Daphne Caruana Galizia: Journalistin auf Malta ermordet

Manfred Gleuber

Politischer Mord in der EU: Daphne Caruana Galizia starb durch eine Autobombe. Sie untersuchte die Finanzmafia und politische Korruption, wollte in den „Malta Files“ nachweisen, dass EU-Konzerne mithilfe des Inselstaats in großem Stil Steuern hinterziehen, mit dabei sind DAX-Konzerne wie BMW, BASF, Lufthansa. Großkonzerne hassten sie, die konzerntreue NZZ nannte sie (wenn auch erst posthum) „mächigste Journalistin Maltas“. Wikileaks-Gründer Julian Assange setzte Belohnung für Ergreifung der Mörder und ihrer Hintermänner aus. Malta war auch das Ganoven-Eldorado für den Kasachen Alijew -bis Bertelsmann-Lobbyist Elmar Brok (CDU) seine Auslieferung betrieb, was zu Alijews Tod in einem Wiener Gefängnis führte.

Erst zwei Wochen zuvor hatte die Investigativbloggerin Daphne Caruana Anzeige erstattet, denn sie hatte Todesdrohungen erhalten. Jetzt ist sie in Bidnija, im Norden der Insel Malta, nicht weit weg von ihrer Wohnung ermordet worde. Caruana hatte an den Malta Files gearbeitet, rund 150.000 vertraulichen Dokumenten der maltesischen Finanzbehörde, die offenlegen, wie Unternehmen und Superreiche über Malta in großem Umfang Steuerkriminalität begehen.

Mordauftrag von Steuerhinterziehern?

Daphne Caruana

Die italienische Zeitung „La Repubblica“ zitierte eine nicht näher genannte „qualifizierte Quelle“ aus Ermittlerkreisen mit dem Satz: „Das war eine mafiöse Exekution.“ Dafür sprechen die Tötung mit einer ferngezündeten Autobombe sowie die Herkunft des Sprengstoffs, der vermutlich aus Italien stamme. Es könnte durchaus sein, dass für die Ermordung der 53-Jährigen Bloggerin Profikiller der italienischen Mafia angeheuert worden sind. Mit ferngezündeten Bomben sind in Malta in den vergangenen zwölf Monaten bereits fünf Menschen getötet worden.

Das FBI und ein gerichtsmedizinisches Team aus den Niederlanden sind den maltesischen Behörden bei der Aufklärung des Mordes behilflich. Die maltesische Regierung setzte eine Million Euro Belohnung für Hinweise auf die Täter und der WikiLeaks-Gründer Julian Assange 20.000 Euro für Hinweise auf die Drahtzieher des Mordes aus. Am 4. Dezember 2017 nahm die maltesische Polizei zehn Verdächtige an verschiedenen Orten fest, drei Männer wurden wegen Mordes angeklagt. An den Ermittlungen waren demnach das FBI, Europol und finnische Sicherheitsbehörden beteiligt (Nachtrag Dezember).

Eine-Frau-WikiLeaks gegen die Finanzmafia

Italienische Medien hatten Malta als „Piratenhafen zur Steuerhinterziehung in der Europäischen Union“ bezeichnet, weil viele Unternehmen dort Briefkastenfirmen gegründet haben: Darunter auch DAX-Konzerne wie BMW, BASF und die Lufthansa. Das wäre legal, wenn die Firmen im kleinsten EU-Land mit ihren Tochtergesellschaften auch tatsächlich tätig wären. Doch daran gibt es inzwischen große Zweifel.

Caruana Galizia war die maltesische Partnerin International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) des CPI bei der Auswertung der Panama Papers. 2016 war Caruana Galizia die Erste, die die Verwicklung von Konrad Mizzi und Keith Schembri in den Panama-Papers-Skandal aufdeckte. In der Folge wurde sie von dem Magazin Politico in das Ranking „POLITICO 28“ aufgenommen, das die 28 Personen auflistet, die Europa am meisten „formen, aufrütteln und anrühren“. Das Magazin bezeichnete sie als ein „Eine-Frau-WikiLeaks“ und bescheinigte ihr, dass sie „einen Kreuzzug gegen Intransparenz und Korruption“ führe.

