öffnet Hintertüren zu TTIP, die US-Konzerne missbrauchen könnten, um EU-Staaten zu verklagen und die Menschenrechte der Bevölkerung zu missachten. Gut die Hälfte der 500 reichsten Konzerne der Welt kommen aus den USA -diese Konzerne eignen sich jedes Jahr etwa die Hälfte des Welt-BIP an.

Somit könnte jetzt der belgischen Außenminister Didier Reynders CETA ablehnen – wenn er sich nicht gegen eine Entscheidung des wallonischen Regionalparlaments entscheidet, das ihm gestern die Autorisierung zur Zustimmung verweigerte. Während der Abstimmung demonstrierten wallonische Bauern vor dem Parlament, die wegen CETA um ihre Existenz fürchten.

Aber die Auswirkungen des Votums sind unklar. Dank es föderalen Systems von Belgien könnte der Zentralregierung dadurch das Mandat fehlen, CETA am 18. Oktober im Kreis der EU-Minister zu billigen und am 27. Oktober zu unterzeichnen. Käme es so weit, könnte dies den Handelspakt mit Kanada stoppen. Die EU-Kommission wollte jedoch unmittelbar nach der Abstimmung nicht über ein Scheitern spekulieren. Es liefen Diskussionen vor dem Rat der EU-Handelsminister am kommenden Dienstag, sagte ein Sprecher.

Geheimabkommen ans Licht gezerrt

Zwischen Kanada und der EU wurde über volle vier Jahre ohne die Öffentlichkeit zu informieren ein sogenanntes „Wirtschafts- und Handelsabkommen“ verhandelt. CETA steht für Comprehensive Economic and Trade Agreement. Im Oktober 2013 verkündeten der EU-Kommissionspräsident Barosso und der kanadische Premier Harper den CETA-Pakt, aber dennoch wurden die Papiere nicht veröffentlicht. Durch diese dubiosen Geheimverhandlungen zum EU-US-Handelspakt TTIP rückte auch CETA vermehrt ins Augenmerk der kritischen Öffentlichkeit.

Der Inhalt dieses wie vieler ähnlicher Abkommen war geheim -bis die Whistleblower von WikiLeaks kamen. Nun ist ein PDF des für Nichtjuristen leider schwer verständlichen Textes im Netz, erstaunlicherweise auch von der ARD zugänglich gemacht: CETA-Volltext (521 Seiten).

Unsere Medien vernebeln meist mehr als über diese angeblichen „Handelsabkommen“ zu informieren. Besonders der Bertelsmann-Medienkonzern bemühte sich, die drohende Knechtung von Mensch und Umwelt durch Profitinteressen anzupreisen. Letztlich wohl mit Erfolg -die SPD fühlt sich sicher genug vor dem Zorn ihrer Wähler, um doch noch einzuknicken, nachdem Gabriel in einem Schlingerkurs TTIP ablehnte (nachdem dessen Realisierung schon unwahrscheinlich geworden war) und auf CETA umschwenkte.

Das CETA soll wie auch alle anderen neueren „Handelspakte“ ein sogenanntes Investor-Staat-Streitschlichtungsmechanismus (Investor-state-dispute-settlement (ISDS)) beinhalten. Damit kann ein Konzern, wenn der Wert seiner Investition durch staatliches Handeln (z.B. Gesetze für Umwelt-, Arbeits- oder Kinderschutz) angeblich vermindert wird, den Staat vor einer Schiedsstelle auf Schadensersatz verklagen. Attac meint dazu: „Obwohl in einem Anhang geklärt werden soll, dass eine nicht diskriminierende, gutgläubige Gesetzesänderung der Regierung, die die Gewinnerwartung von Konzernen reduziert, in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit und Umwelt keine indirekte Enteignung von Investoren darstellt und die Regeln nur für zukünftige Investitionen gelten, untergräbt die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit den demokratischen Souverän und die bestehenden Rechtssysteme der Vertragsstaaten.“

Hintergrund: Wallonien

Die Wallonische Region (auch Wallonie, zuweilen Wallonien genannt, französisch Région wallonne, niederländisch Waals Gewest) ist eine der drei Regionen des Königreichs Belgien und somit ein Gliedstaat des belgischen Bundesstaates. Die Bevölkerung ist überwiegend muttersprachlich Französisch, im äußersten Osten Deutsch. Die Hauptstadt ist Namur, größte Stadt ist Charleroi, das eigentliche kulturelle und wirtschaftliche Zentrum ist Lüttich (Liège). Weitere wichtige Städte sind Mons, Tournai, Arlon, Bastogne, Wavre, Verviers, Dinant und die ehemals preußischen Städte Eupen und Malmedy im heutigen Ostbelgien. Geographisch umfasst die Wallonie die südliche Hälfte Belgiens.

Le nom Wallon est issu du moyen néerlandais Wale (aujourd’hui Waal), continuateur de walh utilisé par les Germains pour désigner les populations celtophones ou romanes, suivi du suffixe -on. Sa plus ancienne trace écrite, d’après les travaux d’Albert Henry, philologue romaniste belge, date de la seconde moitié du XVe siècle dans les Mémoires de Jean, sire de Haynin et de Louvignies5,6,7 où il désigne les populations romanes des Pays-Bas bourguignons. La portée sémantique se réduira encore un peu plus lors de la République et de l’Empire français, le Royaume-Uni des Pays-Bas et l’indépendance belge pour ne plus désigner que les Belges de langue romane. Les recherches en dialectologie durant le XIXe siècle vont peu à peu faire la distinction entre les différents dialectes belgo-romans, et restreignent alors dans le domaine linguistique le mot wallon à la langue wallonne stricto sensu.

ARD-Tagesschau: Desinformation zu Ceta

Daniela Lobmueh attacceta_spd

Gestern hat Gabriel die SPD doch noch hinter seine perfiden Ceta-TTIP-Pläne gebracht. Wie? Die gestrige ARD-Tagesschau-Meldung dazu erklärt es: Sie wiegelte die Schiedsgerichte ab, als wäre da jetzt alles zufriedenstellend geändert worden. Schlimmer noch -die ARD verschwieg dreist, dass US-Konzerne über kanadische Töchter jetzt über Ceta EU-Länder verklagen können. Es folgt das Übliche: Netzproteste, Rundfunkrat-Petitonen, Presserat-Rügen… Aber die ARD-hörige Masse der SPDler trottet dumpf ihren Weg, von ARD-Journalisten sanft geleitet.

Gabriels Märchen vom harten Kampf gegen die Schiedsgerichte (sollte besser Konzerndiktatur heißen), der bei TTIP stecken blieb, aber bei Ceta erfolgreich war, hat Lobbycontrol in der Studie Verkaufte Demokratie widerlegt. Aber ARD-Bosse dulden offenbar nur die wöchentliche, notorisch ideologische „Studie der Bertelsmann-Stiftung“ in ihren Sendern. In den Staatsverträgen der ARD (& ZDF usw.) steht, dass die uns nicht belügen bzw. mit einseitig ausgewählten Tendenzberichten manipulieren dürfen. Aber was nützt das, wenn kein Polizist, kein Staatsanwalt und kein Richter diese Journaille zur Verantwortung zieht. Weil sie von denen kontrolliert werden, denen ihre Lügen nützen: Den herrschenden Parteien. Massendemonstrationen sind denen egal.

Stop Corporatocracy
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Proteste gegen TTP (TTIP-Pazifik/Asien) in USA

Pünktlich zum gestrigen SPD-Parteikonvent veröffentliche Lobbycontrol gemeinsam mit anderen Organisationen aus Kanada und der EU die neue Studie „Verkaufte Demokratie.“ Die Studie befasst sich mit den umstrittenen Schiedsgerichten im CETA-Abkommen mit Kanada und zeigt: Auch mit der laut Gabriels von den Medien (ARD, ZDF, RTL-Bertelsmann) tausendfach propagierter Behauptung angeblich refomierten Schiedsgerichtsbarkeit in CETA verändert sich nichts grundlegend. Es entstehen in dem sogenannten, Investment Court System (ICS) einseitige Klagerechte für ausländische Unternehmen gegen Staaten bzw. Völker: In den USA läuft auch Protest dagegen. Wenigstens konnten wir dank Wikileaks und Whistleblowern den Geheim-Schweinkram von Merkel & Co aufdecken, irgendwann sind wieder Wahlen und wenn wir verhindern können, dass die Menschen bis dahin alles vergessen haben…

Von unabhängigen Gerichten kann auch nicht die Rede sein, wie Lobbycontrol enthüllte. Uns droht mit CETA und der damit verbundenen Ausweitung des Investitionsschutzes vielmehr ein Klageboom gegen Gesetzgebung im öffentlichen Interesse. Konzerne werden ihre Regulierung wegklagen können oder Milliarden von uns kassieren -für nichts als perverse, gemeinschädliche Investitionspläne. Ist das besser als wenn die Firmen erst Mensch und Umwelt vergiften, daran Milliarden verdienen und dann erst per Gesetz gestoppt werden? Nein. Denn das werden sie zusätzlich tun -und keiner kann sie mehr stoppen.

Dass sich mit der angeblichen Reform nichts grundlegendes ändert, zeigt laut Lobbycontrol auch die Reaktion der in Schiedsverfahren involvierten Anwaltskanzleien selbst. Nigel Blackaby, Co-Chef für internationale Schiedsgerichtsbarkeit bei der Anwaltskanzlei Freshfields in Washington, geht davon aus, dass die EU-Vorschläge zu refomierten Schiedsgerichten in CETA nichts Grundlegendes an der Schiedsgerichtsbarkeit verändern, „denn die Standards, nach denen geurteilt wird, bleiben die gleichen.“

US-Firmen können auch über CETA klagen

Was Gabriel weiß, aber nicht sagt: Klagen wie die des Tabakmultis Philip Morris gegen Anti-Tabak-mickeyttpGesetze in Uruguay wären weiterhin möglich. Und auch, dass zukünftige Schiedsgerichte sie zugunsten der Investoren entscheiden. Es gehe beim jüngsten Vorschlag der Kommission daher lediglich darum, ISDS politisch zu retten, so Blackaby in der Österreichischen Tageszeitung Der Standard.

CETA-Protest bei ARD: Tausende, Zehntausende oder Hundertausende?

Theodor Marloth neoliberalismus_globalisierung

Das alte Spiel um die Abwiegelei von Bürgerprotesten. ARD meldet „Zehntausende“, trotz minimal 160.000. Veranstalter zählen über 300.000 gegen CETA. Es geht darum, die Regierung gut dastehen zu lassen, trotz Gabriels bzw. Merkels hinterlistigem CETA-TTIP-Trickserei, um die Konzerndiktatur durch die Hintertür einzuschleusen. In Berlin sackten SPD und CDU auf knapp über 20 Prozent. Immer noch zuviel, um Berufstäuscher zur Vernunft zu bringen.

