Venezuela: Wirtschaftskrieg, Conoco Oil und Syrien-Connection

Galindo Gaznate

Caracas. US-Firma enteignet Venezuelas Öl-Anlagen in der Karibik. Venezuela verfügt über die größten Erdölreserven aller Länder. Aber das Land soll diese nach dem Willen des ölgierigen Militärgiganten USA nicht nutzen dürfen. Denn eine demokratisch gewählte Regierung machte in Caracas von ihrem Recht Gebrauch, die Ölförderung zu verstaatlichen. Zuvor war das Öl Venezuelas in der Hand ausbeuterischer US-Firmen. Seit Chavez Sozialisten das Land regieren, versuchen die USA in einem gnadenlosen Geheimkrieg Venezuela zu schwächen, wo es nur geht. Der US-Ölriese Conoco (JET) greift nach den letzten Resten von Venezuelas Export-Infrastruktur: Die geschwächte Regierung Maduro musste vor Gericht. Es ist ein rassistischer Krieg um Öl.

Die Politik der Herrschaftseliten der USA ist von drei Hauptmerkmalen bestimmt: Einem unbändigen Hass auf alles, was sich auch nur ansatzweise als sozialistisch oder auch nur als sozial versteht; einer unbezähmbaren Gier nach Erdöl; und einer gigantischen Militärmaschine, deren bevorzugtes Mittel die verdeckte Kriegsführung unerklärter Kriege durch die CIA ist (wie auch Literatur-Nobelpreisträger Harold Pinter feststellte). Dabei werden Militär, Geheimdienste wie die CIA, Massenmedien, Pseudo-NGOs eingesetzt. Die sozialistische Regierung des ölreichsten Landes der Welt, Venezuelas, war daher von der ersten Stunde an ein Top-Ziel der Militär- und Propaganda-Krieger Washingtons. Besonders Ölfirmen sind Nutznießer dieser Politik und tief in sie verstrickt, besonders Conoco Oil.

Conoco (auch ConocoPhillips, COP) ist der drittgrößte US-amerikanische Ölkonzern und hat -nicht nur über seinen Manager Richard Armitage– gute Verbindungen zu CIA und US-Streitkräften. Aber die Ölfirma versteht es auch vor karibischen Gerichten gerissene Anwälte gegen Venezuela aufzubieten: Wie Conoco jüngst erklärte, ist es den Ölbaronen gelungen, die (auch wenn Westmedien dies nicht zugeben wollen) demokratisch gewählte Regierung Maduro vor dubiosen Gerichten in der Karibik und einem in den USA ansässigen Handelsgerichtshof auf Zahlung einer Entschädigungssumme von zwei Milliarden Dollar zu verklagen. Dem ging, im Rahmen des mit allen Mitteln geführten US-Wirtschaftskrieges gegen das kleine Land, ein von Ölkonzernen vom Zaun gebrochener jahrelanger Rechtsstreit voraus. Ein unverschämt hoher Betrag von 2,04 Milliarden Dollar soll demnach innerhalb von nur vier Jahren abkassiert werden, wobei 500 Millionen Dollar sofort an die Ölmagnaten in den USA zu zahlen sind.

Als in den Jahren 2002 und 2003 CIA und internationale Erdölkonzerne mehrere Putschversuche gegen Chávez‘ Regierung organisiert hatten, war eine breite Volksbewegung dagegen aufgestanden. Die Chavisten konnten durch ihren Massenwiderstand mit Streiks und Demonstrationen Präsident Caves im Amt verteidigen. Damit wurden die Reformmaßnahmen gegen US-Ölfirmen erst ermöglicht, was die US-Machteliten in rasende Wut versetzte. Die Verstaatlichung von Ölanlagen ist aber das gute Recht jeder Regierung -sogar die deutsche Verfassung lässt dies zu (was deutsche Medien aber niemals sagen).

Doch der tief verwurzelte Hass der erzkapitalistischen USA gegen Sozialisierungen, Sozialismus und Soziales überhaupt kann dies nicht anerkennen. 39 der 41 oft eher kleineren ausländischen Kapitalgesellschaften im venezolanischen Erdölsektor willigten 2002 ohne Anrufung von Schiedsgerichten in Chavez‘ nicht allzu radikalen Pläne ein, die ihnen zwar Steuererhöhungen, aber auch jahrzehntelange Laufzeitverlängerungen brachten. Nur ExxonMobil und natürlich die CIA-nahe Conoco, beides Großkonzerne aus den USA, fochten die Reform vor allen nur möglichen internationalen Schiedsgerichten an. Sie forderten gigantische Entschädigungssummen von insgesamt mehr als 42 Milliarden Dollar vom bereits durch Sabotage, Putsche und Terror seitens der CIA gebeutelten Land.

US-Wirtschaftskrieg: Conoco will Cash

Der wirtschaftliche Schaden, den der mehr als 100 Milliarden US-Dollar schwere Ölriese Conoco vor dem in den USA ansässigen Schiedsgericht geltend macht: Maßnahmen der venezolanischen Regierung aus den Jahren 2006 und 2007 wie Steuererhöhungen und partielle Verstaatlichungen. Also die Politik, die damals der demokratisch gewählte Präsident Hugo Chávez im Zuge seiner linken Reformpolitik auch gegen den Widerstand von US-Regierung und großen Ölkonzernen durchsetzen konnte. Chavez Politik hätte ein Loch von angeblich mehr als 20 Milliarden Dollar in die Konzernprofite gerissen, jammerten die Anwälte des Ölmultis in die offenen Ohren der US-Richter.

Die Erdölreform der Chavisten war die Grundlage staatlicher Mehreinnahmen, die Millionen VenezolanerInnen Reallohnsteigerungen und den Zugang zu umfangreichen Bildungs- und Gesundheitskampagnen ermöglichten. Von Anfang an sabotierten CIA-Hilfstruppen Venezuelas Weg in den Sozialismus mit schmutziger Kriegsführung, Terror, Sabotage, Putschversuchen und heftiger Propaganda. Dann lancierten die USA mit ökologisch rücksichtslosem Fracking-Ausbau auch noch die Krise des Welterdölmarktes. Nach Chávez frühem Krebs-Tod (unter Verdacht: Neue Mordmethoden der CIA) im Jahr 2013konnte Maduro nie richtig Fuß fassen, denn die verdeckte Kriegsführung wurde noch verschärft.

Conoco, der ölige Arm der CIA

Conoco, die Firma, die sich für ihre Ölquellen in Syrien einen CIA-Senior in den Vorstand und die US-Army an „ihre“ Förderanlagen holte (siehe unten), hatte bereits im Mai mit der Pfändung von ausländischen Vermögenswerten der staatlichen Erdölgesellschaft Venezuelas (PDVSA) begonnen. Conoco Oil will die Schwäche der Regierung in Caracas ausbeuten: Als Kriegsgewinnler des seit Jahren dauernden geheimen US-Krieges erst gegen Chavez, nun gegen Maduro. Das von Boycotten, Propaganda-Kampagnen, angezetteltem Aufruhr, Terror, Sabotage und diversen von außen gesteuerten Putschversuchen geschwächte Land scheint Conoco nun reif, um die Milliarden-Entschädigung zu erpressen. Zuerst gelang Conoco, der Firma mit den guten Beziehungen zur CIA, die Konfiszierung eines Verladeterminals auf der Karibikinsel Bonaire, die Venezuela gehörte.

Dann ging es den US-Ölbaronen um die Aneignung einer ähnlichen Anlage auf St. Eustatius, dort hatte am 11. Mai auch ein karibisches Gericht auf Curaçao grünes Licht für die Übernahme der Kontrolle über die großen Raffinerie „La Isla“ durch Conoco gegeben. In Venezuela selbst verüben mit Milliarden CIA-Dollars bis an die Zähne bewaffnete Terror-Kommandos (laut Westmedien „die demokratische Opposition gegen den Diktator Maduro“) neben Putschversuchen vor allem Sabotage-Anschläge auf Industrie und Wirtschaft des Landes. In der Karibik verlassen sich die USA auf die private Gier der US-Ölkonzerne und die korrupten Gerichte kleiner Inselstaaten, die von den USA abhängig sind. Doch Conoco ist überall aktiv, wo Öl und Gas zu rauben sind: Auch in Syrien griff der US-Konzern unter Feuerschutz durch die US-Army (angeblich wegen den Menschenrechten dort) nach Förderanlagen, die Assad verstaatlicht hatte.

