Counterpunch: Talking With Julian Assange -From the George W. Bush Library
to the Trial of Bradley Manning by MEDEA BENJAMIN 26.04.2013 (n. aut. Übers. v. Nora Drenalin)
MEDEA BENJAMIN merkte einleitend einiges zum Hintergrund an. Sie hatte Gelegenheit, WikiLeaks-Gründer Julian Assange in der
ecuadorianischen Botschaft in London zu interviewen, wo er seit Juni 2012 politisches Asyl erhält. Assange soll zum Verhör nach Schweden über Sex-Vorwürfe. Aber er glaube, wenn man ihn nach Schweden schicken würde, würde er an die USA ausgeliefert, wo ihm wegen Spionage lebenslange Haft oder die Todesstrafe drohe.
Interview aus Counterpunch

MEDEA BENJAMIN: Bushs neue
Presidential Library an der Southern Methodist University in Texas hat mit großem Trara, einschließlich der Anwesenheit von Präsident Obama und der ehemaligen Präsidenten Carter, Bush Sr. und Clinton eröffnet. George Bush hat gesagt, dass die Bibliothek „ein Ort sei, um Fakten zu hegen.“ Welche Fakten würden Sie gerne in seiner Bibliothek gehegt wissen?
JULIAN ASSANGE: Ein guter Anfang wäre es, endlich einmal die wahre
Anzahl der Todesfälle durch die Invasion des Irak und Afghanistans zu nennen. Wikileaks dokumentiert von 2004 bis 2009, wie die USA Aufzeichnungen über mehr als 100.000 einzelne Todesfälle von Irakern aufgrund dieser Invasion anlegten, ungefähr 80 Prozent von ihnen waren als Zivilisten Opfer der entfesselten Gewalt geworden. Dies sind nur die aufgezeichneten Todesfälle, aber viele Menschen mehr mussten sterben. Und die USA nahm Afghanistan, etwa 20.000 Todesfälle von 2004-2010. Diese wären gute Fakten für die Presidential Library. Und vielleicht könnte die Bibliothek noch dokumentieren, wie Menschen auf der ganzen Welt gegen die Invasion des Irak protestierten, einschließlich der historischen 15. Februar-2003-Demonstration von Millionen von Menschen rund um den Globus.
MEDEA BENJAMIN: Viele Menschen haben während der Bush-Jahre hart gearbeitet, um gegen die US-Kriege zu protestieren, aber die Bush-Regierung weigerte sich, zuzuhören. Es war sehr entmutigend für die Menschen zu merken, dass ihre Bemühungen im Grunde für die Katz waren.
JULIAN ASSANGE: Die Leute sollten nicht zu demoralisiert sein. Ich glaube, dass die Opposition gegen den Irakkrieg sehr wichtig war, und dass es tatsächlich das Verhalten von uns verändert hat -während der Invasion des Irak. Vergleichen Sie sie mit dem Golfkrieg von 1991, als die massiven Anzahlen von Irakern, Soldaten und Zivilisten, getötet wurden. Bei der Invasion im Jahr 2003 gab es viel mehr Sorge um die Opfer. Die lautstarken Proteste hatten ihre Wirkung. Wir veröffentlichten ein Memo, das belegte: Erst wenn die geplante militärische Operation mehr als 30 Menschen töten könnte, musste sie von ganz oben in der Befehlskette genehmigt werden. Also während die Proteste den Krieg zwar nicht stoppen konnten, hatten sie doch Auswirkungen auf die Führung des Krieges und das war wichtig.
MEDEA BENJAMIN: Während George Bush in Dallas gefeiert wird, siecht Bradley Manning in US-Haft dahin. Sein Prozess beginnt am 2.Juni. Bradley erklärte sich bereits im Februar schuldig in zehn Anklagepunkten, einschließlich des Besitzes von Geheimdokumenten und deren Weitergabe an eine nicht autorisierte Person. Diese Klagegründe allein könnten ihn für 20 Jahre ins Gefängnis bringen. Darüber hinaus hat die Regierung Spionage-Vorwürfe, die ihn für den Rest seines Lebens ins Gefängnis bringen könnten. Was denken Sie, wie der Prozess weitergehen wird?
JULIAN ASSANGE: Es wird ein Schauprozess, wo die Regierung versuchen wird zu beweisen, dass Bradley durch die geleakten Dokumente “ den Feind unterstützten und begünstigen“ oder „mit dem Feind kommunizieren“ wollte. Die Regierung holt sich ein Mitglied des Navy Seal-Teams, die Osama Bin Laden getötet haben, um auszusagen, dass er einige der geleakten Informationen in bin Ladens Haus gefunden haben will. Aber es ist lächerlich, diese als Beweismittel dafür verwenden zu wollen, dass Bradley Manning „den Feind unterstützt“ habe. Bin Laden könnte das Material von der New York Times bekommen haben! Bin Laden hatte auch ein Bob Woodword-Buch und zweifellos hatte Kopien von Artikeln aus der New York Times.