Die Veranstalter kannten andere Zahlen, 320.000 Menschen haben demnach demonstriert: In Berlin 70.000 Teilnehmer, in Hamburg 65.000, in Köln 55.000, in Frankfurt 50.000, in Stuttgart 40.000, in München 25.000 und in Leipzig 15.000 Teilnehmer. Insgesamt waren bis zu 250.000 Teilnehmer in sieben deutschen Städten erwartet worden. Dies sei ein „klares Signal“ an die Politik, so die Veranstalter. Während Attac mit jahrzehnten zäher Arbeit die Basis für die Globalisierungskritik legte, werden Trittbrettfahrer wie Campact von einigen dubiosen angeblich linken Presseorganen in den Mittelpunkt gerückt, z.B. in „Neues Deutschland„. Auch Bertelsmann versuchte schon durch Verwirrung und Abwiegelei, den TTIP-Protest zu zerstreuen:

TPP_TTIPDer SPIEGEL hat versucht, die Anti-TTIP-Demo in Hannover kleinzuschreiben. Damit setzt er seine Pro-TTIP-Propaganda fort, die auch von der Bertelsmann-Stiftung (Haupteigentümerin des SPIEGEL) betrieben wird. Europas größter Medienkonzern mit Sitz in Gütersloh und Berlin vertritt stur seine „Atlantischen Interessen“ unter Missachtung journalistischer Sorgfaltspflicht und der angeblichen Gemeinnützigkeit der Unternehmens-Stiftung (die unter Kontrolle des Mohn-Clans der Bertelsmannerben steht). Ein regierungsoffizielles, aber geheim gehaltenes Gutachten aus London, just von globaljustice enthüllt, beweist noch einmal: TTIP nützt nur US-Konzernen und schadet uns allen.

Gabriels CETA-TTIP-Trick: SPD auf Kurs lügen

Daniela Lobmueh attacceta_spd

TTIP  ist vorerst gestrandet. Dank unserer Proteste und Aufklärungsarbeit. Danach hat Gabriel es für tot erklärt (davor hat er mit Merkel und Bertelsmann dafür geworben). Sein schlauer Trick: Mit CETA lässt sich TTIP durch die Hintertür drücken, denn US-Konzerne können über kanadische Töchter gegen Europas Völker klagen. TTIP selbst kann ein paar Jahre warten bis zum nächsten Versuch. Dann haben die Menschen es vergessen oder sind mit anderem beschäftigt, explodierende AKW in Belgien oder ein kleiner Krieg gegen Russland vielleicht. Können die CETA-Proteste Gabriel stoppen? Oder eine SPD-interne Klicktivismus-Initiative?

Monatelang sagte die SPD-Basis nichts zu den vielen Gabriel-Jubeleleien zu CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement). Nicht nur Wirtschaftsverbände und fast alle Wirtschaftsressortleiter in den Medien waren voll des Lobes über das CETA mit Kanada,  sondern ebenso der SPD-vorsitzende Sigmar Gabriel. Aber am Ende fand durch anhaltenden Widerstand von Attac und Netzaktivisten die Erkenntnis in die alte Tante SPD, dass der Vertragstext mit sozialdemokratischen Grundwerten nicht zu vereinbaren ist. Mit zwei Online-Petitionen wollen SPD-Klicktivisten nun erreichen, dass der morgige Parteikonvent am 19. September ein klares Nein zu CETA beschließt. Die SPD-Abgeordneten im EU-Parlament und im Bundestag sollen festgelegt werden, gegen den Vertrag zu stimmen.

Der von SPD-interne Aufruf erinnert daran, dass das Europäische Parlament in einer Resolution rote Linien für TTIP (das geplante Handelsabkommen EU-USA) beschlossen hat, die „auch einen Rahmen für andere zukünftige Handelsabkommen bilden sollen“.

SPD-Genossen dämmert Konzerndiktatur

Das fertige Abkommen mit Kanada „überschreitet diese Linien an verschiedenen Stellen. Die schleswig-holsteinischen Initiatoren nennen als einen der zentrale Kritikpunkte an CETA, dass das umstrittene System der sog. Schiedsgerichtsbarkeit „durch CETA noch weiter ausgebaut“ wird. Ein neu zu schaffender Handelsgerichtshof bzw. Schiedsstellen „sollen ohne Bindung an Europäisches Recht, an das Grundgesetz und weitere deutsche Gesetze entscheiden können“. Sie könnten sich bei ihren Entscheidungen über europäisches und deutsches Recht hinwegsetzen, „somit entsteht eine Nebenverfassung“. Die im Grundgesetz verankerten Grundprinzipien des Sozialstaates und des Umweltschutzes müssten bei Abwägungen nicht berücksichtigt werden. Viele tausend Unternehmen könnten die Sonderklagerechte bei CETA nutzen „und z.B. gegen eine Anhebung der Gewerbesteuern in einer Kommune oder den Ausstieg aus fossilen Energieträgern klagen“. Wenn es so weitergeht, entdecken die Genossen SPDler am Ende noch EPA -und dass ihre Parteibonzen sich insgeheim auf Seiten der Geldelite geschlagen haben…

CETA, TTIP, EPA
Völlig abseits der Öffentlichkeit laufen derzeit Auseinandersetzungen um die sogenannten „Wirtschafts-Partnerschafts-Abkommen“ EPAs (Economic PartnerAfrikaSqueezedship Agreements) zwischen der EU und afrikanischen Staaten. Dabei macht sich EU-Politik zum Büttel der schon jetzt übermächtigen EU-Exportindustrien, um ihnen die Absatz-, Land- und Arbeitssklavenmärkte immer rücksichtsloser zu öffnen -das nennt sich dann „Freihandel“. EPA wird die instabilen Länder Afrikas noch tiefer in Krisen und Hunger treiben -und seine Menschen zur Auswanderung nach Europa.
Das heuchlerische Gerede von „Fluchtursachen bekämpfen“ angesichts der aktuellen Migration lässt sich anhand von EPA bestens demaskieren: Lasst Afrika in Ruhe mit eurer Profitgier. Der Neoliberalismus ist mit seinen großen Versprechungen von der Armuts- und Hungerbekämpfung gescheitert, denn der Reichtum, den er schafft, fließt nur zu den bereits in Geld schwimmenden Machteliten.
WTO intrigiert, Attac kämpft
Attac kämpft seit dem letzten Herbst gegen EPA, aber die deutsche Finanzbürokratie fiel der Globalisierungskritik in den Rücken: Die Gemeinnützigkeit wurde ihr entzogen. EPA ist ein derzeit von der EU verhandeltes Bündel von Abkommen über Freihandelszonen zwischen der EU und den 78 AKP-Staaten (meist befreite Kolonien in Afrika, der Karibik und im Südpazifik), das für diverse geografische Zonen in verschiedenen Stadien steht. Die vertragliche Grundlage der EPA liegt im Cotonou-Abkommen, welche am 23. Juni 2000 von den Mitgliedstaaten der EU und den  AKP- Staaten in Cotonou (Benin) unterzeichnet wurde. Ursprüngliches Ziel des Abkommens: Die von der WTO kritisierten nicht-reziproken Handelspräferenzen der Lomé-Abkommen (1975 bis 2000) durch reziproke Handelsabkommen bis zum 1. Januar 2008 zu ersetzen. Seit 2004 drängt die EU afrikanische Staaten zum Abschluss dieser „Freihandelsabkommen“. Doch der Widerstand gegen die EPAs wächst stetig, denn der hinter verschlossenen Türen ausgeschacherte „Kompromiss“ vernachlässigt Schutz- und Entwicklungsbedürfnisse verwundbarer Volkswirtschaften zugunsten der mächtigen Westkonzerne.
EU schachert trickreich -spielt Afrikaner gegeneinander aus

In den EU-Mitgliedsstaaten müssen alle Nationalstaaten dieses Abkommen unterzeichnen und ratifizieren, weil die (völlig unzureichenden) Kompensationsmaßnahmen, wie im Falle Westafrikas, von allen EU-Mitgliedsstaaten zur Verfügung gestellt werden. Für die AKP-Staaten wurden diese Prozesse anders geregelt. Im Falle Westafrikas (ECOWAS) müssen nur 2/3 der Mitgliedsstaaten ratifizieren, damit es in Kraft treten kann. Da zeitgleich (Januar 2015) aber auch die schon lange geplante westafrikanische Zollunion verabschiedet wurde, wird es für die Nicht-Unterzeichner immer schwerer werden, ihre Märkte gegen EU-Importe zu schützen, die im Rahmen der Zollunion eingeführt werden. Mit dieser trickreichen 2/3-Ratifizierung werden blockierende Staaten, wie das (relativ) mächtige Ölland Nigeria, umgangen. Nigeria stellt mehr als die Hälfte der Bevölkerung und Wirtschaftskraft der Westafrikanischen Gemeinschaft (16 Länder) dar. So werden Staaten unter dem Druck der EU gegeneinander ausgespielt, wirtschaftlich ruiniert und neuer Zündstoff für Konflikte gelegt. TTIP würde nach ähnlichem Muster die kleineren Länder überrennen und dem hemmungslosen Zugriff der westlichen Geldelite preisgeben.

Die von der EU diktierte Frist, die EPA sollen bis 1.1.2008 in Kraft treten, konnte den wachsenden Widerstand nicht eingehalten werden. Nach dem Scheitern bis zur 1. Frist wurde eine 2. Frist bis Oktober 2014 gesetzt. Der Druck (Importrestriktionen usw., faktisch ein Sanktions-Regime) seitens der EU gegenüber den AKP-Staaten erreichte in diesem Zeitraum ein enormes Ausmaß. Wie vertraglich ausgemacht, wurde durch den anhaltenden Widerstand nicht mehr regional verhandelt, sondern einzelne Staaten unter Druck gesetzt, insbesondere die wirtschaftlich stärkeren. Auf Kenias Exporte wurden solange 30% Strafzölle verhängt, bis sie zum Aufgeben gezwungen waren, da die ArbeiterInnen nicht mehr bezahlt werden konnten, weil die Waren nicht mehr exportiert werden konnten und verdarben. Mit der Androhung von Strafen wie diesen wurden auch andere Länder erpresst, Staaten gegeneinander ausgespielt und mit verlogenen Hilfsangeboten weichgekocht. Die AKP-Staaten, die kein vollwertiges oder vorläufiges EPA unterzeichnet oder angewandt haben, haben ab 1.Oktober 2014 den bevorzugten Zugang zum EU-Markt verloren. Auf Grund dieser hinterlistigen Methoden (oder durch Korruption) sind bereits viele AKP-Staaten eingeknickt.