Conoco und die CIA in Syrien

Es lief ähnlich wie in Venezuela, nur dass statt verdeckter CIA-Terroristen hier die USA offen mit ihren Streitkräften bombardierten. Im Gegensatz zum demokratisch gewählten (laut Westmedienhetze) „Diktator Maduro“ war Assad wirklich ein Diktator, also gab es kein Halten mehr für die Militärwalze der NATO (an das Kriegsverbot des Völkerrechts denkt man dort nur sehr sehr selten, genauer: wenn andere es brechen): Am 7.2.2018 verübten amerikanische Kampfflugzeuge und Artillerie in der nordostsyrischen Provinz Deir ez-Zor ein scheinbar grundloses Massaker an bis ca. 100 regierungstreuen Kämpfern.

Nur scheinbar: Denn der (wirkliche ) Diktator Bashir al-Assad nahm 2005 der US-Firma ConocoPhillips (JET-Tankstellen) bei Deir ez-Zor die Petroindustrie von al-Tabiya ab, um die Einnahmen dem syrischen Staat zu sichern. Das gefiel Conoco nicht und sie holten sich den CIA-Nestor Richard Armitage in den Vorstand. 2011 fielen IS-Terroristen über Syrien her und eroberten die Anlagen von Assad zurück. Neben dem von Assad torpedierten Projekt einer Gaspipeline von den gasreichen Emiraten nach Europa wäre dies ein zweites Motiv für die verdeckten und zunehmend offenen US-Interventionen, die auf eine Annexion Nordsyriens zu zielen scheinen.

Am 7.2.2018 verübten amerikanische Kampfflugzeuge und Artillerie in der nordostsyrischen Provinz Deir ez-Zor ein scheinbar grundloses Massaker an bis ca. 100 regierungstreuen Kämpfern. Die syrische Regierung verurteilte den Angriff zurecht als Kriegsverbrechen und „direkte Unterstützung des Terrorismus“. Sie betonte, ihre Truppen seien von den USA angegriffen worden, während sie im Gebiet bei al-Tabiya am Ostufer des Euphrat gegen IS-Terroristen kämpften.

Syria NNWest cc-by-sa-3.0

Washington ist offenbar entschlossen, der syrischen Regierung die Kontrolle über die syrische Ölgebiete um al-Tabiya dauerhaft zu entziehen und diese praktisch zu annektieren. Zu diesem Zweck planen die USA die Errichtung einer „Kontrollzone“, die etwa 30 Prozent des Landes ausmacht und dabei Syrien auch die Grenzen zur Türkei und dem Irak abschneidet. Geplant ist vermutlich eine Zerschlagung Syriens und Annexion der Ölregion al-Tabiya als Nato-Protektorat nach dem Vorbild Jugoslawiens bzw. des Kosovo.

Hauptproblem der CIA scheint in Syrien zu sein: Die IS-Terroristen sind nicht so leicht fernzusteuern wie die albanische Mafia, die das Kosovo beherrscht. Daher wandten sich die USA gegen sie und bewaffneten die IS-Gegner der YPG. Doch auch diese fielen nach ihrem Sieg über den IS in Washington in Ungnade: Sie standen politisch der PKK nahe und zu weit links, probten sogar eine Art „kurdischen Kommunismus“ in ihrem Gebiet. Jetzt müssen sie bei Assad und Moskau um Hilfe nachsuchen, derweil die USA ihre Annexionspläne in Nordsyrien vorantreiben. Quelle

Venzuela ausbeuten: Terror, Sabotage, Lawfare

Lawfar ist die US-Strategie, den Krieg mit juristischen Mitteln zu führen: Warfare mit law (Recht). Eine pervertierte Rechtsauffassung, die in Brasilien zum Sturz der Regierung von Dilma Roussef eingesetzt wurde. in Venezuela wird diese Strategie mit einem brutelen Wirtscaftskrieg kombiniert: Über die jetzt mit dubiosen Rechtsmitteln enteigneten Öl-Anlagen auf Bonaire, St. Eustatius und Curaçao wurde bislang etwa ein Drittel der venezolanischen Erdölexporte abgewickelt -mit Umsatz von täglich mehr als 20 Millionen Dollar. Geld, das das von den USA in eine schwere Schulden- und Devisenkrise getriebene Land dringend benötigt. Inzwischen leiden durch die verbrecherische Sabotage- und Boykott-Politik der USA in Venezuela Millionen Menschen unter Lebensmittel- und Medikamentenknappheit, wie die Westpresse von New York Times bis ARD hämisch berichtet -ohne die wahren Gründe offenzulegen, versteht sich.

Conoco Oil ist dabei zentraler Bestandteil des US-Wirthscaftskrieges: Der Kontrollverlust über die Exportinfrastruktur auf den niederländischen Antillen machte die Benutzung der größten Tankerklasse für das südamerikanische Land zuletzt unmöglich und es bildeten sich Schlangen vor den Raffinerien und Verladeterminals der venezolanischen Karibikküste. Der ohnehin durch eine sabotierte Produktion niedrige Export war durch die überfallartigen Pfändungen von Seiten Conocos offenbar zuletzt weiter zurückgegangen, was die Wirkung der US-Wirtschaftssanktionen auf die Devisenkrise noch verstärkte. Die Herrschaftseliten der USA wollen mit dem juristischen Wüten ihres CIA-nahen Conoco-Konzerns nebenbei wohl auch den Konkurrenten China treffen.

Denn viele Handelspartner Venezuelas, allen voran China, mussten in der Folge ausfallende Seelieferungen des „Schwarzen Goldes“ verkraften, dem Staat fehlten Einnahmen für Importe und Schuldendienst. Die Konfiszierungen im Mai und die jetzige Einwilligung der Regierung in den Zahlungsplan folgten auf ein Urteil eines in New York angesiedelten Schiedsgerichts der Internationalen Handelskammer vom 25. April, welches Caracas zu der Entschädigungszahlung verpflichtet hatte. Statt aber nach dem Urteil einen vernünftigen Zahlungsplan zu vereinbaren, wie ein Wirtschaftsunternehmen es auch im wohlverstandenen Eigeninteresse normalerweise machen würde, ist Conoco direkt zu einem brutalen Inkassoverfahren übergegangen: Ziel ist offensichtlich die kriegerische Zerstörung, nicht die ökonomische Einigung.

Dollar-Krieger treten auf das am Boden liegende Land ein

Die verhängte Strafzahlung von zwei Milliarden Dollar trifft das Geheimkriegs-geschundene Venezuela hart. Internationale Gläubiger, die teils mehr als 50 Milliarden Dollar aus ihrer finanziellen Kolonie erpressen wollen, haben Caracas fest im Griff -auch wenn unsere Westmedien etwa bei der ARD immer nur eine Ursache der Misere Venezuelas kennen wollen: Die Politik von Maduro. An die US-amerikanische Investmentbank Goldman Sachs zahlte Venezuelas Regierung von Präsident Maduro zuletzt Zinssätze von über 45% pro Jahr in einem heftig umstrittenen Dollar-Anleihengeschäft. Aber sogar für die Bezahlung bilateraler Verträge, die Chávez und Maduro auf Regierungsebene mit Russland und China abgeschlossen haben, sind immer größere Teile der schnell sinkenden venezolanischen Ölproduktion nötig. Ergebnis: Die verfügbaren Devisenreserven auf ein Minimum fallen und die Bevölkerung trägt durch sinkende Lebensmittelimporte und rasante Preissteigerung die Kosten der Krise -ohne die Sozialpolitik Maduros gäbe es längst massenhaft Hungertote.

Die ÖLfirmen feiern dagegen: Der Kurs von Conoco COP-Aktien an der Wall Street stieg nach Bekanntgabe der nun gefundenen Lösegeldregelung. Das Management hatte angekündigt, den von Venezuela erpressten Kassensegen, ähnlich einer Sonderdividende, über Aktienrückkäufe direkt an die Aktionäre weitergeben zu wollen.

