Tunis: Anschlag auf Jasminrevolution -Wer steckt dahinter?

Gerd R. Rueger tunisia-flag-svg

Zwei Dutzend tote Touristen sind ein Anschlag auf die tunesische Wirtschaft, die Demokratie und auf den einzigen Staat, der im Arabischen Frühling wirklich etwas mehr Freiheit erreichen konnte. Das passt einigen dunklen Kräften nicht. Westmedien schreien wie üblich „Islamisten!“, doch kann das die ganze Antwort sein? Trifft den Westblock nicht Mitverantwortung für seine Politik der Destabilisierung, „Terrorbekämpfung“, Aneignung von Rohstoffen? In Tunesiens Nachbarland Libyen kontrollieren in Folge des NATO-Bombenkrieges inzwischen IS-Milizen Teile des Staatsgebietes.

Militarisierung einer Ferienkolonie? Nach der Wahl im letzten Jahr gab es viele Hoffnungen auf Frieden.TunisiaDemonstrants Im November kam der erste Anschlag. Er misslang. Nun scheint der Terror sein Ziel erreicht zu haben. Am Abend nach dem Terrorangriff auf das Bardo-Museum in Tunis trat Präsident Essebsi in der Uniform des obersten Befehlshabers der Streitkräfte vor die TV-Kameras und erklärte „dschihadistischen Gruppen“ den Krieg. Premierminister Essid teilte den Medien zwar Namen und die Herkunft der beiden mit, wie auch, dass sie den Geheimdiensten bekannt waren, beteuerte jedoch, dass man nicht sagen könne, welcher Organisation sie angehören. Zu dem Anschlag mit 23 Toten hat sich die Terrormiliz IS bekannt. In einer Audiobotschaft bezeichnete ein Sprecher das Attentat als „gesegneten Angriff“ und die beiden Angreifer als „Ritter des Islamischen Staates“. Er betonte, dass die mit den Kampfnamen „Abu Sarakija“ und „Abu Anas“ identifizierten Attentäter bei ihrem Anschlag, in den Sicherheitsbereich des tunesischen Parlaments eingedrungen seien. Tunesische Behörden hatten bereits vor Veröffentlichung der IS-Botschaft die beiden getöteten Attentäter als Jassin Laabadi und Hatim Chaschnawi identifiziert. Die Polizei nahm neun weitere Verdächtige fest. Kriegstreiber und Terrorgewinnler sind am Ziel ihrer Träume, Bertelsmann-Sender n-tv jubiliert vom kommenden „gnadenlosen Krieg“ in Tunesien.

Le président de la République, Béji Caïd Essebsi

Tunesien kämpfe seit Jahren mit islamistischem Terror, so der tunesische ARD-Terrorexperte Mehdi Taje (wo bekommen die solche Leute immer her?). Al Kaida bedrohe das Land im Süden, dazu kämen Waffen aus Libyen. Viele Tunesier seien nach Syrien und in den Irak gegangen, um für die Terrormiliz „Islamischer Staat“ zu kämpfen. Von den schätzungsweise 3000 tunesischen Terroristen könnten inzwischen einige zurückgekehrt sein. Tunesien hätte längst ein Konzept entwickeln müssen, sagt Taje, um mit diesen Rückkehrern umzugehen. Die neue Regierung müsse das nun dringend nachholen: „Denn bislang haben wir keine nationale Strategie im Kampf gegen den Terrorismus“, so räsonierte Taje für die ARD.