Die Regierung behauptet nicht einmal, dass Bradley Informationen direkt an „der Feind“ übergeben hatte -oder dass er Absicht hatte, dies zu tun. Aber sie ziehen dennoch die absurde Schlissfolgerung, dass lediglich der Öffentlichkeit übergeben Information über klassifizierte Regierungstätigkeiten jemand zu einem Verräter macht, weil es „indirekt den Feind informiert“.
Nach dieser Argumentation müsste auch der Buchautor Bob Woodward der „Kommunikation mit dem Feind“ angeklagt werden, denn Bin Laden hatte doch empfohlen, dass jeder US-Amerikaner Woodward Buch „Obama’s War“ lesen sollte? Sollte der New York Times der Vorwurf der „Beihilfe des Feindes“ gemacht werden, wenn bin Laden eine Kopie der Zeitung besessen hat, die WikiLeaks-Material enthielt?
MEDEA BENJAMIN: Was wären einige Dinge, die Bradley Manning-Unterstützer

tun können, um zu helfen?
JULIAN ASSANGE: Sie sollten Druck auf die Medien ausüben, gegen die Spionage-Vorwürfe Einwände zu erheben. Die Los Angeles Times brachte ein gutes Editorial, aber andere Zeitungen waren schlecht. Eine Wall-Street-Journal-Kolumne von Gordon Crovitz forderte, dass Bradley wegen Spionage angeklagt werden sollte, und dass ich ebenfall deswegen belangt werden sollte, weil ich ein „selbsternannter Feind des Staates“ sei. Wenn Manning der Spionage angeklagt ist, kriminalisiert dies das nationale Sicherheits-reporting. Jedes Leak von Verschlusssachen an jedes Massenmedium könnte dann als ein Akt des Hochverrats interpretiert werden. Menschen müssen die Medien überzeugen, dass es in ihrem eigenen Interesse ist, eine Linie Prinzipientreue einzunehmen.
MEDEA BENJAMIN: Was wären noch andere Möglichkeiten für die Leute, in Bradley Mannings Fall zu helfen?
JULIAN ASSANGE: Die Menschen könnten Amnesty International und Human Rights Watch unter Druck setzen. Diese Gruppen protestierten zwar kurz gegen die schrecklichen Bedingungen unter denen Bradley in Quantico festgehalten wurde, aber nicht gegen die Tatsache, dass er wegen Verbrechen verfolgt wird, die ihn lebenslänglich ins Gefängnis bringen könnten.
Es ist peinlich, dass Amnesty International und Human Rights Watch — Amnesty International mit Sitz in London und Human Rights Watch mit Hauptsitz in New York — sich geweigert haben, Bradley Manning als politischen Gefangenen oder ein Gefangenen aus Gewissensgründen zu betrachten.
Jemand einen politischen Gefangenen zu nennen bedeutet, dass der Fall politischer Natur ist. Es kann sein, dass der Gefangene eine politische Handlung begangen hat oder er war politisch motiviert -oder es gab es eine Politisierung der Ermittlungen oder des Verfahrens.
Schon ein einziger dieser Gründe ist nach der Amnesty-Definition ausreichend, um jemanden einen politischen Gefangenern zu nennen. Aber Bradley Mannings Fall erfüllt alle diese Kriterien. Trotzdem hat Amnesty International erklärt, dass sie erst nach dem Urteil darüber entscheiden wollen. Aber was nützt das dann noch?
MEDEA BENJAMIN: Was ist Amnesty Begründung warten?
JULIAN ASSANGE: Ihre Entschuldigung war, dass sie nicht wissen, was in der
Verhandlung noch kommen könnte und sie wollen sicher sein, dass Bradley die Informationen „verantwortungsvoll“ veröffentlicht habe.
Ich finde ihre Position grotesk. Bradley Manning ist der berühmteste politische Gefangene der USA. Er wurde ohne Prozess für über 1.000 Tage eingekerkert. Nicht einmal die US-Regierung bestreitet, dass seine angeblichen Taten politisch waren.
Aber Human Rights Watch bewertet Bradley Manning nicht als einen politischen Gefangenen. Diese Gruppen sollte von der Öffentlichkeit dazu gedrängt werden, ihre Position zu ändern. Und sie sollten boykottiert werden, wenn sie weiterhin in ihrem eigenen Hinterhof zu feige sind zu handeln.
MEDEA BENJAMIN: Vielen Dank für Ihre Zeit, Julian.
—