Durch das Conoco-Urteil sind aber nicht nur unmittelbare Kosten für die Regierung des größten Karibikanrainers und seine Bevölkerung entstanden, sondern der Bestand des staatlichen Ölkonzerns und mittelfristig der gesamte Außenhandel sind gefährdet. Mehr noch als die Sanktionen der US-Regierung unter Präsident Trump treffen solche Pfändungen nämlich das Herz des venezolanischen Erdölhandels, dessen physische Träger jetzt durch das New Yorker Conoco-Urteil zum Plündern freigegeben wurden.

Der nach der Jahrtausendwende neu gewonnene venezolanische Einfluss über das karibische Meer, der unter Präsident Chávez durch internationale Abkommen wie ALBA und Petrocaribe gefördert wurde, war den USA immer verhasst. Zuletzt hatte Washington durch Druck Ecuador zum Austritt aus ALBA genötigt. Doch Venezuela war der Zentralpfeiler des neuen Lateinamerikas und daher auch Hauptangriffspunkt der US-Attacken. Ein Bezirksgericht des US-Bundesstaates Delaware entschied Anfang August in einer Grundsatzentscheidung zugunsten von Pfändungsrechten gegen die ganze Republik Venezuela.

Kanadische Bergbauunternehmen sind weltweit an der Ausbeutung von Ressourcen ohne Gnade mit Umwelt und Menschen beteiligt, etwa beim Gold in Kirgisien. Das Conoco-Urteil gewährte in diesem ähnlich gelagerten Fall dem kanadischen Bergbauunternehmen Crystallex, zwecks Eintreibung einer Entschädigungszahlung von 1,4 Milliarden Dollar, Zugriff auf Aktienanteile der „PDV Holding“. Dem war 2016 ein Weltbank-Schiedsspruch vorausgegangen. Wichtige Details der Entscheidung sind noch unbekannt, Venezuelas Staatskonzern hat bereits Berufung eingelegt.

Die in der US-Steueroase Delaware ansässige PDVSA-Filiale verfügt mit drei großen Raffinerien, dutzenden Verladeterminals und mehr als 5000 Tankstellen unter dem Markennamen CITGO über Vermögenswerte von etwa acht Milliarden Dollar auf dem Territorium der USA – und ist damit mit Abstand das „Kronjuwel“ unter Venezuelas ausländischen Investitionen. Venezuela hatte es nach Angaben des Gerichts versäumt, die von einem Schiedsgericht der Weltbank zwei Jahre zuvor auferlegten Entschädigungszahlungen an Crystallex pünktlich zu leisten. Das Crystallex-Urteil besagt auch: Vermögenswerte von PDVSA wie CITGO seien selbst dann pfändbar, wenn sich die Forderungen des klagenden Gläubigers eigentlich gegen den venezolanischen Staat richteten. Das könnte für Besitzer venezolanischer Anleihen, allen voran internationale Großbanken aus den USA und auch aus Deutschland, ein Signal geben, nun ebenfalls ihre Pfändungsrechte geltend zu machen und sich hinter Crystallex in die Inkasso-Schlange einzureihen.

Westliche Finanzgiganten wie die weltgrößte Schattenbank Blackrock, Vanguard und der deutsche Allianz-Konzern haben in den letzten Jahren von den hohen Zinssätzen der Papiere profitiert, bis Venezuela, auch unter dem Eindruck von US-Wirtschaftssanktionen, Ende letzten Jahres viele Zinszahlungen einstellte, womit Regressforderungen grundsätzlich möglich wurden. Bei den börsennotierten Staatsanleihen beträgt Venezuelas Zahlungsrückstand mittlerweile über 6 Milliarden Dollar, der Verlust der US-Anlagen würde Venezuelas Export erneut empfindlich schwächen und die Devisenkrise und Lebensmittelknappheit verschärfen, so telepolis.

Conoco-Erdöl und die Schlacht um al-Tabiya

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Manfred Gleuber

Am 7.2.2018 verübten amerikanische Kampfflugzeuge und Artillerie in der nordostsyrischen Provinz Deir ez-Zor ein scheinbar grundloses Massaker an bis ca. 100 regierungstreuen Kämpfern. Nur scheinbar: Bashir al-Assad nahm 2005 der US-Firma ConocoPhillips (JET-Tankstellen) die Petroindustrie von al-Tabiya ab, um die Einnahmen dem syrischen Staat zu sichern. Das gefiel Conoco nicht und sie holten sich den CIA-Nestor Richard Armitage in den Vorstand. 2011 fielen IS-Terroristen über Syrien her und eroberten die Anlagen von Assad zurück. Neben dem von Assad torpedierten Projekt einer Gaspipeline von den gasreichen Emiraten nach Europa wäre dies ein zweites Motiv für die verdeckten und zunehmend offenen US-Interventionen, die auf eine Annexion Nordsyriens zu zielen scheinen.

Am 7.2.2018 verübten amerikanische Kampfflugzeuge und Artillerie in der nordostsyrischen Provinz Deir ez-Zor ein scheinbar grundloses Massaker an bis ca. 100 regierungstreuen Kämpfern. Die syrische Regierung verurteilte den Angriff zurecht als Kriegsverbrechen und „direkte Unterstützung des Terrorismus“. Sie betonte, ihre Truppen seien von den USA angegriffen worden, während sie im Gebiet bei al-Tabiya am Ostufer des Euphrat gegen IS-Terroristen kämpften.

Washington ist offenbar entschlossen, der syrischen Regierung die Kontrolle über die syrische Ölgebiete um al-Tabiya dauerhaft zu entziehen und diese praktisch zu annektieren. Zu diesem Zweck planen die USA die Errichtung einer „Kontrollzone“, die etwa 30 Prozent des Landes ausmacht und dabei Syrien auch die Grenzen zur Türkei und dem Irak abschneidet. Geplant ist vermutlich eine Zerschlagung Syriens und Annexion der Ölregion al-Tabiya als Nato-Protektorat nach dem Vorbild Jugoslawiens bzw. des Kosovo.

Hauptproblem der CIA scheint in Syrien zu sein: Die IS-Terroristen sind nicht so leicht fernzusteuern wie die albanische Mafia, die das Kosovo beherrscht. Daher wandten sich die USA gegen sie und bewaffneten die IS-Gegner der YPG. Doch auch diese fielen nach ihrem Sieg über den IS in Washington in Ungnade: Sie standen politisch der PKK nahe und zu weit links, probten sogar eine Art „kurdischen Kommunismus“ in ihrem Gebiet. Jetzt müssen sie bei Assad und Moskau um Hilfe nachsuchen, derweil die USA ihre Annexionspläne in Nordsyrien vorantreiben.

Schlacht um al-Tabiya: Wollen die USA Nordsyrien annektieren?

Manfred Gleuber

Bashir al-Assad nahm 2005 der US-Firma Conoco die Petroindustrie von al-Tabiya ab, um die Einnahmen dem syrischen Staat zu sichern. Das gefiel Conoco nicht und sie holten sich den CIA-Nestor Richard Armitage in den Vorstand. 2011 fielen IS-Terroristen über Syrien her und eroberten die Anlagen von Assad zurück. 2018 streben die USA nach Herrschaft über Nordsyrien. Soll das Öl-Gebiet heimlich annektiert werden? Neben dem von Assad torpedierten Projekt einer Gaspipeline von den Emiraten nach Europa wäre dies ein zweites Motiv für die verdeckten und zunehmend offenen US-Interventionen in Syrien.

Der erbitterte Hass, mit dem Westmedien gegen Assad vorgehen und ihre weitreichende Blindheit für US-Verwicklungen in diesen als „Bürgerkrieg“ deklarierten Umsturzversuch, sind auffällig. Immer wenn Assad oder das verbündete Russland Aufständische bzw. Terroristen bekämpfen, überschwemmen ARD & Co. ihre Zuschauer mit Bildern leidender Zivilisten, etwa bei der Befreiung von Aleppo. Den Kämpfern, gegen die sich Assads Angriffe richten, wird ausdrücklich nicht vorgeworfen, die Zivilisten als „menschliche Schutzschilde“ zu missbrauchen -dies hört man nur, wenn Bomben von USA und Nato in Syrien fallen, wie bei der Befreiung von Raqqa. Dann sieht man auch keine verletzten Kinder, deren Bilder von dubiosen „Hilfs- und Menschenrechtsgruppen“ wie den „Weißhelmen“ in die ARD-Studios strömen, sondern nur jubelnde Menschen, die Nato-Kämpfer willkommen heißen.