2017 schrieb sie, dass Egrant, eine weitere Firma aus Panama, Michelle Muscat gehöre, der Frau von Premierminister Joseph Muscat. Diese Anschuldigungen führten dazu, dass Muscat im Juni 2017 vorzeitige Parlamentswahlen anordnete, mit dem Ergebnis, dass Muscats Malta Labour Party an der Regierung blieb. Nach der Wahl zeigte sich Caruana Galizia auch als harte Kritikerin der Nationalistischen Partei Maltas unter Oppositionsführer Adrian Delia.

Reaktionen: Juncker angeblich entsetzt

Das Attentat wurde von Premierminister Joseph Muscat verurteilt, der trotz ihrer Kritik an ihm erklärte, er werde „nicht ruhen, bevor der Gerechtigkeit genüge getan wurde“. Präsidentin Marie Louise Coleiro Preca, Erzbischof Charles Scicluna und eine Reihe von Politikern kondolierten und verurteilten den Mord. Der ehemalige Premierminister Lawrence Gonzi sagte bei einem Trauermarsch in der Stadt Sliema, „dass Malta eine Journalistin mit außergewöhnlichem Mut verloren hat, die in schwierigen Momenten ihre Argumente hervorgebracht hat, obwohl sie sich der Risiken bewusst war“. Andrew Borg-Cardona von der Grünen Partei beschuldigte die maltesische Regierung, der Journalistin keinen Personenschutz angeboten zu haben, obwohl diese vor dem Mord bedroht worden war. Ihr Sohn Matthew, der selbst dem internationalen Investigativjournalistenverband ICIJ angehört und das Attentat auf seine Mutter aus geringer Entfernung miterlebte, nannte als Hauptgrund für ihre Ermordung ihren couragierten Einsatz gegen Gesetzesbruch und die Tatsache, dass sie damit allein gestanden habe. Es gab auch gehässige Reaktionen. Ein Polizist, der nach Galizias Tod auf seiner Facebookseite gegen sie gehetzt und ihren Tod gefeiert hatte, wurde vom Dienst suspendiert.

Am 22. Oktober 2017 demonstrierten in der Hauptstadt Valletta Tausende Menschen für Gerechtigkeit und forderten eine schnelle Aufklärung des Falls sowie das Ende von Korruption in Politik und Behörden. Politiker, Gewerkschafter und Präsidentin Marie-Louise Coleiro Preca nahmen teil, nicht jedoch Premierminister Joseph Muscat. Galizia hatte Mitarbeiter des Premiers beschuldigt, Briefkastenfirmen zu betreiben. Die Organisation Reporter ohne Grenzen war ebenfalls auf der Kundgebung vertreten; ihr Direktor Christophe Deloire sagte: „Die Mörder wollten sie zum Schweigen bringen, sie wollen uns zum Schweigen bringen. Aber sie werden keine Minute Schweigen bekommen“. Die EU-Kommission reagierten mit Entsetzen auf das Attentat. Präsident Jean-Claude Juncker und die Kommission verurteilten den Anschlag „mit den schärfstmöglichen Worten“, obwohl er die Begünstigung von Steuerhinterziehung in seiner Betrügeroase Luxemburg zu seiner Lebensaufgabe gemacht hatte. In Malta tummelte sich 2015 auch Finanzmafia-Prominenz aus Kasachstan, was zu Verwicklungen nach Wien und Gütersloh (Bertelsmann-Zentrale) führte.

Die Malta-Balkan-Astana-Connection von Elmar Brok

Malta, Astana, Wien. Vor fast genau drei Jahren, am 24.2.2015, wurde Rachat Alijew erhängt in seiner Gefängniszelle in der JVA Josefstadt aufgefunden -Alijew war Mitglied des Kasachstan beherrschenden Nasarbajew-Clans. Bis 2001 war Alijew kasachischer Vize-Geheimdienstchef, Leiter der Steuerfahndung und Bankeigner. 2007 geriet er in Verdacht, zwei Manager seiner Bank beseitigt zu haben. Aber warum hatte sich 2011 der Bertelsmann-Lobbyist Elmar Brok (CDU) für seine Auslieferung eingesetzt? Brok wurde bekannt auch durch Nackt-Proteste von „Femen Sextremists“ gegen seine (von ihm bestrittenen) Bordellbesuche in Osteuropa. Trotz verdächtiger Umstände geht die Gefängnisleitung von einem Selbstmord Alijews aus.

