Punkt für Snowden: Mit der Enthüllung von illegalen US-Hacks in China hat er seine Chancen, nicht ausgeliefert zu werden, sicher verbessert. Whistleblower Snowden erklärte in Hongkong, dass die USA zehntausende Hackangriffe auf chinesische Institutionen gestartet haben. Gewöhnt sind wir Beschuldigungen von Washington, dass Peking US-Geheimnisse hackt: Alles Heuchelei und „Haltet-den-Dieb“-Geschrei, legt Snowden jetzt nahe. Snowden erweitert seinen PRISM-Leak damit vom anfänglichen Kampf „Bürger gegen Überwachungsstaat“ um ein Ringen der beiden konkurrierenden Großmächte China und USA.
Manche sehen den NSA-Dissidenten Edward Snowden, der mit PRISM (Planning Tool for Resource Integration, Synchronization and Management) die USA als globalen Datenschnüffler entlarvte, schon auf einer chinesischen Sympathiewelle in die Freiheit surfen (standard). Im Internet würden die Wellen antiamerikanischer Kritik aus 140.000 chinesischen Mikroblogs hoch schlagen. Chinas Patrioten würden den Whistleblower als „Helden“ feiern und ihre Regierung auffordern, ihn vor einer Auslieferung zu schützen. Selbst Dissidenten und Kritiker des Überwachungsstaates China, darunter Ai Weiwei, äußerten sich geschockt: Die Enthüllungen über die US-Staatsschnüffelei hätten sie vor den Kopf gestoßen. Chinesische Medien erwarten nun eine Verschärfung der Spannungen zwischen Peking und Washington: Dies werde „zweifellos das Image Washingtons im Ausland beschädigen“ und die US-chinesischen Beziehungen belasten, so die staatliche Zeitung „China Daily“.
USA: blaming China, hacking self
Im Streit um Cyberangriffe hat Washington in den vergangenen Monaten Peking immer wieder des Hackens beschuldigt. Chinesen hätten sich Zugang zu militärischen, technologischen und wirtschaftspolitischen Geheimnissen in den USA mithilfe staatlicher Hacker verschafft. „Chinesischer Hackerangriff in den USA -Die klauen, was ihnen unterkommt“, ereiferte sich noch vor zwei Wochen die deutsche Tante Tagesschau: Das Problem sei alt, jetzt erhalte es aber neue Brisanz, denn in den USA herrsche Empörung über einen Angriff auf die nationale Sicherheit, weil chinesische Hacker sich Zugang zu Bauplänen für US-Waffensysteme verschafft hätten, so die ARD im Dienste Washingtons.
Edward Snowden erklärte jetzt jedoch in einem Exklusiv-Interview mit der South China Morning Post (SCMP), dass US-Behörden ihre Spionage-Angriffe in großem Stil auch gegen Chinas Universitäten und Institutionen führten:
„In a frank hour-long interview, the 29-year-old, who US authorities have confirmed is now the subject of a criminal case, said he was neither a hero nor a traitor and that:
- US National Security Agency’s controversial Prism programme extends to people and institutions in Hong Kong and mainland China;
- The US is exerting “bullying’’ diplomatic pressure on Hong Kong to extradite him;
- Hong Kong’s rule of law will protect him from the US;
- He is in constant fear for his own safety and that of his family.“
Es sei „Heuchelei“, wenn die US-Regierung behaupte, für ihre Informations-Beschaffung „keine Ziele ziviler Infrastruktur“ ins Visier zu nehmen. Dienststellen der US-Regierung und IT-Spezialisten wären seit Jahren heimlich in Computersysteme in Hongkong und China eingedrungen. Die NSA hätte mindestens 61.000 Hacker-Angriffe durchgeführt, darunter auf hunderte Ziele in Hongkong und China: „Wir hackten die zentralen Netzwerke wie große Internet-Router, die uns Zugang zu hunderttausenden Computern erlaubten, ohne in jeden einzelnen eindringen zu müssen.“
Das Verhältnis der USA und Chinas beim Thema IT-Sicherheit ist seit langem angespannt. Beide Großmächte werfen sich immer wieder gegenseitig Hackerangriffe und IT-Spionage vor. Dies war auch Thema bei einem Treffen von US-Präsident Barack Obama mit seinem chinesischen Kollegen Xi Jinping letzte Woche in Kalifornien, wo sich eine gewisse Entspannung abzuzeichnen schien. Tage später deckte Snowden PRISM auf, über das die NSA im Dienste Washingtons Netznutzer weltweit überwacht. Die chinesischen Medien haben jetzt gut Lachen: „Es stellt sich heraus, dass die größte Bedrohung für individuelle Freiheit und Privatsphäre in den USA die ungezügelte Macht der Regierung ist„, sagte Li Haidong, der außenpolitische Experte von „China Daily“. Snowdens Hackingvorwürfe beherrschten auch in zahlreichen anderen chinesischen Medien die Schlagzeilen. Die chinesische Regierung selbst hält sich dagegen noch bedeckt.
Edward Snowden wird inzwischen in den USA von Kongressmitgliedern als „Verräter“ gebrandmarkt, der ausgeliefert und vor ein US-Gericht gestellt werden müsse. Im Interview drehte er den Spieß um: „Viele meinen, dass ich einen Fehler machte, nach Hongkong zu kommen. Sie missverstehen meine Absichten. Ich bin nicht hier, um mich vor der Justiz zu verstecken. Ich bin hier, um kriminelle Aktivitäten zu entlarven.“ Er sei weder ein „Held noch ein Verräter, sondern ein Amerikaner“ und stolz darauf, ein US-Bürger zu sein, der an die „Freiheit der Rede“ glaubt. Aber er werde sich gegen alle Auslieferungsversuche der USA zur Wehr setzen. Es scheint so als hätte Edward Snowden seine Flucht nach Hongkong vorher auch politisch gut geplant -auch wenn Julian Assange nach seinen ernüchternden Erfahrungen mit dem Britischen Rechtssystem ihm ein Asyl in Lateinamerika empfahl.