EU mit Mafia-Methoden: Erpressung afrikanischer Staaten

Die afrikanischen Staaten wissen um die Folgen und haben sich lange gegen die EPAs gewehrt, bis man sie erpresste, indem man mit dem Entzug der Zollfreiheit drohte, falls sie nicht unterzeichnen. Strafzölle wurden erhoben und haben bereits sichtbaren Schaden angerichtet, Bauern, Händler und Futtermittelhersteller gingen pleite – schließlich hat sich auch Kenia gebeugt, genauso wie die westafrikanischen Staaten. „Nur mit der Pistole auf der Brust“, so heißt es in Kenia, wenn man fragt, warum die EPAs nach langem Widerstand letztlich doch unterschrieben wurden. In Folge der EPAs werden Waren der EU-Exportindustrie die fragilen afrikanischen Märkte überschwemmen, afrikanisches Gewerbe zerstören und neue Unternehmen im Keim ersticken, Verluste der Zolleinnahmen werden die Löcher in den Staatshaushalten drastisch anwachsen lassen. Der Widerstand seitens der Regierungen hat immerhin seit 12 Jahren angehalten und einige weigern sich noch weiterhin. Der Widerstand in der Zivilgesellschaft Afrikas ist ungebrochen, die Orientierung wird sich nun auf die Verhinderung der Ratifizierungen in den nationalen Parlamenten richten.

Landgrabbing greift um sich
EPA erleichtert Westkonzernen den Zugriff auch auf die wichtige Ressource Land in Hungergebieten. Ackerland wird immer wertvoller und seltener. Jedes Jahr gehen etwa 12 Millionen Hektar Agrarfläche durch Versiegelung verloren. Nach der Finanzkrise 2008 hat das globale Finanzkapital die Äcker der Welt als Geschäftsfeld entdeckt. Mit dem Landraub wollen die Reichsten der Welt sich Zugriff auf die wichtigste Ressource dieser Welt sichern. Statt Bauern bestimmen dann Profitinteressen über die Böden. Wenn wir den Raubzug nicht verhindern, werden unsere Lebensgrundlagen zerstört.
Landraub – Der Film zeigt die Dimensionen: Eine Fläche halb so groß wie Europa wurde bereits aufgekauft, Bauern und indigene Völker wurden vertrieben. Statt Nahrung für die Region, wird im großen Stil für die Märkte der reichen Länder produziert. Es sind Programme der EU, die zu Mega-Plantagen für die Biosprit-Erzeugung und zur Zuckerproduktion führen.

Immer Ärger in den Kolonien: Gabriel muckt gegen TTIP auf

Hannes Sies

Na also, unsere Kritik im Netz hat sich gelohnt -auf dem  Umweg über Bevölkerung, Demoskopen und Partei-PR-Typen. Merkels Wirtschaftsminister bezeichnet das Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA als „de facto gescheitert“. Grund sei, dass „wir uns den amerikanischen Forderungen natürlich als Europäer nicht unterwerfen dürfen“, so  Vizekanzler Gabriel. Natürlich kein Wort zu Kämpfen von Attac gegen TTIP -und so wenig Negatives wie möglich über „unsere transatlantischen Freunde“.

Unsere Kritik im Netz hat sich auf dem mühsamen, zeitraubenden  Umweg über Meinungsänderung USAirforceder Bevölkerung, Demoskopen und Partei-PR-Typen doch gelohnt. Merkels Wirtschaftsminister Gabriel erklärte das Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA für „de facto gescheitert“. Ein erster geduckter Ansatz, doch ernsthaft zu verhandeln? Grund sei, dass „wir uns den amerikanischen Forderungen natürlich als Europäer nicht unterwerfen dürfen“, so der SPD-Chef und Vizekanzler Gabriel. „Da bewegt sich nichts“, stellte er laut ARD fest. Bereits „seit einiger Zeit“ sei er, ebenso wie andere Top-Politiker der SPD, auf Distanz zu TTIP gegangen. Natürlich kein Wort zu Jahrzehnten der Kämpfe von Attac gegen TTIP und andere Globalschweinereien -und so wenig Negatives wie möglich über „unsere transatlantischen Freunde“.

Unter dem Motto „CETA und TTIP stoppen! – Für einen gerechten Welthandel!“ ruft Attac in einem TTIPdemo_BerlinOkt2015breiten Bündnis aus 26 Organisationen zu bundesweit sieben Großdemonstrationen am 17. September in Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, Leipzig, München und Stuttgart auf, um die Ratifizierung der Abkommen im Herbst zu verhindern. Erwartet werden insgesamt weit mehr als 100.000 Menschen.

Leider bejubelt Siggi Gabriel weiterhin das ähnliche CETA, wohl weil die Kritiker sich nicht um alles gleichzeitig kümmern können und deshalb CETA momentan nicht so Präsent bei demoskopischen Planungen der SPD-Charaktermaske ist. Zu den „Streit- und Kritikpunkten am Freihandelsabkommen gehört die Frage der privaten Schiedsgerichte bei Konflikten mit ausländischen Investoren“, so die ARD, die drohende Wirtschaftsdiktatur eifrig beschönigend. Die Bundesregierung will erreichen, dass öffentlich-rechtliche Handelsgerichte zuständig sind, das lehnen die US-Amerikaner ab und wundern sich über den Ärger in ihren Kolonien… Wie meinte Daniel Lobmueh dazu?

CETA ist wie TTP und TTIP im Kern eine Verschwörung korrupter Politiker und Industriebarone, die insgeheim hinter der Parole vom „Freihandel“ versteckt, die Ausbeutung verschärfen und die Demokratie untergraben wollen. Der geheim gehaltene CETA-Text wurde geleakt und entspricht dieser Einschätzung völlig. Nachbesserungen, die als Zugeständnisse an Kritiker verkauft wurden, erweisen sich als Augenwischerei. Kern auch von CETA ist der „Schutz von Investoren“, d.h. die Dominanz des Geldes über die Menschenrechte. Wie soll die Diktatur der Konzerne nach TTIP oder CETA funktionieren?

CETA („Comprehensive Economic and Trade Agreement“ auch als „Canada-EU Trade Agreement“ gelesen), heißt das geplante europäisch-kanadische „Freihandelsabkommen“. Es wurde im Oktober 2013 von EU-Kommission und der kanadischen Regierung beschlossen, bedarf jedoch noch der Legitimation durch das EU-Parlament und den Europäischen Rat der EU, die jetzt im September erfolgen soll. Der Inhalt dieses wie vieler ähnlicher Abkommen war geheim -bis die Whistleblower kamen. Nun ist ein PDF des für Nichtjuristen leider schwer verständlichen Textes im Netz, erstaunlicherweise auch von der ARD zugänglich gemacht: CETA-Volltext (521 Seiten).

Unsere Medien vernebeln meist mehr als über diese angeblichen „Handelsabkommen“ zu informieren. Besonders der Bertelsmann-Medienkonzern bemühte sich, die drohende Knechtung von Mensch und Umwelt durch Profitinteressen anzupreisen.

Wie funktioniert die Konzerndiktatur?

CETA gilt als maßgeblich für das drohende TTIP. Die TTIP-Diktatur der Konzerne soll bekanntlich durch Sogenannte TPP_TTIPSchiedsgerichte, in Wahrheit paralegale Geheimgerichte, ausgeübt werden. Dort können Firmen imaginierte Profiteinbußen bei Völkern einklagen, die der Ausbeutung von Mensch und Umwelt Grenzen setzen wollten. Mit dem CETA-Schiedsverfahren (im verlogenen Juristen-Kauderwelsch „Investor-State Dispute Settlement“ genannt) würden die Weichen auch für gleiche Regelungen bei TTIP gestellt. Denn mit CETA könnten US- oder EU-Konzerne über kanadische Tochterfirmen EU-Staaten verklagen -schon ohne TTIP.

Dank jahrelanger mühsamer Kritik an den geheim tagenden Schiedsgerichten sieht CETA nun angeblich ein gewisses Maß an Transparenz vor (X.33: Transparency of Proceedings). Bei genauerem Hinsehen erweisen sich die sogenannten Zugeständnisse von Industrie und ihnen dienstbarer Politiker aber als reine Augenwischerei.

Der einen Staat bzw. ein Volk verklagende Konzern kann, muss aber nicht, seinen Anspruch offen vorlegen. Schiedsverfahren „sollen grundsätzlich“ öffentlich stattfinden -es sei denn, die „Richter“ schließen die Öffentlichkeit aus, um „vertrauliche oder geschützte Informationen“ zu wahren. Dies ist ein perfider Gummiparagraph, denn wo immer irgend etwas für eine Firma nicht zu ihrem Glanz und Gloria gereicht, hat sie noch stets auf ihr „Geschäftsgeheimnis“ gepocht. Vor Verhandlungsbeginn sollen angeblich „die wichtigsten Dokumente“ publiziert werden -vermutlich aus Sicht der Konzerne bzw. der von ihnen bestellten „Richter“, die in Wahrheit von der Wirtschaft bestellte Wirtschaftsanwälte aus speziellen, nur Konzerninteressen verpflichteten Wirtschaftskanzleien sind. Die ganze kriminelle Korruption, mit der in diesem mafiösen Milieu die Demokratie untergraben werden soll, wird von Konzernen in ihren Methoden und Strukturen als „Geschäftsgeheimnis“ betrachtet.

Mit seinem Schiedsspruch kann das Schiedsgericht finanzielle Entschädigungen verhängen für finanzielle Einbußen und besonders natürlich für Enteignungen. Gegen einen Schiedsspruch sind keine Einspruchsmöglichkeiten vorgesehen, wozu auch? Das ganze Prozedere spricht jeder Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit ohnehin Hohn. Schon die geheimdiplomatische Durchsetzung hat nichts mit Rechtsetzung durch legitimierende Demokratie zu tun, sondern ist verschwörerische Knechtung von Machtunterworfenen durch Plutokratie. Rechte erhalten nur die Konzerne gegen die Völker, selbst ein paar Transparenzpflichten sind nur als Kann-Bestimmungen vorgesehen. Soll-Bestimmungen treffen dagegen die geknechteten Menschen, denen zum Nutzen der Profite das letzte Hemd geraubt werden soll.

Konzernknechtschaft: An armen Ländern erprobt

Wie ausländische Investoren gegen Gesetze und staatliche Maßnahmen klagen können, wird detailliert in „Section 6: DollarPyramidInvestor-State Dispute Settlement“ beschrieben. Solche Investorenklagen nach internationalem Recht sind nichts völlig Neues: Die UNO-Handelsorganisation Unctad listete Ende 2012 genau 514 Klagen auf, meist von Konzernen aus den USA, den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland. Aber da die Konzernklagen bislang meist arme Länder des Südens knechten, wäre diese diktatorische „Paralleljustiz“ für den transatlantischen Handel neu –jetzt wären auch die Völker Kanadas und der EU betroffen. Von ihren Politikern an die Geldelite verraten, wären sie einer weiteren neoliberalen Entdemokratisierung ihrer Gemeinwesen ausgesetzt.