Kasachstan, das ölreiche Land in Zentralasien, Hauptstadt Astana, macht selten Schlagzeilen in Europa. Aber im Februar 2015 war es soweit: Da wurde der 52-jährige Kasache Rachat Alijew erhängt in der Justizvollzugsanstalt Josefstadt aufgefunden -der Waschraum seiner Gefängniszelle war von Wärtern nicht einsehbar. Bekannt wurde vor dem angeblichen Gefängnis-Suizid, dass Kasachstan ein Kopfgeld in Höhe von zehn Millionen Euro auf Alijew ausgesetzt hatte, der bis zu einer Zwangsscheidung 2007 auch noch Schwiegersohn des seit 25 Jahren amtierenden kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew war: Die Scheidung sei ohne sein Zutun und seine Zustimmung erfolgt, seine Unterschrift auf Dokumenten wurde in Astana gefälscht, erklärte Alijew damals. Seine Ex-Gattin Dariga war die älteste Tochter des kasachischen Langzeit-Präsidenten Nasarbajew.

In Wien unterzutauchen hatte im Kalten Krieg für Spione, Agenten und gefallene Geheimdienstgrößen Tradition. Seit der friedlichen Auflösung der Sowjetunion 1991 regiert Präsident Nursultan Nasarbajew die „Republik“ Kasachstan autoritär, man spricht von Wahlfälschung und Korruption, Oppositionelle werden inhaftiert und kritische Zeitungen verboten. In all das dürfte Ex-Geheimdienstler Alijew, der sich als Staatsfeind Nr.1 von Astana verfolgt glaubte, tief verwickelt gewesen sein, wie auch das Wiener Äquivalent zur BILD-Zeitung, die KRONE, meinte.

Dunkle Ecken der Finanzbranche

Außerdem war Alijew auch noch Hauptaktionär einer der größten Banken der Kleptokratie Kasachstan: Der Nurbank, bei der  2007 zwei Bankmanager verschwunden waren. Damals forderte die kasachische Justiz von Wien (Alijew war dort Botschafter Kasachstans) die Auslieferung des Hauptaktionärs wegen des Verdachts der Entführung. Alijew wehrte sich vor einem Wiener Gericht gegen seine Auslieferung. Wien wollte abschieben,  aber das Gericht hatte erhebliche Zweifel daran, ob Alijew in Kasachstan ein fairer Prozess gemacht werden würde. Der Kasache mit der schillernden Vergangenheit blieb in Österreich.

Und nun wird die Geschichte merkwürdig: 2011 übte der bekannte Bertelsmann-Lobbyist Elmar Brok (CDU) Druck auf Österreich aus: Der EU-Abgeordnete Brok, selbst eine schillernde Persönlichkeit, verlangte die Auslieferung des in Ungnade gefallenen kasachischen Ex-Geheimdienstvize Rachat Alijews an Kasachstan. Warum? Was hatten Brok bzw. Bertelsmann damit zu tun? Kurz darauf tauchten in Kasachstan die Leichen der zwei 2007 verschwundenen Banker auf, deren Entführung Alijew zur Last gelegt worden war.  Wer ist Elmar Brok? Und warum sieht man ihn so oft in den Medien -speziell bei Bertelsmann-Sender n-tv, aber auch bei ARD & Co?

Elmar Brok ist „Mr.Bertelsmann“
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Elmar Brok, Senior Vice President Media Development bei Bertelsmann

Elmar Brok ist seit Jahrzehnten Bertelsmann-Lobbyist mit Festgehalt von Europas größtem Medienkonzern und der Sprecher der europäischen Christdemokraten im EU-Verfassungskonvent.  Brok setzte dort unter anderem in Art. II-77 Abs. 2 durch, dass ein Recht auf „Geistiges Eigentum“ in der EU-Verfassung absolut gesetzt wurde und keiner sozialen Verpflichtung unterliegt (anders als z.B. in der deutschen Verfassung). Sein ihn fürstlich alimentierender Gönner Bertelsmann ist zufällig ganz dick im Geschäft mit Urheberrechten und anderen Geistigen Eigentümern. Nach möglicher Korruption fragte auch in diesem Fall kein Polizist oder Staatsanwalt -ein Dauergehalt für einen Lobbyisten ist doch keine Bestechung!