Der ZEIT- Terrorexperte Allaya Allani meint, die beiden erschossenen Terroristen seien Grenzgänger zwischen Algerien und Tunesien. Hinter dieser Operation stehen nach seiner Einschätzung die Extremisten von Okba Ibn Nafaa, einer Terrorzelle von Al-Kaida im Islamischen Maghreb (Aqmi). Die Gruppe bestehe zu 70 Prozent aus Algeriern und zu 30 Prozent aus Tunesiern, sei sehr gut organisiert und habe sich in den Chaambi-Bergen nahe der Grenze zu Algerien verschanzt. Dort operiere auch ein zweites Terrorkommando: Ansar al-Scharia, das jedoch von den Sicherheitskräften in jüngster Zeit stark dezimiert wurde: Es gab 1.500 Verhaftungen, die Führung sitzt entweder im Gefängnis oder ist im Exil. Die viel gefährlichere und radikalere Gruppe sei darum Okba Ibn Nafaa. „Das Wichtigste wären wirtschaftliche Investitionen und Hilfen bei der Ausrüstung von Polizei und Armee. Wir brauchen bessere Waffen und effektive Grenzsicherungssysteme. Wir brauchen fachliche Unterstützung beim Training der Sicherheitskräfte.“, so der ZEIT-Terrorexperte Allani. Da werden sich westliche Sicherheitskräfte und Rüstungsindustrielle über neue Absatzmärkte und Einsatzfelder sicher freuen.

Tatsächlich sind viel junge, perspektivlose und indoktrinierte Tunesier auf die mit gewTunisPressGirlaltigen Geldmitteln betriebene Anwerbe-Strategie hereingefallen. Doch die meisten Tunesier halten nichts davon. Hunderte Demonstranten haben sich auf dem Bardo-Platz versammelt, singen die tunesische Hymne. Demonstranten legen Blumen nieder, im Gedenken an die vielen Opfer des Terroranschlags vom Mittwoch. An der Mahnwache nehmen auch Dutzende Anwälte und Richter teil, sie fallen auf in ihren schwarzen Roben. Ein klares Signal an diesem Tag: Tunesien soll Rechtsstaat bleiben, trotz der Angriffe -von „Islamisten“? Doch die allzu einfache Erklärung des Unheils greift zu kurz. Schon zuvor waren Tendenzen hin zu einer totalitäreren Führung sichtbar geworden, Angriffe auf die Pressefreiheit.

Bulldogge USA im Krieg „gegen“ den Terror

In Tunesien ist eine Stimmung der Angst zurück gekehrt, es drohen Militarisierung und totalitäre Polizei- und Geheimdienstkontrolle: Es droht genau das, was die Führung im Westblock nach innen und außen durchsetzen will. Mal als „Krieg gegen den Terror“, mal wegen der Ukrainekrise wollen USA und EU die von Snowden enthüllten totalitären NSA-Strukturen beibehalten und das bislang schon nicht sehr friedliche Westeuropa soll nun gegen Russland aufrüsten. Es soll ein kleines Rudel Bluthunde an der Seite der globalen Bulldogge USA werden, wo bislang nur Großbritannien und Israel militärisch ihre Zähne fletschen und Frankreich noch seiner eigenen Wurst nachjagt –wie in Libyen.

Die arabisch-muslimische Welt wurde vom Westblock Land für Land in Schutt und Asche gelegt, soweit es sich nicht um lupenreine Marionettenregime wie Saudis und Scheichs handelte. In Afghanistan und Irak mit Bombenkrieg und Invasion, Libyen mit von außen gesteuerten Killerbanden und Luftunterstützung, Syrien lief dank russischer Deckung nicht ganz so glatt, in Ägypten rangeln CIA-gesteuerte Moslembruder-Islamisten mit Pentagon-nahen Militärs, im Jemen genügte Drohnenterror. Ergebnis ist überall eine ruinierte Ökonomie, eine verelendete Gesellschaft und ein schwacher Staat, der leicht von außen manipuliert und geplündert werden kann. Das westliche Versprechen von Freiheit und Demokratie wird nie eingelöst, aber niemals will der Westen daran schuld sein. Den Menschen geht es schlechter als vorher, sofern sie überhaupt das Glück hatten, ihren Kontakt mit der „Freien Welt“, wie der Westblock sich selber nennt, zu überleben.