Gegen diese Schiedsgerichtsverfahren hatte erstaunlicherweise Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am 26. März 2014 bei EU-Handelskommissar Karel de Gucht protestiert, es „liegt beim Investitionsschutz ein sensibler Kernpunkt, der am Ende über die Zustimmung Deutschlands zu einem transatlantischen Freihandelsabkommen entscheiden kann“. Schiedsgerichtsverfahren unter „zivilisierten Ländern“ seien „unnötig“ -nicht aber prinzipiell abzulehnen, meint Gabriel. Die vorliegende Version des CETA-Abkommens wurde am 1. August 2014 hastig erstellt und am 5. August den 28 EU-Regierungen und der kanadischen Regierungen für Einsprüche übermittelt. Das Abkommen soll schon am 25. September 2014 vom kanadischen Premierminister Stephen Harper und EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso während eines EU-Kanada-Gipfels in Ottawa offiziell vorgestellt werden, so telepolis. Zu Protesten dagegen wird freundlich geraten.

Das TTIP des Pazifikraumes heißt TTP (Trans-Pacific Partnership)

Schon 2009 wurde ein Kapitel des geheimen TTP-Abkommens auf Wikileaks veröffentlicht, in dem es um den Schutz geistigen Eigentums geht -es erwies sich als Doppelgänger von ACTA („Anti-Counterfeiting Trade Agreement“), das im Juli 2012 nach großen Protesten der Netzkultur vom Europäischen Parlament abgelehnt wurde.

Proteste gab es auch gegen TTIP -wird CETA übersehen…?

Attac kämpft weiter gegen TTIP und CETA

Daniela Lobmueh

TTIP ist Sklaverei! Stoppt Merkel/Gabriel bei schleichender TTIP-Durchsetzung! Attac mobilisiert zu Anti-CETA-Protesten, der Demonstration vom Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ und Blockupy-Aktionstag. „Freihandel“? Wir lassen uns nicht länger belügen, weder von Bertelsmann, Spiegel und RTL noch von den uns öffentlich-entrechtenden Rundfunkanstalten ARD & ZDF.  Graswurzelbewegung statt Pseudo-NGOs und Klicktivismus-Kunstrasen von AVAAZ, Campact & Co!

Das globalisierungskritische Netzwerk Attac wird im Herbst den Widerstand gegen die geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA fortsetzen. Diese tragen künftig dazu bei, dass die soziale Ungleichheit weltweit vergrößert und Lebensgrundlagen in den Ländern des Südens zerstört werden. Dies ist eines der Ergebnisse der Diskussionen auf der Attac-Sommerakademie, zu der von Mittwoch bis Sonntag 500 Globalisierungskritiker aus ganz Deutschland in Düsseldorf zusammenkamen. Jasminrevolution kämpft seit mehr als zwei Jahren gegen TTIP und fordert den Stopp der antidemokratischen Geheim-Verhandlungen. Konzerne wie das Medienimperium Bertelsmann hetzen und lügen für TTIP, Politik und uns öffentlich-entrechtende Medienanstalten machen gemeinsame Sache, um uns das „Freihandels“-Abkommen der Oligarchen unterzujubeln.

CETA und TTIP stoppen

Unter dem Motto „CETA und TTIP stoppen! – Für einen gerechten Welthandel!“ ruft Attac in einem TTIPdemo_BerlinOkt2015breiten Bündnis aus 26 Organisationen zu bundesweit sieben Großdemonstrationen am 17. September in Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, Leipzig, München und Stuttgart auf, um die Ratifizierung der Abkommen im Herbst zu verhindern. Erwartet werden insgesamt weit mehr als 100.000 Menschen.

Bertelsmann und sein Polit-Flaggschiff SPIEGEL hetzten auch im Frühjahr 2016 gegen “Schauermärchen vom rechten Rand”, die angeblich TTIP-Kritiker verbreiten. Wer gegen TTIP ist, muss auch Pegida sein, so die Drohung des TTIP-Propaganda-Konzerns Bertelsmann, der selber viel Geld in eine Pro-TTIP-Kampagne investierte. Kann die alte Hetz-Taktik aufgehen, mit der Linke und Kritiker der USA, Finanzmafia, Bilderberger und Westoligarchen in die rechte Ecke geschoben werden sollen, mal als angebliche “Antisemiten”, mal als “Pegida”?

Die Proteste gegen das Freihandelsabkommen TTIP bedienen vor allem rechtspopulistische Ressentiments. Wer da mitmarschiert, findet offenbar nichts daran, sich gedanklich bei Pegida-Bachmann, Marine Le Pen und Donald Trump unterzuhaken.” SPIEGEL (Bertelsmann)

Der SPIEGEL-Angestellte Alexander Neubacher, der diesen Artikel verantwortlich zeichnete, wird Imagesich fragen lassen müssen, ob das noch unabhängiger Journalismus genannt werden kann. Er selbst kassiert ein stattliches Gehalt von Bertelsmann, dem Medienkonzern, der Europas Meinungsmärkte beherrschen will und sich als TTIP-Propagandist weit aus dem Fenster lehnte (TTIP-Investoren-Diktatur powered by Bertelsmann). Da Attac selbst von SPIEGEL-Schreihälsen wohl kaum in die rechte Ecke gestellt werden kann, ist die verlogene Ideologie von Bertelsmann auf der diesjährigen Sommerakademie erneut ad absurdum geführt worden. Attac wird vielmehr von den oligarchischen Medienmogulen totgeschwiegen, damit ein Astroturf (Kunstrasen) aus Pseudo-NGOs wie Campact die echten Graswurzel-Bewegungen überdecken und plattmachen kann. Dort werden auch die Kämpfe um bessere Arbeitsbedingungen weltweit mit Propaganda-Büchern wie „Wieviele Sklaven halten Sie?“ der BWL- und Globalisierungs-Professorin Evi Hartmann untergraben.

Flucht, Migration und Rassismus: Europa solidarisch neu gestalten

„Die neoliberale Politik und die globalisierte kapitalistische Ökonomie sind maßgeblich daran beteiligt, dass Lebensgrundlagen zerstört werden und Menschen fliehen. Die gleichen Mechanismen führen auch in Europa zur Zunahme sozialer Spaltungen“, kritisiert Thomas Eberhardt-Köster, Mitglied im bundesweiten Koordinierungskreis von Attac. „Deshalb beteiligt sich Attac am Blockupy-Aktionstag am 2. September, an der bundesweiten Demonstration vom Bündnis ‚Aufstehen gegen Rassismus‘ am 3. September in Berlin und am Arbeitstreffen von ‚Welcome2Stay‘ am 4. September, um deutlich zu machen, dass es Alternativen zu einem neoliberalen Europa gibt“, sagt Werner Rätz, Mitglied im bundesweiten Koordinierungskreis von Attac.

Neoliberalismus ins Museum

Neben Wissen und Strategie standen Aktionen auf dem Programm der Sommerakademie. 250 Aktive des globalisierungskritischen Netzwerks Attac haben zusammen mit Kulturschaffenden in einer politisch-satirischen Performance in der Düsseldorfer Altstadt den Neoliberalismus ins Museum gebracht und verschiedene Kunstwerke, wie „Die Original-Handtasche von Margaret Thatcher“ oder das drei Meter hohe Abbild eines „Homo Oeconomicus“ dem NRW-Forum übergeben. „Was ist absurdere Kunst als ein System, das behauptet: Wenn jeder den anderen nieder konkurriert, entsteht für alle das Beste?“, fragt Thomas Pfaff von Attac. Der Neoliberalismus gehöre deshalb ins Museum.

Wissen is possible: Aktionsakademie von Attac

Bildung, Debatte und Politik gehören zusammen. Darum wollen Oligarchen und ihre Konzerne die Bildung kaputtmachen, privatisieren und ideologisch gleichschalten. Doch Attac leistet auch hier Widerstand: Die Sommerakademie bot in insgesamt mehr als 100 Seminaren, Workshops, Podiumsdiskussionen und Exkursionen viel Raum für Debatte. Dort setzten die Teilnehmer sich mit der neoliberalen Globalisierung und ihren Folgen auseinander, entwickelten Alternativen weiter und diskutierten neue Positionen. Parallel fand auf dem Gelände der Sommerakademie die Aktionsakademie von Attac statt, auf der die Teilnehmer sich nicht nur politisches Wissen, sondern auch Erfahrungen für Aktionen aneignen konnten.

17. September: Auf die Straße gegen TTIP & CETA!

ATTAC ruft auf: Sei wieder dabei – in Stuttgart, Köln, Hamburg, Berlin, Leipzig, Frankfurt und in München gehen AttacTTIP_Demowir am 17. September auf die Straße, um gemeinsam zu fordern: TTIP und CETA stoppen – Für einen gerechten Welthandel! Mit den Demonstrationen in sieben Städten werden wir am Samstag, 17. September, ein starkes Zeichen setzen. Vor Ort arbeiten die regionalen Bündnisse mit intensiver Unterstützung des bundesweiten Demo-Bündnisses bereits kräftig daran, diese Demos kurz nach der Sommerpause zu realisieren.

Getragen von einem breiten Bündnis sind im April in Hannover 90.000 Menschen gegen TTIP & CETA  auf die Straße gegangen – einen Tag, bevor Bundeskanzlerin Merkel und US-Präsident Obama dort die Messe eröffneten. Eine Viertelmillion Menschen hat am 10. Oktober in Berlin gegen TTIP und CETA und für einen gerechten Welthandel demonstriert. Zum Jahresbeginn haben Attac-Aktive bei einer Aktion vor dem Bundestag das CETA-Monster erlegt.

CETA gilt als Blaupause für TTIP, die Ratifizierung soll in diesem Jahr beginnen. Mit CETA droht uns TTIP „durch die Hintertür“. Das nehmen wir nicht unwidersprochen hin! Attac wird bei den Demos im September wieder einen eigenen Demo-Block organisieren – mit eigenen Demo-Lautsprecherwagen, einer Aktion und einem unübersehbaren Auftritt.

Die EU nach dem Brexit: Ein neuer Militär-Moloch?

Daniela Lobmueh SillyWalksBrexit

Ob man es glaubt oder nicht: gerade die stolze Militärmacht Großbritannien hat offenbar bislang einer eigenständigen Aufrüstung der EU Steine in den Weg gelegt. London sah wohl als New Britischen Empire eher die „Five Eyes“ des Echelon-Bündnisses. Nach dem Brexit haben nun militaristische Kräfte die EU ins Auge gefasst. Friedensprojekt Europa adé. Die Bundesregierung unter Merkel will eine deutsch dominierte EU als neue Militärgroßmacht. Milliarden Euro drohen in der  Rüstungsindustrie zu versacken –ihre mächtige Lobby lacht sich eins und spendiert den schmierigen EVP-Rechtspopulisten noch eine Rio-Girl-Gala extra.

