Gladio-Staybehind 2017: Wo bleibt der Bericht?

Gilbert Perry

Bis 2017 soll ein Gladio-Bundesbericht vorgelegt werden, so versprach man nach der Luxemburger Bombenleger-Affäre, über die Eurokratenboss Juncker (nach oben) stolperte. Passiert ist nichts, die Presse stellt keine Fragen. Grund genug hätte sie: Gladio/Stay Behind werden, insbesondere in Italien, Terroranschläge gegen die eigene Bevölkerung zugeschrieben: Musterbeispiel Bologna. Es gab Pläne für einen Militärputsch im Fall eines Wahlsiegs von Sozialisten, bis hin zu schwarzen Listen von Linkspolitikern, kritischen Journalisten und Gewerkschaftern, die man in vorbereiteten KZ internieren wollte -für Italien. Gab es diese Pläne auch für Westdeutschland? Und gibt es solche Pläne bis heute? Wem schiebt man heute Anschläge in die Schuhe? Solche Fragen könnten Journalisten auch in ARD und ZDF stellen, wenn sie ihren Auftrag ernst nehmen würden. Hier eine Dokumentation des Wissensstandes.

Die Gladio-Bombe platzte 1990, 2013 packte im Zuge der Luxemburger Bombenleger-Affäre ein Insider aus und der Skandal ließ sich nicht länger ganz totschweigen. ARD & Co. schwiegen verbissen und winzige Blogs wie dieses wurden von Hundertausenden Klicks überrannt -so groß war das Informationsbedürfnis. Schließlich sickerte etwas durch… Die Regierung Merkel vertröstete die Öffentlichkeit, eine Kommission beim BND würde die Akten aufarbeiten -bis 2017 sollten sie vorliegen. Das Jahr ist fast rum und keine Spur von Gladio: die Medien machen lieber in Jamaika-Panik als nachzufragen, viele erinnern sich schon kaum noch an den Begriff. Dabei ist Gladio ein Jahrhundert-Skandal, zog Kreise von CIA und BND über die Mafia bis zur Geheimloge P2, auch die Bilderberger waren dabei… die Watergate-Affäre war dagegen ein Möwenschiss.

Erst 1990 gab die Bundesregierung die Existenz von „Stay Behind“ in Deutschland zu, 2013 kamen im Zuge der Bombenleger-Affäre in Luxemburg weitere Details ans Licht über die Verbindungen von Gladio zu zahlreichen brutalen Bombenanschlägen, die stets angeblichen Linksextremisten in die Schuhe geschoben wurden. Der Medienmainstream beschwieg die Angelegenheit weitestgehend, aber ein paar Ausnahmen gab es, etwa den Frontal21-Mann Ulrich Stoll. Der befasste sich jahrelang mit den Nato-Geheimarmeen, kurz Stay Behind oder Gladio genannt, und interviewte auch den für Gladio-Altakten zuständigen BND-Historiker dazu: Dieser bestätigte erstmals eine Beteiligung der deutschen Staybehind an sechs Übungen mit den Nato-Ländern Frankreich, Belgien, Niederlande, Großbritannien, USA.

Während das Europaparlament eine deutliche Resolution gegen die illegalen Gladio-Geheimarmeen verabschiedete, passierte im deutschen Parlament so gut wie nichts. 1990 kamen mit der deutschen Wiedervereinigung zahlreiche Probleme auf den Bundestag zu: Es gab den Schalck-Untersuchungsausschuss und den zu dubiosen Treuhand-Geschäften. Die Grünen waren mit 3,8% aus dem Bundestag geflogen -sie hatten großspurig auf eine gemeinsame Liste mit der DDR-Grünen-Partei B90 verzichtet, die reinkam. Nur wenige DDR-Bürgerrechtler saßen also für Bündnis 90 im Parlament, nur ein paar Linke, damals PDS, waren mit 2,4% vertreten (dank einer damaligen Sonderregelung: es genügten 5% auf Ex-DDR-Gebiet für den Einzug). Diese Linken waren vollauf beschäftigt mit den beiden DDR-bezogenen Ausschüssen, die SPD hatte kein Interesse an Gladio. Für Stay Behind hatte mithin kaum jemand in der parlamentarischen Opposition Zeit, die schwarzgelbe Regierung, wo Klein-Angela bei Onkel Kohl auf dem Schoß saß, schon gar nicht. Es wäre dringend nötig gewesen, einen Untersuchungsausschuss wie in der Schweiz, in Belgien oder Italien einzusetzen. Das wurde sträflich versäumt von Politik und Medien (die es hätten einfordern müssen) von 1990-2014 und 2017… Jasminrevolution 2014: „Auf ihrer Website präsentierte die ARD-Tagessschau erneut einen nichtssagenden Juncker-Bericht. Dort erfährt man wieder einmal nichts zur Bombenleger-Affäre und  nichts über Gladio. Also auch Monate später kein Wort über die hier schon am 1.Mai 2013 dokumentierte Bommeleeer-Gladio-Affäre: 20 Gladio-Bombenanschläge von 1984-86.“

Aber manchmal rutscht dem Mainstream doch was durch bzw. lässt sich nicht mehr vertuschen und straft alle Lügen, die uns nur „Verschwörungstheorie“ unterstellen:

Doch es kommt ja immer wieder Neues heraus: Ich habe jetzt erst nach zähem Nachfragen erfahren, dass 1996 in Berlin ein britisches Stay-Behind-Waffen- und Funk-Lager geborgen wurde. Welche Rolle neben der CIA der britische Geheimdienst MI6 bei der Geheimtruppe in Deutschland spielte, ist noch völlig unbekannt, die Briten geben dazu keinerlei Auskunft. Es gibt immer wieder interessante Rechercheansätze: Oliver Schröm und Egmont Koch haben zum Beispiel nachgewiesen, dass ein italienischer Rechtsterrorist, der als Hintermann des staatlichen Terrors in Italien gilt, von der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung finanziert wurde. Die Stasi-Akten zum Rechtsterroristen Heinz Lembke und zum Oktoberfestattentat bieten auch Neues und wurden von Tobias von Heymann ausgewertet. Daraus ergibt sich zum Beispiel der Verdacht, dass die westdeutsche Polizei die Wehrsportgruppe Hoffmann ab dem Morgen des 26.9.1980, dem Tag des Oktoberfestattentats, intensiv beobachtete. Hatten die einen Tipp, dass ein Attentat am Abend geplant war? Ulrich Stoll ZDF

Nachweisbar, aber bislang vom BND nicht zugegeben, waren 2014 aber auch Übungen von deutschen und italienischen Stay-Behind-Gruppen in Luxemburg (wo später die Bombenlegeraffäre platzte). Ausgerechnet 1980 veranstalteten also Deutsche und Italiener zusammen ihre Gladio-Manöver, also kurz vor dem schweren Anschlag auf den Bahnhof in Bologna -setzte Staybehind diese Praxis dann beim Oktoberfest-Attentat in München fort? Hatten BND-Experten der Gladio Rom gar eine Schulung verpasst?

