VW-Desaster: Arroganz der Macht beim Lieferanten-Quetschen

Theodor Marloth VWlogo

„Denkt doch an die Arbeitsplätze!“ – Immer wenn Top-Manager Mist gebaut haben und zur Verantwortung gezogen werden müssten, fällt ihnen urplötzlich ein, dass da Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Sonst nie. Etwa wenn es um Profitsteigerung zwecks Boni-Abzocke geht, da feuert man Leute auf Teufel komm raus: „Sollen die doch sehen, wo sie bleiben! Wir machen Outsourcing, ist billiger.“ Ist billiger, weil man Lieferanten ausquetschen kann als Monopolist. Denn das ist der Konzern dann de facto, wenn das produzierte Gut nur in seine Autos passt. Doch diesmal ist es schief gegangen: Volkswagen kann in der kommenden Woche keine Fahrzeuge des Typ Golf in Wolfsburg bauen. David gegen Goliath heißt es und die ARD-Mainstreamer standen gleich an der Seite des VW-Goliath.

Das VW-Management hat im Preispoker mit den Zulieferern sein Blatt überreizt. Die überbezahlten Top-Manager scheinen das aber nicht zu kapieren. Nun kreischt man nach dem Richter, der Politik und lässt die Mainstream-Medien treudoof seine Pro-Machtelite-Propaganda machen. Die ARD-Tagesschau referierte am Samstag auch noch brav die dümmlich-selbstgerechte Position des VW-Vorstands, schüttelte drohend die öffentlich-rechtliche Faust in Richtung aufmüpfiger Kleinfirmen, wie ein zeternder VW-Advokat (Beschlagnahme! Geldstrafe! Beugehaft!). Gestern war die ARD schon sehr viel kleinlauter, der DLF übernahm daher heute mit Morgeninterview eines VW-Bonzen, Tenor natürlich: „Die Arbeitsplätze!“

Abgas-Betrüger verzockten sich

Anlass des Lieferstopps der Zulieferer ist eine juristische Auseinandersetzung, deren Hintergründe noch nicht ganz klar sind -es geht aber wohl um 60 Millionen Euro, die VW nicht zahlen wollte. Jetzt drohen ca. 250 Millionen an Produktionsausfällen für VW -verzockt. Und warum? VW stieg selbstherrlich aus Projekten mit den Zulieferfirmen aus, munkelt man, Verträge seien wohl einseitig gekündigt, Ausgleichszahlungen verweigert worden. Man muss sparen. Hauptgrund: Totalversagen der VW-Führung im Abgas-Betrugs-Desaster (oder Größenwahn und Arroganz der Macht?). Fällig wäre ein Rauswurf aller nur irgend verantwortlichen Top-Kräfte gewesen (statt ein paar Bauernopfer zu bringen), nebst drakonischer Reduktion der Vorstands- und Führungsgehälter. Aber bei anderen spart sichs bequemer, wenn die ihre Löhne noch tiefer drücken müssen -um so besser! Dann wird die eigene Belegschaft nicht so schnell frech. Für rund 7.500 Beschäftigte in Emden hat VW nun wegen fehlender Teile Kurzarbeit beantragt. Auch in Braunschweig, Zwickau, Kassel und im Wolfsburger Stammwerk drohen Bandstillstände, weil die Firmen ES Automobilguss und Car Trim die Lieferung von Getriebeteilen und Sitzbezügen eingestellt haben.

Doch schon vor Bekanntwerden der Manipulation seiner Dieselmotoren hatte VW Zulieferer unter Druck gesetzt, um die Kosten zu senken und Großmannssucht mit Weltdominanz der Automärkte weitertreiben zu können. Und im Zuge des Skandals hat das Management diesen Kurs wohl noch weiter verschärft. Ende Juni schrieb Francisco Javier Garcia Sanz, im Vorstand zuständig für den Bereich Beschaffung, Medienberichten zufolge an die Zulieferer, man müsse bei den „Beschaffungskosten deutlich effizienter werden“. VW wolle das zwar „kooperativ erreichen, aber auch mit der notwendigen Konsequenz, um wettbewerbsfähig zu bleiben“. Klartext: Preise runter oder Auftragsentzug. Angesichts seiner enormen globalen Einkaufsmacht glaubte sich VW solche Diktate offenbar erlauben zu können.