Hat wirklich gerade die stolze Militärmacht Großbritannien bislang einer cis-atlantischen Aufrüstung der EU Steine in den Weg gelegt? So scheint es jetzt immer deutlicher: London sah wohl als Nachfolgemacht des Britischen Empire eher die UK-USA-Allianz bzw die „Five Eyes“ des Echelon-Bündnisses (mit den Ex-Kolonien Australien, Neuseeland und Kanada dabei). Nach dem Brexit-Referendum haben nun militaristische Kräfte des EU-Establishments eine eigenständige Militarisierung der EU ins Auge gefasst. Die deutsche Bundesregierung unter Merkel will offenbar eine deutsch dominierte EU nach dem Brexit zu einer eigenständigen militärischen Großmacht transformieren, so Telepolis. Neben der anvisierten massiven Aufrüstung der Bundeswehr, plädiert das -zuerst als eine Initiative der von Merkels CDU dominierten rechts-völkischen EVP-Fraktion des EU-Parlaments lancierte- „Weißbuch“ für den raschen Aufbau europäischer Militärstrukturen über die global schon heute dominierende NATO hinaus.

Abermilliarden Euro, die den ausgequetschten Europäern dringend fehlen, drohen jetzt unter Anleitung der Lobby-, Industrie- und Rüstungsnahen EVP (Europäische Volkspartei) in den Taschen der ohnehin wuchernden Rüstungsindustrie zu verschwinden. Die Machtelite setzt auf den Aufrüstungs-Artikel 42 des Vertrags über die Europäische Union (EUV): „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern. Die Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung (im Folgenden „Europäische Verteidigungsagentur“) ermittelt den operativen Bedarf und fördert Maßnahmen zur Bedarfsdeckung… (Art 42 Abs.3)

Sicherer wird das die Welt nicht machen, aber die allermeisten EU-Europäer ärmer, besonders die schon von der Finanzmafia unter Führung von Goldman Sachs ausgeplünderten Südeuropäer. Russland wird sich noch mehr bedroht fühlen als schon jetzt, angesichts des Nato-Säbelrasselns und der Ost-Ausdehnungs-Fantasien bei EU und USA. Anti-Putin-Kampagnen, Subversion à la Soros und dauernde Provokationen, ob False-Flag-U-Boote in der Ostsee, Nato-Truppen im Kaukasus oder Olympia-Verbote, tragen nicht zum Frieden in Europa bei. Zugleich tun die alten EU-Machtcliquen alles, um in Großbritannien nach dem Brexit-Referendum eine fortschrittliche Alternative zum EU-Regime bereits im Keim zu ersticken. Dazu eine warnende Stimme aus unserem südlichen Nachbarland:

EU-Globalstrategie: Rüsten, rüsten, rüsten

Gerald Oberansmayr
Den Startschuss für einen neuen Aufrüstungsschub gab die EU-Außenbeauftragte Federica eu-soldatMogherini. Sie legte die –bis zum Referendum in Großbritannien unter Verschluss gehaltene – neue „EU-Globalstrategie“ vor, die von den EU-Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel Ende Juni beschlossen wurde. Neben allerlei blumiger Rhetorik stechen zwei Kernbotschaften dieses Strategiepapiers ins Auge:

Erstens: „Europäisches Semester“ für Aufrüstung

Wörtlich heißt es dazu in der EU-Globalstrategie: „In Bezug auf militärische Spitzenfähigkeiten braucht Europa alle zentralen Kapazitäten, um auf äußere Krisen zu reagieren und Europa sicher zu machen, also das gesamte Spektrum der Rüstungskapazitäten zu Land-, See, Luft und im Weltraum…“ Die Rüstungsindustrie darf sich trotz klammer öffentlicher Budgets auf volle Auftragsbücher freuen: „Die EU wird die Zusammenarbeit in Verteidigungsangelegenheiten systematisch ermutigen und eine schlagkräftige europäische Rüstungsindustrie schaffen, die ausschlaggebend dafür ist, dass Europa eigenständig entscheiden und handeln kann.“

Da das EU-Establishment aber offensichtlich Angst hat, dass die einzelnen Nationalstaaten immer noch eine demokratische Verfasstheit aufweisen und Menschen nicht so ohne weiteres weitere Aufrüstung akzeptieren, während bei Sozialem gekürzt wird, greift Mogherini eine Idee auf, die bereits im Vorjahr aus dem Umfeld des EU-Kommissionspräsidenten ventiliert wurde: ein „Europäisches Semester“ speziell für Aufrüstung. Ein anderes „Europäisches Semester“ gibt es nämlich bereits jetzt: Es dient der EU-Kommission dazu, einen mit Sanktionen verbundenen Druck auf die EU-Staaten auszuüben, harte Sparpolitik zu exekutieren. Damit diese Sparpolitik den Sozialbereich trifft und die Rüstungsetats verschont, dafür soll das von Mogherini vorgeschlagene „Europäisches Semester“ für Aufrüstung dienen. EU auf eine knappe Formel gebracht: Soziales runter, Rüstung auf.

Auch die Frage, wofür aufgerüstet werden soll, wird in diesem Strategiedokument klar beantwortet: Sicherstellung „offener Märkte“ und „offener Schifffahrtsrouten“, „Zugang zu natürlichen Rohstoffen“. Der „unsichtbaren Hand“ des Marktes, soll die sichtbare Faust der EU-Militärmacht zur Seite gestellt werden. Neben dem Bekenntnis zu Freihandel im Allgemeinen wird ein besonderes Bekenntnis zu den transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP und CETA abgelegt. Wörtlich: „Die EU wird eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) mit den Vereinigten Staaten anstreben. Ebenso wie das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) mit Kanada bezeugt TTIP das transatlantische Bekenntnis zu gemeinsamen Werten und zeigt unsere Bereitschaft, eine ehrgeizige und geregelte Handelsagenda zu verfolgen.“

Zweitens: Aufbau eines militärischen Kerneuropas

Die EU-Globalstrategie drängt darauf, EU-Truppen rascher zum Einsatz bei globalen F-16 Kampfjet USAFMilitärmissionen zum Einsatz bringen zu können: Insbesondere gelte es „die politischen, finanziellen und organisatorischen Hindernisse, die bislang den Einsatz der EU-Battlegroups verhindert haben, zu überwinden.“ Die bereits im EU-Lissabon-Vertrag angelegte Möglichkeit, ein militärisches Kerneuropa („Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“) zu begründen, soll daher erstmals im Bereich der EU-Battlegroups in Form einer „verstärkten Zusammenarbeit“ ausprobiert werden. „Wenn sich das als erfolgreich erweist und des öfteren wiederholt wurde, könnte das zu einer Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit führen, die das Potential des Lissabon-Vertrags voll ausschöpft.“ Die Herausbildung eines solchen „Kerneuropas“ dient ebenfalls dazu, die Aufrüstungsambitionen der EU-Mitgliedsstaaten zu beflügeln. Denn ein solches „Kerneuropa“ würde wohl rasch den inneren Machtzirkel der EU bilden. Motto: Wer nicht brav rüstet bzw. nicht bereit ist, seine SoldatInnen ins Feuer zu schicken, hat nicht mehr viel mitzureden.

Deutsch-französischer Militarisierungs-Vorstoß

Fast zeitgleich sind auch der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier und sein französischer Amtskollege Jean-Marc Ayrault mit einem gemeinsamen Positionspapier (2) an die Öffentlichkeit getreten. Der Inhalt dieser Erklärung zielt in dieselbe Richtung wie die neue EU-Globalstrategie. Es gelte, die EU nach dem Austritt Großbritanniens Schritt für Schritt zum „unabhängigen“ und „globalen“ Akteur zu entwickeln, heißt es in dem Dokument. Dazu werde man alle Kräfte mobilisieren und in einer „integrierten“ EU-Außen- und Militärpolitik sämtliche „politischen Instrumente der EU“ zusammenführen.

Auch für Steinmeier/Ayrault gilt das Credo: Rüsten, rüsten, rüsten. Um den „steigenden Herausforderungen … gerecht zu werden“, müsse man die „Anstrengungen auf dem Gebiet der Verteidigung verstärken“. Dazu sollten die EU-Staaten „ihre gemeinsam eingegangenen Verpflichtungen hinsichtlich ihrer Verteidigungshaushalte und des Anteils der Ausgaben, der für die Beschaffung von Ausrüstung sowie für Forschung und Technologie vorgesehen ist, bekräftigen und einhalten“. Ähnlich wie die EU-Außenbeauftragte fordert auch das deutsch-französische Duo die Einrichtung eines „Europäischen Semesters“ für Aufrüstung, um mit Hilfe der EU-Kommission die nationalen Militäraushaushalte der EU-Staaten nach oben zu pushen. Die deutsche Kanzlerin Merkel kündigte im Juni 2016 bereits an, die deutschen Rüstungsinvestitionen zu verdoppeln.

Noch deutlicher wird das deutsch-französische Tandem hinsichtlich der Einrichtung eines „militärischen Kerneuropas“ als Zwischenschritt zu einer zentralisierten EU-Sicherheits- und Militärpolitik: „Die EU sollte in der Lage sein, zivile und militärische Operationen wirksamer zu planen und durchzuführen, auch mit Hilfe einer ständigen zivil-militärischen Planungs- und Führungsfähigkeit. Die EU sollte sich auf einsatzfähige Streitkräfte mit hohem Bereitschaftsgrad verlassen können und gemeinsame Finanzierungen ihrer Operationen erleichtern. Gruppen von Mitgliedstaaten sollten so flexibel wie möglich eine dauerhafte strukturierte Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich einrichten können oder mit einzelnen Operationen vorangehen. Die EU-Mitgliedstaaten sollten die Einrichtung ständiger maritimer Einsatzverbände in die Planungen aufnehmen sowie EU-eigene Fähigkeiten in anderen Schlüsselbereichen schaffen.“

Mit Hinblick auf die Bekämpfung von Flüchtlingen fordern Steinmeier und Ayrault eine energische Militarisierung der Außengrenzen. Die Sicherung der Grenzen soll zunehmend den Nationalstaaten entwunden und von FRONTEX übernommen werden, das zum „weltweit ersten multinationalen Grenz- und Küstenschutz“ ausgebaut werden soll. Damit könnten Berlin und Paris noch viel direkter die Politik Griechenlands und anderer südeuropäischer Staaten kontrollieren.

Als Begründung für Aufrüstung und Militarisierung nennt das deutsch-französische Positionspapier „äußere Krisen“, die „zahlreicher geworden und geographisch näher an Europa herangerückt“ sind, „sowohl an seine östlichen als auch an seine südlichen Grenzen“. Unterschlagen wird freilich, dass gerade die EU, gerade Berlin und Paris, diese Krisen nach Kräften angeheizt haben: durch die Zerstörung der BR Jugoslawien, durch den Krieg gegen Libyen, durch die Unterstützung fundamentalistischer Gotteskrieger in Syrien, durch die Kollaboration mit Neofaschisten beim Putsch in der Ukraine, um das neoliberale EU-Ukraine-Freihandelsabkommen durchzuboxen. Bekanntlich drängt die EU derzeit darauf, solche Freihandelsverträge auch den Ländern Afrikas, in Form der sog. „European Partnership Agreements“ (EPA), aufzuzwingen. Dass Steinmeier und Ayrault betonen, dass „Afrika unseres fortgesetzten Engagements bedarf“, darf von den Ländern und Menschen dieses Kontinents, die diesen EPAs zum Teil heftigen Widerstand entgegensetzen, als gefährliche Drohung empfunden werden. Immerhin wird als vorrangiges Interventionsziel für die EU-Battlegroups immer wieder Afrika genannt.