Am 25.3.2014 kam endlich die Dokumentation von Ulrich Stoll auf dem 0,1%-Sender ZDF Info -für ein minimales Spartenpublikum (Sendung inzwischen nicht mehr zugänglich). Stoll hatte deutsche Ex-Mitglieder der Stay-Behind-Gruppe interviewt, was einen gewissen, Einblick in ein kaum erforschtes Stück der jüngeren deutschen Geschichte gab.

Feigenblatt-Methode der MSM-Desinformation

Diese Feigenblatt-Methode der MSM (Mainstreammedien) sieht vor, kritische Information nicht völlig zu verschweigen, sondern an schwer auffindbaren Sendeplätzen zu verstecken. So kann man später bei nur minimaler Weiterverbreitung des Wissens behaupten, keine Zensur zu betreiben. In Nachrichten, Analysen und Kommentaren wird solches Feigenblatt-Material nicht aufgegriffen -dort käut man langweilige Banalitäten bis zum Erbrechen wieder, bringt Regierungspropaganda als Sensation und betreibt generell Agendasetting im Sinne der Herrschaftseliten.

So kommt es, dass die breite Masse der Zuschauer bis heute über eminent wichtige Themen wie Gladio/Staybehind praktisch nichts weiß. Gladio-Dokus, von ihren Feigenblatt-Sendeplätzen aufgezeichnet und auf Youtube hochgeladen, verzeichnen Klickraten im dreistelligen Bereich (bei ca. 100 Millionen potentiellen Zuschauern im dt.-sprachigen Europa). Siehe etwa die arte-Feigenblattdoku: „Gladio: Geheimarmeen in Europa“, Ein Film von Wolfgang Schoen/Frank Gutermuth, 863 Aufrufe bei Youtube (Nov.2017).

Die MSM haben die Aufmerksamkeit auf Millionstel reduziert -ein buchstäblicher Mega-Erfolg der Medienpropaganda. Der deutsche Mediengigant und Chef-Lobbyist Bertelsmann war zwar etwas weniger geheimniskrämerisch als die ARD, präsentierte seinen Lesern jedoch auch nur die halbe Wahrheit -und das Monate nach Bekanntwerden, als es sich kaum noch verschweigen ließ. So berichtete der „STERN“ (Bertelsmann) über Missstände im Geheimdienst Luxemburgs, SREL: „Sie reichen von ungenehmigten Telefonabhörungen, Schmiergeldzahlungen und dem Missbrauch von Dienstwagen bis hin zum Vorwurf, der SREL sei beim Aufbau der der Untergrundpolizei ‚Gladio‘ durch westliche Geheimdienste beteiligt gewesen.“

Untergrundpolizei Gladio“ -das lässt den STERN-Leser beruhigt im Sessel zurücksinken: Bei Kommissar Gladio, undercover im harten Einsatz, ist unsere Demokratie bestimmt sicher aufgehoben. „SpiegelOnline“ nannte Gladio immerhin noch eine „illegale paramilitärische Geheimorganisation„, die von „Militärs und Geheimdienstler aus mehreren europäischen Ländern“ aufgebaut worden war. Auch dort erfuhr man aber nichts zu den Verbindungen von Gladio zu zahlreichen brutalen Bombenanschlägen, die Linksextremisten in die Schuhe geschoben wurden und erst recht nichts über die Verbindungen zum BND (SPIEGEL-Leser wissen weniger). Die vor Gericht geleisteten Aussagen eines glaubwürdigen Zeugen, dokumentiert und von renommierten internationalen Medien wie Le Monde bereits publiziert, wurden von deutschen Mainstream-Medien systematisch totgeschwiegen und abgewiegelt: Ein Medienskandal im Geheimdienstskandal.

Gladio Staybehind 1990-2017

Im Dezember 1990 gab die Bundesregierung endlich die Existenz von „Stay Behind“ in Deutschland zu, es gab aber keine weiterführenden Informationen. Offenbar war dem BND die Nähe seiner Stay-Behind-Organisation zur italienischen Gladio-Truppe unangenehm. Da Gladio nachweislich in die brutalen Anschläge von Peteano, Mailand und Bologna „verstrickt“ war, sind gemeinsame Übungen mit dieser Gruppe oder ein Training im Trainingszentrum auf Sardinien dem BND peinlich. Oder ist eher peinlich, dass man die Italiener von Gladio erwischt hat? Auf Sardinien sollen auch die KZ-Anlagen liegen, in denen die NATO-Organisation nach dem Militärputsch die Oppositionellen internieren wollte -ob bis zu ihrer „Umerziehung“ oder Liquidierung, ist nicht bekannt.

Der BND hat die Interviewpartner sicher sorgfältig ausgesucht. Sie sind wohl unverdächtig, Terror gegen die eigene Bevölkerung geplant zu haben. Sie empfanden sich als Patrioten und zugleich als Abenteurer. …Wir haben damals über die Vorläuferorganisation, den rechtsextremen „Technischen Dienst“ des „Bundes deutscher Jugend“ berichtet. Für uns war unfassbar, dass die CIA und später der BND Alt-Nazis rekrutierten und bewaffneten, um die Demokratie vor den Russen zu schützen. Das fanden wir höchst gefährlich, zumal sich Gladio in Italien ja als Terrortruppe erwiesen hatte, die den Tod von eigenen Landsleuten in Friedenszeiten in Kauf nahm und aktiv gegen die Demokratie kämpfte. Ulrich Stoll ZDF

Juncker2014

Juncker 2014: aalglatt aus Gladio-Skandal geglitscht

Nato Geheimarmeen wie Gladio (Italien) und Staybehind (BRD) waren aber nicht nur dazu da, bei einem Angriff gegen „einen äußeren Feind“ (also die Sowjets) den Partisanenkrieg zu führen, wie uns die Bundesregierungen von Kohl, Schröder und Merkel weismachen wollten. Vielmehr wurde dieses geheime Netzwerk schon „präventiv“ aktiviert, um im Innern bestimmter Länder gegen den „ideologischen Feind“ vorzugehen. Stay Behind werden, insbesondere in Italien, sogar Terroranschläge gegen die eigene Bevölkerung zugeschrieben: Etwa das den Roten Brigaden unterstellte Massaker von Bologna, wo es am 2.8.1980 mehr Opfer gab, als bei allen anderen Terrorangriffen von Gladio: 85 Menschen starben, mehr als 200 wurden verletzt.Vergleichbare Opferzahlen erreicht erst heute wieder der (angebliche?) Terror von Islamisten in Europa. Wer wagt sich, zu fragen, ob dies eine neue „Strategie der Spannung“ der alten Gladio-Terroristen ist? Dubios genug ging es bei einigen Anschlägen zu…

Die italienische Justiz hatte später aufgedeckt, dass der Terrorismus von staatlicher Seite, d.h. von den Geheimdiensten, unterstützt wurde. Bombenattentate und gezielte Anschläge auf Einzelpersonen waren ein Teil der Nato-„Strategie der Spannung„, um den wachsenden politischen Einfluss der Linksparteien zurückzudrängen. Es lagen sogar Pläne vor, im Fall eines Wahlsiegs der Kommunisten bzw. Sozialisten einen Militärputsch durchzuführen, bis hin zu schwarzen Listen von Linkspolitikern, kritischen Journalisten und Gewerkschaftern, die man in vorbereiteten KZ internieren wollte. Es ist anzunehmen, dass dies in Westdeutschland nicht anders gehandhabt wurde. In Luxemburg, wo Gladio 2014 aufflog, bombte die Nato-Truppe „nur“ gegen Strommasten, um Linksextreme zu verleumden. Die BRD und Italien waren die wichtigsten Frontstaaten im Kalten Krieg -den alte Gladiokämpfer genau wie unsere MSM bis heute weiterführen: Jetzt gegen „die Russen“, d.h. Putin und alles was sie für kommunistisch, sozialistisch oder links halten.

