Stockende Demokratisierung in Tunesien

Sofian Philip Naceur

Die menschenrechtspolitische Lage in Tunesien gilt im Vergleich zu Marokko und Algerien als am wenigsten problematisch. Seit dem Massenaufstand von 2011 hat sich eine lebendige und pluralistische Zivilgesellschaft herausgebildet, die die Einhaltung von Freiheits- und Grundrechten einfordert und die Reste des 2011 gestürzten Regimes von Zine El-Abidine Ben Ali herausfordert und in Schach hält. Dennoch sind auch in Tunesien Aktivist*innen, Menschenrechtler*innen und Journalist*innen bis heute mit umfassender Behörden- und Polizeiwillkür und Folterpraktiken der Sicherheitskräfte konfrontiert. Mangelnde Rechtsstaatlichkeit und politisch motivierte Strafverfolgung führten vor allem in den Provinzen des Südens in den letzten Jahren immer wieder zu rechtskräftigen Verurteilungen von Streikenden und politischen Aktivist*innen.

Der Staats- und Kontrollapparat des alten Regimes sei zwar teilweise zusammengebrochen, doch dessen berüchtigte Praktiken existieren immer noch, meint der Nordafrikakenner Dietrich. „Der springende Punkt im Moment ist, dass der Staatsapparat angesichts seines Kontrollverlustes zu heftigen Verfolgungsschlägen gegen Einzelne wie zum Beispiel Journalist*innen oder Menschenrechtler*innen, aber auch mit Militarisierung bestimmter Regionen, antwortet“, erklärt er.

Auch in Sachen Pressefreiheit werden die positiven Entwicklungen der letzten Jahre immer wieder durch zweifelhafte Urteile der Justiz konterkariert. Seit 2017 wurden mehrere Blogger*innen und Journalist*innen wegen Beleidigung staatlicher Funktionäre oder der Polizei zu Haft- oder Geldstrafen verurteilt. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte Tunesiens Regierung dafür, Sicherheitskräften für die im Kontext von Sicherheits- und Antiterrormaßnahmen angewandte Folter in Polizeigewahrsam oder bei anderen Menschenrechtsverstößen Straffreiheit zu gewähren.

In Tunesien gilt seit den Terroranschlägen in Tunis und Sousse 2015 der Ausnahmezustand, der den Sicherheitsbehörden weitreichende Befugnisse einräumt. Angesichts der anhaltenden staatlichen Verfolgung Homosexueller und regelmäßiger Berichte über Menschenrechtsverstöße und Folter durch tunesische Sicherheitskräfte wäre die Einstufung als „sicheres Herkunftsland“ ein fatales Signal. Ein erneutes Abdriften Tunesiens in autoritäre Verhältnisse kann auch weiterhin nicht ausgeschlossen werden.

Dieser Text zu Tunesien erschien als Teil des Artikels: Naceur, Sofian Philip: Politische Verfolgung und staatliche Repression im Maghreb: Marokko, Algerien und Tunesien sind keine sicheren Herkunftsländer (Rosa Luxemburg Stiftung 8/2018)

Red.: Wir bitten die nervige Ach-wie-bin-ich-Gender-Sternch*innen-Schreibung aus der Originalquelle zu entschuldigen.

Siehe unseren Sternch*innen-freien Kommentar zu diesem Artikel:

CIA, Geheimkriege & Jihadisten: Rosa Luxemburg Stiftung hat Lage in Tunesien nur ungenügend dargestellt von Gerd R. Rueger

 

Migration: EU setzt Tunesien unter Druck

Gerd R. Ruegertunisia-flag-svg

Migration von armen in reiche Länder gab es immer, z.B. von Europa in die USA. Doch heute kochen in vielen EU-Staaten Rassisten und Rechtskonservative ihr Süppchen auf dem Rücken von Migranten. Da werden sogar Flüchtlinge zum Problem gemacht. Deutschland und Frankreich wollen Tunis jetzt bei der „Steuerung der Migration“ einspannen und sogenannte „Ausschiffungsplattformen“ errichten lassen. Wenn die stinkreiche EU (selbst über 500 Millionen Einwohner) ein paar Millionen Flüchtlinge aufnehmen soll, geht für AfD-Hörige gleich das Abendland unter (Pegida lässt grüßen). Nur zum Vergleich: Das winzige arme Jordanien hat von seinen 10 Mio.Bevölkerung 2 Mio. Flüchtlinge aufgenommen, d.h. 20% der Bevölkerung. Deutsche Medien berichten tendenziös, übersehen gern Positives (Tunisian Girl).

Über Tunesien berichten deutsche Medien selten Gutes -viele Schlagzeilen machte der Al CIAda-Terrorist Anis Amri. Der Friedensnobelpreis 2015 an das Tunesische Nationale Dialogquartet wurde dagegen schnell wieder vergessen. Merkel soll sich noch heute ärgern, dass Tunesien ihr den Nobelpreis wegschnappte. Doch die Migranten der Balkanroute hatte sie nicht nur deswegen ins Land gelassen, wie AfD-Rassisten in Berlin tönen: Merkel wollte den deutschen Arbeitgebern neues Menschenmaterial zuführen, die in den Monaten vor der EU-Grenzöffnung um mehr Migranten gebeten hatten.