Aber nicht nur die militärische Schlagkraft nach außen, auch die Militarisierung nach innen, insbesondere die Bespitzelungskapazitäten, sollen nach dem Willen von Steinmeier und Ayrault weiter ausgebaut und „europäisiert“ werden. Namentlich erwähnt werden die Speicherung von Fluggastdaten, die bessere Nutzung von Europol und des dortigen Zentrums zur Terrorismusbekämpfung. Mittelfristig soll „eine europäische Plattform für die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste“ eingerichtet werden.

„Europa neue begründen“: „Europäisches FBI“…

Diesbezüglich weiter geht das Papier eines anderen hochkarätigen Politikerduos, nämlich des Vorsitzenden des EU-Parlaments Martin Schulz und des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel. Unter dem klingenden Namen „Europa neu begründen“ (3) ziehen die beiden ihre Schlussfolgerungen aus dem Brexit. Zwei Ideen verdienen besondere Aufmerksamkeit: Schulz und Gabriel fordern die Einrichtung eines „europäischen FBI“, um „im Bereich der inneren Sicherheit die Kleinstaaterei zu beenden“. So wie bei der Militarisierung nach außen ist also auch bei der Militarisierung nach innen „Großstaaterei“ angesagt. Die Fähigkeit zu großen Kriegen erfordert große Armeen, und die Fähigkeit zur Überwachung gedeiht umso hemmungsloser, je hypertropher die entsprechenden Apparate sind. Die Enthüllungen von Snowden haben diesbezüglich ja etwas Licht ins Dunkel gebracht. Was für viele BürgerInnen ein Schreckensszenario ist, hat beim EU-Establishment Begehrlichkeiten geweckt. Angesichts der Snowden-Enthüllungen drängt EU-Kommissarin Viviane Reding bereits 2013 darauf, bis 2020 einen zentralen EU-Geheimdienst einzurichten, „um genauso stark dazustehen wie die USA“ (Der Standard, 11.11.2013). Gabriel/Schulz sehen nach dem Brexit offenbar neue Chancen, dieses Ziel umzusetzen.

Begründet wird diese Militarisierung nach außen wie nach innen mit jenen Terrorgefahren, die die westlichen Großmächte mit ihrer Kriegspolitik geschürt zum Teil oft erst geschaffen haben. Dieser Teufelskreis ist die unentbehrliche Geschäftsgrundlage des expandierenden Militärisch-Industriellen-Komplexes, dessen Interessen im Rahmen des Lissabon-Vertrages sogar in Verfassungsrang gehoben wurden (4).

… und „wirtschaftliches Schengen“

Auch eine zweite Idee im Schulz-Gabriel Papier lässt aufhorchen: die Forderung nach Einrichtung eines „wirtschaftlichen Schengen“. Was verbirgt sich hinter dieser technischen Formulierung? O-Ton Gabriel/Schulz: „Der Binnenmarkt muss sein Potenzial in vollem Umfang entfalten können und neue Wachstumskräfte freisetzen. Grenzüberschreitende Aktivitäten und Handel müssen noch mehr zu einer Realität im Alltag von Unternehmen wie von Verbraucherinnen und Verbrauchern werden. Dazu gehört die schrittweise Umsetzung zentraler Arbeits- und Produktmarktreformen, wie sie die europäische Kommission und die OECD seit Jahren fordern…“. GewerkschafterInnen sollten zwei Mal lesen, was die beiden Sozialdemokraten Schulz und Gabirel da auf den Tisch legen. Denn die Vorschläge der EU-Kommission zu Arbeitsmarktreformen sind hinlänglich bekannt:
– Absenken der Sozialversicherungsbeiträge (also: Reduzierung der Budgets für Gesundheit und Altersversorgung)
-Reduktion der Arbeitslosenunterstützung
-Lockerung des Kündigungsschutzes, Ausweitung von Probezeiten, Flexibilisierung der Arbeitszeit, Reduktion von Überstundenzuschlägen
-Senkung von Mindestlöhnen
-Abbau von kollektivvertraglichen Regelungen zugunsten „dezentralisierter“ Lohnfindung
-Deklariertes Ziel: „Reduktion der gewerkschaftlichen Verhandlungsmacht“ (5).

Genau diese Politik der Zertrümmerung von ArbeitnehmerInnenrechten hat die EU-Kommission im Verbund mit EZB und IWF bereits in jenen EU-Staaten durchgesetzt, die unter den „europäischen Schutzschirm“ flüchten mussten. In Griechenland, Portugal, Irland, Spanien, Italien, Spanien und Rumänien hat das zu einer regelrechten Zertrümmerung der Kollektivverträge und dramatischen Lohnsenkungen geführt. In Frankreich kämpfen derzeit die Gewerkschaften gegen diese neoliberale Arbeitsmarktreformen, zu denen Paris von der EU-Kommission im Rahmen des „Europäischen Semesters“ angehalten wurde. Die Militarisierung im Inneren der EU dient nicht zuletzt der Niederschlagung solcher sozialer Proteste. Darauf hatte schon der frühere EU-Kommissionspräsident Barroso unmissverständlich hingewiesen.

Mit dem Brexit könnten Dinge in Bewegung kommen

Mogherini, Steinmeier, Ayrault, Schulz und Gabriel kommen aus sozialdemokratischen Parteien. Dass sie sich zu Bannerträgern der Militarisierung und neoliberaler Arbeitsmarktreformen aufschwingen, bestätigt einmal mehr: Wer sich dem Großmachtsprojekt EU verschreibt, ist für eine sozialdemokratische Politik, die diesen Namen verdient, verloren. Mehr noch: Dieses „sozialdemokratische“ Establishment, zu dem in Österreich wohl sämtliche SP-Parteiführungen seit Vranitzky gezählt werden können, trägt eine wesentliche Verantwortung für das Aufkommen von Rechtsextremismus und Rassismus, da sie die Interessen der unteren sozialen Klassen auf dem neoliberalen EU-Altar geopfert haben.

In Großbritannien könnten mit dem Brexit-Referendum jedoch die Dinge in eine andere Richtung in Bewegung kommen. Zwar hat auch die Labourführung unter dem Parteilinken Jeremy Corbyn aufgerufen, für „Remain“ zu stimmen, doch eher halbherzig, schließlich gab es innerhalb der linken Labour- und Gewerkschaftsbasis eine starke Mobilisierung für ein „Vote leave!“ . Labour-Hochburgen stimmten überdurchschnittliche für den Brexit. Jeremy Corbyn rief auch nach dem Sieg des Brexit sofort dazu auf, den Ausgang der Volksabstimmung zu respektieren und die entsprechenden Schritte für den Austritt in Angriff zu nehmen. Das hat Corbyn endgültig zum Hassobjekt der Pro-EU-Parteirechten gemacht, die nun mit aller Macht danach trachtet, Corbyn, der in einer einmaligen Direktwahl unter allen Labour-Mitgliedern zum Vorsitzenden gewählt wurde, in einer Palastrevolte zu stürzen.

Tatsächlich könnte eine linke Labour-Führung eine Chance sein, das Land nach dem EU-Austritt auf einen alternativen Entwicklungspfad zu führen. Das wäre ein historischer Fingerzeig: In Großbritannien nahm die neoliberale Konterrevolution unter Thatcher ihren Ausgang. Der Thatcherismus wurde schließlich in den EU-Verträgen in den Beton des EU-Primärrechts gegossen, um diese Entwicklungsrichtung unabhängig von demokratischen Wahlausgängen festzuzurren. Und nun könnte ausgerechnet Großbritannien nach dem Brexit der Ausgangspunkt für eine Wende weg vom Neoliberalismus sein. Der Schlüssel dafür liegt wohl bei einer sich nach links entwickelnden Labour-Party, die den unteren sozialen Klassen wieder Hoffnung gibt und eine soziale und demokratische Wende außerhalb der EU einleitet. Seit dem Vorsitz von Jeremy Corbyn hat die Labour-Party 60.000 neue Mitglieder gewonnen – der größte Mitgliederzuwachs innerhalb so kurzer Zeit, den die Partei in ihrer bisherigen Geschichte erlebte. Die EU-ergebenen Blairisten in der Partei wollen diese Dynamik mit aller Kraft abwürgen, bevor sich daraus eine historische Alternative zum EU-Regime entfalten kann. Steinmeier, Gabriel, Schulz & Co, ja das gesamte EU-Establishment unterstützt sie dabei mit voller Kraft. Den Brexit einerseits zu nutzen, um die eigenständige Militarisierung der EU anzukurbeln, und zugleich alles zu tun, um zu verhindern, dass aus dem Brexit eine historische Alternative zu Militarisierung und Sozialabbau wird, sind dabei zwei Seiten derselben Politik der EU-Eliten.

Fortschrittliche Kräfte in Österreich sollten in dieser Situation ebenfalls eine doppelte Antwort geben: Solidarität mit dem linken „Vote leave!“ in Großbritannien und die Ärmel aufkrempeln, um auch hierzulande dem Öxit näher zu kommen. Je mehr Staaten aus diesem EU-Regime aussteigen, desto mehr Entfaltungsraum erhalten soziale und demokratische Alternativen – bei uns und in anderen Ländern. Das ist internationale Solidarität – und zugleich das beste Mittel gegen den Aufstieg der extremen Rechten.

Gerald Oberansmayr (Solidarwerkstatt, Österreich, 7.7.2016)

Quellen:
(1) Gemeinsame Vision, gemeinsames Handeln: Ein stärkeres Europa. Eine Globale Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, Brüssel, 28.06.2016: http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-10715-2016-INIT/de/pdf
(2) Jean-Marc Ayrault/Frank-Walter Steinmeier: Ein starkes Europa in einer unsicheren Welt, 27.06.2016: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Europa/Aktuell/160624-BM-AM-FRA_ST.html
(4) Siegmar Gabriel/Martin Schulz: Europa neu begründen, 24.6.2016; http://www.spiegel.de/media/media-39397.pdf
(3) Siehe u.a. Artikel 42, Abs.3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV): „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern. Die Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung (im Folgenden „Europäische Verteidigungsagentur“) ermittelt den operativen Bedarf und fördert Maßnahmen zur Bedarfsdeckung, trägt zur Ermittlung von Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Basis des Verteidigungssektors bei und führt diese Maßnahmen gegebenenfalls durch, beteiligt sich an der Festlegung einer europäischen Politik im Bereich der Fähigkeiten und der Rüstung und unterstützt den Rat bei der Beurteilung der Verbesserung der militärischen Fähigkeiten.“
(5) Europäische Kommission (2012): Labour Market Developments in Europe 2012, European Economy Nr. 5/2012

Gabriel: Edeka-SPD-Tengelmann-Mauschelei gescheitert

Gabriel

Sigmar Gabriel

Hans Undino

Richter stoppen Gabriels Kartell-Pläne wegen „Geheimverhandlungen“. TTIP-Fan Gabriel (SPD) hat wohl Gefallen an geheimen Mauscheleien mit Großkonzernen gefunden oder bereitet seine Karriere als Top-Manager im Einzelhandel vor (nach Ende der Amtszeit). Gabriel mault, das wäre nicht geheim gewesen, die anderen Käufer hätten ja im Nachhinein Akteneinsicht bekommen (die Richter hatten aber bemängelt, die Geheimgespräche wären in den Akten ungenügend dokumentiert worden), und überhaupt wären die Richter über Ort und Art der Verhandlungen falsch informiert (kein Wunder, wenn sie geheim waren). Ergo: Selbst beim Sich-raus-lügen erweist sich Gabriels totales Versagen.

