Big-Brother-Award unter Kritik: Nur eine Klingelbeutel-Veranstaltung?

Manuel Mahlmann

Heftige Kritik bekam die Veranstaltung gegen Datenkraken, die hier des öfteren wohlmeinend dokumentiert wurde, aktuell von Chaos-Computer-Club-Urgestein Fefe (Nickname). Der Conspiracy-Frontmann des CCC fand in seinem Blog harte Worte zur gerade vollzogenen Preisverleihung 2016. Diese harsche Kritik scheint zwar etwas überzogen, denn die Datensünder der Republik jährlich an den Pranger zu stellen ist eine gute Sache. Doch sollte die bröckelnde Unterstützung in der Netzkultur den Bielefeldern zu denken geben. Biedern sie sich wirklich nur noch dem Mainstream an? Bertelsmann wurde jedenfalls noch nie als Konzern bepreist, trotz bedeutender Stellung der Tochter Arvato in Sachen Datenschnüffelei und Kundenprofiling, die bei anderen Preisträgern zu Bertelsmann outgesourct wurden. Will man es sich nicht mit Europas größtem Medienkonzern verderben?

Kritisiert wurde die Behandlung der Vertreter von change.org durch die Big-Brother-Veranstalter, obwohl man auch kein Fan von change.org sei: Klicktivismus diene nur der Publikumsbespaßung und -beschäftigung. Doch schlimmer schien Fefe wohl der Veranstalter selbst: Der Bielefelder Trägerverein „Digital Courage“ (Neues Label des alten Föbud) wurde satrisch in „Digital Courtage“ umbenannt. Auf die berechtigte Kritik an change.org ging Fefe dagegen nicht ein: Change.org, vertreten durch die in Berlin angesiedelte Dependance des gleichnamigen US-amerikanischen Unternehmens, wurde bepreist, weil sie die personenbezogenen Daten der Menschen, die Petitionen unterzeichnet haben, in vielfältiger und nicht transparenter Art und Weise für eigene Geschäftszwecke verwende.

Das Unternehmen fertige, so die BBA-Verleiher, auf der Basis der Informationen über unterzeichnete Petitionen Analysen an: Etwa zur politischen Meinung, zur gesellschaftlichen Positionierung oder zur sozialen Situation von Einzelpersonen. Change.org verwendet diese Daten für eigene wirtschaftliche Zwecke, denn tatsächlich ist es keine „non-profit“ Bürgerbewegung, sondern ein US-Wirtschaftsunternehmen, in dessen Geschäftsmodell die Verwendung und Nutzung von sensiblen personenbezogenen Daten sowie der Handel mit E-Mail-Adressen eine zentrale Rolle einnehmen. Das ist ekelhaft, weil der gute Wille von -mäßig engagierten, aber besser als der Durchschnitt informierten- Menschen missbraucht wird.

Aber immerhin muss man es wohl mutig nennen, dass deren Vertreter zu so einer Negativ-Bepreisung überhaupt erschienen sind. Eine gute Figur haben sie dabei nicht gemacht, aber die Veranstalter ebensowenig. Haben sie, geschmeichelt durch Prominente, die auch mit dem Datenschutzthema punkten wollen, abgehoben und ihre netzkulturelle Basis inzwischen aus den Augen verloren? Das Kanzleramt kritisieren ist gut, aber zuzeiten auch wohlfeil, wenn alle Welt gerade auf Kanzleramtsminister Pofalla schimpft. Gegen echte Datenkraken wie Arvato/Bertelsmann vorzugehen, die noch nicht im Rampenlicht stehen und auch keine kleinkarierten Datenklauer sind, wie manche Pseudo-NGO, wäre endlich wieder angesagt.

Fefe schreibt: „Erinnert ihr euch, als der Big Brother Award noch mehr war als eine weitere Klingelbeutel-Veranstaltung des Föbud? Als das noch mehr als eine Clowncar-Veranstaltung war? Als die noch inhaltliche Ansprüche hatten? Ich auch nicht. Daher ignoriere ich die seit Jahren nach Kräften.