Derzeit heißt es in Tunesien mal wieder, dass der politische Druck der Technokraten aus Brüssel stärker wird.  Immer unverschämter würden die Forderungen dere EU zur „ausgelagerten Steuerung der Migration“. Besonders Deutschland und Frankreich, die von angeblich gemäßigt-konservativen Regierungen (Macron, Merkel/SPD) regiert werden, wollen innenpolitisch ihre Rechtsradikalen beruhigen (Le Pen, AfD/CSU). Aus Berlin kam schon im letzten Jahr politischer Druck, in Tunesien das deutsche „Migrantenproblem“ zu lösen: Man wollte Lager bauen (lassen). Die Regierung in Tunesien, eines kleinen Landes am Rande der Wirtschaftsgiganten der EU, gerät dadurch in eine schwierige Lage. Es geht um „regionale Ausschiffungsplattformen“ genannte Zentren, die der EU-Plan zur Migrationssteuerung in Drittstaaten etablieren will, um die Migration über das Mittelmeer zu regeln. Tunesien wird als Top-Standort bedrängt, bei den dubiosen Plänen mitzumachen bzw. sie zu dulden.

Tunisian Girl und Flüchtlinge

Wie einer EU-Pressemitteilung Ende Juli erklärt wurde, sollen diese Plattformen, die in nordafrikanischen Ländern zu errichten sind, die Migranten trennen, in jene, die eine Chance haben, in Europa aufgenommen zu werden -und die anderen Unglücklichen. Diese Abgewiesenen werden einfach zurück in ihre Heimatländer geschickt, was irreal ist angesichts der Opfer, die sie erbracht haben, um ins gelobte Land EU zu kommen. Dadurch sind schwierige Situationen für die Länder mit den „regionale Ausschiffungsplattformen“ vorprogrammiert.

Tunesien und ander nordafrikanische Länder sollen die miese Afrika-Politik der EU, die Erblast des Euro-Kolonialismus und das Elend der Globalisierung der Westblock-Finanzmächte ausbaden. Doch sie spielen nicht so einfach mit, wie es die EU sich vorstellt, wollen es sich aber mit dem Euro-Moloch in ihrem Norden auch nicht ganz verscherzen. Daher übt Brüssel Druck auf Tunesien aus. Ägypten, wo die USA und ihre Marionette Riad das Sagen haben, macht nicht mit und lässt sich auch nicht bedrängen. Aber von Algerien und Marokko hat man bislang auch noch keine große Bereitschaft gesehen, solche „Ausschiffungsplattformen“ einzurichten. Im von der Nato und ihren Al Qaida-Bodentruppen in einen „Zerschlagenen Staat“ verwandelten Libyen gibt es keine Regierungsmacht, die solche Einrichtungen mit Verlässlichkeit aufbauen könnte.

Tunesien: Das Unbehagen in der EU-Migrationskultur

Tunesiens Antwort tendiert derzeit zu „Nein“, was jedoch nicht unumstritten ist. Von „roten Linien“ ist in der tunesischen Regierung die Rede, Tunis fürchtet Kontrollverlust. Der Le-Monde-Afrika-Korrespondent Frédéric Bobin aus Tunis berichtet, dass Tunis durch diese Zentren einerseits eine Sogwirkung befürchtet und anderseits innenpolitische Spannungen. Man habe jetzt schon Schwierigkeiten damit, dass die sozialen Leistungen für die Bevölkerung nicht genügen. Vielen Tunesiern bleibt die europäische Perspektive auf die Migranten unverständlich. Migranten, die in europäische Länder wollen, werden nicht rassistisch abgelehnt, sondern unterstützt, was sich sogar im relativ humanen Agieren der tunesischen Küstenwache niederschlägt.

In einem Bericht  der Organisation Institute for Security Studies (ISS) zur Migration aus Tunesien heißt es, dass die Sicherheitskräfte Migranten gnädig behandeln. Es gebe eine „inoffizielle Toleranz“, so der Bericht. Laut Le Monde gibt es in Tunesien auch eine Zivilgesellschaft, die der Regierung auf die Finger schaut, wenn es um Menschen- und Bürgerrechte geht und etwa das Weltsozialforum nach Tunis holte (wir berichteten regelmäßig darüber). Die Einstellung gegenüber Migranten, die laut dem eben erwähnten ISS-Bericht in aller Regel und überwiegend aus Tunesien stammen, ist so, dass sich auch die Familien und der Staat etwas von ihrer Übersiedlung an die Nordküste des Mittelmeeres erhoffen: Devisen, die nach beruflicher Integration in die Heimat überwiesen werden.

Der Wunsch nach Auswanderung besonders bei chancenlosen jungen Menschen ist verständlich, denn die Finanzmächte, also besonders der Westen mit seinem Dollar-Euro-Block, der die meisten Reichtümer des Planeten kontrolliert, verweigert Tunesien (wie allen Ländern, die nicht unmittelbar profitabel geopolitisch ausgebeutet werden sollen) lebensnotwendige Investitionen. Ökonomische Krisen, Arbeitslosigkeit und Armut sind die Folgen dieses gierig-geizigen Sitzens auf den Billionen toten Kapitals, das nur zu perversen Machtzwecken missbraucht wird. Die deutsche Verfassung weiß es besser: „Eigentum verpflichtet“ heißt es dort -doch das funktioniert nicht einmal im eigenen Staat.