Immer weniger Menschen glauben diese Version des Geschehens, doch ARD & Co. verweigern jede Hintergrundrecherche. Dabei liegen Interessen der US-Industrie in Syrien auf der Hand und die Verwicklung von führenden CIA-Leuten lässt sich schon bei simpler Wikipedia-Lektüre nachweisen: Conoco verlor seine Petroindustrie 2005  holte sich den Beinahe-CIA-Chef Richard Armitage 2006.

Die US-Strategie läuft auf heimlich Annexion der Ölregionen und einer möglichen Gaspipeline-Trasse von den Emiraten am Golf nach Europa hinaus. Seit 2014 sind in dem Gebiet mindestens 13 Militärbasen entstanden, auf denen die USA und ihre Verbündeten stationiert sind. Weitere Stützpunkte sind im Bau, die US-Armee festigt ihre Präsenz. Die »Demokratische Föderation Nordsyrien«, die damit de facto unter US-Besatzung steht, soll sich auf die Gebiete östlich des Euphrats beschränken. Dort liegt nicht nur die Kornkammer Syriens, sondern auch ein großer Teil der syrischen Ölressourcen. Außerdem wird von dieser Gegend aus die Wasserversorgung Nordostsyriens kontrolliert. Insgesamt 14 Dämme entlang des Euphrat und seiner Nebenflüsse wie des Khabur stehen heute de facto unter kurdischer bzw. US-amerikanischer Kontrolle.

Weitere Erkenntnisse folgen…

Neue ARD-Krimtartaren-Attacke! Aber ist es nun eine „Annexion“?

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Krimtartaren

Gilbert Perry

Sie reiten wieder in die Schlacht, unsere  journalistischen Krimtartaren: Entspannung mit Russland? Nein! Abbau der Sanktionen? Niemals! Weniger Nato-Säbelrasselei? Nur über unsere Leichen! Grund: Putin hat die Krim annektiert! Aber ist das wirklich wahr? Merkel sagt: Falsch! Aber nicht Angela, sondern Reinhard Merkel, ein westdeutscher Jura-Professor, der am Max-Planck-Institut über internationales Recht forschte, von der Bundesregierung in ihren Ethikrat berufen wurde und 1988-90 für die ZEIT schrieb. Die  Medienmeute schweigt und Wikipedia verdreht dreist  R.Merkels Krim-Analyse. Doch sein juristisches Statement steht auch bei der stramm rechtsgedrehten FAZ und die ist nur schwer zu verdächtigen, russische Propaganda zu verbreiten. R.Merkel zu Maßnahmen der Krim-Eingliederung in die russische Förderation: „Der Unterschied zur Annexion, den sie markieren, ist ungefähr der zwischen Wegnehmen und Annehmen.

Wikipedia stellt den Hamburger Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie, Reinhard Merkel (nicht verwandt oder verschwägert mit Angela Merkel) als emeritiert vor, was der 66jährige seit Kurzem ist. Doch zuvor hat der streitbare Jurist noch einen Tabubruch begangen: 2013 bezog er in der FAZ offen Stellung gegen die von der prowestlichen Mainstream-Meute lauthals propagandistisch ausposaunte Behauptung, Putin habe die Krim „annektiert“:

„Was auf der Krim stattgefunden hat, war etwas anderes: eine Sezession, die Erklärung der staatlichen Unabhängigkeit, bestätigt von einem Referendum, das die Abspaltung von der Ukraine billigte. Ihm folgte der Antrag auf Beitritt zur Russischen Föderation, den Moskau annahm. Sezession, Referendum und Beitritt schließen eine Annexion aus, und zwar selbst dann, wenn alle drei völkerrechtswidrig gewesen sein sollten.FAZ

AN anderer Stelle führt er weiter aus, das aber auf der Krim keiner der drei Schritte völkerrechtswidrig waren. Ein mutiger Schritt des Professors, den kaum ein juristischer Kollege mitzugehen wagte. In der Debatte stößt man auf Verlinkungen zum FAZ-Artikel, die nicht funktionieren. Die FAZ scheint die URL zuweilen zu ändern, um es Westkritikern zu erschweren, ihre Argumente zu belegen (als erstes Bollwerk gegen kritische Leser, die auf diese Argumente stoßen, das zweite ist die gehässig-verdrehende Abhandlung des Kritikers R.Merkel auf Wikipedia). Bei Abfassung dieses Textes funktionierten alle Links auf

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/die-krim-und-das-voelkerrecht-kuehle-ironie-der-geschichte-12884464.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

Wikipedia verdreht Aussagen im Mainstream-Krimkrieg gegen Putin
Krimtartaren_1593

Krimtartaren 1593

Reinhard Merkel stellte klar, dass die Angliederung der Krim durch Russland KEINE ANNEXION sei und auch KEIN BRUCH DES VÖLKERRECHTS. Völkerrechtswidrig war allenfalls eine gewisse Ausdehnung der russischen Truppenpräsenz auf der Krim, also von Truppen die dort gemäß Verträgen mit der Ukraine auf dem wichtigsten russischen Seestützpunkt stationiert sind. Die Truppen sollten das demokratisch mustergültig abgehaltene Referendum gegen ukrainischen Terror schützen, wie man ihn in Odessa sah (wo Westmedien ein Massaker ignorierten) oder auf dem Maidan (wo Westmedien das Massaker Putin oder der „prorussischen“ Regierung, die das Volk stürzen wollte, in die Schuhe schoben -fälschlich, wie man später zugeben musste: Maidan-Studie).

Glauben Sie nicht die Verdrehungen von Wikipedia, wo Reinhard Merkel erst möglichst anrüchig (Embryonen, Rettungsfolter) präsentiert, dann tendenziös zitiert und schließlich von der Übermacht zweier anders, nämlich Nato-konform, redenden Juristen „widerlegt“ werden soll:

„Die russische Militärpräsenz auf der Krim 2014 ist laut Merkel zwar völkerrechtswidrig, weil sie das zwischenstaatliche Interventionsverbot verletze, aber keine Annexion[15] – eine Einschätzung, der Völkerrechtler wie Anne Peters[16] und Claus Kreß widersprachen.[17] Wikipedia (Eintrag Reinhard Merkel)

Im Originalstatement von R.Merkel vom 7.4.2014 aus der (damals wohl noch zaghaft deutsche Wirtschaftsinteressen in Russland vertreten wollenden) FAZ liest sich das etwas anders:

„Hat Russland die Krim annektiert? Nein. Waren das Referendum auf der Krim und deren Abspaltung von der Ukraine völkerrechtswidrig? Nein. Waren sie also rechtens? Nein; sie verstießen gegen die ukrainische Verfassung (aber das ist keine Frage des Völkerrechts).“ Reinhard Merkel in der FAZ

Lügt Wikipedia schnell noch seiner stramm-prowestlichen Tendenz in die Tasche, bevor die Wikipedianer ihre beiden Gegenzeugen in ihre Propagandaschlacht werfen? (Zwei Kronzeugen, die leider an juristischem Renommee nicht mit R.Merkel mithalten können.) Ja! Denn im unter Wiki-Footnote (15) angegebenen Quelle, dem FAZ-Artikel, ist überhaupt nicht von einem „Interventionsverbot“ die Rede, Merkel sagt dort zu Russland:

„War dessen Handeln also völkerrechtsgemäß? Nein; jedenfalls seine militärische Präsenz auf der Krim außerhalb seiner Pachtgebiete dort war völkerrechtswidrig. Folgt daraus nicht, dass die von dieser Militärpräsenz erst möglich gemachte Abspaltung der Krim null und nichtig war und somit deren nachfolgender Beitritt zu Russland doch nichts anderes als eine maskierte Annexion? Nein.“ FAZ

Verletzt wurde allenfalls ukrainisches Recht, was aber keine Einmischung seitens EU, USA oder NATO von außen rechtfertigen könne. Wikipedia verzerrt also offensichtlich, um sich in den Medien-Propaganda-Mainstream gegen Russland einzufügen. Sogar die Ausführungen von Merkel über die Rechtmäßigkeit des Krim-Referendums zur Abspaltung werden bei Wikipedia raffiniert zurechtgebogen, um die eigene ideologische Position in ein glaubwürdigeres Licht zu rücken:

Bei aller Empörung über das russische Vorgehen, so Merkel, sei hierzulande nicht ernsthaft bezweifelt worden, dass im Ergebnis des Referendums auf der Krim der authentische Wille einer großen Mehrheit der Krim-Bevölkerung zum Ausdruck kam, ob die amtlichen Ergebnisse im Einzelnen korrekt waren, wäre dafür ohne Belang.Wikipedia (Eintrag Reinhard Merkel)

Im Eintrag Annexion bei Wikipedia heißt es: „Eine Annexion (von lat…) ist die erzwungene (und einseitige)[1] endgültige Eingliederung eines bis dahin unter fremder Gebietshoheit stehenden Territoriums in eine andere geopolitische Einheit.“

Etwas Derartiges lag aber auf der Krim nicht vor, da die Bevölkerung sich in einem Referendum zur Abspaltung bekannte, ehe Russland sie weder erzwungen noch einseitig in sein Gebiet aufnahm. Reinhard Merkel dazu:

„Die offiziellen Bekundungen westlicher Regierungen lauten anders. Glaubt man ihnen, dann hat Russland auf der Krim völkerrechtlich das Gleiche getan wie Saddam Hussein 1991 in Kuweit: fremdes Staatsgebiet militärisch konfisziert und dem eigenen zugeschlagen. Die Annexion damals, man erinnert sich, hat ihrem Urheber einen massiven Militärschlag zugezogen. Wäre ein solcher Schlag, von seiner politischen Unmöglichkeit abgesehen, heute auch gegen Russland gerechtfertigt? Gewiss nicht. Aber das ist nicht der einzige Grund, den regierungsamtlichen Vokativen von Berlin bis Washington zu misstrauen.“ FAZ

„Annexion“ heiße im Völkerrecht die gewaltsame Aneignung von Land gegen den Willen des Staates, dem es zugehört, durch einen anderen Staat, führt Reinhard Merkel dann weiter aus: Annexionen verletzen das zwischenstaatliche Gewaltverbot, die Grundnorm der rechtlichen Weltordnung. Regelmäßig geschehen sie im Modus eines „bewaffneten Angriffs“, der schwersten Form zwischenstaatlicher Rechtsverletzungen. Dann lösen sie nach Artikel 51 der UN-Charta Befugnisse zur militärischen Notwehr des Angegriffenen und zur Nothilfe seitens dritter Staaten aus – Erlaubnisse zum Krieg auch ohne Billigung durch den Weltsicherheitsrat, so R.Merkel.

Krim-Annexion? „das ist Propaganda“

Schon diese von ihm in der FAz dem stockkonservativen Publikum präsentierte Überlegung, mahnt Reinhard Merkel daher, sollte den fahrlässigen Umgang mit dem Prädikat „Annexion“ disziplinieren. Freilich biete dessen abstrakte Definition auch allerlei irreführenden Deutungen Raum. Aus einer von ihnen scheine sich das „völkerrechtliche Stigma“ ableiten zu lassen, das „der Westen derzeit dem russischen Vorgehen aufdrückt“ und an dem er die eigene Empörung beglaubige. Wie bewertet der Ethikrat-erfahrene Rechtsprofessor diese uns damalstäglich, jetzt immer noch bei jeder Gelegenheit von der ARD, Bertelsmann & Co in die Ohren posaunte Empörung? Genau wie wir hier im Blog. Prof.em. Reinhard Merkel:

„Aber das ist Propaganda. Was auf der Krim stattgefunden hat, war etwas anderes: eine Sezession, die Erklärung der staatlichen Unabhängigkeit, bestätigt von einem Referendum, das die Abspaltung von der Ukraine billigte. Ihm folgte der Antrag auf Beitritt zur Russischen Föderation, den Moskau annahm. Sezession, Referendum und Beitritt schließen eine Annexion aus, und zwar selbst dann, wenn alle drei völkerrechtswidrig gewesen sein sollten. Der Unterschied zur Annexion, den sie markieren, ist ungefähr der zwischen Wegnehmen und Annehmen. Auch wenn ein Geber, hier die De-facto-Regierung der Krim, rechtswidrig handelt, macht er den Annehmenden nicht zum Wegnehmer. Man mag ja die ganze Transaktion aus Rechtsgründen für nichtig halten. Das macht sie dennoch nicht zur Annexion, zur räuberischen Landnahme mittels Gewalt, einem völkerrechtlichen Titel zum Krieg.“ FAZ

Rechtswissenschaftler, weiß Wikipedia, unterscheiden im sogenannten modernen Völkerrecht von der durch unmittelbare Androhung oder Durchführung militärischer Gewalt charakteristischen Annexion (wobei im Schrifttum umstritten ist, ob eine Annexion nur durch die einseitige Erklärung des annektierenden Staates erfolgen kann) – und damit der völkerrechtswidrigen Aneignung eines Gebietes, das zuvor einem auswärtigen Staat gehörte – die völkerrechtliche Abtretung (Zession). Bei letzterer hat der Staat, der über das Gebiet allein verfügte, dieses einvernehmlich in einem formellen Vertrag abgetreten; mit ihr tritt die neue Staatsgewalt an die Stelle der alten. Wird dieses Gebiet dann zu einem neuen, inkorporierten Staat (Gliedstaat) eines bestehenden Staatsverbandes (Föderation), spricht man von einer konsentierten, nicht einseitigen Sezession. Reinhard Merkel führt zur Frage, ob die Eingliederung der Krim in russisches Gebiet rechtens war, weiter aus:

„Aber war sie nichtig? Waren ihre drei Elemente – Referendum, Sezession, Beitrittserklärung – völkerrechtswidrig? Nein. Schon auf den ersten Blick ungereimt ist die von der amerikanischen Regierung ausgegebene Behauptung, bereits das Referendum habe gegen das Völkerrecht verstoßen. Veranstaltet ein Teil der Bevölkerung eines Landes unter seinen Mitgliedern ein Plebiszit, so macht ihn das nicht zum Völkerrechtssubjekt. Normen des allgemeinen Völkerrechts, etwa das Verbot, die territoriale Integrität von Staaten anzutasten, betreffen ihn nicht und können von ihm nicht verletzt werden. Die Feststellung reicht über das Referendum auf der Krim hinaus. Auch die Sezessionserklärung selbst verletzt keine völkerrechtliche Norm und könnte dies gar nicht. Sezessionskonflikte sind eine Angelegenheit innerstaatlichen, nicht internationalen Rechts. Diesen Status quo des Völkerrechts hat der Internationale Gerichtshof vor vier Jahren in seinem Rechtsgutachten für die UN-Generalversammlung zur Sezession des Kosovo bestätigt.“ FAZ

O weh! O Graus! „Propaganda! Propaganda! Russische Propaganda!!“ heulten die ARD-Medien empört, wann immer jemand das Kosovo mit der Krim verglich. Doch warum sollte so ein Vergleich unzulässig sein? Ein Territorium wurde per Votum der dort lebenden Bevölkerung aus einem souveränen Staat heraus gelöst -das passte EU, USA und Nato gut ins Konzept, obwohl die historisch-politischen Hintergründe eine solche Sezession beim Kosovo weit weniger nahe legten als jetzt bei der Krim (die historisch zu Russland gehört und aus einer Vodka-Laune heraus in Sowjetzeiten zur sowjetischen Ukraine geschlagen wurde, als mal ein Ukrainer in Moskau am Ruder war).