Elmar Brok, geboren am 14.05.1946 in Verl/Kreis Gütersloh, zufällig Hauptsitz des Bertelsmann-Medienkonzerns und der berüchtigten Bertelsmann-Stiftung. Brok (CDU) ist EU-Parlamentarier mit guten Kontakten zu den höchsten Zirkeln der europäischen Politik und Wirtschaft, der aktuell gerne gegen Putin hetzt. 2012 wurde er erneut Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments. Lobbypedia weiß: Er hält Mandate von der Europa- bis auf die Kreisebene und ist in zahlreichen Netzwerken präsent; 2009-2014 war Brok noch als Berater für Bertelsman tätig. Ihm wurden dafür zwischen 5000€ und 10.000€ monatlich von Bertelsmann überwiesen. In den Jahrzehnten zuvor, ab 1992 zunächst als Europa-Beauftragter des Vorstands, erhielt er als Angestellter von Bertelsmann bis 2011 zusätzlich zu seinen Diäten als MdEP ca. 200.000 Euro pro Jahr von Bertelsmann. Sein Angestelltenverhältnis bei Bertelsmann endete aufgrund des Erreichens des Renteneintrittalters,  was ihm eine schöne Zusatzrente beschert haben dürfte.

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Femen Sextremists -feministische (?) NGO

Brok unterhält also nachweisbar und unbestritten enge und langjährige Verbindungen zu Bertelsmann. „Jeder weiß in Brüssel, dass Herr Brok Mr. Bertelsmann ist“ äußerte Tony Robinson, MdEP. Elmar Brok, wurde 2004 bei Bertelsmann zum Senior Vice President Media Development befördert, Glückwunsch! Und vielen Dank an ihn, dass er bei all dieser Arbeit und Verantwortung für Bertelsmann noch die Zeit fand, als unser Abgeordneter in Brüssel den Medienkonzernen in der EU-Gesetzgebung auf die Finger zu schauen.

Aber wer im Geld schwimmt, will sich auch mal Entspannung gönnen: Die Femen Sextremist-Website zeigt ein Video ihrer Nackt-Attacke auf „Mr.Bertelsmann“. Begründung für die Tat: Brok konsumierte respektlos sexuelle Dienstleistungen von ukrainischen Prostituierten (Brok bestreitet dies). In Osteuropa und Asien kennt sich Brok jedoch unbestreitbar gut aus. Auch  Bertelsmann hat zahlreiche Mediengeschäfte im Osten und weltweit laufen -bis nach China und wahrt seine globalen Interresen mit allen Mitteln eines gigantischen Medienimperiums.  Etwa für TTIP setzte Bertelsmann sich bekanntlich hinter den Kulissen mächtig ein. Bertelsmann-Interessen bis nach Kasachstan sind also absolut denkbar und wären eine plausible Erklärung für Elmar Broks seltsame Intervention in die Innenpolitik Astanas. Abscheu vor der dortigen Korruption kommen dagegen vermutlich weniger als Motiv Broks in Frage. Wurde Alijew Opfer einer umfangreichen ökonomisch-geheimdienstlichen Verschörung?

Verwicklungen in Malta

Alijew floh aus Wien in den EU-Staat Malta, wo der Kasache sich dank seiner neuen Ehefrau, einer eingebürgerten Österreicherin, als EU-Bürger aufhalten durfte. Aber 2014 machte er einen Fehler und kehrte nach Österreich zurück, um sich der kasachischen Mordanklage zu stellen. Nicht freiwillig: Wien hatte ihm in Malta, wo Alijew sich ohnehin durch seine Ex-Untergebenen vom Kasachischen Geheimdienst verfolgt fühlte, die Papiere entziehen lassen. Seiner durchaus nicht unglaubwürdigen Version zufolge waren die Mordvorwürfe Astanas konstruiert. Sie könnten sehr wohl politisch motiviert sein, weil Präsident Nasarbajew in Alijew einen potentiellen Usurpator auf dem Diktatorensessel sah, der beseitigt werden sollte. Zu Bedenken sind auch die Verwicklungen Alijews in das Große Spiel um Geopolitik und Energiereserven: Kasachstan ist ein wichtiges Land.