Tunesiens Jugend ist Ziel einer unbeschreiblichen Propaganda-Offensive, die bei zugleich verweigerten Investitionen auf eine resignierende Bevölkerung trifft. So finden sich dort viele, die den ausgefeilten Lockungen des Al-CIAida-Komplexes erliegen. Anis Amri dürfte der einzige Tunesier sein, den die Mehrheit der Deutschen kennt. Hier eine Analyse der Hintergründe mit Blick auf Israel, die Saudis und Halliburton.

Terroristen aus Algerien attackieren Tunesien

Gerd R. Rueger tunisia-flag-svg

Eine schwere Landminenexplosion forderte die Leben von drei Grenzsoldaten in Westtunesien, zwei Angreifer wurden erschossen. Islamistische Terroristen aus Algerien (oder über Algerien eingeschleust) wollten offenbar die Zeremonie der Amtsübernahme des neuen Ministerpräsidenten Youssef Chahed stören, um das Land weiter im Alarmzustand zu halten. Acht Frauen auch im neuen Kabinett stören die klerikalfaschistischen Demokratiehasser bei einigen Machteliten. Prowestliche Golfdiktaturen schicken ihre Lohnterroristen vor, weil sie und ihre Hintermänner Tunis die Demokratie nicht gönnen wollen.

Das tunesische Verteidigungsministerium erklärte, die Soldaten wären bei einem Bombenanschlag im entlegenen Mount Sammama-Gebiet nahe der algerischen Grenze getötet worden. Ministeriumssprecher Belhassen Oueslati sprach von einer großen Bombe, die auf dem Weg der Grenzpatrouillie versteckt worden war. Neben den drei Toten hat Tunesien auch sieben Verwundete bei diesem feigen Anschlag zu beklagen. Zwei Angreifer sollen beim darauffolgenden Feuergefecht getötet worden sein. Bisher hat sich keine Terrorgruppe zu dem Anschlag in einem ständig von einsickernden Terroristen bedrohten Areal bekannt.

Neue Regierung übernimmt Amtsgeschäfte

Nach dem Rücktritt Essids Ende letzten Monats übernimmt nun sein Nachfolger das Amt. Ministerpräsident Habib Essid hatte ein von ihm selbst angeregtes Misstrauensvotum im Parlament verloren, die große Mehrheit der Abgeordneten entzog ihm nach stundenlanger Debatte das Vertrauen. Essid hatte die Vertrauensfrage gestellt, nachdem er mehrfach von Präsident Béji Caïd Essebsi aufgefordert worden war, zurückzutreten und Platz für eine Regierung der Nationalen Einheit zu machen. Er war gut 18 Monate im Amt.

Tunesiens neuer Primierminister Youssef Chahed und sein Vorgänger Habib Essid vollzogen die Amtsübergabe in Carthage, einem Vorort von Tunis vorgestern am 29.August 2016. Essid bekundete seine Glückwünsche und die Hoffnung, seinem Nachfolger möge mehr Erfolg bei der befriedung und Stabilisierung des Landes beschieden sein.

Tunesiens neuer Primierminister Youssef Chahed und sein Vorgänger Habib Essid vollziehen die Amtsübergabe in Carthage, einem Vorort von Tunis am 29.August 2016.

Chahed, der zum siebten Regierungschef in nur sechs Jahren gewählt wurde, erklärte, die desolate Lage Tunesiens überwinden zu wollen. „Die Lage ist kompliziert, aber wir sind optimistisch. Wir werden unsere Verantwortung übernehmen“, sagte der neue Premier Tunesiens. Dann legten er und sein Kabinett ihren Amtseid ab und versprachen die Ökonomie zu verbessern und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das neue Kabinett besetzt acht von 30 Ministerposten mit Frauen -in der arabischen Welt eine Provokation für klerikalfaschistische Salafisten und islamistische Diktaturen wie Saudi Arabien oder die US-Vasallenstaaten am Golf, die hinter den islamistischen und terroristischen Destabilisierungsversuchen vermutet werden.

Al Qaida in Tunesien

Gerd R. Rueger tunisia-flag-svg Tunis. Die islamistische Regierung hat gestern eine Konferenz der ultrakonservativen Salafisten verboten. Das für Sonntag geplante Treffen in Kairuan wurde aus  Sorge um die öffentliche Sicherheit abgesagt, teilte das Innenministerium laut DLF mit. Kein Wunder: Ins Land eingesickerte Al Qaida-Gruppen aus  Libyen oder Mali liefern sich seit einiger Zeit Scharmützel mit Armee und Polizei. Tunis verbietet damit erstmals das seit der Revolution 2011 etablierte Jahrestreffen der salafistischen Ansar al-Scharia.