Einzige Ausnahme schien Tunesien zu sein, wo ein Despot tatsächlich durch eine Art beginnende wsf_logo3Demokratie abgelöst wurde, ohne dass sich das Land in ein Schlachthaus verwandelt hatte –auch durch das Internet und Anonymous. Doch das passt offenbar einigen Kräften nicht, die sich Al Qaida oder IS nennen, die aber in dringendem Verdacht stehen, besser Al CIAda und ISA heißen zu sollen. Die CIA spielte die Islamistenkarte schon in Afghanistan gegen den sowjetisch geprägten Sozialismus, exportierte ihre Taliban-Terroristen dann nach Jugoslawien, um ihrem antikommunistischen Hass dort freien Lauf zu lassen. Zurück blieb Klerikalfaschismus am Hindukush und ein von Ethnorassismus verwüsteter Balkan, wie ihn sich Geopolitiker vom Schlage Samuel Huntington nur erträumen konnten. Dieses blutige Modell der False-Flag-Terroristen und Marionetten-Regime wurde und wird nun anscheinend in der arabischen Welt fortgesetzt. In Tunesien gab es bereits 2013 eine Serie politischer Anschläge und Morde wichtiger Oppositionspolitiker, die das Land auf einen anderen Weg hätten führen können. Ein Lichtblick war das Weltsozialforum 2013 in Tunis.

Tunesien soll „befriedet“ werden wie Libyen, Syrien, Irak

Von Algerien und Libyen her sickern Terroristen dieser Machart seit Jahren nach Tunesien ein, im Inneren züchtet man Terrorismus mit viel Geld aus diversen CIA-Saudi-Scheich-Connections. Das trägt blutige Früchte: Mit bis zu 3000 Kämpfern stellen Tunesier Schätzungen zufolge die größte Gruppe unter den ausländischen Kämpfern im Irak und in Syrien dar. Sicherheitsexperten warnen, dass vor allem über die Grenze zum Bürgerkriegsland Libyen Syrien-Heimkehrer mit Ausbildung der Terrormiliz IS einsickern können. Wohlfinanzierte Propaganda im Inneren, etwa für den Salafistenbund Ansar al-Scharia, stärkt den Islamismus. Ob hier im Detail Bahrein, wo auch deutsche Interressen nachweisbar sind, oder diverse Emire dahinterstecken ist gleichgültig. Es ist die Politik der globalen Konfrontation, die der Westblock und besonders der globale Militär-und-NSA-Moloch USA in unseren Medien als „Friedensmission“ verkaufen will.

Die Menschen im Westen sollen gegen Moslems aufgehetzt werden. Gläubige Moslems, aber auch einfache Leute in islamischen Staaten, sollen den Westen hassen. Es profitieren die Hardliner, die totalitären Spitzeldienste, die Militärs und Rüstungsindustriellen im Westen und die hinter ihnen stehenden Geldeliten, die „Bilderberger“. Ihre Schattenbanken, Schwarzgeldoasen, Börsenmanipulationen, Finanzverbrechen stehen immer kurz vor der Entlarvung und die Welt damit kurz vor dem nächsten großen Crash. Von ihrem immer frecher werdenden Parasitismus können sie nur durch Terror, Krieg und Hass auf äußere Feinde ablenken. Nur so können sie in reichen Ländern das Volk ausbeuten und verelenden: Sinkende Lebensqualität der Mehrheit trotz steigendem Bruttosozialprodukt, Luxusvillen statt Krankenhäuser, Rüstung statt Bildung. Nur so können sie mit Lügen Wahlen gewinnen, Gewerkschaften abtöten, Löhne drücken und in altbekannter Manier die Völker spalten.

Es ist hochwahrscheinlich, dass hinter den Schüssen auf Touristen in Tunis dieselben kriminellen RTEmagicC_wsf2013_logo_01.pngGruppen stecken, die hinter Bomben auf Touristen in Kuba, Anschlägen auf Venezuelas Gesundheitswesen und wohl auch den Schüssen auf dem Maidan in Kiew stehen. Jeder im Westen kann jetzt noch ihre Pläne durchkreuzen: Bei der nächsten (noch) freien Wahl, einfach Links, Syriza, Podemos wählen. Anders als die Thatcher und Merkel dieser Welt glauben machen wollen: Es gibt Alternativen -und auch Geld genug, um sie zu verwirklichen. Doch der Westen finanziert nicht nur Terror, Putsche und Despoten, er gewährt ihnen und ihren ergaunerten Milliarden auch großzügig Asyl (anders als ihren Opfern, wenn denen die Flucht gelingt). Diktator Ben Ali hat Tunesien vor seiner Vertreibung geplündert, aber nur 60 Millionen Dollar will die Schweiz bis jetzt bei den Ermittlungen gegen seinen Clan Ali-Trabelsi gefunden haben. Doch Ben Ali hat sein Land über Jahrzehnte bestohlen: Man schätzt 5-20 Milliarden US-Dollar brachte sein Kleptokratenclan mit verbrecherischen Methoden beiseite… In Miami, London, Zürich sitzen viele sehr reiche Leute, deren Geld den Menschen der armen Kontinente fehlt.