Kasachstan, Erdöl-Gigant in Zentralasien

Kasachstan, durch seinen sowjetischen Weltraum-Bahnhof Baikonur eine führende Raumfahrtnation, liegt zwischen Usbekistan, Kirgistan, China und Russland und hat knapp 18 Millionen Einwohner. Das reiche Ölland weckt Begehrlichkeiten aller Machtblöcke -nicht nur der EU und ihrer Geopolitiker wie Elmar Brok. Auch China möchte an das Erdöl aus Kasachstan, wo das gigantische Ölfeld Kaschagan liegt. Im ergiebigen Offshore-Feld Kaschagan werden mindestens 13 Milliarden Barrel Öl vermutet, wobei harte klimatische Bedingungen von bis zu minus 40 Grad  die Förderung erschweren. Aber ab 2013 soll die Produktion angelaufen sein. Die Kosten wurden auf 46 Milliarden US-Dollar geschätzt. Sollten Kritiker recht behalten, die die Kosten auf bis zu 116 Milliarden US-Dollar angaben, würde Kaschagan das teuerste Ölfeld weltweit -und beim derzeitigen Ölpreis wohl nicht mehr rentabel. (Aber die Fracking-Blase, aufgeblasen vermutlich auch wegen Obamas geopolitischen Ränkespielen gegen Ölexporteur Russland, wird schon irgendwann wieder platzen.) Außer der staatlichen kasachischen KazMunaiGaz waren Exxon Mobil, Eni, Royal Dutch Shell, Total, Inpex und bislang noch die indische ONGC an dem Konsortium beteiligt.

Nur etwa zwei Drittel der Einwohner des Landes sind Kasachen: Das sunnitische Turkvolk lebt auch im Westen Chinas. Trotz massiver Auswanderung nach der friedlichen Auflösung der Sowjetunion leben in Kasachstan immer noch viele Russen. Sie machen etwa ein Fünftel bis ein Viertel der Bevölkerung aus und stellen im Norden des Landes sogar die Mehrheit. Würde es nach einem Sturz des Diktators Nasarbajew zu Bürgerkrieg oder Machtübernahme durch Islamisten kommen, würde Russland  wohl kaum untätig zusehen. Putin würde womöglich versuchen, die russische Minderheit dort zu schützen, was kaum im Sinne von USA, EU und Bertelsmann wäre.

Feigheit vor dem Freund: Wirtschaftspresse verrät ihre Anzeigenkunden

Gilbert Perry und Daniela Lobmueh ObamaTheKing

Noch im Herbst 2014 gab es von der deutschen Wirtschaft lautstarken Widerstand gegen den US-Kurs im Ukraine-Konflikt. Heute herrscht feiges Schweigen im Walde, obwohl z.B. Southstream nun von den Türken gebaut wird. Aber wirtschaftsnahe Blätter wie WELT und FAZ trompeten Obamas Parolen und kehren sich nicht um die Nöte der Firmen, die sie seit Jahrzehnten mit Anzeigen alimentieren. Ob deutsche Unternehmen sich diese Feigheit vor dem Freund unendlich lange bieten lassen? Eine Analyse.

Noch im Herbst 2014 hörte man vor allem von Seiten der deutschen Wirtschaft lautstarken Widerstand gegen die geopolitische Wende im Ukraine-Konflikt. Die deutsche Wirtschaft nebst ihr nahestehender Öffentlichkeit hatten sich im Herbst 2014 heftig gegen die immer aggressiver werdende Sanktionspolitik seitens der amerikanischen Außenpolitik zur Wehr gesetzt. Wirtschaftsblätter und Verbandsfunktionäre hatten darauf verwiesen, wie tief bei der Fortsetzung einer solchen Politik der Schnitt ins eigene Fleisch gehen würde. Heute herrscht feiges Schweigen im Walde, die Mainstream-Edelfedern wissen nichts von US-Fracking-Geschäften als Hintergrund der Ukraine-Krise.

rakete krieg

Russische Raketen -nur Aggression? Oder nicht doch notwendige Verteidigung gegen Nato und USA?