Ansar Al-Sharia -Speerspitze der Salafisten

Dies stärkt neben dem tunesischen Sicherheitsapparat auch extreme Salafisten. Die größte salafistische Gruppe des Landes, Ansar Al-Sharia, rebelliert gegen den ihrer Ansicht nach zu laschen Islamismus der Ennahda. Der Kongress, den Ansar al-Scharia in der zentraltunesischen Stadt Kairouan geplant hatte, wurde vom Innenministerium wegen fehlender Genehmigung verboten. Ennahda-Chef Raschid al-Ghannouchi äußerte öffentlich seine Unterstützung für das Verbot. Sollte es jetzt deswegen Unruhen geben, würde dies die Extremisten weiter stärken. Abu Ajad ist eines der prominentesten Gesichter des Salafistenbundes Ansar al-Scharia -er  wird seit September 2012 von der tunesischen Polizei gesucht. Ihm wird vorgeworfen, hinter dem Angriff auf die US-Botschaft in Tunis zu stecken. Abu Ajad soll im Kontakt mit al-Qaida stehen: In den neunziger Jahren war er laut SpiOn einer der Köpfe hinter einer Al-Qaida-Zelle in London, wo er politisches Exil beantragt hätte. Seit 2002 stehe er auf einer Terrorliste der Uno als Chef einer Tunesier-Miliz, die Kämpfer in afghanische Qaida-Trainingslager schleuste. Dennoch lebe Abu Ajad, der eigentlich Saif Allah Ben Hassin heißt, unbehelligt in Tunis, gebe Interviews, predige in einer Moschee mitten in der Hauptstadt und zeige sich in einem Viertel, in dem die Ansar al-Scharia besonders stark ist. „Wir hätten ihn beinahe festgenommen, als er vor einigen Monaten in der Fatah-Moschee in Tunis war“, sagte Tunesiens Innenminister Ali Larayedh jüngst im Interview mit „Le Monde“. „Aber dann haben wir es für nicht ratsam gehalten, weil viele Gläubige bei ihm waren und es rundherum Läden und Passanten gab.“ Klarer hätte der Innenminister das Einknicken seiner Regierung vor den Radikalen kaum benennen können, so SpiOn:  Gefahr drohe Tunesien auch aus Syrien, denn dort gehörten die tunesischen Kämpfer zu den größten Ausländergruppen. „Viele von ihnen dürften mit Kampferfahrung und neuen Kontakten wieder zurückkehren. So wie auch Abu Ajad, der einst in Afghanistan mit Unterstützung von Osama Bin Laden sein Handwerk perfektionierte.“

Den Salafisten scheint es dabei weniger um Religion als um politische Macht zu gehen, wofür sie von Ultra-Konservativen aus Saudi-Arabien und Qatar bezahlt und gesteuert werden, glaubt man in Tunis. Doch die Salafisten finden Anhänger: Die TV-Berieselung durch Al Dschasira und die Verlockungen des Geldes aus Qatar zeigen Wirkung bei perspektivlosen jungen Arbeitslosen. In Tunesien spielen sich inzwischen Szenen ab wie in Mali, als in Timbuktu religiöse Schreine von Extremisten zerschlagen wurden. In Gefahr durch derartigen politisch instrumentalisierten Vandalismus sind die antiken Ruinen von Karthago nahe Tunis genauso wie Hunderte Sufi-Schreine, von denen etliche sogar in der Liste der UNESCO aufgeführt sind. Vom Religionsministerium der Ennahda-Regierung wird das Problem der Salafisten und Extremisten heruntergespielt, meldet der DLF. Doch nahezu jede Woche wird von Überfällen radikaler Salafisten berichtet, auf Mausoleen, auf Schulen, Universitäten und Studentinnen-Wohnheime, wo sie die Schleierpflicht für Mädchen und Frauen einführen wollen (unzensuriert.at). Die Pseudo-Moslems haben keine Ahnung von ihrer eigenen Kultur. Denn schon 1930 wehrte sich Tahar Haddad (1899–1935) in seinem Werk über Frauen und die Scharia (al-Tahir Haddad: Imra’atunā fī al-sharī’a wa-al-mujtama‘, 1930) gegen die falsche Deutung des Korans, der in Wahrheit die Unterdrückung der Frauen verbiete. Er forderte das Verbot des Ganzkörperschleiers, des Verstoßens und der Polygynie und all der Sitten, die die Ursache für die seinerzeitige Rückständigkeit des Landes gewesen seien. Zudem forderte er Bildung und Ausbildung für Mädchen und ihren Schutz vor Zwangsverheiratung. Diese tunesische Tradition eines modernen Islam lehnen die Salafisten ab und wollen den Rückfall ins Mittelalter.

Sidi Bou Said, north of Tunis, Tunisia.

Sidi Bou Said, nördlich von Tunis

Ziel der Neobarbarei unter dem Deckmantel eines pervertierten Koran werden auch Kinos und Ausstellungen, weil dort Gotteslästerung betrieben würde. Sogar Tabakhändler auf der Straße und Restaurantbesitzer, die Alkohol verkaufen, werden angegriffen, oft mit dem dümmlichen Fluch „Kafir“ (Ungläubiger). Die ungebildeten Extremisten haben keine Ahnung, dass sie von Machtgruppen aufgehetzt werden, die nur eins im Sinn haben: Eine demokratische Entwicklung Tunesiens blockieren und das Land wirtschaftlich ruinieren (die Zahl der Touristen halbierte sich von ca. sieben Millionen auf ca. drei Millionen jährlich nach der Revolution). Ziel sind Gewalt und Chaos, um die Ausbeutung Nordafrikas mit anderen Diktatoren fortsetzen zu können.