Aber die Rechtslage ist kompliziert: Nun öffne sich hier die Möglichkeit für allerlei sinistre Schachzüge, meint Reinhard Merkel, im Streit um die passenden Rechtsbegriffe. Sowenig das Völkerrecht ein Verbot der Sezession kenne, so wenig akzeptiere es umgekehrt ein Recht darauf: Es trifft dazu keine Regelung. Die Staaten haben ersichtlich kein Interesse an der positiven Setzung eines Rechtstitels, der die Beschädigung, ja Zerstörung ihrer eigenen Territorien durch sezessionsgeneigte Minderheiten erlauben würde. Und da sie nicht nur die vom Völkerrecht Verpflichteten, sondern auch dessen Urheber sind, gibt es einen solchen Anspruch eben nicht, von eng umschriebenen Ausnahmen abgesehen, die im Fall der Krim nicht einschlägig sind. Die Gemeinschaft der Staaten, so die saloppe Fußnote der Völkerrechtslehre, sei kein Club von Selbstmördern. Aber, gibt der Ethikrat-Professor zu bedenken:

„Daraus lässt sich im Propagandakrieg etwas machen. Die landläufige Feststellung, das Völkerrecht habe den Krim-Bewohnern kein Recht zur Sezession gewährt, ist ganz richtig. Aber der mitgelieferte Schluss, also sei die Sezession völkerrechtswidrig gewesen, ist falsch. Seine irreführende Wirkung, auf die sich seine Urheber freilich verlassen können, bezieht er aus einer verfehlten Parallele zum innerstaatlichen Recht. Dieses gewährleistet außerhalb seiner konkreten Verbote stets ein prinzipielles Freiheitsrecht. Es erlaubt, was es nicht ausdrücklich untersagt. Deshalb bedeutet in seiner Sphäre die Feststellung, jemand habe ohne Erlaubnis gehandelt, stets zugleich das Verdikt, dieses Handeln sei rechtswidrig gewesen.

Die Logik eines solchen Entweder-oder gilt im Völkerrecht nicht. Es kennt Formen kollektiven Handelns, zu denen es sich neutral verhält. Die Sezession ist ein exemplarischer Fall. Ein allgemeines Verbot ginge ins Leere, da dessen mögliche Adressaten dem Völkerrecht nicht unterworfen sind. Aber eine Erlaubnis dazu wird in etlichen internationalen Dokumenten seit Jahrzehnten verneint. Auch als allgemeines Freiheitsrecht wäre sie völkerrechtlich nicht zu begründen.

Das dürfte sich der in Brüssel und in Washington verordneten Sprachregelung wie von selbst eingefügt haben. Kein Recht der Krim auf Sezession! Das Referendum ein Bruch des Völkerrechts und daher null und nichtig! Der „Beitritt“ zu Russland nichts anderes als eine Annexion! Eine schöne Ableitung. Nur leider falsch.“ FAZ

Aber die russische Militärpräsenz?
KrimTartaren2

Krimtartaren Schlachtengemälde

„Aber die russische Militärpräsenz?“, fragt Reinhard Merkel weiter. Mache sie nicht die ganze Prozedur der Sezession zur Farce? Zum schieren Produkt einer Drohung mit Gewalt? Wäre es so, dann wären Ablauf und Ergebnis des Referendums genauso wie die Erklärung der Unabhängigkeit allein den Drohenden zuzurechnen, auch wenn die Einheimischen mit guter Miene bei der bösen Inszenierung mitspielten. Die Rede von der Annexion wäre dann richtig. So habe Stalin 1940 die baltischen Staaten annektiert. Nach ihrer Besetzung und der Zwangseinrichtung kommunistischer Marionettenparlamente ließ er deren Mitglieder in Moskau um den Anschluss an die Sowjetunion ersuchen, den er freundlich gewährte. Ebendeshalb war ein knappes halbes Jahrhundert später die Ablösung der baltischen Staaten von der späten UdSSR keine Sezession, sondern die Wiederherstellung einer Souveränität, die als Rechtstitel nie erloschen war. Wäre das nicht das passende Modell zur Deutung der Vorgänge auf der Krim? R.Merkel:

„Nein. Die Zwangswirkung der russischen Militärpräsenz bezog sich weder auf die Erklärung der Unabhängigkeit noch auf das nachfolgende Referendum. Sie sicherte die Möglichkeit des Stattfindens dieser Ereignisse; auf deren Ausgang nahm und hatte sie keinen Einfluss. Adressaten der Gewaltandrohung waren nicht die Bürger oder das Parlament der Krim, sondern die Soldaten der ukrainischen Armee. Was so verhindert wurde, war ein militärisches Eingreifen des Zentralstaats zur Unterbindung der Sezession. Das ist der Grund, warum die russischen Streitkräfte die ukrainischen Kasernen blockiert und nicht etwa die Abstimmungslokale überwacht haben. Natürlich wusste Putin, dass die von ihm gewünschten Resultate sicher waren und keiner erzwungenen Fälschung bedurften. Aber ob er andernfalls sogar dazu bereit gewesen wäre, steht nicht zur Debatte. Bei aller Empörung über das russische Vorgehen ist auch hierzulande nicht ernsthaft bezweifelt worden, dass im Ergebnis des Referendums der authentische Wille einer großen Mehrheit der Krim-Bevölkerung zum Ausdruck kam. Ob die amtlichen Ergebnisse im Einzelnen korrekt waren, ist dafür ohne Belang. Die wirklichen Zahlen lagen jedenfalls weit über der Marke von fünfzig Prozent.“ FAZ

Gleichwohl war die russische Militärpräsenz völkerrechtswidrig, so R.Merkel: Auch wenn gerade sie einen blutigen Einsatz von Waffengewalt auf der Krim verhindert haben mag (in der FAZ war ein illustrierender Verweis auf Odessa wohl nicht möglich), verletzte sie das zwischenstaatliche Interventionsverbot. Das machte aber die davon ermöglichte Sezession keineswegs nichtig. Aber es berechtigt andere Staaten zu Gegenmaßnahmen, zum Beispiel zu Sanktionen. Deren Verhältnismäßigkeit hat sich allerdings an ihrem tatsächlichen Anlass zu bemessen und nicht an einem fingierten Schreckgespenst: an einer militärischen Nötigung auf fremdem Staatsgebiet also, nicht aber einer gewaltsamen Annexion. Bei aller Überinstrumentierung der eigenen Empörung scheint man das in den westlichen Regierungen immerhin zu fühlen. Man warte nur das künftige Sanktionsregime und vor allem dessen Dauer ab. Viel Geduld wird man dafür nicht brauchen. Und frage sich dann, ob eine solche Antwort auf einen echten gewaltsamen Landraub nicht federleicht erschiene… Inzwischen wissen wir, dass Europa und vor allem die deutsche Wirtschaft für die Nato-Geopolitik an der Sanktionsfront bluten mussten, nicht die USA, die doch eigentlich hinter dem Putsch in Kiew stecken. Einige argwöhnen sogar, es ginge den USA auch darum, ihren manchmal aufmüpfigen Vasallen in Europa mit der Ukrainekrise ein faules Ei insNest gelegt zu haben, um sie zu disziplinieren und in die militärische Nato-Front zu pressen. Das mutmaßt Reinhard Merkel aber nicht. Er führt aus:

„Noch eine weitere Völkerrechtsverletzung ist Russland vorzuhalten. Sowenig das allgemeine Völkerrecht Sezessionen verbietet, weil es deren Urheber nicht verpflichten kann, so unzweideutig verlangt es von den anderen Staaten, die dadurch geschaffene Lage nicht oder jedenfalls nicht vor deren politischer Konsolidierung anzuerkennen. Zwei Tage nach dem Referendum, am 18. März, hat Russland das Abkommen zum Beitritt der Krim unterzeichnet. Das dürfte die stärkste Form der Anerkennung eines Sezessionsgebiets als eines unabhängig gewordenen Staates sein. Zwar geht die Frage, ob sich ein unabhängiger Staat einem anderen anschließt, den Rest der Welt so wenig an wie das Völkerrecht. Aber ob das Beitrittsgebiet nach einer vorherigen Sezession als ein solcher Staat anerkannt werden darf, sehr wohl.

Zahllose Probleme, die damit zusammenhängen, sind in der Völkerrechtsdoktrin seit langem umstritten. Über bestimmte Grundlagen besteht aber weitgehend Einigkeit. Danach war die russische Anerkennung der Krim als eines beitrittsfähigen unabhängigen Staates zwei Tage nach ihrer Abspaltung mehr als vorschnell. Sie verletzte, heißt das, den völkerrechtlichen Anspruch der Ukraine auf Achtung ihrer territorialen Integrität. Auch das rechtfertigt internationale Gegenmaßnahmen.