Sieg der Vernunft? Wahl in Tunesien 2014

Gerd R. Rueger, Tunis/Sfax

Tunis. Die Bekanntgabe vorläufiger Ergebnisse der am Sonntag abgehaltenen Parlamentswahl durch die Wahlkommission ISIE zögerte sich immer weiter hinaus. Eine bereits am Morgen angekündigte Pressekonferenz wurden mehrfach verschoben. Sieger ist die säkulare Allianz Nidaa Tunis, die auch alte Ben Ali-Komplizen aufstellte.

Die Kommission hat bis zum 30. Oktober Zeit, das Endergebnis bekannt zu geben. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 62 Prozent und die Wahl verlief weitgehend friedlich. Vorher waren mögliche Anschläge der salafistischen Terrorgruppe Ansar al-Scharia befürchtet worden, die nicht nur in Libyen, sondern auch in Tunesien agiert.

Der Europarat lobte den Ablauf der ersten Parlamentswahl in Tunesien seit dem Arabischen Frühling. Die Wahl am Sonntag sei „ordentlich“ und auf der Grundlage der neuen Verfassung des Landes verlaufen, betonte der Generalsekretär des Rates, Thorbjørn Jagland. Zu ausländischen Versuchen, die Situation in Tunesien durch einsickernde Islamisten zu destabilisieren, äußerten die Europäer sich nicht.

Das vorläufige Endergebnis war noch nicht bekannt gegeben, da räumte Yusra Ghannouchi, die Sprecherin der Islamistenpartei Ennahda („Wiedergeburt“),  ihre Niederlage ein. Gewinner der Wahl wird die säkulare Parteien-Allianz Nidā’ Tūnis („Ruf Tunesiens“) sein. Der schlechte Ruf des Islamismus und die heikle Bündnispolitik mit alten konservativen Kräften noch aus der Zeit der Diktatur Ben Alis brachte der breiten Allianz den Sieg.

Die Ennahda, die bei der Wahl zur Verfassunggebenden Versammlung 2011 noch 89 von 217 Sitzen gewann und das Land bis 2013 regierte, kommt vermutlich nur auf 28 bis 31 Prozent und höchstens 68 Sitze. Die sozialdemokratische Ettakatol, die 2011 mit der Ennahda koaliert hatte, wird mit in den Abgrund gezogen und muss mit massiven Verlusten rechnen.

Beji Caid el Sebsi ist Vorsitzender von Nidā’ Tūnis. Foto: Guillaume Paumier. Lizenz: CC BY 3.0.

Der Ennahda-Funktionär Lotfi Zitoun appellierte bereits an den anscheinenden Wahlgewinner, zusammen mit seiner Partei eine „Regierung der Einheit“ zu bilden, die seinen Worten nach dem „Interesse des Landes“ am besten gerecht würde. Ein anderer mögliche Koalitionspartner der Nidā’ Tūnis wäre die Partei des Oligarchen Slim Riahi, die mit Popkonzerten für sich warb und überraschend stark abschnitt, so tp.

Sieger: Die Allianz Nidaa Tounès

Nidaa Tounes supporters wave party flags on election night. Photo: Nidaa Tounes official Facebook pageMourakiboun, die tunesische Wahlbeobachterorganisation, ging gestern davon aus, dass die Allianz Nidaa Tounès auf 37,1 Prozent der Stimmen kommen wird, während auf die islamistische Ennahda 27,9 Prozent entfielen. Tunesische Medien berichteten unter Berufung auf Umfragen über einen ähnlichen Wahlausgang.