Armee jagt Terroristen an der Grenze zu Algerien

Eine militärische Destabilisierung Tunesiens soll die Bevölkerung in Angst versetzen und salafistischer Terror mit Bezug zu Al Qaida lässt die Ennahda-Partei als gemäßigte Vermittler glänzen. Ihre Schläger gegen liberale Tunesier und Tunesierinnen, die von ihren Freiheitsrechten Gebrauch machen wollen, werden von der Polizei geduldet, die selbst unverschämter wird und Rechtsbrüche begeht, bei Straßenkontrollen Geld erpresst. Um dies zu rechtfertigen oder bagatellisieren zu können, kommen den Sicherheitskräften und der Ennahda terroristische Eindringlinge aus dem Dunstkreis von Al Qaida vermutlich gerade recht. Denn gewaltsamer noch als im Alltag der Städte geht es in der Region um Kasserine zu. In den Bergen rund um die Stadt nahe der algerischen Grenze jagt die tunesische Armee seit Wochen  bewaffnete Islamisten. In einem 60 Quadratkilometer großen Gebiet rund um den höchsten Berg des Landes, den Djebel Chambi (1.544 Meter) sollen sich Kämpfer aus Mali verschanzt haben, die vor der französischen Armee nach Algerien und Tunesien geflohen seien, so die taz . Auch Algerien soll 6.000 Soldaten an die tunesische Grenze entsandt haben. Die mindestens 20-50 algerischen und tunesischen Terroristen sollen in Verbindung mit Al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQMI) stehen. Eine zweite Gruppe soll weiter nördlich in der Region Kef ihr Unwesen treiben und die schwache tunesische Demokratie destabilisieren. Etwa 45 der Eindringlinge sollen in den vergangenen Wochen festgenommen worden sein, zuletzt in Kasserine selbst. Die Armee steht einem  von den Terroristen weiträumig verminten Gebiet gegenüber: Mindestens 16 Polizisten und Soldaten wurden bisher durch Sprengsätze verletzt –zwei von ihnen schwer. Verteidigungsminister Raschid Sabbagh beklagt den Mangel an Spezialgerät zur Minenräumung, man versuche mit Granatfeuer die Sprengsätze zu zerstören, um anschließend in die Wälder vorrücken zu können.

USA und Al CIAda Wem die Destabilisierung Tunesiens und der ganzen Region nützt, ist den stupiden Jüngern von Al Qaida nicht bewusst: Den USA. Die können als globale Militär- und Geheimdienst-Supermacht Gewaltausbrüche zu ihren Gunsten einsetzen, viele glauben an eine Steuerung des angeblich islamistischen Terrors durch die USA -Al CIAda. Der US-Filmer Michale Moore hat in seinem Werk Fahrenheit 9/11 sehr klar die dubiosen Verbindungen des US-Präsidentenclans der Familie Bush mit der Saudi-Milliardärsfamlie Bin Laden dargelegt. Bush und seine Geheimdienste sicherten den Bin Ladens freies Geleit aus den USA zu, nachdem angebliche Islamisten das World Trade Center in New York sprengten (oder wie auch immer zerstörten). Bush installierte danach in den USA eine Krypto-Militärdiktatur, schaffte Bürgerrechte ab, hetzte ununterbrochen die in Panik gehaltene Bevölkerung auf und bereitete für seine Freunde von der ganz großen Geldelite die globale Abzocke mittels „Finanzkrise“ vor. In Tunesien soll ebenfalls mittels Terror Politik gemacht werden. Mit Waffen aus Libyen könnten auch islamistische Sympathisanten in anderen Landesteilen für die terroristische Destabilisierung ausgerüstet werden. Die salafistische Gruppe Ansar al-Scharia, die offen für einen Gottesstaat in Tunesien eintritt, ruft auf Facebook zur „Islamischen Revolution“ auf und verbreitet Anleitungen zum Bombenbau.  Die Opposition wirft der Ennahda-Regierung Untätigkeit vor, die Radikalen könnten sich frei in den Moscheen bewegen und ihre Propaganda betreiben, ohne dass die Polizei eingreife. „Dank Ennahda haben wir nunmehr aktive Al-Qaida-Zellen in Tunesien, sie nutzen das für ihre Aktivitäten günstige Klima“, zitiert die taz den ehemaligen Chef der Übergangsregierung von 2011, Béji Caïd Essebsi. In der jungen tunesischen Republik greift brutale Waffengewalt um sich -von außen und durch Finanzierung innerer Extremisten aus dem Emirat Qatar. Am 06. 02.2013 war der linke Oppositionspolitiker Chokri Belaid ermordet worden, was landesweite Proteste und Generalstreik gegen die herrschende Ennahda-Partei auslöste. Von Belaids Umfeld wurden die Islamisten für dessen Tod verantwortlich gemacht, denn der Jurist war einer der schärfsten Kritiker der in Tunesien regierenden Islamisten. Chokri Belaids Beisetzung wurde zu einer der größten Protestaktionen seit der Jasminrevolution vor gut zwei Jahren. Der Sonntag könnte nun zur Machtprobe zwischen den Salafisten und der Regierung werden. Denn Ansar al-Scharia will trotz des Verbotes an dem Treffen festhalten.