Ausquetschen mit ARD-Hilfe: „Ordnungsgeld, Ordnungshaft, Beschlagnahme!“

Doch diesmal lief es anders -wohl auch, weil durch die aufgedeckte Abgas-Betrügerei die VW-Manager in ihrem Image politisch angeschlagen sind. Das wussten sie aber scheinbar nicht. Statt ihre Auspressung schweigend und leidend zu erdulden, wehren sich die genannten, zur Prevent-Gruppe zuzurechnenden Firmen. Damit setzen sie zwar ihre Zukunft aufs Spiel, doch die Ausquetschung (Managerjargon: Squeeze-out-strategie) war diesmal wohl so überzogen, dass David gegen Goliath seinen Kiesel schleuderte -und der traf. Der VW-Goliath jault und die ARD (selbst ein Goliath im Mediengeschäft) mit ihm.

Man werde alle Möglichkeiten ausschöpfen, ein Ende des Lieferstopps zu erreichen, betonte ein VW-Sprecher am Freitag. Der Autobauer sei gezwungen, »die zwangsweise Durchsetzung der Belieferung vorzubereiten, und zwar mit den uns zur Verfügung stehenden gesetzlich vorgesehenen Mitteln. Dazu gehören Ordnungsgeld, Ordnungshaft, Beschlagnahme, die über das Gericht beantragt werden.« So sieht eine kollegiale Zusammenarbeit aus, wenn eine Seite sich als grenzenlos überlegen und über alles erhaben vorkommt. Doch Arroganz geht oft mit Dummheit einher: Der Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer sagte laut Deutsche Wirtschaftsnachrichten, VW sei in dem Konflikt schlecht aufgestellt: „Bei jedem anderen Autobauer der Welt gibt es mindestens zwei Lieferanten für solche Teile.“ Auch das miese Spiel der Erpressung erfordert ein Minimum an Intelligenz. Pech für VW. Doch als Machtelite-Staatskonzern genießt man Privilegien. Eilig noch am gleichen Tag erklärte das Landgericht Braunschweig, eine einstweilige Verfügung zur Lieferung der Teile sei bereits »vollstreckbar«, obwohl die mündliche Verhandlung zu dem Fall erst für den 31. August anberaumt ist und den Firmen Fristen für Stellungnahmen eingeräumt wurden.

Agenda Ausbeutung und Hartz IV kamen in VW-Limousine

Sogar die Gewerkschaft schlägt sich auf die Seite des Konzerns mit traditioneller SPD- und Staatsorientierung (wir erinnern uns: der erste rotgrüne SPD-Kanzler Gerhard Schröder fuhr im Kanzleramt nicht im Mercedes, sondern in einer VW-Limousine vor, um seine neoliberale Agenda-Ausbeutung-Politik nebst Hartz IV zu starten). Thomas Knabel, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall in Zwickau, warnte die in der Region tätigen Zulieferer, den Streit mit VW auf dem Rücken der Mitarbeiter auszutragen. »Das Ganze ist für die Beschäftigten in der Region eine Riesenkatastrophe, weil die Region abhängig vom Automobilbau ist.« Nicht nur die VW-Belegschaft, auch die Arbeiter anderer Unternehmen hätten unter Bandstillständen zu leiden… Klartext: „Denkt doch an die Arbeitsplätze!“ Hier etwas glaubwürdiger zwar als aus Top-Managermund, aber wäre noch glaubwürdiger, wenn schon bei Outsourcing in Billigjobs und bei Verteidigung auch prekär gemachter Jobber diese IG Metall-Stimme lauter klänge.

Nur die Linke schert mal wieder aus dem Machtelite-Konsens aus: Die gewerkschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Jutta Krellmann, wies in einer Stellungnahme vom Freitag darauf hin, dass der Vorfall die starke Abhängigkeit von externen Zulieferern deutlich mache. »Outsourcing, um die eigene Rendite auf Kosten der Zulieferer und ihrer Beschäftigten zu verbessern, und Just-in-time Produktion, die das frühere Werkslager auf die Straße zu Lasten aller verlegt, dürfen nicht der Weisheit letzter Schluss sein«, so die ehemalige IG-Metall-Sekretärin. Auch in solchen wirtschaftlichen Fragen müssten die Betriebsräte Mitbestimmungsrechte erhalten, berichtet -wer? Natürlich wieder einmal nur die Junge Welt links des Mainstreams.