Düsseldorf. Der Erste Kartellsenat des Oberlandesgerichts hat Wirtschaftsminister Sigmar Gabriels nach Geheimverhandlungen erteilte ministeriale Sondererlaubnis zur Übernahme der Kaiser’s-Tengelmann-Supermärkte durch den Edeka-Konzern nach einer vorläufigen Prüfung im Eilverfahren für rechtswidrig erklärt und außer Kraft gesetzt (VI – Kart 5/16 (V)) pdf. Gabriel sei bei seiner umstrittenen Ministererlaubnis für die Supermarkt-Fusion möglicherweise befangen gewesen. Der Minister habe in der entscheidenden Phase des Erlaubnisverfahrens mit den Chefs von Edeka und Kaiser’s Tengelmann geheime „Sechs-Augen-Gespräche“ geführt -unter Ausschluss weiterer Kaufinteressenten wie Rewe und Markant. Damit erschien den Richtern der SPD-Minister Gabriel gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten nicht mehr neutral und objektiv. Der SPD-Vorsitzende Gabriel führte den Erkenntnissen des Gerichts nach am 1. und am 16. Dezember 2015 auf eigenes Betreiben hin „Sechs-Augen-Gespräche“ mit dem Vorstandsvorsitzenden von Edeka und einem maßgeblichen Miteigentümer der KT-Supermärkte.

In seiner tölpelhaften Richterschelte gegen den Beschluss jaulte Gabriel allen Ernstes, A) die Gespräche seien nicht geheim gewesen und B) die Verhandlungen hätten an anderen Terminen und nur unter vier Augen stattgefunden (als ob das besser gewesen wäre). Da hat man schon von fünfjährigen Keksklauern mit der Hand in der Dose bessere Entschuldigungen gehört: Die Richter können ja wohl nur deshalb falsch über das illegale Gemauschel Gabriels informiert gewesen sein, weil der korpulente SPD-Funktionär sie vorsätzlich im Unklaren ließ. Dass derart wichtige und zudem hoch korruptionsanfällige Amtshandlungen eines Bundesministers in den entsprechenden Akten zu dokumentieren und den darüber entscheidenden Richtern offenzulegen sind, ist in einem Rechtsstaat selbstverständlich. Immerhin geht es um eine Ausnahmegenehmigung von Kartellgesetzen, die den Bürger vor einer Ausplünderung durch Monopolisten bzw. Oligopolisten schützen sollen. Gabriels heuchlerisches Gewinsel, die Richter hätten ja nachfragen können, ist derart erbärmlich, dass wohl nur eine gedemütigte Gurkentruppe wie die SPD sich zur Witzfigur machen und so einen Oberboss noch länger ertragen kann.

Kartellrichter: Gabriel war „befangen“

Den Inhalt dieser „Hinterzimmergespräche“ machte man, laut Gerichtsbeschluss, ebenso wie ein dort verhandeltes Gutachten „nicht aktenkundig“. Das ist nicht nur im Hinblick auf die Überprüfung der Entscheidungsfindung bemerkenswert, sondern auch deshalb, weil es andere Konzerne gab, die die KT-Supermärkte übernehmen wollten, aber weder an den Gesprächen beteiligt noch darüber informiert wurden. Die Richter am Oberlandesgerichts äußerten deshalb die „Besorgnis der Befangenheit des Bundeswirtschaftsministers“, sprachen ihm also ihr Misstrauen aus und äußerten Zweifel daran, dass er neutral und nur im Interesse des deutschen Volkes handelte. Deutlicher kann eine juristische Ohrfeige kaum ausfallen, auch wenn wie üblich unsere ARD-Bertelsmann-Medien die Sache der breiten Öffentlichkeit natürlich anders darlügen, pardon, darlegen werden.

Das Hauptargument, mit dem Gabriel seine Sondererlaubnis rechtfertigte, waren die Arbeitsplätze bei KT, die nach einer Übernahme durch Edeka bis 2021 größtenteils erhalten werden sollten. Die Richter sahen sich dieses Argument genauer an und entdeckten, dass Edeka zwar versprochen hatte, keine Arbeitsplätze bei KT abzubauen – aber nicht, dass es zu keinem ersatzweisen Arbeitsplatzabbau in anderen Konzernteilen kommt. Das Wirtschaftsministerium, monierte das Gericht, hätte hier nachfragen müssen, weil im ersten Edeka-Angebot ein „signifikanter Arbeitsplatzabbau“ enthalten war, den der Konzern erst korrigierte, nachdem die Rewe-Gruppe in ihrem Angebot vom 30. November 2015 den Erhalt aller KT-Arbeitsplätze versprach.

Abschließend kommt das Gericht zum Ergebnis, dass der Bundeswirtschaftsminister „den Gemeinwohlbelang der Arbeitsplatz- und Beschäftigungssicherung bei KT nicht unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte bewertet“ hat, weil der Begründung der Ministererlaubnis „nicht zu entnehmen [ist], ob und in welchem Umfang die Möglichkeit eines fusionsbedingten Stellenabbaus bei Edeka in die Abwägungsentscheidung einbezogen wurde“, was „bei den Abwägungsüberlegungen berücksichtigt werden [hätte] müssen“, weil „den Angaben von Edeka bis zum Ende des Verhandlungstermins am 16. November 2015 […] deutlich zu entnehmen [gewesen sei], dass der geplante Unternehmenszusammenschluss aus Sicht von Edeka bei kaufmännisch vernünftigem Handeln mit einem erheblichen Personalabbau verbunden sein müsse“. Außerdem glauben die Richter nicht, dass die „verfügten Nebenbestimmungen“ dazu taugen, „die 16.000 Arbeitsplätze bei KT in vollem Umfang zu sichern“, weil sie „Klauseln [enthalten], die einen Arbeitsplatzabbau auch innerhalb des zu sichernden Fünf-Jahreszeitraums mit Zustimmung der Tarifparteien [zulassen] und [zum Teil] nicht ausreichend bestimmt“ sind. Korruption? Oder war Gabriel in den Verhandlungen schlicht zu inkompetent, diese Tricks der Unternehmer zu durchschauen?

Gabriel will natürlich in die nächste Instanz klagen und hat auch schon damit gedroht, die TPP_TTIPBefugnisse der Justiz gegen den Wirtschaftsminister im Kartellrecht per Gesetzeserlass einschränken zu wollen. Damit die Regierungen der Bananenrepublik Deutschland künftig noch korrupter werden können. Vielen Dank SPD/CDU/CSU! Und vielen Dank Frau Bundeskanzlerin Dr.rer.nat. Angela Merkel, dass Sie unsere deutsche Wirtschaft durch so einen Kompetenzbolzen beaufsichtigen lassen! Wenn Gabriel schon beim Verhindern von Milch-Brot-und-Bananen-Kartellen total versagt, können wir uns beruhigt auf ihn verlassen, wenn er mit den Obergaunern der globalen Großkonzerne und ihren Marionetten in London und Washington über TTIP verhandelt. Da liegt unsere Demokratie, unsere Freiheit und unser Leib und Leben ja in den besten Händen.

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Bilderberger in Dresden 2016: Politpromis kommen

Gerd R. Rueger bilderbergerclublogo

Dresdens Polizeichef erfuhr erst aus der Presse, dass er nicht die „Airbus-Group“ schützen soll, sondern die Top-Elite der Westmachthaber, Oligarchen, Medienführer, Politprominenz wie Merkel und Steinmeyer. Erst die LINKE im Bundestag brachte mit einer Anfrage Merkel ins schwitzen, die das Bilderberger-Treffen zugeben musste bzw. ein Regierungssprecher. Was Merkel nicht sagte: Drahtzieher Henry Kissinger wird sicher versuchen, TTIP im wichtigsten EU-Land durchzudrücken. Was früher undenkbar war: Die Bilderberger geben auf ihrer Website offiziell zu: The 2016 Bilderberg Meeting will take place from 9-12 June in Dresden, Germany. Noch vor ein paar Jahren gaben sie nicht einmal ihre Existenz zu.

Bilderberg 2016: Kempinski-Hotel Taschenberg-Palais (Dresden)

Zum genauen Tagungsort fanden sich zuerst noch keine Angaben, aber laut der ehemals linken Tageszeitung taz (die inzwischen auch über das früher als „Verschwörungstheorie verpönte Thema berichtet) wird sich die Bilderberg-Gruppe im Kempinski-Hotel Taschenberg-Palais treffen. Das Luxushotel liegt keine 300 Meter von der Semper Oper entfernt im Stadtzentrum, was etwas ungewöhnlich ist. Die taz (die vom Ableugnen offenbar jetzt zum Insidertum überging) beruft sich bei der Information auf einen Teilnehmer „aus dem Umfeld“ der Bilderberg-Gruppe. Wie über die Onlinebuchungsfunktion auf der Webseite des Hotels ersichtlich, sind in dem besagten Zeitraum alle Zimmer belegt.

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Bilderberger 2016 im Kempinski-Hotel Taschenbergpalais, Dresden. Bild: Heribert Pohl/CC-BY-2.0

Nachdem die taz berichtete, haben einige Medien die Nachricht von der „Bilderberger-Konferenz“ aufgegriffen. Es gab Überschriften wie „Bilderberg-Konferenz: Tagungsort bekannt geworden“ (Spiegel Online), „Umstrittene Bilderberg-Konferenz findet dieses Jahr in Dresden statt“ (Donaukurier) oder „Der mächtigste Geheimbund der Welt trifft sich in Dresden“ (MoPo). In den vergangenen Jahren hat sich das Medienschweigen über die Zusammenkunft der Transatlantischen Machtelite stückchenweise verringert. Während es über Jahrzehnte nur vereinzelte Berichte zur Bilderberg-Konferenz gab, hat die Presse in den vergangenen 10 Jahren vermehrt, wenn auch immer noch sehr spärlich Bilderberg thematisiert. Im letzten Jahr gab es in dieser Hinsicht in Österreich einen Durchbruch im ORF (deren ARD).