BND-Chef Reinhard Gehlen war entschlossen, das belegen die US-Akten, Stay Behind auch gegen politische Feinde im Inneren einzusetzen – als illegalen Apparat, wie er es nannte. Gehlen fürchtete, dass Politiker von CSU bis SPD einen Neutralitätskurs einschlagen und die Loslösung von den West-Alliierten vorantreiben würden. Und er war offenbar bereit, dagegen mit einem rechten Putsch vorzugehen. Ulrich Stoll ZDF

Und das Oktoberfest-Attentat 1980?

Das bayerische Landeskriminalamt hat erst 2014 die Spurenakten zum Oktoberfestattentat freigegeben. Die Ermittler der Sonderkommission Theresienwiese hatten demnach bereits einen Tag nach dem Oktoberfestattentat die Information auf dem Tisch, dass ein Rechtsextremist in Niedersachsen, der Förster Heinz Lembke, große Mengen an Waffen und Sprengstoff besaß und das Material in der Neonazi-Szene anbot. ZDF-Reporter Stoll wundert sich:

„Bisher dachte man, die Spur zu Lembke sei lediglich in ein anderes Verfahren, die Ermittlungen gegen die rechtsterroristischen „Deutschen Aktionsgruppen“, eingeflossen. Doch die Münchner Soko hatte den Tipp und versuchte nicht einmal herauszufinden, ob es Verbindungen Lembkes zu Gundolf Köhler und der Wehrsportgruppe Hoffmann gab. Ein Jahr lang suchte man nicht nach Lembkes Waffenverstecken. Dass diese Spurenakten 34 Jahre zurückgehalten wurden, ist merkwürdig. Lembke wollte über seine Hintermänner aussagen, doch vor der Vernehmung wurde er erhängt gefunden. Der Generalbundesanwalt (GBA) schloss dann die Akte und erklärte, Lembke habe mit der riesigen Menge von 156 Kilo Sprengstoff und zahlreichen Waffen in seinen 88 Containern in Erdverstecken gar nicht den Staat angreifen wollen, sondern wollte als Partisan gegen die Russen kämpfen.“ Ulrich Stoll ZDF

Erst zehn Jahre später kam heraus, dass genau dies der (offizielle) Auftrag der Nato-Geheimarmee Gladio/Staybehind war. Aber man brauchte weitere 24 Jahre, um die Beziehung zwischen beiden Hinweisen einmal genauer zu untersuchen. Ergebnis bis heute: Null und Schweigen. Die einzigen Politiker, die sich für das Thema überhaupt zu interessieren scheinen, sind die der LINKEN. Kein Wunder: Ihre Namen dürften ganz oben auf einer mutmaßlichen KZ-Internierungsliste stehen.

Hier daher eine Dokumentation ihrer auch nur merkwürdig spärlichen Anfragen zum Thema nebst abwiegelnder Antworten der Merkel-Bundesregierung:

Anfragen der Linken zu Gladio/Staybehind

02.05.13 – Kleine Anfrage – Bundestags-Drucksache Nr. 17/13214

Im sogenannten Luxemburger „Bombenleger“-Prozess ist Anfang April ein Zeuge aufgetreten, der Aussagen zur Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an der Anschlagserie gemacht hat, die in den 1980er Jahren Luxemburg in Atem hielt. DIE LINKE fordert, den Verdacht, der BND habe sich an Terroranschlägen im Rahmen der NATO-stay-behind-Politik beteiligt, umfassend aufzuklären.

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Hierzu liegt eine Antwort der Bundesregierung als Drucksache Nr. 17/13615 vor. Antwort als PDF herunterladen

https://www.linksfraktion.de/parlament/parlamentarische-initiativen/detail/weitere-erkenntnisse-ueber-die-geheimorganisation-gladio/?no_cache=1

24.02.14 – Kleine Anfrage – Drucksache Nr. 18/524

Die NATO-Staaten betrieben in den Zeiten des Kalten Kriegs eine so genannte „stay behind“-Organisation unter dem Namen „Gladio“. Im Falle eines Einmarschs der Armeen des Warschauer Paktes sollten die Mitglieder dieser Organisation Sabotageakte verüben. Während diese Geschichte in anderen NATO-Staaten mittlerweile öffentlich aufgearbeitet wird, verweigert die Bundesregierung daran eine Mitwirkung – trotz oder wegen der
Verwicklung rechtsterroristischer Gruppierungen.

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Hierzu liegt eine Antwort der Bundesregierung als Drucksache Nr. 18/00701 vor. Antwort als PDF herunterladen

Deutscher Bundestag Drucksache 18/701 18. Wahlperiode 03.03.2014

Die Antwort wurde namens des Bundeskanzleramtes mit Schreiben vom 27. Februar 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext.

Antwort der Bundesregierung

auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/524 –

Weitere Erkenntnisse über die Geheimorganisation „Gladio“

Vorbemerkung der Fragesteller Die Geschichte der von der NATO aufgebauten geheimen „Stay-behind“-Organisation (Gladio) bleibt bis heute in weiten Teilen unaufgedeckt. Bekannt ist, dass sie sich während des Kalten Krieges auf subversive Maßnahmen gegen eine potenzielle Besetzung durch die Warschauer-Vertrags-Staaten vorbereitet hatte; dazu gehörten auch Übungen. Überall in Europa wurden Geheimdepots mit Waffen, Funkgeräten und Kartenmaterial angelegt. Es besteht der konkrete Verdacht, dass „Gladio“ in manchen Staaten auch hinter Terroranschlägen steckt, wie zum Beispiel auf den Bahnhof in Bologna 1980. Die Fragesteller haben sich in der Vergangenheit mehrfach bei der Bundesregierung nach Erkenntnissen zur Geschichte von Gladio und der konkreten Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes (BND) erkundigt. Die Bundesregierung hat dazu erklärt, sie habe seit dem Jahr 1990 „keine Notwendigkeit“ gesehen, „sich mit diesem Problemkomplex weiter zu befassen“ (vgl. Bundestagsdrucksache 17/13615) und „dass die weitere Aufklärung […] der Justiz und der historischen Forschung überlassen bleiben sollte“ (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14815). Die Bundesregierung hat erst im Zuge der Beantwortung Kleiner Anfragen, unter anderem durch die Fraktion DIE LINKE., mit einer umfassenden Aktenrecherche begonnen (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14815, Vorbemerkung der Bundesregierung). Es bleiben somit zahlreiche Fragen über die Tätigkeiten dieser Geheimdienstverbände offen. Offiziell eingeräumt wird nach dem Eindruck der Fragesteller zumeist nur, was über die Medien ohnehin schon bekannt geworden ist. Zu den Fragen, über die sich die Fragesteller nun aber Aufschluss erhofft haben, gehören auch die Umstände der beiden Ende der 90er-Jahre in Berlin aufgefundenen Depots bislang unbekannter Alliierter – obwohl sämtliche Depots schon im Jahr 1972 aufgelöst sein sollten.