A preliminary ballot count published by Anadolus Agency revealed moderate Islamist party Ennahdha with 68 seats so far (31.33%) and 83 for Nidaa Tounes (38.24%) in the 217-seat assembly. Following the two leading parties are the United Patriotic Front with 17 seats, the Popular Front with 12 seats, Afek Tounes with 9, Democratic Current with 5, and the Initiative and Congress for the Republic parties with 4 seats each. TunisiaLife

Auf ihrer offiziellen Facebook-Seite verkündete Nidaa Tounès ihren Wahlsieg. „Wir haben gewonnen, lang lebe Tunesien“, hiess es dort. Parteichef Béji Caïd Essebsi hatte sich am Sonntagabend noch vorsichtig gezeigt und erklärt, es gebe Hinweise, wonach die Partei an der Spitze sein könnte.

Die islamistisch-gemäßigte Ennahda-Partei, die derzeit in der verfassunggebenden Nationalversammlung die Mehrheit hält, teilte mit, auf Platz zwei gelandet zu sein. Nidaa Tounès habe einen Vorsprung von etwa einem Dutzend Sitzen, erklärte Ennahda-Sprecher Zied Laadhari. Dies seien aber nur Hochrechnungen, betonte der Sprecher.

Der Unternehmer Slim Riahi hoffte auf einen Überraschungserfolg mit seiner neoliberalen Freien Patriotischen Union. Der 42-jährige ist Vorsitzender des beliebten Fussballvereins Club Africain in Tunis und tritt ausserdem bei der Präsidentenwahl am 23. November an.

Die Ennahda war 2011 aus der ersten freien Wahl nach dem Sturz von Zine el Abidine Ben Ali im Arabischen Frühling mit Abstand als stärkste Kraft hervorgegangen. Wenn das neue Parlament die Arbeit aufnimmt, kann die derzeitige Übergangsregierung von einer gewählten politischen Führung abgelöst werden. Mit der Wahl eines Präsidenten bis zum Jahresende soll der nach der Jasminrevolution eingeleitete Weg in die Demokratie abgeschlossen sein. Bis spätestens Februar soll das Kabinett arbeitsfähig sein. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre.

Vorgeschichte: Urlaubsparadies Diktatur

Ab 1994 war Tunesien eine vom Westen anerkannte repräsentative Demokratie, die als in den Medien romantisiertes Urlaubsparadies viele Deutsche, Franzosen, Italiener ins Land locken konnte. Alle Wahlen erbrachten wundersamer Weise  Ergebnisse von bis zu über 90 Prozent der Stimmen für Ben Ali und seine Partei Rassemblement constitutionnel démocratique. Zuletzt war der prowestliche Präsident 2009 für weitere fünf Jahre bestätigt worden, weshalb die nächste reguläre Wahl 2014 stattfinden sollte.

Um den Jahreswechsel 2010/2011 stürzte jedoch der danach auch in Westmedien Diktator genannte Ben Ali durch die tunesische -mehr im Ausland als dort selbst- Jasminrevolution genannte Erhebung. Das Amt des Präsidenten wurde mit dessen Flucht am 15. Januar 2011 vakant und bis zu einer regulären Wahl interimistisch ausgefüllt. Zunächst war geplant, bereits wenige Monate darauf eine Präsidentschaftswahl abzuhalten. Da jedoch im Lauf der Revolution die Verfassung außer Kraft gesetzt wurde, fehlten die Voraussetzungen für die Durchführung jeder Art von Wahlen. Der am 16. Januar bestimmte Interimspräsident Fouad Mebazaâ gab daher am 3. März bekannt, dass eine verfassunggebende Versammlung einberufen werden solle, die, verzögert, am 23. Oktober 2011 gewählt wurde und die innerhalb eines Jahres eine Verfassung erarbeiten sowie die Präsidentschafts- und Parlamentswahl organisieren sollte.