Gabriel: Edeka-SPD-Tengelmann-Mauschelei gescheitert

Gabriel

Sigmar Gabriel

Hans Undino

Richter stoppen Gabriels Kartell-Pläne wegen „Geheimverhandlungen“. TTIP-Fan Gabriel (SPD) hat wohl Gefallen an geheimen Mauscheleien mit Großkonzernen gefunden oder bereitet seine Karriere als Top-Manager im Einzelhandel vor (nach Ende der Amtszeit). Gabriel mault, das wäre nicht geheim gewesen, die anderen Käufer hätten ja im Nachhinein Akteneinsicht bekommen (die Richter hatten aber bemängelt, die Geheimgespräche wären in den Akten ungenügend dokumentiert worden), und überhaupt wären die Richter über Ort und Art der Verhandlungen falsch informiert (kein Wunder, wenn sie geheim waren). Ergo: Selbst beim Sich-raus-lügen erweist sich Gabriels totales Versagen.

Düsseldorf. Der Erste Kartellsenat des Oberlandesgerichts hat Wirtschaftsminister Sigmar Gabriels nach Geheimverhandlungen erteilte ministeriale Sondererlaubnis zur Übernahme der Kaiser’s-Tengelmann-Supermärkte durch den Edeka-Konzern nach einer vorläufigen Prüfung im Eilverfahren für rechtswidrig erklärt und außer Kraft gesetzt (VI – Kart 5/16 (V)) pdf. Gabriel sei bei seiner umstrittenen Ministererlaubnis für die Supermarkt-Fusion möglicherweise befangen gewesen. Der Minister habe in der entscheidenden Phase des Erlaubnisverfahrens mit den Chefs von Edeka und Kaiser’s Tengelmann geheime „Sechs-Augen-Gespräche“ geführt -unter Ausschluss weiterer Kaufinteressenten wie Rewe und Markant. Damit erschien den Richtern der SPD-Minister Gabriel gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten nicht mehr neutral und objektiv. Der SPD-Vorsitzende Gabriel führte den Erkenntnissen des Gerichts nach am 1. und am 16. Dezember 2015 auf eigenes Betreiben hin „Sechs-Augen-Gespräche“ mit dem Vorstandsvorsitzenden von Edeka und einem maßgeblichen Miteigentümer der KT-Supermärkte.

In seiner tölpelhaften Richterschelte gegen den Beschluss jaulte Gabriel allen Ernstes, A) die Gespräche seien nicht geheim gewesen und B) die Verhandlungen hätten an anderen Terminen und nur unter vier Augen stattgefunden (als ob das besser gewesen wäre). Da hat man schon von fünfjährigen Keksklauern mit der Hand in der Dose bessere Entschuldigungen gehört: Die Richter können ja wohl nur deshalb falsch über das illegale Gemauschel Gabriels informiert gewesen sein, weil der korpulente SPD-Funktionär sie vorsätzlich im Unklaren ließ. Dass derart wichtige und zudem hoch korruptionsanfällige Amtshandlungen eines Bundesministers in den entsprechenden Akten zu dokumentieren und den darüber entscheidenden Richtern offenzulegen sind, ist in einem Rechtsstaat selbstverständlich. Immerhin geht es um eine Ausnahmegenehmigung von Kartellgesetzen, die den Bürger vor einer Ausplünderung durch Monopolisten bzw. Oligopolisten schützen sollen. Gabriels heuchlerisches Gewinsel, die Richter hätten ja nachfragen können, ist derart erbärmlich, dass wohl nur eine gedemütigte Gurkentruppe wie die SPD sich zur Witzfigur machen und so einen Oberboss noch länger ertragen kann.