Paris-Berlin: Elyseé, BND und die “Operation Goldhaus”

Gerd R. Rueger 27.01.2013 2_Euro_Deutschland_2013_Élysée

Diese Woche feierte die deutsch-französische Freundschaft 50 Jahre Elyseé-Verträge und das zu recht. Aber nicht ohne Heuchelei. Denn das kolonialistisch-gaullistische Frankreich und die CIA-gesteuerte Adenauer-Demokratur der BRD hatten hinter den Kulissen ihre geheimdienstlichen Rangeleien. Die BND-Operation “Goldhaus” in Tunesien war vielleicht deren spektakulärer Höhepunkt.

Schon die Elyseé-Verträge selbst zeigen die Adenauersche “Schaukel-Politik” zwischen Westeuropa und den USA –in die Präambel schrieben deutsche Parlamentarier bekanntlich die Dominanz Washingtons in der BRD-Außenpolitik fest, sehr zum Unbehagen de Gaulles. Die CIA hatten offenbar eine parlamentarische Mehrheit im westdeutschen Bundestag.

Die Angelsachsen hatten den Alt-Konservativen Adenauer nicht ohne Grund zum Häuptling von Trizonsesien (die drei Westalliierten-Zonen der BRD) bestimmt: 1. War Adenauer ein lupenreiner Anti-Kommunist, ohne allzu tief in die Nazi-Diktatur verstrickt gewesen zu sein; 2. War Adenauer ein eingefleischter Kapitalist, der Kapitalismus als angewandte Korruption verstand, hatte er doch schon als kaiserlich-kölnischer Oberbürgermeister in die Stadtkasse gegriffen, um das Geld an der Börse zu verspielen; 3. Kam er dem Deutschen-Bild der Angelsachsen bereits durch seine Physiognomie entgegen: “Die Hunnen” hatten mit Adenauer genau den mongoliden Mini-Attila an ihrer Spitze, den sie verdienten.

Adenauer machte die BRD für Washington nutzbar im Sinne einer Speerspitze gegen den Sowjet-Kommunismus, aber auch gegen ihre Rivalen in Paris und anderswo. Neben dem Aufbau der NATO war auch eine Zerschlagung des britischen und vor allem des französischen Kolonialreiches wichtig für den transatlantischen Führungsanspruch der US-Amerikaner. In der Suez-Krise standen die USA sogar an der Seite ihres Todfeindes Moskau bei der Verurteilung des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges der Briten und Franzosen auf das souveräne Ägypten, dass sich erlaubt hatte, seinen Suez-Kanal für die eigene Wirtschaft nutzen zu wollen. Die CIA baute in Pullach aus Nazi-Restbeständen die “Organisation Gehlen” und daraus dann den BND auf, nicht zur Freude der Franzosen. Denn schon bald im Algerienkrieg (1954-62) sollte der BND von Tunis aus gegen Paris intrigieren.

Vom Saarland nach Tunesien

Der Gehlen- bzw. BND-Agent Richard Christmann gilt manchen als germanischer James Bond. Christmann unterwanderte zu Beginn des Zweiten Weltkriegs den französischen Geheimdienst, sabotierte den französischen und niederländischen Widerstand und täuschte trickreich den britischen Geheimdienst. Er hatte schon im Saarland-Konflikt gegen Paris gearbeitet: Im Vorfeld der Volksabstimmung über den Verbleib des französisch besetzten späteren Bundeslandes in der BRD. Da galt es, Informationen zu sammeln, Desinformationen zu streuen und vor allem Propaganda-Material ins reiche Kohlerevier zu schmuggeln. Der BND hatte Erfolg und Deutschland blieb u.a. ein Oskar Lafontaine erhalten.

Bereits vor der offiziellen Staatsgründung der ehemaligen Kolonie Tunesien (1956) wurde Christmann von tunesischen Freunden aus seiner Pariser Zeit als Wirtschaftsberater angeheuert. Schon in seiner Zeit als zwangsrekrutierter Fremdenlegionär war der Deutsch-Franzose aus Metz in der Kolonie Tunesien stationiert gewesen. In Tunis baute der umtriebige Geschäfts- und Geheimdienstmann die deutsch-tunesische Handelskammer auf und repräsentierte  deutsche Firmen. Gleichzeitig fungierte er als Resident des BND.

1958 befahl der BND seinem Agenten Christmann in Tunis ein deutsches Spionagenest aufzubauen. Deckmantel war im Lande der dem Glücksspiel nicht abholden Tunesier eine Spielbank –daher der Name “Operation Goldhaus”. Tunesier wurden zur Schulung nach Pullach geholt, deutsche Spezialisten reisten nach Tunis. Adenauer handelte nicht nur im Auftrag der USA, auch deutsche Handelsinteressen bei den absehbar reichen Ölstaaten im arabischen Raum galt es zu wahren.