Drucksache 18/701 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Vorbemerkung der Bundesregierung Die Bundesregierung ist im Wesentlichen seit Beginn der Auflösung der Staybehind-Organisation des Bundesnachrichtendienstes (BND) um Offenlegung der Tätigkeit dieser Organisation bemüht. Seit den 1990er-Jahren wurden mehrere parlamentarische Anfragen im Bestreben nach Transparenz beantwortet (vgl. Anlage auf Bundestagsdrucksache 17/13615). Auch die historische Forschung hat sich mit Unterstützung der Bundesregierung der Aufarbeitung dieses Themenkomplexes angenommen. 1. Die verschiedenen Stay-behind-Organisationen der NATO-Mitgliedstaaten waren nicht der NATO unterstellt, sondern agierten in nationaler Verantwortung (vgl. Anlage auf Bundestagsdrucksache 17/13615). 2. Für Unterstellungen, die Stay-behind-Organisation des BND habe in Verbindung zu Terroranschlägen gestanden, gibt es keine Bestätigung (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14815, Antwort zu den Fragen 1 bis 3).

Die Erforschung historischer Sachverhalte ist nicht Aufgabe der Bundesregierung. Zu verweisen ist an dieser Stelle auf die Arbeiten der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Frühgeschichte des BND, die aus dem Etat des BND finanziert wird. Diese befasst sich unter anderem auch mit der Stay-behind-Thematik und wertet die einschlägigen Unterlagen aus. Die Bundesregierung weist in diesem Zusammenhang nochmals darauf hin, dass die Altaktenbestände des BND noch nicht vollständig erschlossen sind und daher im Zuge der fortschreitenden Erschließung dieser Bestände in Zukunft weitere einschlägige Unterlagen gefunden werden könnten.

1. Wann genau wurden die beiden Berliner Depots nach Kenntnis der Bundesregierung aufgefunden? Die beiden Depots wurden nach Kenntnis der Bundesregierung zwischen Juli und August 1996 geborgen.

2. Wie waren nach Kenntnis der Bundesregierung die näheren Umstände dieses Auffindens durch das Landeskriminalamt Berlin? Welche Behörden oder Stellen hatten nähere Hinweise auf die Fundorte erhalten, und von welcher Seite? Aus den hier vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass das Bundeskanzleramt im Frühjahr 1996 englischsprachige, als „secret“ klassifizierte Unterlagen eines Partners erhalten hatte. Denen ist zu entnehmen, dass in den 1950er-Jahren von einer der in Berlin stationierten alliierten Schutzmächte mehrere Depots angelegt wurden. Dem zuständigen Landeskriminalamt (LKA) Berlin wurden diese Unterlagen im April 1996 über die Senatsverwaltung für Inneres in Berlin vom Bundesministerium des Innern (BMI) übermittelt. Im Ergebnis wurden bei der daraufhin initiierten Suche die beiden in der Frage genannten Depots gefunden. Die übrigen in den Unterlagen bezeichneten Depots wurden trotz mehrfacher und intensiver Absuche nicht gefunden, sodass bereits damals davon ausgegangen wurde, dass sie nicht mehr existierten.

3. War die Bundesregierung nach dem Jahr 1972 vom BND darüber informiert worden, dass mindestens zwei Depots „nicht wiedergefunden werden konnten“ (Antwort zu Frage 6 auf Bundestagsdrucksache 17/14815), und wenn ja, welche Konsequenzen hat die Bundesregierung damals daraus gezogen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/701

Wenn nein, welche Konsequenzen hat die Bundesregierung nach dem Auffinden dieser Depots gegenüber dem BND gezogen? Aus den der Bundesregierung vorliegenden erschlossenen und ausgewerteten Unterlagen geht eine Thematisierung der beiden Depots im Sinne der Frage nicht hervor.

4. Wo genau haben sich diese Depots nach Kenntnis der Bundesregierung befunden (bitte Fundorte möglichst genau mit Angabe von Adressen oder GPS-Daten angeben)? War das Gelände bzw. die Immobilie zum damaligen Zeitpunkt in Privatbesitz, im Besitz des Bundes, des Landes oder anderweitig in öffentlicher Hand? Sofern es sich im Privatbesitz befunden haben sollte, in welcher Beziehung standen Besitzer oder Eigentümer zum BND oder nach Kenntnis der Bundesregierung zu einem fremden Geheimdienst? Fundort der beiden Depots ist Berlin, Grunewald, Jagen 133. Es handelt sich um ein damals und heute im Besitz des Landes Berlin befindliches Waldgebiet. Die genauen Fundorte können aus den der Bundesregierung vorliegenden Unterlagen nicht ermittelt werden.

5. Was genau war nach Kenntnis der Bundesregierung der Inhalt der Depots (bitte Gegenstände und Anzahl pro Depot vollständig angeben)? Der Inhalt des ersten Depots stellte sich wie folgt dar:

–1 schwarzer Kunststoffbehälter mit Deckel und 6 Edelstahlschnappverschlüssen – 2 Taschenmesser – 1 Springmesser – 1 Taschenlampe – 1 Fernglas mit Ledertasche – 1 Marschkompass mit Lederhülle – 1 Taschenbuch „Im Gelände mit Karte und Kompaß“ – 3 Kugelschreiber – 3 Bleistifte – 1 Taschenflasche Weinbrand – 2 Tafeln Vollmilchschokolade – 1 Buch „Der totale Widerstand“ – 1 Buch „Gefechtstechnik Band 1“ – 1 „Taschenbuch für die Feldzeugtruppe“ – 1 „Taschenbuch der Luftfahrt 1954“ – 1 „Ergänzungsband 1955/57 zum Taschenbuch der Luftfahrt 1954“ – 1 Selbstladepistole, 9 mm, mit 2 Magazinen (jeweils mit 8 Patronen) – 1 Selbstladepistole, 9 mm, mit einem Magazin (mit 13 Patronen) – Karton mit 25 Patronen, 9 mm – 9 einzelne Patronen, 9 mm – 3 Glasfläschchen mit Medikamentenkapseln – 1 Tube gefüllt mit Patronen Kaliber 22 – 1 Verbandkasten – 1 Feuerzeug – 1 Flasche für Feuerzeugbenzin (ausgelaufen) – 3 Armbanduhren – 1 „Taschenbuch der Panzer 1943-1957“ – 3 Handgranaten – 4 Eisenbahnfackeln – 1 Entfernungsmesser für Landkarten – 1 Entfernungs- und Maßstabschablone – 1 gefüllte Werkzeugtasche. Der Inhalt des zweiten Depots stellte sich wie folgt dar: –1 Stahlblechbehältnis mit Schnappverschluss –1 Funkanlage RS-6 –1 Handmorsetaste –1 Funkbedienungsanweisung für die Funkanlage – 20 Steck-Quarze im Karton –1 Funkplan mit Umrechnungstabelle –1 Heft „Allgemeine Funkverkehrs-Verfahrensregeln und Anweisungen“ –1 Heft „Anweisungen für Geheimschriftsystem mit 5 Zifferngruppen…“ –6 blaue Blöcke mit Verschlüsselungs-5er-Gruppen –9 beige Blöcke mit Verschlüsselungs-5er-Gruppen – Verbandsmaterial mit Anleitung zur 1. Hilfe –1 Selbstladepistole, 9 mm, mit Magazin –1 Karton mit 50 Patronen, 9 mm –1 Glasfläschchen mit Medikamentenkapseln –1 Taschenflasche Weinbrand –2 Tafeln Vollmilchschokolade –1 Mini-Tonbandgerät –3 eingeschweißte Ersatzspulen für Tonbandgerät –2 Stoffbeutel mit vermutlich feuchtigkeitsentziehenden Kristallen.

6. Existieren nach Kenntnis der Bundesregierung Fotos oder Berichte des Auffindens der Depots, und wenn ja, a) wer hat diese angefertigt, b) wo befinden sich diese heute, c) was ist der Inhalt der Berichte, d) was ist auf den Fotos zu sehen, und e) ist die Bundesregierung bereit, Fotos und Berichte dem Deutschen Bundestag zugänglich zu machen, und wenn nein, warum nicht?

Es existieren Fotos und Berichte zum Auffinden der Depots, die durch das LKA Berlin angefertigt wurden. In den als Verschlusssache eingestuften Berichten sind – soweit der Bundesregierung bekannt – die Umstände über das Auffinden, die mit der Bergung der Depots unternommenen Anstrengungen sowie die Inhalte der Depots festgehalten. Auf den Fotos sind die in den Depots enthaltenen Gegenstände zu sehen. Die Bundesregierung ist im Streben nach Transparenz gerne bereit, dem Deutschen Bundestag die in ihren Akten enthaltenen Berichte und Fotos dazu auf Anforderung zur Verfügung zu stellen. Es wird darauf hingewiesen, dass möglicherweise beim LKA Berlin noch weitere Berichte und Fotos zum Auffinden der Depots vorliegen könnten.

7. Was hat die Bundesregierung seither unternommen, um Rückschlüsse auf die Anleger der Depots aus dem Bereich der Alliierten zu ziehen? a) Aufgrund welcher Umstände steht es für die Bundesregierung offenbar fest, dass es sich überhaupt um ein „Stay-behind“-Depot handelte?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/701

b) Hat die Bundesregierung bei sämtlichen Alliierten nachgefragt, wer von ihnen die Depots angelegt hat, und wenn nein, warum nicht? Bezüglich der Frage der Anleger der Depots wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/14815, Antwort zu Frage 6e verwiesen. Inhalt, Umstände sowie zeithistorischer Kontext sprechen dafür, dass es sich dabei um Depots einer Stay-behind-Organisation handelte.

8. Welche weitere Entwicklung hat es im Zusammenhang mit der Prüfung von Vorwürfen, denen zufolge der BND für den Terroranschlag auf das Münchner Oktoberfest im Jahr 1980 verantwortlich war, nach Kenntnis der Bundesregierung seit Erstellung der Bundestagsdrucksache 17/14815 im Oktober 2013 gegeben? Die Bundesregierung kann über keine neue Entwicklung seit dem genannten Zeitpunkt berichten (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14815, Antwort zu den Fragen 1 bis 3). Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung, Nummer 2 verwiesen.

9. Welche Personen der Wehrsportgruppe Hoffmann und ggf. italienischer rechtsextremer Organisationen waren nach Kenntnis der Bundesregierung wann und wo bei gemeinsamem „Trainings“ im Libanon? Hatten die allfälligen italienischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach Kenntnis der Bundesregierung Kontakte zur Gruppe Ordine Nuovo (vgl. zu den Kontakten italienischer und deutscher Rechtsterroristen die Sendung des Bayerischen Rundfunks „Kontrovers“ vom 15. Januar 2014, dort gezeigter BND-Vermerk vom 29. September 1980)?

In den Unterlagen des BND aus der Zeit von 1980 bis 1981 finden sich mehrere Hinweise darauf, dass sich Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann zu Ausbildungszwecken in Lagern im Libanon befunden haben sollen. Diesen Unterlagen ist zu entnehmen, dass sich Karl-Heinz Hoffmann im August 1980 in Begleitung von vier weiteren, namentlich nicht genannten Männern in Beirut und zuvor in einem Zeltlager der Fatah aufgehalten haben soll. Einem Vermerk vom 29. September 1980 zufolge haben er und ca. 13 bis 15 weitere, namentlich nicht genannte Personen sich mit ihm im Lager AQURA befunden. Zum gleichen Zeitpunkt sollen sich dort italienische Rechtsextremisten aufgehalten haben. Ob es sich dabei um Mitglieder der Gruppe Ordine Nuovo handelt, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Zum Zwecke der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Themenkomplexes hat der BND die nicht mehr geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen zum Oktoberfestattentat von 1980 offengelegt und am 17. Februar 2014 an das Bundesarchiv abgegeben, wo sie künftig von jedermann auf Antrag nach den Vorgaben des Bundesarchivgesetzes eingesehen werden können. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung, Nummer 2 verwiesen.

10. Wie viel Prozent der Altaktenbestände des BND sind mittlerweile archivarisch erschlossen, und wie viel Prozent hiervon sind auf Hinweise auf die Gladio-Tätigkeiten ausgewertet?

Drucksache 18/701 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Was will die Bundesregierung tun, um eine rasche Auswertung (nicht nur Erschließung) der Akten zu gewährleisten, und inwiefern gehört hierzu auch die Bereitstellung von Forschungsmitteln? Es wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/14815, Antwort zu den Fragen 4 und 5 verwiesen). Die darin dargelegten Erschließungsarbeiten dauern an. Die prozentuale Angabe bereits ausgewerteter Inhalte im Verhältnis zum gesamten Aktenbestand ist nicht möglich. Die Aktenauswertung erfolgt themen- und nicht umfangbezogen. Eine gesonderte statistische Erfassung findet nicht statt. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung, Nummer 2 verwiesen.