Freilich müssen sich die empörten westlichen Staaten nun an ihre eigenen Nasen fassen. Vor sechs Jahren, am 17. Februar 2008, erklärte die provisorische Zivilverwaltung im Kosovo dessen Unabhängigkeit vom serbischen Zentralstaat. Das verstieß, wiewohl der Internationale Gerichtshof das zwei Jahre später verneint hat, gegen einschlägiges spezielles Völkerrecht, nämlich die Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrats vom Juni 1999, die den Kosovo nach der Nato-Intervention unter die Hoheitsgewalt der Vereinten Nationen gestellt und zugleich die Unverletzlichkeit der serbischen Grenzen garantiert hat. Einen Tag nach dieser Sezession haben England, Frankreich und die Vereinigten Staaten, drei Tage später hat Deutschland den Kosovo als unabhängigen Staat anerkannt.

Auch das waren überhastete Akte der Anerkennung und damit völkerrechtswidrige Eingriffe in den Anspruch Serbiens auf Achtung seiner territorialen Integrität. Damals hat Russland den Westen scharf kritisiert, heute spielt es das gleiche Spiel. Dass dabei die Rollen vertauscht sind, mag man als kühle Ironie einer Weltgeschichte verbuchen, die noch immer den Maximen der politischen Macht weit eher folgt als den Normen des Völkerrechts.

Das ist bedauerlich, aber vorderhand nicht zu ändern. Und das wäre vielleicht ein Grund, die völkerrechtliche Kirche im politischen Dorf zu lassen und immerhin rhetorisch ein wenig abzurüsten. Russland hat völkerrechtswidrig gehandelt, in mäßig dramatischem Modus und politisch keineswegs wie ein hasardierender Gangster. Der nun entstandene Zustand war für die Krim langfristig wohl ohnehin unumgänglich. Und die Form, in der er nun herbeigeführt wurde, mag bei all ihrer Unerfreulichkeit gravierendere Konflikte vermieden haben. Annexionen zwischen Staaten sind dagegen typischerweise Kriegsgründe.

Wer heute mit Blick auf die Krim so redet, verwirrt nicht nur die völkerrechtlichen Grundbegriffe, sondern mobilisiert deren Legitimationspotential auf eine gefährliche Weise. Wenn nicht alle Zeichen trügen, ist der Westen soeben dabei, sich für eine verfehlte Außenpolitik die Quittung einer welthistorischen Blamage zuzuziehen. Er sollte deren Kollateralschäden nicht allzu weit in die Sphäre des Völkerrechts ausdehnen.“  FAZ

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Krimtartaren 1907

Was zu beweisen war. Aber die ARD-Propagandatruppe niemals wahrhaben wollte und als „russische Propaganda“ verdammte und weiter verdammt bis heute. Und wenn sie ihre Wendehälse nicht nach einer neuen Geopolitik von Nato, Westoligarchen und Bilderberg erneut verdreht haben, werden sie das auchweiter tun. Lügen durch Verdrehen und Weglassen wie die Lückenpresse es nun mal macht. Und wir müssen leider der strammrechten FAZ noch dankbar sein, dass sie wenigstens etwas mehr Rückgrat hat als die Gurkentruppen der Staatssender und dem Lotterhaufen bei Bertelsmann. Der aufrechte Professor Reinhard Merkel hat seine Krim-Analyse in zahlreichen Interviews wiederholt und wir warten darauf, so eines nicht nur bei RT, sondern auch bei der ARD zu sehen…

SPD-Urgestein Eppler kritisiert Anti-Putin-Kampagne

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Erhard Eppler (SPD)

Daniela Lobmueh

Russland annektierte die Krim unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht der Krimbewohner. Erhard Eppler (SPD) kritisierte Merkels Haltung dazu und erinnerte an 40 Jahre westdeutsche Politik, die mit gleicher Rechtfertigung die DDR beanspruchte. Er warnte vor geopolitischen Abenteuern der EU- und Nato-Osterweiterer und kritisiert Merkel und die Medien, die uns die Aufrüstungspläne Kiews verschweigen, für die wir zahlen müssen und die uns 20fach mehr kosten als die griechischen Schulden.

Moskau annektierte die Krim nach einem Referendum unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht der Krimbewohner. Erhard Eppler, graue Eminenz der SPD in Sachen Ost- und Friedenspolitik, kritisierte jetzt Merkels bornierte Haltung dazu. Eppler erinnerte an 40 Jahre westdeutsche Politik, die mit gleicher Rechtfertigung ihre „Alleinvertretung“ deutscher Interessen auch für die Menschen der DDR betrieb. Er warnte vor geopolitischen Abenteuern der EU- und Nato-Osterweiterer, die Russland missachten und unterschätzen und kritisiert ein doppeltes Versagen: Das von Merkel und das der deutschen Medien, die uns die gigantischen Aufrüstungspläne Kiews verschweigen, für die wir zahlen müssen und die uns 20fach mehr kosten würden als die griechischen Schulden.

Unsere Medien haben mit Athen zwar derzeit ein anders Opfer gefunden, auf dem sie herumhacken, aber Putin bleibt für sie ein Buhmann. Die Darstellung russischer Politik hat rechtspopulistische Schlagseite, auch in den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten von ARD bis ZDF, siehe geleakte interne Kritik des eigenen Programmbeirats. Daher ist es bedeutsam, wenn ein ehemals prominenter Altpolitiker der SPD sich gegen diese Kampagnen wendet, besonders wenn es eine graue Eminenz der Ost- und Sicherheitspolitik wie Eppler ist. Leser kritischer Blogs reiben sich freilich die Augen, wie wenig die deutsche Altlinke offenbar von den antirussischen Medienkampagnen mitbekommen hat. In seinem Aufruf „Demütigung als Gefahr: Russland und die Lehren der deutschen Geschichte“ im Politmagazin „Blätter“, warnt der SPD-Senior vor der aktuellen Kurzsichtigkeit von Merkels Ostpolitik, die von neoliberalen think tanks wie der Bertelsmann-Stiftung gelenkt wird. Bertelsmann-Medien wie RTL und „Spiegel“  sind maßgeblich an der Anti-Putin-Kampagne beteiligt, die wohl im Kern die EU-Osterweiterung im Dienste unsauberer westlicher Finanzinteressen betreibt.

Spekulieren über Putins „finstere Absichten“

„Ich habe diesen Putin nur einmal getroffen, bei Gerhard Schröders 60. Geburtstag. Da kam er nach Hannover mit StoppPutinSpieinem Kosakenchor, der das Niedersachsenlied schmetterte… Das war ein Putin, der seinen Platz in Europa suchte. Heute ist es auch in Deutschland so etwas wie ein Denksport, über die finsteren Absichten Putins zu spekulieren… Warum ist niemand auf die Idee gekommen, mit Putin über das Assoziationsabkommen mit der Ukraine zu reden?“ Erhard Eppler, „Blätter“

Eppler warnt in seinem eindringlichen Aufruf davor, kurzfristigen geopolitischen Absichten die langfristig notwendige Friedensperspektive für Europa zu opfern, die ohne gute Beziehungen zu Russland zum Scheitern verurteilt ist. Besonders kritisiert er die heuchlerische Haltung von Angela Merkel, die Krimkrise nur formal-völkerrechtlich zu bewerten und Putin als Aggressor, sogar als „Verbrecher“ (Merkel) hinzustellen:

„Zwar wird in Kiew einfach die Rückgabe der Krim verlangt, aber ohne die Leute dort zu überhaupt fragen. Wenn Frau Merkel zwar immer wieder – formal korrekt – die Verletzung des Völkerrechts tadelt, aber nie andeutet, wie sie sich reparieren ließe, hat dies wohl einen guten Grund: Kann gerade sie, die Deutsche, verlangen, dass die Krim, was immer ihre Bewohner wollen, wieder ukrainisch wird? Schließlich haben wir Deutschen uns vierzig Jahre lang nicht auf das Völkerrecht, sondern auf das Selbstbestimmungsrecht berufen. Und das soll nun für die Krimbewohner nicht mehr gelten? Das kann keine deutsche Regierung wollen oder gar durchsetzen. Also bleibt es beim Tadel ohne die geringste Andeutung, wie das, was Frau Merkel – wohl versehentlich – als Verbrechen bezeichnet hat, zu reparieren wäre.“ Erhard Eppler, Blätter