Ab 1954 hatte die algerische FLN (Front de la Liberation National) den Aufstand gegen die frz. Kolonialmacht begonnen. Anders als Tunesien und Marokko hatte Paris Algerien nicht den Status einer eigenständigen Nation zugesprochen, die etwa eine Million französische Siedler standen neun Millionen unterdrückten “Eingeborenen” gegenüber. Acht Jahre blutiger Befreiungskrieg standen dem Land bevor, in dem Franzosen auch als Folterknechte auftraten, wie Henri Alleg in seinem berühmtem autobiographischen Werk “La Question” (1958 in Frankreich verboten, erst 1960 freigegeben) beschreibt. Ein Militärputsch kolonialistischer Generäle erschütterte 1958 Paris, erst General de Gaulle konnte die Ordnung wieder herstellen. Die FLN bekam Waffen aus der BRD, mutmaßlich mit maßgeblicher Hilfe des BND.

Das BND-Personal im französischen Einflussbereich konnte auf Erfahrungen aus dem Nazi-besetzten Frankreich zurückgreifen. Nazi-Kriegsverbrecher, frisch aus französischen Gefängnissen, nutzten ihre Sprachkenntnisse als Agenten. Der Ex-General der Wehrmacht Wilhelm Farmbacher war z.B. schon 1952 in Kairo aufgetaucht, wo er für König Faruk unter anderem eine Fallschirmjäger-Truppe aufbauen sollte. Sechs Jahre später könnte Farmbacher dort in Kairo in der CIA-Residentur einem gewissen Saddam Hussein begegnet sein, der dort erste Kontakte knüpfte. Eine zukunftsträchtige Affäre, die Saddam 1979 zum US-gestützen Lieblingspräsidenten des Irak werden ließ.

Die Achse Pullach-Tunis: Kriegs- und Glücksspiele

Doch der BND schaltete und waltete weiter in Tunis, wo sich später Arafat herumtrieb und wo man sich beim entspannenden Glücksspiel nebenher auch günstig Waffen besorgen konnte. Vom “Goldhaus” in Tunis aus machte Adenauers Bonner Regierung sich insgeheim bei US-Amerikanern und Arabern beliebt und gab so manchem Nazi Gelegenheit sich an den Franzosen zu revanchieren.

Der französische Geheimdienst ließ im Gegenzug so manchen westdeutschen Waffenhändler ins Gras beißen, versenkte in Hamburg den Bremer Frachter “Atlas” (Greenpeace war nicht das erste Ziel) und meuchelte auch mal einen Vertreter der provisorischen Regierung des unbotmäßigen Algier in Bonn –als kleinen Fingerzeig direkt auf den Stufen zur tunesischen Botschaft. Der BND half den Algeriern in einer “Operation Schwalbe” mit der Unterstützung der Desertation von 50 Offizieren der französischen Armee. Pullach soll auch Terroranschläge in Frankreich durch Vorenthaltung von Geheimdienst-Informationen ermöglicht haben, die Hunderten Franzosen das Leben kosteten. Bonn und Paris gingen stillschweigend über diese blutigen Rangeleien unter ihren Diensten hinweg.

In Sachen Antikommunismus waren de Gaulle und Adenauer ja auch ein Herz und Briefm_ElyseeVertrgeine Seele, stand der General doch sogar im schrecklichen Verdacht, aus dem Londoner Exil hinterrücks französische Kommunisten an die Nazi-Besatzer von Paris verraten zu haben –um für die Zeit seiner Rückkehr Gegner aus dem Weg zu schaffen. Es waren dieselben Nazis unter denen Adenauer ein leichtes Leben führen konnte, als angeblicher “Erfinder” –so seine offizielle Biographie in deutschen Geschichtsbüchern. Es sind Schulbücher, die Adenauers Korruption und Wirtschaftskriminalität ebenso aussparen, wie sein doppeltes Spiel gegenüber Paris im Dienste der USA und der westdeutschen Export-Industrie.

Quellenverweise

Vgl. Liauzu, Claude, L’Europe et l’afrique mediterranneenne, Brüssel 1994, S.21 ff.

Vgl. Rügemer, Werner, Die Legende Adenauer: Schwarze Kassen…, in: Rügemer, Colonia Corrupta, Münster 2002, S.137 ff.

Vgl. Schmidt-Eenboom, Erich, BND: Der deutsche Geheimdienst im Nahen Osten, München 2007, S.76 ff.

Rajoy droht auf Malta-Gipfel mit EU-Blockade

Erster 5+5-Mittelmeer-Gipfel seit Jasminrevolution 

Gerd R. Rueger 06.10.2012

Malta. Gestern begann im maltesischen Regierungssitz in Valletta, in der Auberge de Castille,  eine zweitägige Konferenz des sogenannten Western Mediterranean Forum, auch bekannt als 5+5-Dialog. Beteiligt sind die Staats- oder Regierungschefs Spaniens, Maltas, Portugals, Italiens,  und Frankreichs sowie der fünf Maghreb-Länder Tunesien, Algerien, Libyen, Mauretanien und Marokko.