Es kam immer wieder zu Verzögerungen wegen ökonomischer Schwierigkeiten und politischer Verwerfungen, die sich im ersten Halbjahr 2013 durch die Ermordung der linken Oppositionspolitiker Chokri Belaid und Mohamed Brahmi zuspitzten. Die Wahlen, auf den 23. Juni 2013 angesetzt, wurden nach Protesten gegen die Regierung zuerst auf den 17. Dezember und dann ins Jahr 2014 verschoben, als die Regierung Ali Larajedhs Ende 2013 wegen des öffentlichen Drucks zurücktrat.

Als Gründe für das für Ennahda enttäuschende Abschneiden unter anderem den wirtschaftlichen Niedergang während der Regierungszeit der Partei und ihren Kuschelkurs im Umgang mit den Ansar al-Scharia-Extremisten. Als diese die beiden linksoppositionellen Politiker ermordeten, hatte sich Ennahda nach den massiven Protesten aus der Übergangsregierung verabschiedet und die Macht an ein Technokratenkabinett abgegeben.

Guide to Tunisian Parties

ENNAHDA – Originally founded in 1981 under the name of Islamic Tendency Movement by Rached Ghannouchi, who is still the party’s leader, Ennahda was subject to suppression under Ben Ali. Its leadership was exiled or jailed during the regime, including Ghannouchi who spent years in Britain. He returned to Tunisia after the revolution, and Ennahda became a legal party. The party won around 40 percent of the seats in Tunisia’s first transition assembly in the 2011 election and formed a coalition government with two smaller secular parties. Ghannouchi’s party was criticised by opponents for its economic management and for its laxity with hardline Islamists. But Ghannouchi was also seen as a more flexible Islamist leader who was able to compromise with rivals and end the crisis.

NIDAA TOUNES – Founded in 2012, mainly in reaction to the victory of Islamists after the revolution, Nidaa Tounes is an alliance that includes some former members of the Ben Ali regime, including party chieftain Beji Caid Essebsi. It is now the largest rival to Ennahda. Essebsi, 87, was a political figure in Tunisia since after the 1956 independence from France, a minister under Tunisia’s first President Habib Bourguiba, and a parliament speaker under Ben Ali. Nidaa Tounes presents itself as a modern movement best able to manage the problems of one of the Arab world’s most secular countries.

POPULAR FRONT – A coalition that includes dozens of smaller parties from the left-wing to nationalists as well as independent intellectuals. Founded in 2012, it presents itself as the third choice between Islamists and Nidaa Tounes. Its leader, Hamma Hammami, was also arrested by Bourguiba and Ben Ali, and is running as a presidential candidate. Two of its leaders Chokri Belaid and Mohamed Brahmi were assassinated by Islamist militants in 2013, triggering a political crisis that forced Ennahda-led government to step down.

REPUBLICAN PARTY – Formerly known as the Progressive Democratic Party or PDP, it changed its name after the revolution. Its leaders were among the most active in the 2011 uprising and were opponents of the Ben Ali regime. Its leader Ahmed Nejib Chebbi was a staunch foe of Ben Ali and was banned from running in 2009 elections during his regime. He participated in a national unity government in 2011.

INITIATIVE PARTY – A new party created after the revolution, the Initiative movement is led by Ben Ali’s former foreign and defence minister Kamel Morjane and is one of the three parties created by members of the old regime participating in the election. The party may do well in local areas where Morjane has influence. He was also a former diplomat in the United Nations. He says he apologised for his role in the Ben Ali regime, and believes his technocrat experience can be used to help Tunisia.

CONGRESS FOR THE REPUBLIC OR CPR PARTY – A secular, centre-left party created in 2011 by Moncef Marzouki, the current president of Tunisia. He was a human rights activist from 1989 to 1994, and a longtime opponent of Ben Ali. He was arrested several times under the former regime and sought exile in France for ten years before returning after the uprising. The CPR presents itself as a revolutionary party and opposes the return of former Ben Ali figures.

ETTAKATOL – A small Social-Democrat party founded in 1994 by medical doctor Mustapha Ben Jaafar. He was the head of the Tunisia assembly after the first election following the 2011 revolt, and Ettakatol were part of the coalition government led by Ennahda before they stepped down.