Die Mainstream-Medien trommeln stupide ihre Anti-Putin-Propaganda, stempeln Russland zum Aggressor, auch wenn etwa seine Isklander-Raketen, die an der Westgrenze in Kaliningrad stationiert werden, auch als defensive Reaktion auf das dauernde Säbelrasseln von Nato und USA rund um Russlands Staatsgebiet gesehen werden könnte. Auch wirtschaftsnahe Blätter wie WELT und FAZ trompeten Obamas Parolen und kehren sich nicht um die Nöte der Firmen, die sie seit Jahrzehnten mit fetten Anzeigen alimentieren. Eingeknickt wie abgebrannte Streichhölzer kriecht die rechte Journaille vor Washington und verrät täglich die Hand die sie füttert, wenn sie ihre Propaganda gegen Putin macht. Sind deutsche Firmen selbst schuld an 20 Milliarden Einbußen im Ostgeschäft? Sie hätten ja mutige Blätter belohnen können, die nicht ganz so flott vor Obama auf den Teppich fielen, etwa das Handelsblatt. Der US-Bellizismus triumphiert: Russland orientiert sich nach Fernost.

Obama sanktioniert, Europa zahlt

Obama erklärt Sanktionen gegen Russland, steht innenpolitisch als harter Kerl und strahlender Held da, ObamaKarikaturaber zahlen soll die EU. Die Schäden sind für viele europäische und vor allem deutsche Unternehmen beträchtlich. So kann die US-Wirtschaft sich stolz an der lästigen Konkurrenz aus Berlin vorbeimogeln. Negativ betroffen sind Unternehmen mit einem traditionell starken Interesse in Russland und in der Ukraine (also Stahl, Röhren, Maschinen-, Anlagen- und Fahrzeugbau und Energie), aber auch die Konsumgüterindustrie, der Handel, die Logistik sowie Finanzinstitute und diverse Dienstleister.

Die Verbände der deutschen Wirtschaft, vor allem der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft beim BDI und der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) haben wiederholt und eindringlich vor den unübersehbaren Folgewirkungen einer verschärften Sanktionspolitik gewarnt. 6300 deutsche Unternehmen wären direkt betroffen. Sie hätten in Russland und in der Ukraine mehr als 23 Milliarden Euro investiert. Mit 250.000 Mitarbeitern würden sie dort 80 Milliarden Umsatz machen. Es wären nicht nur die schon jetzt spürbaren Umsatz- und Gewinneinbußen, die schmerzhaft wären, sondern auch die Folgeerscheinungen von  in Zukunft verlorenen Märkten. Derweil manipuliert die US-Zentralbank, also die private „Federal Reserve“, betrieben von Goldman Sachs und anderen Wallstreet-Banken, munter den Goldpreis gegen Putin und sahnt nebenbei gut ab.

Southstream von Sanktionen auf Eis gelegt -Ankara freut sich

Bestes Beispiel für die Auswirkungen der Sanktionen ist das Pipeline-Projekt „Southstream“, das im Beim Treffen in Ankara wurde die Route einer neuen Gaspipeline aus Russland in Richtung Türkei festgelegtJanuar 2015 von Gazprom erst einmal auf Eis gelegt wurde. Wie die „Northstream“ in der Ostsee sollte im südlichen Europa eine 2400 Kilometer lange Pipeline gebaut werden, in der russisches Erdgas unter Umgehung der Ukraine durch das Schwarze Meer über Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Österreich und weiter nach Westeuropa strömen sollte. Mit Kosten zwischen 19 und 24 Milliarden Euro war „Southstream“ eines der größten Energieprojekte der Welt, an dem viele EU-Unternehmen, vor allem deutsche und österreichische, an Projektierung, Finanzierung und Bauausführung beteiligt werden sollten. Wintershall, eine BASF-Tochter, mit 15 Prozent an der Gesellschaft für den Bau des Offshore-Teils beteiligt, wollte 1,5 Milliarden Euro investieren. Siemens sollte unter anderem die Kompressor-Stationen sowie Automatisierungs- und Telekommunikations-Systeme liefern.

Merkel fragt Obama: Wie kommen wir jetzt an das russische Öl?

Was? Die Türken kriegen unser Öl?

In Ankara fand am 27.Januar 2015 ein Arbeitstreffen zwischen dem Vorstandsvorsitzenden der ОАО Gazprom Alexey Miller und dem Minister für Energie und Naturressourcen der Republik Türkei Taner Yildiz statt. Die Parteien diskutierten Schlüsselfragen des Baus einer neuen Gaspipeline aus Russland in Richtung Türkei auf dem Boden des Schwarzen Meeres. Die Jahreskapazität der vier Stränge der Pipeline wird 63 Milliarden Kubikmeter Gas betragen. Die Pipeline soll 660 Kilometer im ursprünglichen Korridor des South Stream Projekts verlaufen und 250 Kilometer in einem neuen Korridor zum europäischen Teil der Türkei hin.