Es ist das erste Mal seit der Jasminrevolution (Arab Spring), dass man sich nicht wie sonst nur auf Aussenminister-, sondern auf höchster Regierungsebene treffen. EU-Kommissions-Präsident Barroso sowie Vertreter der Maghreb-Union und der Arabischen Liga sind als Beobachter dabei.

Stabilität im Mittelmeerraum beschworen

Wenn die Herrschenden vom Frieden reden, ahnt das Volk, dass es Krieg gibt: Die 5+5-Regierungschefs betonten, dass vor dem Hintergrund der politischen Umwälzungen eine starke Kooperation mehr denn je nötig sei. Hollande rief erneut zur Intervention gegen radikale islamistische Rebellen in Mali auf. Es gelte, Stabilität und Sicherheit im Mittelmeerraum zu garantieren. Der  Regierungschef Maltas, Lawrence Gonzi, wies auf die labile politische Situation in einigen arabischen Ländern hin, deren Demokratisierung sich langwierig gestalten dürfte.

Der Ennada-Präsident Tunesiens, Moncef Marzouki, versuchte die EU-Staaten zu beruhigen, was die salafistischen Gruppen angeht. Tunesien wolle islamische Demokratie, nicht islamistische Autokratie. Der Maghreb sei zudem lohnendes Gebiet für europäische Investoren und benötige dringend einer Modernisierung seiner Infrastrukturen. Die arabischen Staaten hätten eben einen hohen Preis für die politischen Umwälzungen zu zahlen. Die EU-Länder sind insbesondere an Fragen zu Sicherheit und Migration interessiert, die Maghreb-Staaten erwarten vom Gipfel zusätzliche europäische Wirtschaftshilfe.

Nebentreffen zur Euro-Krise

Am Rande des Gipfels trafen sich am Freitagabend Hollande, Monti,  Rajoy und Portugals Regierungschef  Passos Coelho. Es ging um die Euro-Schuldenkrise, wobei Rajoy eine sorgfältige Abwägung der Rettungsvorschläge in Madrid versprach. Eine sachgerechte Behandlung der spanischen Bankenkrise werden den Weg zur Einrichtung einer gesamteuropäischen Bankenaufsicht ebnen, die Anfang Januar 2013 ihre Arbeit aufnehmen könne. Rajoy beschwor dies als richtigen Weg für eine weitere europäische Fiskal-, Währungs- und Wirtschafts-Integration. Ob er damit eine Blockade der dringend notwendigen Krisen-Bewältigungsmaßnahmen für den Fall androhte, dass Spanien kein weiteres billiges Geld von der EZB bekommen sollte, blieb unklar, ist aber wahrscheinlich.

Berlin hatte dies abgelehnt und auf weiteren Sozialraub und grausame Sparpolitik bestanden, unter Verweis auch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die deutschen Spielräume begrenzt habe. Doch die revolutionäre Situation in Madrid lieferte Rajoy vermutlich abseits der Mikrofone weitere gute Argumente für Eurobonds etc. Bis endlich die parasitäre Finanzelite zur Kasse gebeten wird, in Spanien und überall, scheint dies der einzige Weg zu sein, die Wirtschaft, sagen wir, wenigstens „menschenrechts-neutral“ zu gestalten.

Letztlich wird aber kein Weg daran vorbei gehen, die Auslöser der Staatsschuldenkrise zur Verantwortung zu ziehen: Die Banken. Das aber heißt konkret: Die hinter ihnen stehenden Geldmächte, die sich in Hedgefonds und Steueroasen verschanzen und ihre Billionen-Dollar-Beute aus dem Neoliberalismus-Globalisierungs-Raubzug mit Klauen und Zähnen verteidigen. Diese „Geldelite“ wird alles daran setzen, die durch ihre kriminellen Machenschaften entstandenen Löcher im Finanzsystem auf die Staaten, die Völker, uns alle abzuwälzen. Wenn wir die ihnen hörige politische Kaste nicht abwählen und die von ihnen aufgekauften oder korrumpierten Medien nicht ignorieren, wird ihnen das auch weiterhin gelingen.

Darum ist Wikileaks wichtiger als Spiegel, New York Times und Guardian, darum liefert uns die tagesschau nur vernebelnde Hofberichterstattung und darum werden Elend, Gewalt und Krieg inszeniert: Der Neoliberalismus läuft letztlich auf ein deprimierend dümmliches Revival der alten Rassismen und Faschismen hinaus, siehe Ungarn -und unsere deutschen Medien mischen mit.

Einziges Ziel: Die Menschen gegeneinander aufzuhetzen und sie von den Nutznießern abzulenken, den Superreichen, die unser Geld verprassen und unsere Zukunft dabei zerstören. Für uns bleibt ein menschenrechtswidriger, ökonomisch unsinniger Rückfall in frühkapitalistische Arbeitsbedingungen und Elend sowie eine Mediendiktatur, die einige Sozialwissenschaftler heute beschönigend „Postdemokratie“ nennen.