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Spanien marschiert nach Links

Galindo Gaznate SpanischeFlagge

Trotz des Propaganda-Jubels (Rajoy gewinnt Wahlen, Rechte stärkste Partei!) einiger deutscher Lügenmedien, den wir schon aus Portugal kannten, kommt nun eine Linksregierung in Madrid. Die frankistische Volkspartei Rajoys (die sich nie wirklich vom Franko-Faschismus distanzierte) ist ist um ein Drittel eingebrochen und liegt nur noch knapp vor Sozis (PSOE) und der neuen Linken von Podemos. Die beiden letzteren können mit Linksblock und ein paar Katalanen oder Basken eine Regierung stellen.

Die radikale Linke aus Portugal befeuert die spanische Podemos, mit den schlaffen PSOE-Sozis, die dadurch aber wenigstens eine Chance auf die Macht bekommen, eine Linksregierung nach portugiesischem Vorbild zu bilden. In Lissabon stürzte die Linke just den rechten Block, was dem kleinen Land wüste Drohungen aus Washington ainbrachte: Der Erzneoliberale Obama war wütend. Die in deutschen Medien immer als „Nationalisten“ oder „Separatisten“ abgehandelten Parteien Kataloniens und des Baskenlandes, deren Stimmen die Linke dafür braucht, sind selber Großteils der Linken zuzuordnen und kooperierten bereits mit Podemos: Der Linksruck in Madrid ist also hochwahrscheinlich. Die bis über beide Ohren in dreckiger Korruption versackte halb-faschistische Volkspartei (PP) von Rajoy steht vor einem Scherbnehaufen.

Podemos scheint derzeit den Knoten inder Hand zu halten, ob es zu Neuwahlen kommt oder sich eine Linksregierung nach portugiesischem Vorbild bildet. Ein entsprechendes Angebot hat der Podemos-Chef Pablo Iglesias den Sozialisten (PSOE) just unterbreitet, nachdem er sich zuvor mit dem spanischen König beraten hatte. Statt die PSOE nur zu unterstützen, wie es der Linksblock (BE) und die grün-kommunistische Koalition (CDU) in Portugal seit November machen, will aber Podemos-Chef Iglesias eine richtige Koalition. Podemos will eine „Regierung des Wandels“ bilden, in der Iglesias, der Podemos derzeit im EU-Parlament in Brüssel vertritt, Vizepräsident sein will. Podemos soll ins Kabinett, um vor allem die wacklige PSOE zu kontrollieren, die als Regierungspartei schon vor dem Neoliberalismus auf die Knie gegangen war.

„Wir wissen ja schon, was sonst passiert“, erklärte Pablo Iglesias mit Blick auf von PSOE-Sozis immer wieder gebrochenen Wahlversprechen. Während sich PSOE heute (wo dank der Arbeit von Podemos die Bevölkerung über Machenschaften des Neoliberalismus informiert ist) gegen die Troika-Sparverbrechen- bzw. „Austeritäts“-Politik stellt, war die PSOE es, die damit begann (ähnlich wie in Deutschland die rotgrüne Regierung unter Schröder mit ihrem Hartz-IV-Ausbeutungsplan. Das führte in Madrid dazu, dass die PSOE-Regierung 2011 abgewählt wurde. Viele  der von Iglesias ausgesprochenen Warnungen bewahrheiteten sich schon in Regionen, wo Podemos seit Mai PSOE-Regionalregierungen stützt. Doch mit diesem schleichenden Rückfall in die Troika-Ausbeuter und Austerizid-Politik soll nun Schluss sein. Gegen den Putsch der Finanzmärkte kämpfen wir alle schon lange, mit Podemos erfolgte in Madrid ein neuer Ansturm auf die Parlamente in Spanien -Syriza braucht dringend Hilfe, wie auch die Drangsalierung der Griechen, besonders durch Merkel, zeigte.

Iglesias

Pablo Iglesias

Gemeinsam mit Kollegen seiner Universität begründete Professor Pablo Iglesias die Proteste gegen Finanzmafia und Sparterror auch theoretisch und wandte sich dann der Praxis zu: Er gründete mit zahlreichen Mitstreitern 2014 Podemos.  Die bekannteste davon ist die 40-jährige Ada Colau, die ihr Philosophiestudium nicht abschloss, sondern gleich zur politischen Tat schritt: Mit Unterstützung ihrer Basis will  Colau am 24. Mai das Rathaus in Barcelona bei den Kommunalwahlen stürmen.  Colau und Iglesias kommen aus der Empörten-Bewegung, die 2011 mit den Platzbesetzungen, Demonstrationen und vielfältigen Aktionen weltweit Aufsehen erregte und eine “wirkliche Demokratie” in Spanien forderte (¡Indignaos! Indignez vous! Empört euch!).

 

FinFisher-Leak: Privatisiertes Staatsverbrechen Intrusion Technology

GGI-logoGerd R. Rueger

Das Citizen Lab in Toronto prangerte FinFisher, den weltweiten Marktführer für „IT Intrusion Technology“, 2012 an. Hacker (oder Whistleblower aus der Firma selbst?) leakten jetzt Firmeninternas wie geheime Preislisten für Unterdrückungs-Technologie, Mails, Kundenlisten, Handbücher. Die von Wikileaks mit den Stratfor-Files begonnene Tradition des Anprangerns von Privatfirmen (Spyfiles), die in Staatsverbrechen verstrickt sind, wird damit fortgeführt, während den Stratfor-Hackern von Lulzsec in den USA Hexenprozesse gemacht werden.

Hinter den jüngsten Enthüllungen zur Bespitzelungs-Technologie von Finfisher, ehemals FinSpy, steht möglicherweis ein umfangreicher Hack. Es sind ca. 40 Gigabyte an Daten aufgetaucht, darunter Quellcode von Finfly Web sowie Beweise für die Anwendung der FinFisher-Malware durch verbrecherische Staaten wie Bahrain. Der bis dato unbekannte Hacker nennt sich Phineas Fisher und kommuniziert u.a. über reddit. Er oder sie hat scheinbar einen Support-Server von Finfisher (finsupport.finfisher.com) gehackt und dann umfangreiches Material publiziert. Darunter ist eine Bittorrent-Datei von 40,5 Gigabyte, die wohl das komplette Leak-Material enthält. Der Hacker publizierte dann auszugsweise weitere Daten, darunter den Quellcode des Tools Finfly Web auf Github. In seinen Beiträgen auf Reddit.com bittet Phineas Fisher darum, den Torrent zu verteilen sowie die Daten zu analysieren und verteidigt sein Vorgehen, das Material zu veröffentlichen.

Big Brother Award 2013

Die Malware wurde von der deutsch-britischen Firma Gamma Group entwickelt, die Firma Gamma International Sales GmbH in München hat sich Ende 2013 in Finfisher GmbH umbenannt (Tarnen&Täuschen?). Am 12.März 2013 prangerte die Menschenrechtsgruppe “Reporter ohne Grenzen”, die weltweit für Pressefreiheit kämpft die Firma Gamma International als eine von fünf „Corporate Enemies of the Internet“ an sowie als “digital era mercenaries” (Söldner der Digitalen Ära). Die Feinde eines freien Internet verdienen gut daran, Menschen den Folterknechten von Diktaturen ans Messer zu liefern und in westlichen Staaten die Demokratie durch einen wuchernden Überwachungsstaat auszuhöhlen. 2012 wurde der Hersteller Gamma International mit dem deutschen Big Brother Award in der Kategorie Technik ausgezeichnet. Wikileaks publizierte umfangreiche Materialien zu Gammagroup-Malware in seinen Spyfiles.