Die Türkei ist nach Deutschland der zweitgrößte Absatzmarkt der Gazprom. 2014 exportierte die Gazprom 27,4 Milliarden Kubikmeter Gas in die Türkei. Gegenwärtig wird russisches Gas in die Türkei durch die Blue Stream Pipeline und die Trans-Balkan Pipeline geliefert. Am 1. Dezember 2014 unterzeichneten die ОАО Gazprom und die türkische Gesellschaft Botas Petroleum Pipeline Corporation ein Memorandum of Understanding für den Bau einer Seepipeline durch das Schwarze Meer in Richtung Türkei. Die Pipeline wird eine Kapazität von 63 Milliarden Erdgas haben, von denen rund 50 Milliarden Kubikmeter an einen neuen Gas Hub an der türkisch-griechischen Grenze geliefert werden sollen. Für den Bau der Erdgasleitung ist die Gesellschaft Gazprom Russkaya zuständig -deutsche Firmen gucken dumm in ihre unverkaufte Röhre.

Langfristige Folgen befürchtet: China lachender Dritter

Doch nicht nur die Türken freuen sich über Obamas Sanktionitis und die deutsche Feigheit vor dem Freund. Der Chefanalyst der Bremer Landesbank und regelmäßige Kommentator auf Cashkurs, Folker Hellmeyer, hat wiederholt die Sanktionspolitik kritisiert. Der Banker formulierte seine Bedenken im Juli 2014 so: „Das Markenzeichen Deutschlands, geprägt von Zuverlässigkeit, Qualität und schnellem Service, verliert hinsichtlich der drohenden Wirtschaftssanktionen seinen Glanz. Der Blick Moskaus geht gen Osten. Südkorea, Japan und allen voran China erfreuen sich eines verstärkten Interesses bei russischen Auftraggebern. Die Werbung in diesen Ländern stellt explizit auf sanktionsfreie Lieferungen ab… Deutsche Unternehmen (berichten), dass russische Gesprächspartner die deutschen Unternehmen nicht mehr als zuverlässige Geschäftspartner ansehen. Bereits die Diskussion über Sanktionen führe dazu, dass sich langjährige Geschäftspartner abwenden.“

Die Kritik an dem neuen Trend der deutschen Außenpolitik formulierte der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft in einer großen „Gemeinsamen Erklärung“ des BDI, Petersburger Dialog, Deutsch-Russisches Forum und Deutsch-Ukrainisches Forum noch am 7. März 2014: „Deeskalation auf allen Seiten ist bei allen laufenden und bevorstehenden Verhandlungen das Gebot der Stunde für die Beteiligten. Dazu gehört auch, dass konfliktsteigernde militärpolitische wie wirtschaftliche Maßnahmen von allen Seiten zurückgestellt werden und konfliktreduzierende Maßnahmen … absolute Priorität haben. … Der Dialog auf möglichst vielen Ebenen ist in dieser Stunde der Krise der einzige Weg, den vielfältigen Interessen an den europäisch-russischen Beziehungen gerecht zu werden.“

Gabor Steingart

Gabor Steingart, Handelsblatt

Besonders lautstark donnerte Talkshow-Darling Gabor Steingart, Leitartikler und Herausgeber des Handelsblatts warf sich für seine Anzeigenkunden in die Brust. Anders als viele feige Kollegen, die längst vor den Bilderberger-Gleichschaltern auf die Knie gegangen waren, zog er in seiner Kritik gegenüber dem den USA alle Register. Es müsse darum gehen, „der bisherigen Debatte den Schaum abzuwischen, den Scharfmachern und Scharfgemachten die Worte aus dem Mund zu nehmen und ihnen neue Vokabeln auf die Zunge zu legen.“ Realismus wäre gefordert. Die deutsche Politik täte gut daran, sich an die Politik der Verständigung und des Interessenausgleichs von Willy Brandt und Egon Bahr zu erinnern. In seinem Essay „The West on the wrong path“, der auf Deutsch, Englisch (auch auf ZeroHedge) und sogar Russisch (!) verbreitet wurde: „Der Irrweg des Westens“ (Ложный путь Запада, in der Russlandbeilage des Handelsblattes vom 08.08.14. Da wollte einer gut Wetter nach Osten machen. Aber nun ist auch diese letzte Trompete einer deutsch-egoistischen Wirtschaftspresse verstummt. Die Pfeifen von FAZ und WELT hatten schon lange ihre Klientel verraten und mit vollen Hosen aus vollen Rohren gegen Putin geschossen.