Ich bin auch kein Freund von change.org, weil ich Petitionen generell für Publikumsbespaßung halte, und weil change.org aus diesem Obama-Partisanenwahlkampf-Sumpf entstanden ist. Aus meiner Sicht sind diese ganzen Online-Pseudoaktivismus-Geschichten eher konterproduktiv, weil sie den Leuten das Gefühl geben, es kümmere sich ja jemand, und dann kann ich ja zuhause bleiben und vielleicht fünf Euro überweisen und dann war ich ja auch im Widerstand. So Plattformen wie change.org investieren die Spenden dann in den Ausbau und Betrieb ihrer Plattformen, und machen vielleicht hie und da noch eine Randgruppen-Aktion, die von der Presse ignoriert wird. Change.org wird TTIP nicht verhindern, tut aber so, als könnten sie es.

Dabei arbeiten da glaube ich durchaus Idealisten mit hehren Zielen, aber irgendwann wird aus diesem dauernden Spendensammeln und Plattformbetreiben halt ein Beruf. Und bei Digitalcourtage kann ich mich gar nicht an die letzte Aktion erinnern, die machen nur noch Spendensammeln. Oh warte, doch, an eine Sache erinnere ich mich.

Naja, lange Rede kurzer Sinn: Die Courtagisten haben jetzt jedenfalls über ihre Spendenacquiseplattform „Big Brother Awards“ change.org ausgezeichnet. Hier ist die Preisverleihung. Ja, kein Witz, ihr müsst da erstmal durch mehrere lange Minuten Mikrofonmonopolisierung und Schmutzwerfen der „Moderation“ durch, und selbst dann geben sie das Mikrofon nicht den change.org-Leuten, die sich verteidigen wollen, sondern jemand hält es ihnen hin. WTF? Was für eine erbärmliche Farce. Selbst der Bundestag behandelt seine Experten bei Anhörungen besser, auch wenn niemand die Intention hat, ihnen zuzuhören!

Aber gut, die 6 Minuten Frontal-Fremdschämen müsst ihr jetzt nicht über euch ergehen lassen, wir haben hier ja Internet und Videos mit Vorspulfunktion. Spult mal zur 7-Minuten-Marke, wenn ihr es nicht aushaltet. Der Chef von change.org Deutschland legt da grob wie folgt los: Bei uns geht es um Petitionen, die sind öffentlich, da steht ein Name dran. Also bei uns muss ja niemand seinen echten Namen eingeben, bloß die E-Mail-Adresse. Bei Digital Courtage hingegen sammelt ihr Namen, Anschrift, Bankverbindungen, …

Die Reaktion war so prompt wie unprofessionell (wenn man nach dem unterirdischen Verhalten davor überhaupt noch mit dem Wort „unprofessionell“ hantieren will): sie haben ihn zum Abendessen ausgeladen. Ob es hier am Ende bloß um die Ausschaltung von Spendensammel-Konkurrenz gehen sollte? Mir gehen so ein bisschen die Erklärungen aus, wie sich jemand so dermaßen zum Stück Brot machen kann, und das vor Publikum und wenn das Ergebnis dann auf Youtube hochgeladen wird.“  FefesBlog

BBAward-Preisträger 2016

Big Brother USA: Hacker planen Drohnen-Zensus

Gerd R. Rueger 12.03.2013 USDroneCensus_main_0709 (2)

Weißt du wieviel Drohnen fliegen? Die Überwachung der Bevölkerung aus der Luft schreitet stetig voran. Über den USA soll diese Plage der Spionage-Roboter jetzt bekämpft werden: Netzaktivisten der EFF kartographieren die Überwachungsdichte für US-Bürger.

US-Behörden planen, den regulären US-Luftraum bis 2015 für Spionage-Drohnen zu öffnen und das Pentagon gab bekannt, dass mittlerweile mehr Drohnenpiloten als Piloten für klassische Kampfflugzeuge ausgebildet werden. Die US-Polizei darf bereits jetzt Drohnen mit einem Gewicht von bis zu 25 Pfund einsetzen. Drohnen wurden von der US-Armee auf dem Schlachtfeld für Aufklärung und Tötung eingesetzt. Die Rüstungsindustrie entwickelt ihre neuen Spy-Gadgets aber auch für die US-Behörde „Homeland Security“ (von Präsident G.W.Bush für den inneren „Terrorkrieg“ geschaffen) und interessierte lokale Polizeibehörden.

USA: Bald Drohnen-Überwachungsstaat?