Spyware-Netz bis nach Frankreich

Golem will recherchiert haben, dass Finfisher seine Zero-Day-Exploits auch vom französischen Spyware-Unternehmen Vupen bezieht. Dessen Geschäftsführer Chaouki Bekrar behauptete allerdings seit Jahren, nur mit Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten aus Nato-Mitgliedsstaaten bzw. deren „Partnerländern“ zu kooperieren. Laut Golem twitterte er, seine Ergebnisse nur an Behörden als Endkunden zu verkaufen, nicht an Firmen wie Gamma, Finfisher oder Hacking Team. In einer Frage-Antwort-Liste des jüngsten Hacks zu Exploits heiße es jedoch: „Können wir den Lieferanten nennen? – Ja, Sie können erwähnen, dass wir dabei mit Vupen zusammenarbeiten.“ Eine personelle Verbindung zwischen beiden Firmen ergäbe sich auch aus Fotos, die Bekrar jüngst twitterte. Sie zeigten ihn mit dem Gamma-Entwickler Martin Johannes Münch während der Fußballweltmeisterschaft.

Gamma Group is an international manufacturer of surveillance & monitoring systems with technical and sales offices in Europe, Asia, the Middle East and Africa. We provide advanced technical surveillance, monitoring solutions and advanced government training as well as international consultancy to National and State Intelligence Departments and Law Enforcement Agencies. Through in-house developments and strategic partnerships with many leading security companies, we provide government agencies with customized solutions based on their national security requirements. GammaGroup

Die geleakten Materialien geben auch einen Einblick in die Geschäfte der Gamma Group beziehungsweise ihres deutschen Firmenkonglomerates von FinFischer, Gamma International und Elaman, die in München angesiedelt sind –ehemals „Hauptstadt der Bewegung“ von Hitlers Nazi-Faschisten, die mit ihrer Geheimen Staatspolizei „Gestapo“ den heute weltweit gültigen Begriff für Bespitzelung und Unterdrückung politischer Opposition prägten. Aktuell praktiziert global im Einflussbereich der NSA/GCHQ/BND, speziell im Arabischen Frühling, der nicht überall so glimpflich verlief wie die tunesische Jasminrevolution, was TheIntercept etwa aus Bahrain berichtete.

Die Britische Gamma Group bzw. ihr deutsches Firmenkonglomerat von FinFischer, Gamma International und Elaman,  alle in München angesiedelt, gelten als weltweite Marktführer für „IT Intrusion Technology“ –professionelle Helfershelfer für Ausforschung, Bespitzelung und Unterdrückung durch staatsterroristische Regime, z.B. Bahrain. Auf ihrer Website, brüstet sich FinFisher, die Firma verkaufe “surveillance technology exclusively to government law enforcement and intelligence agencies.” Eine sogenannte “Staatslizenz“ für eine „Remote Monitoring Solution“ soll demnach bis zu 1,5 Millionen Euro kosten –Blutgeld für die Unterdrückung ganzer Völker, heute weitaus billiger als das Hundertausende IMs umfassende Spitzelheer der Stasi und vermutlich effektiver.

Linksfraktion entlarvt BKA-FinFisher-Verstrickung

FinFisher- Software, die nach Angaben von Privacy International in Ägypten, Bahrain, Oman und Turkmenistan und entdeckt werden konnte, dient dazu, Smartphones und Computer zu bespitzeln. In Deutschland, so meldete Detlef Borchers von Heise, soll das BKA bei der Spitzel-Firma eine Testlizenz für 150.000 Euro bestellt haben. Natürlich wurden die Vertragsdetails aus „Gründen der nationalen Sicherheit“ für geheim erklärt. Die Bundesregierung musste zu einer parlamentarischen Kleinen Anfrage der Linksfraktion Stellung nehmen: BT-Drucksache 18/1991. Einer der wenigen Antworten, die nicht als „geheim“ klassifiziert wurde, konnte man entnehmen, dass die Elaman GmbH (Gamma Group) „eine unterstützende Funktion in Zusammenhang mit der Prüfung“ von „Software zur informationstechnischen Überwachung“ wahrgenommen habe.

According to a document dated 7 December 2012 from the Federal Ministry of the Interior to members of the Finance Committee of the German Parliament, the German „Bundesnachrichtendienst“, the Federal Surveillance Agency, have licensed FinFisher/FinSpy, even though its legality in Germany is uncertain. Wikipedia

Merkel und ihre Bundesregierung teilten pikiert mit, das sie sich deutlich von den Begriffen „Computerspionageprogramme“ und „Staatstrojaner“ distanziere, die die Linksfraktion in ihrer Anfrage verwendete. Vielmehr müsse vom „Einsatz von Überwachungssoftware nach Maßgabe der gesetzlichen Befugnisse zur Straftatverfolgung und zur staatlichen Gefahrenabwehr“ gesprochen werden, so Merkel & Co. Für den Einsatz solcher von Merkel nur als „Software“ hingestellten Bespitzelungs-Technologie habe das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sogar ein „Kryptokonzept“ mit entwickelt. Solche „Software“ werde vor allem im Kompetenzzentrum für Informationstechnische Überwachung (CC ITÜ) vorgehalten, dessen Sachmittel-Etat im letzten Jahr 419.000 Euro umfasste. Na dann können wir uns angesichts dieser vorgeblichen Knausrigkeit ja beruhigt zurücklehnen. Die Unterdrückung eines Volkes kostet ja bei FinFisher pauschal 1,5 Millionen Euro, wie wir aus dem Leak wissen. Oder bekommt der BND vielleicht Rabatt bei der Gamma Group?

Siehe auch: NSA globale Hydra

Gamma Group exclusively supplies, integrates and trains authorized government agencies in the following areas:

Communications Monitoring Solutions:

• Social media monitoring and analysis

(…)

 

 

Union/FDP: Abmahnindustrie jubelt über neue Lex Google

Gerd R. Rueger 02.03.2013

In der gestrigen Redeschlacht zur Netzpolitik erlebte der Bundestag einmal mehr den Sieg der Industrie-Lobbyisten. Diesmal fielen Union und FDP vor der Abmahnindustrie auf die Knie. Anwälte und Medienkonzerne jubilieren, das Netz grummelt gegen die Gier der schwarzgelben Parteispenden-Kassierer. Die rotrotgrüne Opposition blamierte sich durch mangelhafte Netzkenntnis, die Piraten wurden von der Medienmafia termingenau kleingeschrieben. Aus Google-Sicht wurde das Gesetz nach Druck aus Kreisen der US-Medienindustrie in letzter Sekunde noch entschärft.