Nur Rüstungsindustrie verdient am Krieg

Zwischen FAZ und Handelsblatt kam es sogar zu einem kleinen Schlagabtausch. Die FAZ forderte im blackwaterLeitartikel „Stärke zeigen“ am 03.08.14 gegenüber Russland politisch und strategisch einen „neuen Doppelbeschluss“; der Westen müsse seine wirtschaftliche, politische und militärische Abwehrbereitschaft stärken und auch demonstrieren. Handelsblatt-Chef Gabor Steingart warf am 05.08. der FAZ vor „unverhohlen zum Losschlagen gegen Russland“ aufzurufen und bezeichnete den Leitartikel der FAZ als „geistigen Einberufungsbescheid“. Die Reaktion der FAZ: Das „Handelsblatt“ solle sich nicht „zum publizistischen Rohr eines Ökonomismus machen, dem Geschäfte über alles gehen.“ Nein, vor dem Geld kommt der FAZ ihr Bibbern vor den Machthabern in Washington und so moralisieren sie gegen den schnöden Materialismus der Konkurrenz –die freilich auch bald einknickte. Denn ihre eigene Klientel, die deutsche Wirtschaft bibberte selbst vor Obama: Sie belohnte nicht etwa den tapferen Gabor mit einem Geldregen an Anzeigen in seinem wackeren Blättchen. Ihre PR-Etats flossen weiterhin auch an FAZ und WELT. Selber Schuld.

Das Handelsblatt tröstet seine Kundschaft jetzt nur noch, wenigstens seien nicht alle Branchen von den Sanktionen negativ betroffen. Die europäische Rüstungs- und Sicherheitsindustrie und das Netz ihrer Zulieferer profitiert von jeder Art Verschärfung internationaler Spannungen. Hurra auf die NATO! Nach Beschlüssen auf dem Nato-Gipfel in Wales sollen alle Nato-Staaten ihre Rüstungsetats aufstocken. Der deutsche Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann (KMW)ist mit dabei und jubiliert:

Mit dem PUMA nach Moskau?

„An Standorten in Deutschland, Brasilien, Griechenland, Großbritannien, Mexiko, den Niederlanden, Singapur, der Türkei und den USA entwickeln, fertigen und betreuen rund 3.200 Mitarbeiter ein Produktportfolio, das von luftverladbaren und hochgeschützten Radfahrzeugen, über die Aufklärungs-, Flugabwehr- und Artilleriesysteme, bis hin zu schweren Kampfpanzern, Schützenpanzern und Brückenlegesystemen reicht. …Wie erwartet bietet das Erprobungsgelände in Nord-Norwegen hervorragende Möglichkeiten den SPz PUMA in einer subpolaren Klimazone zu testen. KMW: ProTECts your Mission.“

KMW sprach für viele Rüstungsfirmen, als die Firma erklärte: „Die Nachfrage nach dem Leopard 2 hatte in den vergangenen Jahren in Europa nachgelassen, da sich die Beziehungen zu Russland verbesserten. (…) Jetzt lassen jedoch die zunehmenden Spannungen in Osteuropa die Verteidigungsbudgets in der Region wachsen. Polen, Finnland, Norwegen, Estland, Lettland und Litauen -allesamt direkte Nachbarn Russlands- sehen … mehr Geld für die Verteidigung vor.“

Hurra! Hurra! Hurra! Aller guten Dinge sind ja bekanntlich drei, das muss doch auch für Weltkriege gelten, meint unsere Journaille. Und die Wirtschaft stand nach 1918 und 1945 doch immer noch goldig da. Nach 20 Millionen Toten bei WWI und 50 Millionen in WWII dürften jetzt wohl hochgerechnet 125 Millionen Tote zu erwarten sein. Aber vielleicht steht Berlin ja endlich einmal auf der Siegerseite. Hurra! Hurra! Hurra!