Wie viele örtliche Polizeistationen planen, künftig mit Drohnen um ihre zu Straßenecken zu patrouillieren? Wie viele Landesbehörden für Katastrophenschutz zeigen die Bereitschaft, Drohnen-Verwendung bei  Notfallmaßnahmen zu prüfen? Solche Fragen stellen sich besorgte US-Hacker. Die wachsende Flotte fliegender Kampf- und Spionage-Roboter hat unter US-Oppositionellen die neue Bewegung für einen Drone Census auf den Plan gerufen: Man will die Drohnennutzung von Regierungsstellen aufspüren und dokumentieren. Auch Wikileaks sieht in der Transparenz der militärischen und zivilen Drohnen-Strategie einen wichtigen Schwerpunkt der Netzkultur. Julian Assange fordert jüngst die Mitarbeiter und Mitwisser von für Angriffe von Kampfdrohnen verantwortlichen US-Behörden zur Preisgabe von Geheimunterlagen auf.

Der Vorschlag für den „Drohnen-Zensus“ 2012 US Drone Census: Jeder kann anonym Kontaktinformationen über staatliche Stellen oder Institutionen einreichen, die im Verdacht stehen Drohnen einzusetzen. Die traditionsreiche Hacker- und Netzaktivistengruppe Electronic Frontier Foundation und die „Open Government“-Initiative MuckRock (eine Watchdog-Gruppe, die sich auf Anfragen nach dem Freedom of Information Act versteht) forschen ihrerseits den Regierungsstellen nach, die US-Bürger ausforschen wollen. Dies ist Teil der von EFF entwickelten Strategie der „Informationellen Selbstverteidigung“ (Surveillance Self-Defense), ein technophiler Teil des Kampfes um unsere Privatsphäre, wie er der Hackerkultur von Anfang an am Herzen lag. Hier die US-Landschaft der Drohnen-Spionage vom EFF:

The U.S. Drone Census: How many drones are being deployed in the skies above the United States? How many local police departments are planning on using them to patrol street corners, and how many state disaster preparedness agencies are studying their use for emergency response? And how are all these agencies – from the tiniest towns to the most populous of states – planning on regulating drones to prevent abuse? MuckRock

USA: Beobachten, verfolgen, töten aus der Luft

Im Ausland sowieso und mit Begeisterung, aber jetzt auch im US-Inland. Eine Aufrüstung der Drohnen-Flotte in den USA sieht Telepolis im Zusammenhang mit dem Amoklauf des Expolizist Christopher Dorner. Dorners Mordserie an Polizisten löste vor einiger Zeit die größte Fahndungsaktion in der Geschichte Kaliforniens aus. Dies habe einen willkommenen Vorwand zur weiteren Militarisierung des amerikanischen Sicherheitsapparates geliefert. „Dorner war offensichtlich der erste US-Amerikaner, der zum Zielobjekt derselben Überwachungsdrohnen wurde, die auch bei Washingtons ‚War on Terror‘ im Mittleren Osten zum Einsatz kommen… Den Befürwortern von Todesdrohnen erscheint ihr Einsatz im Inland nicht als der große rechtstaatliche Tabubruch, sondern als ein kleiner Schritt, weil diese ja schon im Ausland zum Einsatz kommen – auch gegen US-Bürger… Im Gespräch ist eine Art Sondergericht, das die Tötungspraxis kontrollieren soll.“

Bei der Drohnen-Aufrüstung spiele auch der Kostenfaktor eine wichtige Rolle: Eine Atomics MQ-9 Reaper-Drohne (Predator B) kostet um die 37 Millionen US-Dollar, der neue F-35-Kampfjet zwischen 100 und 230 Millionen US-Dollar. Betrieb und Wartung dürften auch deutlich billiger sein -aber für den Einsatz gegen die eigene Bevölkerung dürfte das Argument Nr.1 die Unauffälligkeit sein: Über den Latinogettos kreisende Kampfjets sehen dann doch zu sehr nach Bürgerkrieg aus. Und es ist doch nur Neoliberalismus, der da mit seinen Drohnen tötet.

Die EFF fand Lizenzen zum Drohnen-Spionieren bei folgenden US-Behörden:

  • The State Department
  • National Institute of Standards and Technology (NIST)
  • Barona Band of Mission Indians Risk Management Office (near San Diego, California)
  • Canyon County Sheriff’s Office (Idaho)
  • Clackamas County Sheriff’s Office (Northwest Oregon)
  • Grand Forks Sheriff’s Department (North Dakota)
  • King County Sheriff’s Office (covering Seattle, Washington)

And several new entities in Ohio, including:

  • Medina County Sheriff’s Office
  • Ohio Department of Transportation
  • Sinclair Community College
  • Lorain County Community College