„Die Linke“ vergaß Bertelsmann

Hat Möwenpick denn jetzt auch eine Abmahn-Anwaltskanzlei? So fragte sich erstaunt mancher FDP-Wähler gestern in Erinnerung an die fette Spende der Firma, die eine dreist begünstigende Lex Möwenpick nach sich zog. Die jetzige Lex Google ist dagegen nicht nach dem Nutznießer benannt: Google soll gerade zu Zahlungen verdonnert werden, an die deutschen Medienkonzerne. Der kleine Blogger und Website-Betreiber werden es ausbaden müssen: Sie werden der Abmahnindustrie ans Messer geliefert, jenen Anwaltskanzleien, die mit sittenwidrigen Serienbriefen Multimillionen-Gebühren aus der Netzkultur herausschinden werden.

Mit den Piraten im Bundestag wäre das wohl nicht passiert, Grüne und Linke krampften sich ehrenvoll etwas Verteidigung der kleinen Leute im Netz ab. Die Opposition wetterte in Gestalt der Medienexpertin der Linken, Petra Sitte, sogar tapfer gegen die große Medienmafia, vergaß in ihrer Aufzählung des Big Biz neben Springer und Burda aber ausgerechnet den dominierenden Megakonzern Bertelsmann mit der Lobby-Großagentur Bertelsmann-Stiftung, die alle etablierten Parteien bearbeitet.

Piraten gegen „Leistungsschutz“-Abmahnförderung

Das zur Debatte stehende Gesetz lässt sich auch als Leistungsschutzrecht gegen Suchmaschinen begreifen, so der Pirat Michael Renner, die zukünftig dafür zahlen sollen, Artikel der Medienmafia auffindbar zu machen: Auf jeden Fall steht ein Gesetz zur Abstimmung dem nachgesagt wird, dass es im Springer-Verlagshaus geschrieben wurde. Der Springer-Verlag ist wiederum der Verlag, dem nachgesagt wird, dass niemand Kanzler werden kann, der von dort nicht die Zustimmung erhält. 

Im Netz gibt es viel Protest gegen das Gesetz, auch Experten sowie die Jugendorganisationen der Parteien (sogar der Regierungsparteien!) waren gegen die Änderungen, aber wen kratzt schon Jugend oder Weisheit, wenn Lobbyisten mit Schmiergeld und Parteispenden winken? Bei CDU, CSU und FDP wohl keinen.

BILD lässt grüßen: „Google kämpft für Dich“

Die Lex Google hat natürlich auch Google auf den Plan gerufen,  wo man sich als Stellvertreter für die Netzkultur sieht (was angesichts der Datensammelwut und Profil-Überwachung der Nutzer jedoch zweifelhaft scheint). Google meint dessen ungeachtet in seiner Web-Ini „Verteidige Dein Netz“:

Das Leistungsschutzrecht trifft jeden deutschen Internetnutzer. Wenn Suchmaschinen und ähnliche Dienste Suchergebnisse freiwillig ins Netz gestellter Artikel nicht mehr verwenden dürfen, wird das Suchen und Finden von Informationen im Internet massiv gestört. Dieser Eingriff ist systemfremd und weltweit ohne Beispiel. Er bedeutet höhere Kosten, weniger Informationen und massive Rechtsunsicherheit. Blogger, Netzpolitiker, die deutsche Wirtschaft und führende Wissenschaftler lehnen dieses Unterfangen ab.

Google ist allerdings Partei in dieser Sache, dazu noch eine Partei, die sich eine große Rechtsabteilung leisten kann -im Gegensatz zu kleinen Netz-Kreativen mit ihren Blogs und Startups. Sie müssen sich jetzt mit juristischem Fachchinesisch befassen. Die entscheidende Änderung im neuen § 87 f Abs. 1 UrhG dürfte gegenüber der alten Fassung folgende sein:

(1) Der Hersteller eines Presseerzeugnisses (Presseverleger) hat das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen, es sei denn, es handelt sich um einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte. Ist das Presseerzeugnis in einem Unternehmen hergestellt worden, so gilt der Inhaber des Unternehmens als Hersteller.

Somit sollen Snippets (Text-Schnippsel) ausdrücklich ausgenommen werden. Schwarzgelb hat aber den Terminus „kleinste Textausschnitte“ nicht genau definiert und damit gigantischen Abmahnwellen seitens profitgieriger Anwälte Tür und Tor geöffnet. Google wird das weniger kratzen, man ist ja groß und die Suchmaschinen-Snippets sind klein -außer in newfeeds etc. bei google+ vielleicht. Kleinere Anbieter stehen dagegen dem Medien-Big Biz schutzloser gegenüber: Das Perlentaucher-Urteil hat es gezeigt.

Alle dagegen: Von Perlentaucher bis Facebook

News-Aggregatoren könnten aber, je nach Länge des gezeigtenTextteils, betroffen sein. Aber schon nach geltendem Urheberrecht ist die Übernahme längerer Textpassagen eigentlich unzulässig. Die Verlage sind auch schon erfolgreich gegen die  wörtliche Übernahme von Textpassagen vorgegangen, wie die Entscheidung “Perlentaucher” des BGH belegt. Experten halten das gestern verabschiedete Gesetz wenigstens für eine abgeschwächte Version, dank mit heißer Nadel zuletzt noch gestrickter Änderungen -wohl wegen einer Intervention der US-Industrie.

Denn es gab im Vorfeld eine Verstoßanzeige der Computer & Communications Industry Association (CCIA), einer Lobby großer IT-Firmen wie Microsoft, Facebook, eBay, Yahoo und Google. In der offiziellen Beschwerde legt die CCIA ausführlich dar, warum sie das von der deutschen Bundesregierung beschlossene neue „Leistungsschutzrecht“, also das Monopolrecht für (deutsche) Presseverlage stören würde. Das Recht von Verbrauchern und Unternehmen an Netz-Inhalten würde unangemessen stark einschränkt. Netzaktivisten wie Anonymous sind vom Urheberrecht derzeit nicht begeistert, protestierten jüngst gegen die Verwerteragentur GEMA, die Piraten arbeiten sowieso an einer neuen netzfreundlichen Konzeption.

Es ist aber ohnehin fraglich, ob noch in dieser Legislatur viel aus dem Gesetz gemacht werden kann: Zunächst muss Schwarzgelb es noch durch den Bundesrat bringen, der jetzt bekanntlich der Opposition gehört. Blockieren kann der Bundesrat das Leistungsschutzrecht jedoch nicht, da es sich nur um ein sog. Einspruchsgesetz handelt -wohl aber verzögern. Das Gesetz müsste nach einem Einspruch in den Vermittlungsausschuss, wo eine zeitliche Verzögerung zu erwarten ist -und die Bundestagswahl gibt uns Netzusern dann die Gelegenheit die Neoliberalisten der CDUCSUFDP GmbH & Co KG abzuwählen.

Liberalismus ist, wenn der Arme wie der Reiche die Freiheit haben, unter einer Brücke zu schlafen. Neoliberalismus ist, wenn die Brücke privatisiert wird und der Arme selbst dafür noch an den Reichen zahlen soll. Theodor Marloth