Kartellrichter: Gabriel war „befangen“

Den Inhalt dieser „Hinterzimmergespräche“ machte man, laut Gerichtsbeschluss, ebenso wie ein dort verhandeltes Gutachten „nicht aktenkundig“. Das ist nicht nur im Hinblick auf die Überprüfung der Entscheidungsfindung bemerkenswert, sondern auch deshalb, weil es andere Konzerne gab, die die KT-Supermärkte übernehmen wollten, aber weder an den Gesprächen beteiligt noch darüber informiert wurden. Die Richter am Oberlandesgerichts äußerten deshalb die „Besorgnis der Befangenheit des Bundeswirtschaftsministers“, sprachen ihm also ihr Misstrauen aus und äußerten Zweifel daran, dass er neutral und nur im Interesse des deutschen Volkes handelte. Deutlicher kann eine juristische Ohrfeige kaum ausfallen, auch wenn wie üblich unsere ARD-Bertelsmann-Medien die Sache der breiten Öffentlichkeit natürlich anders darlügen, pardon, darlegen werden.

Das Hauptargument, mit dem Gabriel seine Sondererlaubnis rechtfertigte, waren die Arbeitsplätze bei KT, die nach einer Übernahme durch Edeka bis 2021 größtenteils erhalten werden sollten. Die Richter sahen sich dieses Argument genauer an und entdeckten, dass Edeka zwar versprochen hatte, keine Arbeitsplätze bei KT abzubauen – aber nicht, dass es zu keinem ersatzweisen Arbeitsplatzabbau in anderen Konzernteilen kommt. Das Wirtschaftsministerium, monierte das Gericht, hätte hier nachfragen müssen, weil im ersten Edeka-Angebot ein „signifikanter Arbeitsplatzabbau“ enthalten war, den der Konzern erst korrigierte, nachdem die Rewe-Gruppe in ihrem Angebot vom 30. November 2015 den Erhalt aller KT-Arbeitsplätze versprach.

Abschließend kommt das Gericht zum Ergebnis, dass der Bundeswirtschaftsminister „den Gemeinwohlbelang der Arbeitsplatz- und Beschäftigungssicherung bei KT nicht unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte bewertet“ hat, weil der Begründung der Ministererlaubnis „nicht zu entnehmen [ist], ob und in welchem Umfang die Möglichkeit eines fusionsbedingten Stellenabbaus bei Edeka in die Abwägungsentscheidung einbezogen wurde“, was „bei den Abwägungsüberlegungen berücksichtigt werden [hätte] müssen“, weil „den Angaben von Edeka bis zum Ende des Verhandlungstermins am 16. November 2015 […] deutlich zu entnehmen [gewesen sei], dass der geplante Unternehmenszusammenschluss aus Sicht von Edeka bei kaufmännisch vernünftigem Handeln mit einem erheblichen Personalabbau verbunden sein müsse“. Außerdem glauben die Richter nicht, dass die „verfügten Nebenbestimmungen“ dazu taugen, „die 16.000 Arbeitsplätze bei KT in vollem Umfang zu sichern“, weil sie „Klauseln [enthalten], die einen Arbeitsplatzabbau auch innerhalb des zu sichernden Fünf-Jahreszeitraums mit Zustimmung der Tarifparteien [zulassen] und [zum Teil] nicht ausreichend bestimmt“ sind. Korruption? Oder war Gabriel in den Verhandlungen schlicht zu inkompetent, diese Tricks der Unternehmer zu durchschauen?

Gabriel will natürlich in die nächste Instanz klagen und hat auch schon damit gedroht, die TPP_TTIPBefugnisse der Justiz gegen den Wirtschaftsminister im Kartellrecht per Gesetzeserlass einschränken zu wollen. Damit die Regierungen der Bananenrepublik Deutschland künftig noch korrupter werden können. Vielen Dank SPD/CDU/CSU! Und vielen Dank Frau Bundeskanzlerin Dr.rer.nat. Angela Merkel, dass Sie unsere deutsche Wirtschaft durch so einen Kompetenzbolzen beaufsichtigen lassen! Wenn Gabriel schon beim Verhindern von Milch-Brot-und-Bananen-Kartellen total versagt, können wir uns beruhigt auf ihn verlassen, wenn er mit den Obergaunern der globalen Großkonzerne und ihren Marionetten in London und Washington über TTIP verhandelt. Da liegt unsere Demokratie, unsere Freiheit und unser Leib und Leben ja in den besten Händen.

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