Eppler bringt, äußerst mutig für einen deutschen Mainstream-Politiker, gegenüber der Krim-Annexion durch Russland den USA- bzw. Nato-Staaten-Angriff auf den Irak ins Gespräch. Auch diese Besetzung war ein Bruch des Völkerrechts, aber mit ungleich schlimmeren Folgen und ungleich schlechterer Rechtfertigung (obwohl er die Propagandalügen der USA und ihre Plünderung irakischer Ölquellen nicht erwähnt):

„Im Übrigen ist die Weltgeschichte kein Amtsgericht. Das Völkerrecht ist zweifellos ein wichtiger Maßstab. Ich bin aber kein Jurist, sondern Politiker. Für mich noch wichtiger ist, bei der Abwägung einer politischen Aktion, was diese für die betroffenen Menschen zur Folge hat. Offenbar fühlen sich die meisten Krimbewohner in Russland ganz wohl, vielleicht sogar zuhause. Vergleicht man dies mit einem anderen Bruch des Völkerrechts, dem Irakkrieg, dann kann man schwermütig werden. Der amerikanische Bruch des Völkerrechts, der militärische Angriff – mit verlogenen Begründungen – auf einen anderen Staat, hat den Nahen Osten in ein Gewaltchaos verwandelt, das auch die Weltmacht USA nicht mehr bändigen kann.“ Erhard Eppler, Blätter

Tausende würden in Folge dieser US-Aggression jetzt umgebracht, so Eppler, und niemand wüsste, wann das Morden endet. Und das alles nur, weil ein amerikanischer Präsident dort tabula rasa machen und eine Musterdemokratie errichten wollte. Wer das 21. Jahrhundert so begann und nun hilflos vor den Ergebnissen der eigenen Politik steht, so Eppler in Richtung USA aber auch Merkel und Mainstream-Medien, solle sich hüten, die Staaten in gute und böse einzuteilen.

Eppler verweist daher auch darauf, dass Putin kaum der Kriegstreiber hinter dem Ukrainekonflikt sein könne, als den ihn deutsche Medien immer hinstellen: Immerhin habe dieser Putin vieles getan, was nicht auf expansionistische Absichten schließen ließ. Als in Donezk und Lugansk die ukrainische Polizei lächelnd zusah, wie die Separatisten ein Rathaus nach dem anderen besetzten und die Herrscher der neuen „Volksrepubliken“ um Beitritt zur Russischen Föderation baten, habe Putin das einfach überhört. Und als in Kiew der Ministerpräsident Jazenjuk bei jeder Gelegenheit erklärte, die Ukraine befände sich im Krieg mit Russland, habe Putin dies nicht als Kriegserklärung gewertet und seine Panzer gen Kiew in Marsch gesetzt. Putin habe es nicht einmal kommentiert. Den Ablauf der Ukrainekrise mit Putsch in Kiew, Anerkennung der illegitimen Regierung Jazenjuks unter Beteiligung von Rechtsextremen und Neonazis sieht der SPD-Altlinke jedoch eher als Folge schlampiger Politik, denn als geopolitisches Expansionskalkül:

<span class="fcredit">Foto: <a href="https://www.flickr.com/photos/yeowatzup/149199030/" target="_blank">yeowatzup (CC BY 2.0)</a></span>

flickr, yeowatzup CC BY 2.0

„Warum ist niemand auf die Idee gekommen, mit Putin über das Assoziationsabkommen mit der Ukraine zu reden? Jetzt, nachträglich tun wir es ja, aber nun ist es zu spät. Hätte der damalige Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso, das tun sollen? Aber der dachte nicht daran. Und das gefiel auch den Regierungschefs, die, wie vor allem die deutsche Kanzlerin, dafür gesorgt hatten, dass es keinen politisch starken Kommissionspräsidenten gab. Niemand war dafür zuständig, also taten wir so, als ob es Russland gar nicht gäbe. Und rieben uns die Augen, als dieses Russland uns auf dramatische Weise daran erinnerte, dass es noch existierte.“ Erhard Eppler, Blätter

Erhard Eppler, Bundesarchiv B 145

Während es keine westliche Strategie für die Rückkehr der Krim zur Ukraine gäbe, so Eppler, diene die „Annexion“ der Halbinsel als Beweis dafür, dass Putin eben ein „Aggressor“ sei und bleibe. So rechtfertige der Westen, dass alle Nachbarn Russlands, von den Balten bis zu den Georgiern, sich gegen einen russischen Angriff wappnen müssten. Aber immerhin sei doch die russische Schwarzmeerflotte in Sewastopol stationiert, dafür gab es einen Pachtvertrag mit der Ukraine. „Hätte sich Putin auf die Vertragstreue eines Jazenjuk verlassen sollen?“, fragt Eppler.

Klar sei demgegenüber, so Eppler, dass das Friedensabkommen von Minsk von der ukrainischen Regierung vieles verlangt, was Kiew gar nicht schmecke: Etwa den Verzicht auf das, was Jazenjuk und Poroschenko immer wieder beschworen haben, nämlich den militärischen Sieg über die „Terroristen“ genannten russsisch-sprachigen Separatisten und ihre Verurteilung durch ukrainische Gerichte. Wozu sonst wolle Poroschenko eine Armee aufstellen größer als die Bundeswehr? Und warum stelle kein deutscher Journalist die Frage, mit wessen Geld diese bezahlt werden soll? Inzwischen seien die abgetrennten Gebiete durch Gesetz zu „okkupierten Gebieten“ geworden, die erst befreit werden müssten, ehe man dort wählen lässt. „Und was kann Befreiung anderes bedeuten als militärische Eroberung?“, fragt Eppler weiter und wendet sich dann der Medienstrategie des Totschweigens zu, das den deutschen Mainstream dominiert:

„Dass Frau Merkel und manche osteuropäischen Politiker hier nicht konsequent sein müssen, hat seinen guten Grund: den Mangel an Information über alles, was in Kiew geschieht und beschlossen wird… Über alles, was im isolierten, bestraften und gedemütigten Russland an Bedenklichem vor sich geht, werden wir eingehend informiert… Aber warum wird über das, was in Kiew an Hassparolen und Wunschträumen produziert wird, einfach geschwiegen? Und wenn irgendwo ein Einspalter doch eine verkürzte Information gibt, warum fehlt immer der Kommentar? Warum erfahren die deutschen Leser und TV-Zuschauer fast nichts über die ökonomische Misere in der Ukraine? Damit niemand bis zu der schlimmen Wahrheit durchdringt, dass weder die EU gegen Russland noch Russland gegen die EU diesem heruntergewirtschafteten und überdurchschnittlich korrupten Land wieder auf die Sprünge helfen kann? Oder was es den deutschen Steuerzahler kosten müsste, wenn hier ein Griechenland mal zwanzig entstehen sollte?Erhard Eppler, Blätter

Bundesarchiv B 145 Bild-F062762-0015, München, SPD-Parteitag, Brandt, Eppler.jpg

Erhard Eppler und Willy Brandt

Der nicht gerade internet-affine Erhardt Eppler bekleidete bis in die 80er-Jahre hohe Führungspositionen in der SPD, war 1968-74 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Von 1961-76 war er Abgeordneter im Bundestag, dann bis 1982 im baden-württembergischen Landtag. Zugleich engagierte er sich im Umfeld der evangelischen Kirche, war unter anderem mehrfach als Kirchentagspräsident und prominente Figur der Friedensbewegung, die in den 80er-Jahren gegen die sogenannte Nato-„Nachrüstung“ mit Erstschlagswaffen durch die Bundeskanzler Schmidt (SPD) und Kohl (CDU) protestierte. Bei aktuellen Konferenzen der Friedensbewegung wurde Eppler jedoch nicht mehr gesehen.

Eppler gilt als Vertreter des linken Parteiflügels der SPD, unterstützte jedoch die Reformen der Agenda 2010, den Kosovokrieg und den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr im Rahmen der NATO. Schon im März 2014 kritisierte er den aggressiven Kurs des Westblocks gegen Russland im Zuge des Ukraine-Putsches und der folgenden Krimkrise und wandte sich gleichzeitig gegen eine Dämonisierung Wladimir Putins (so Wikipedia über Eppler, wenn auch wikipediatypisch-ideologisch tendenziell rechtsgedreht).