Aus einer Kleinen Anfrage der Linkspartei in Sachen „Bilderberg“ an die Bundesregierung (die Abgeordneten Axel Troost, Klaus Ernst und André Hahn wollten auch von der Bundesregierung wissen, welche Mitglieder der Bundesregierung seit dem Bestehen des Elitezirkels, also seit 1954, an den Konferenzen teilgenommen haben) ergab sich folgendes von der Bundesregierung: Der „Lenkungsausschuss“ (das Politbüro) der Bilderberg-Gruppe, will in diesem Jahr die politische Führungsspitze Deutschlands zum Machtelite-Treffen einladen.

Die Bundesregierung verweist in ihrer Antwort auf die Webseite von Bilderberg (die es seit 2010 gibt) und merkt an, dass an der Bilderberg-Konferenz zwar regelmäßig Mitglieder der Bundesregierung teilnehmen, eine Erfassung entsprechender Daten aber nicht erfolge. Auch Fragen etwa danach, welche Bedeutung die Bundesregierung den Bilderberg-Konferenzen im Hinblick auf einen Einfluss auf supranationale Organisationen und die Poltitkgestaltung beimisst, werden nur mit wenig Substanz beantwortet. So heißt es etwa:

Auf den Bilderberg-Konferenzen findet ein informeller Gedankenaustausch über aktuelle politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen statt. Austausch und Dialog, insbesondere in internationalen Formaten, sind der Bundesregierung grundsätzlich wichtig, auch ohne dass hierbei konkrete Ergebnisse erzielt werden müssen.

Antwort der Bundesregierung an die Linkspartei

Genauso unergiebig ist die Antwort auf die Frage, zu welchen Tagesordnungspunkten Mitglieder der Bundesregierung auf der Bilderberg-Konferenz referieren werden. Die Vorbereitung und Durchführung der Konferenz obliege Bilderberg, „der Bundesregierung sind keine Tagesordnungspunkte der Konferenz bekannt“. Dies wirft die Frage auf, wie es sein kann, dass den Teilnehmern keine Tagesordnungspunkte bekannt sind? Sollen die Politiker sowieso nur passive Zuhörer sein?  Bundeskanzlerin Angela Merkel, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Finanzminister Wolfgang Schäuble, der Chef des Bundeskanzleramts Peter Altmaier, der Stellvertreter der Bundeskanzlerin Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier werden wohl zur Bilderberg-Konferenz kommen.  Aus deutscher Sicht ähnlich prominent besetzt war die Bilderberg-Konferenz von 1980. Damals nahmen die Politiker Helmut Kohl (CDU), Walter Scheel (SPD), Otto Graf Lambsdorf (FDP) und Helmut Schmidt (SPD) an jener Konferenz teil, über die bis vor wenigen Jahren so gut wie nicht in den Medien berichtet wurde.

Derzeit laufen die Sicherheitsvorkehrungen für die exklusive Zusammenkunft auf Hochtouren. Wie berichtet wurde, sind bisher 20 Protestkundgebungen angekündigt: Von „der rechtsextremistischen NPD bis zum Kunst- und Sozialprojekt Lovestorm People“. Vergangene Woche hatte ein rechtes Bündnis Plakate an prominenten Stellen in Dresden angebracht, auf denen zu lesen war: „Kein Domizil für Bilderberger“.

https://newjasminrevolution.files.wordpress.com/2013/04/kissinger.jpg?w=96&h=136

Bilderberger Kissinger, einer der wenigen Friedensnobelpreis-Träger, die wegen Kriegsverbrechen international gesucht werden (nicht in Deutschland)

Ein 30-köpfiger Stab der Polizei den Schutz des Elitezirkels, meldet telepolis. Der Eingangsbereich des Taschenberg Hotels, das die Bilderberg-Gruppe komplett gemietet hat, werde durch einen Sicherheitszaun abgegrenzt. Der Ort der Tagung gelte als „Sicherheitsbereich 1“, der Zutritt sei „für die Allgemeinheit verboten“, so die Sächsische Zeitung unter Berufung auf den Dresdner Polizeidirektor und Einsatzleiter, René Demmler. Darüber hinaus gibt es einen „Sicherheitsbereich 2“, der von der Polizei auch komplett gesperrt werden könne, wenn es die Umstände erforderlich machten. Dieser umfasse „die Kleine Brüdergasse, die Sophienstraße und die Freifläche vor dem Grünen Gewölbe“. Der Treffpunkt von Bilderberg liegt genau im Innenstadtbereich von Dresden, nahe der Semperoper, dem Zwinger und dem Schloss.

Die Dresdner Polizei habe, so Polizeidirektor Demmler, erste Hinweise auf die Bilderberg-Konferenz erst Anfang des Jahres erhalten. Allerdings hieß es dabei, dass ein Treffen „der Airbus-Group“ bevor stehe. Der Polizeidirektor selbst habe erst durch Presseveröffentlichungen erfahren, dass es sich bei dem Treffen um die Zusammenkunft des Bilderberg-Zirkels handele. Die Aussagen von Demmler, wonach Bilderberg die Behörden nicht offen über das Treffen informiert, sondern eine andere Gruppe namentlich angeführt wurde, erinnert an das Bilderberg-Treffen 2005 in Rottach-Egern am Tegernsee. Dort war im Vorfeld der Zusammenkunft von einer internationalen Konferenz von Medizinern die Rede. Die Geldelite hält sich selbst wohl für die beste Medizin für Welt. Diesmal als Airbus-Group getarnt? VIelleicht wird Luftfahrt ein Thema -oder Luftkrieg? In Syrien? Ukraine? Sachsen-Anhalt?

 Anfrage der Linkspartei an die Bundesregierung

Deutscher Bundestag Drucksache 18/8166 18. Wahlperiode 14.04.2016

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Dr. Axel Troost, Klaus Ernst, Dr. André Hahn, Susanna Karawanskij, Katja Kipping, Jutta Krellmann, Caren Lay, Michael Leutert, Thomas Lutze, Thomas Nord, Richard Pitterle, Michael Schlecht, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann (Zwickau) und der Fraktion DIE LINKE.

Bilderberg-Konferenz 2016 in Dresden

Die Bilderberg-Konferenz ist ein alljährliches Treffen von handverlesenen Eliten. Obwohl Themen von großer politischer Relevanz besprochen werden, ist sie formal eine rein private Zusammenkunft und findet größtenteils im Verborgenen statt. In der Vergangenheit nahmen wiederholt hochrangige deutsche Politikerinnen und Politiker an der Konferenz teil. Die „taz.de“ schreibt am 8. April 2016: „Die diesjährige Bilderberg Konferenz wird in Dresden stattfinden. Das bestätigte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums auf Anfrage der taz. Die Bilderberger tagen vom 9. bis 12. Juni in der sächsischen Landeshauptstadt. Aus dem Umfeld eines Teilnehmers wurde das Kempinski-Hotel Taschenberg-Palais im Zentrum der Stadt als Tagungsort bestätigt. Der Hotel, unweit der Semper-Oper gelegen, gilt als das luxuriöseste Hotel der Stadt“ (www.taz.de/NULL/!5290671/).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wann und wo fanden bisher Bilderberg-Konferenzen unter Teilnahme von Mitgliedern der Bundesregierung bzw. von Vertreterinnen und Vertretern nachgeordneter Behörden statt?

2. Welche Mitglieder der Bundesregierung bzw. Vertreterinnen und Vertreter nachgeordneter Behörden nahmen seit dem Jahr 1954 an welcher der Konferenzen und in welcher Funktion teil?

3. Welche Positionen in welchen Gremien der Bilderberg-Konferenz hatten bisher Mitglieder der Bundesregierung bzw. Vertreterinnen und Vertreter nach-geordneter Behörden inne?

4. Welche Mitglieder der Bundesregierung bzw. Vertreterinnen und Vertreter nachgeordneter Behörden sind zur Teilnahme an der Bilderberg-Konferenz 2016 in Dresden angefragt oder eingeladen worden?

5. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung den Konferenzen für die Entwicklung von Wirtschaft, Frieden und internationaler Zusammenarbeit sowie Gestaltung internationaler und supranationaler Organisationen bei?

6. Welchen Einfluss haben die während der Bilderberg-Konferenzen diskutierten Themen auf die Politikgestaltung bzw. auf konkrete Gesetzgebungsvorhaben der Bundesregierung?

7. Sind die teilnehmenden Mitglieder der Bundesregierung bzw. Vertreterinnen und Vertreter nachgeordneter Behörden bei den Diskussionen der Bilderberg-Konferenz an politische Grundsatzbeschlüsse der Bundesregierung oder Beschlüsse des Deutschen Bundestages gebunden, und vertreten die teilnehmenden Mitglieder der Bundesregierung bzw. Vertreterinnen und Vertreter nachgeordneter Behörden die Meinung der Bundesregierung während der Konferenzen?

8. Welche Mitglieder der Bundesregierung bzw. Vertreterinnen und Vertreter nachgeordneter Behörden sind in die inhaltliche Vorbereitung der Konferenz und ihre Abläufe eingebunden?

9. Welche Tagesordnungspunkte der Bilderberg-Konferenz 2016 in Dresden sind der Bundesregierung oder Mitgliedern der Bundesregierung und Vertreterinnen und Vertretern nachgeordneter Behörden bekannt?

10. Zu welchen Tagesordnungspunkten der Bilderberg-Konferenz 2016 in Dresden sind Mitglieder der Bundesregierung oder Vertreterinnen und Vertreter nachgeordneter Behörden als Referenten angefragt?

11. Welche Mitglieder der Bundesregierung bzw. Vertreterinnen und Vertreter nachgeordneter Behörden sind in die Vorbereitung der Gewährleistung der Sicherheit der Konferenz und der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in Dresden eingebunden?

12. Wie viele Bedienstete der Bundespolizei sowie anderer Sicherheitsbehörden des Bundes sind in die Maßnahmen zu Frage 11 eingebunden, und wie viele Bedienstete der Bundespolizei und der Sicherheitsbehörden des Bundes werden zur Konferenz nach Sachsen abgeordnet sein?

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Sahra Wagenknecht

13. Aus welchen Haushaltsmitteln werden die Teilnahmekosten (Teilnahmeentgelte, Reisekosten, Übernachtungs- und Verpflegungskosten) der Mitglieder der Bundesregierung bzw. der Vertreterinnen und Vertreter nachgeordneter Behörden getragen?

14. Welchen Eigenanteil haben die teilnehmenden Mitglieder der Bundesregierung bzw. Vertreterinnen und Vertreter nachgeordneter Behörden an den Teilnahmekosten selbst zu tragen?

15. Welcher Anteil der Gesamtkosten (Kosten der Konferenz, Kosten anderer in- und ausländischer Teilnehmerinnen und Teilnehmer) der Konferenz sowie der Kosten für die Gewährleistung der Sicherheit der Konferenz sowie zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in Dresden wird aus welchen Haushaltsmitteln des Bundes getragen?

Berlin, den 13. April 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion