Athen: Aufstand gegen Troika und Goldman Sachs

Gerd R. Rueger 26.09.2012

Genralstreik in Athen. Ab 9 Uhr wurde Griechenland lahmgelegt, die Gewerkschaften hatten zum Streik gegen die konservative Regierung aufgerufen. Großdemonstrationen beherrschen das Stadtbild von Athen, Anarchisten zünden Knallkörper auf dem Syntagmaplatz (dem Platia Syndagmatos, „Platz der Verfassung“). Auslöser: Die Troika (EZB, IWF, EU-Kommission) machte weitere Hilfszahlungen von weiteren milliardenschweren Sparauflagen abhängig -dabei haben schon allein die Rentner fast sechs Milliarden aufgebracht.

Im Kampf gegen die brutale Sparpolitik riefen die griechischen Gewerkschaften zum größten Ausstand seit fünf Monaten auf. Der öffentliche Bereich soll bestreikt werden, Banken, Post, Bus-, Fähr-, Flug- und Zugverkehr sind massiv betroffen.  Ärzte werden in Notfällen weiter behandeln. Ministerien, staatliche Unternehmen und Schulen sollen für 24 Stunden bestreikt werden. Seit Mittag laufen in Athen und anderen Städten des Landes Demonstrationen .
Auslöser: Sparwut der Troika
Die Troika ging hart mit Premierminister Antonis Samaras und seinem Finanzminister Yannis Stournaras ins Gericht: Knapp die Hälfte der geplanten Sparmaßnahmen erschien den Prüfern der Troika fragwürdig. Begrüßt wurde von der Troika Lohn- und Rentenkürzungen. Auf Widerspruch stieß der Plan Athens, weniger für Rüstung auszugeben, man solle lieber weiter bei den öffentlichen Personalkosten sparen -und natürlich soll kräftig privatisiert und dereguliert werden. Privatisiert wurde schon die staatliche Agrotiki Bank, deren „gesunder Teil“ für weniger als 95 Millionen Euro an die private Piräus Bank verscherbelt wurde, dabei verfügte Agrotiki über fast 75 Milliarden Euro Einlagen. Der Verkauf belastet über die beim Staat verbleibende Bad Bank den griechischen Staatshaushalt mit über 150 Millionen Euro für jedes folgende Jahr. Banken-Privatisierung und Sparirrsinn werden die Krise aber kaum in den Griff bekommen.
Wie kam es zur Misere? Zuerst versenkte das korrupte Athen Milliarden harter Euros in dubiosen Aufrüstungsgeschäften, bei uns hört man immer nur von Schlendrian und „Korruption“, vorwiegend scheinbar bei Bauämtern und Taxifahrern. Tenor der deutschen Medien-Berichte: Selber schuld, ihr korrupten „Pleite-Griechen“, hättet ihr eben andere Politiker gewählt! Nun hatten die Griechen aber tatsächlich zumindest ein paar andere Politiker gewählt: Alexis Tsipras und seine Syriza-Linkspartei, gegen die im Vorfeld der Wahlen bei uns die Medien Gift und Galle gespuckt hatten, z.B. er zeige ein „Gebaren als linksradikaler  Erz-Flegel“ (so die ARD-Tagesschau).
Goldman Sachs in Athen

Selbst die finanznahe Wirtschaftspresse sieht es teilweise ein: Die sog. Rettungsmaßnahmen für Griechenland bringen nichts, haben die Krise nur verschärft (siehe z.B. Handelsblatt). Verwicklungen von US-Finanzkreisen in die Euro-Krise sind ebenfalls kein Geheimnis, Goldman Sachs steht dafür besonders in der Kritik. Daher ist die Frage berechtigt:

Wurde der drohende Crash Griechenlands von langer Hand vorbereitet? Womöglich von oder zumindest mit viel Einsatz der US-Bank Goldman Sachs? Die mächtige Investment-Bank soll wegen ihres regen Personal-Karussells mit der US-Regierung auch den Spitznamen “Government Sachs” tragen.

Griechenland ist Opfer der Finanzkrise: Wen interessiert in diesem Zusammenhang schon, dass US-Finanzminister Hank Paulson unter George W. Bush, ebenso wie sein Vorgänger unter Bill Clinton, Robert Rubin, aus dem Team von Goldman Sachs kamen? Barack Obamas Finanzminister Timothy Geithner konnte sich ebenso der Unterstützung von Goldman sicher sein, während in der EZB der Italiener Mario Dragi, der Chef der Italienischen Notenbank, das Banner von Goldman Sachs hochhielt. Sogar der Weltbank-Präsident, Robert Zoellick, war einst Direktor bei Goldman Sachs, einer staatstragenden US-Bank, die auch zu den wichtigsten Spendern von Obama zählte.
Schon bei der Ersetzung der Drachme durch den Euro hatte die US-Bank ihre Finger im Spiel, frisierte die Bilanzen, wichtige Akteure des griechischen Dramas kamen aus ihrem Stab. Loukas Papadimos, der sein Banker-Handwerk bei der US-Fed erlernte, hatte sich als Boss der Zentralbank in Athen dafür den Goldmann Sachs-Banker Christodoulou geholt. Athen wurde zur Sollbruchstelle im Euro-Raum.
Das konservative Modell vor dem Aus

Die Wahlen vom 17.Juni in Athen retteten noch einmal knapp die alten, korrupten Mächte  -obwohl Jugend und Arbeiterschaft sich trotz Medien-Kampagnen der Syriza zuwandten und das Land wohl endgültig von einer Zweiparteien-Demokratur zu einer Vielparteien-Demokratie übergehen wird. Deutsche Medien trugen ihren Teil zum Erfolg der Plutokratie bei -über die griechische Diaspora, die touristisch bedingte Einwirkung in Griechenland selbst und die wachsende deutsche Dominanz in Europa.

Die deutsche Medienkampagne gegen Griechenland und vor allem die Syriza-Linke zog sich neben BILD nicht nur durch Funk und Fernsehen, sondern auch durch den SPIEGEL („BILD am Montag“), das Flaggschiff der Printflotte des Mediengiganten Bertelsmann (Stern, Random House, RTL, Arvato u.a.), was links gern übersehen wurde. In einem alarmistischen Krisentitel „Akropolis adieu! Warum Griechenland jetzt den Euro verlassen muss“ (Nr.20, 14.05.2012) verband der SPIEGEL die drohende Euro-Apokalypse mit einer digitalen Schändung des Nationalheiligtums der Hellenen (Auflage: 297.432 Stück). Das Titelblatt erregte großes Aufsehen bis nach Athen und wurde dort als Affront, als Erpressung mit einem Rauswurf aus Europa verstanden und so war es wohl auch gemeint. Das griechische Blatt To Ethnos schrieb dazu: „Der SPIEGEL zerlegt die Akropolis, das ist anmaßend“ und das Netzmagazin Tsantiri: „Der Terrorismus der Geldgeber geht weiter, der SPIEGEL verabschiedet Griechenland aus der Euro-Zone. Dafür zertrümmert er die Akropolis…“.

Aber worin sahen die Schreiber von Bertelsmann-Blatt SPIEGEL die neoliberale Endlösung des Griechen-Problems? Die Bertelsmann-Stiftung trommelt als mediengewaltiger think tank unentwegt für Sozialabbau, Deregulierung und Privatisierung und der Konzern hält zugleich unter dem Label Bertelsmann-Arvato Dienstleistungen für Privatisierung feil. So propagiert das Bertelsmann-Blatt SPIEGEL drei Lösungsansätze: Sozialabbau, Deregulierung und Privatisierung. Vor allem, so das unbestechliche Urteil der überaus freien Qualitätsjournalisten, fehle Athen die schnelle Privatisierung. Dabei hungern die Menschen und das Gesundheitssystem droht unter den Sparmaßnahmen zusammen zu brechen, dabei steht es in Athen unter besonderen Belastungen.

SPIEGEL schändet Nationalheiligtum der Griechen

„Akropolis adieu!“ Bertelsmann droht Athen mit Militärputsch

Gerd R. Rueger 20.Juni 2012

SPIEGEL oder „BILD am Montag“?

Die Wahlen vom 17.Juni in Athen retteten noch einmal knapp die alten, korrupten Mächte  -obwohl Jugend und Arbeiterschaft sich trotz Medien-Kampagnen der Syriza zuwandten und das Land wohl endgültig von einer Zweiparteien-Demokratur zu einer Vielparteien-Demokratie übergehen wird. Deutsche Medien trugen ihren Teil zum Erfolg der Plutokratie bei -über die griechische Diaspora, die touristisch bedingte Einwirkung in Griechenland selbst und die wachsende deutsche Dominanz in Europa.

Die deutsche Medienkampagne gegen Griechenland und vor allem die Syriza-Linke zog sich neben BILD nicht nur durch Funk und Fernsehen, sondern auch durch den SPIEGEL („BILD am Montag“), das Flaggschiff der Printflotte des Mediengiganten Bertelsmann (Stern, Random House, RTL, Arvato u.a.), was links gern übersehen wurde. Obwohl immer noch vom Ruf des linksliberalen Qualitäts-Journalismus zehrend, ist der SPIEGEL seit den 90ern zum Zentralorgan eines „rheinischen Neoliberalismus“ verkommen. Dies geschah analog zum Machtzuwachs der milliardenschweren Bertelsmann-Stiftung, Haupteignerin des Konzerns und als neoliberaler think tank Leitwolf im Berliner Lobbyisten-Rudel.

Zum korruptiven Berliner Dauerkonzert steuert Bertelsmann –neben den heimlich verbreiteten Librettos seiner Stiftung– gern mediale Paukenschläge bei. Das unterstreicht die Dominanz bei der Bestimmung der Marschrichtung und meist tönt Bertelsmann noch etwas teutonischer als andere Medien: Globalisierung in der Tonart der Deutschland AG. Deutsche Bank, Allianz, Altana, BMW, Mercedes, Siemens usw. danken es aus ihren Milliarden-Werbeetats mit fetten Anzeigen im Magazin. Die angeblichen „Edelfedern“ des weltberühmten Magazins waren sich da für etwas Mittun am Griechen-Bashing nicht zu schade.

BILD hetzte am radikalsten gegen Athen, dichtete den in über 200 Artikeln notorisch als „Pleite-Griechen“ verhetzten Hellenen stereotyp Genusssucht, Faulheit und Luxus-Frührenten an. Dies prügelten Schlagzeilen in die deutschen Köpfe, obwohl Statistiker belegten, dass Griechen im Schnitt nicht jünger in den Ruhestand gehen als Deutsche, aber viel weniger Rente erhalten.  Dennoch erhielt BILD 2012 überraschend den Henry-Nannen-Preis (benannt nach dem berühmtesten Bertelsmann-Journalisten), dem Bertelsmann-Medien gern das Prädikat „renommiert“ zuschreiben. Manche schockierte das, denn im Bertelsmann-Dunstkreis beweihräuchert sich sonst die Edel-Journaille um Nannen-Blatt STERN und SPIEGEL am liebsten gegenseitig. Aber man honorierte 2012 die BILD-Hetzjagd auf Schnäppchen-Präsi Wulff: Endlich mal ein CDU-Promi im Visier von BILD! Auch was Athen angeht, stehen BILD und SPIEGEL, den manche „BILD am Montag“ nennen, heute Seit an Seit. Mit einer Serie von Griechen-Bashing-Artikeln prügelte der SPIEGEL auf das Land ein, insbesondere auf das Linksbündnis Syriza, dessen Wahlerfolge die Finanzinteressen der Deutschland AG in Gefahr brachten.

SPIEGEL-Hetztitel: „Akropolis adieu!“

In einem alarmistischen Krisentitel „Akropolis adieu! Warum Griechenland jetzt den Euro verlassen muss“ (Nr.20, 14.05.2012) verband der SPIEGEL die drohende Euro-Apokalypse mit einer digitalen Schändung des Nationalheiligtums der Hellenen (Auflage: 297.432 Stück). Das Titelblatt erregte großes Aufsehen bis nach Athen und wurde dort als Affront, als Erpressung mit einem Rauswurf aus Europa verstanden. So war es wohl auch gemeint und in den Formulierungen mehr als angedeutet. Das nächste Heft (Nr.21, 21.5.2012, S.146) warf  in der Rubrik „Rückspiegel“ einen befriedigten Blick auf Reaktionen der griechischen Presse, die Tageszeitung Ta Nea habe dazu geschrieben: „Nach den chaotischen Wahlergebnissen will uns jetzt auch der SPIEGEL, das große deutsche Nachrichtenmagazin, aus dem Euro werfen.“

Das griechische Blatt To Ethnos schreibe zum selben Thema: „Der SPIEGEL zerlegt die Akropolis, das ist anmaßend“ und das Netzmagazin Tsantiri: „Der Terrorismus der Geldgeber geht weiter, der SPIEGEL verabschiedet Griechenland aus der Euro-Zone. Dafür zertrümmert er die Akropolis…“.

Im SPIEGEL Nr.21/2012 dreschen noch zwei weitere Artikel auf Athen ein, speziell auf den Linken-Chef Tsipras: „Griechenland: Kranke Verhältnisse“ und „Zweifelhafte Nothilfe“ (für Athens „Zombiebanken“); im SPIEGEL Nr.22 wird dann Tsipras selbst einem Interview bzw. Verhör unterzogen, SPIEGEL Nr.23 lässt den konservativen „Vom Unglück ein Grieche zu sein“-Bestsellerautor Dimou über die kranke Seele der Hellenen schwadronieren, und wie er sich vom Akropolis-Schändungs-Titel des SPIEGEL aus Europa rausgeworfen fühlte. Ein SPIEGEL sagt mehr als tausend BILD-Hetzparolen. Auch das letzte Heft vor der Athener Wahl am 17.6.2012, SPIEGEL Nr.24, trat im Stil von BILD noch einmal kräftig nach –wenn auch nur mit den rosa Pumps der Feuilletonistin: Unter der Überschrift „Das Blut der Erde“ erfahren SPIEGEL-Leser, Deutsche „verachten griechischen Wein. Sein Ruf ist wie der des Landes.“ (S.48) Doch was stand im „Akropolis-Adieu“-SPIEGEL? Kann man wirklich sagen, das renommierteste deutsche Printmedium hat einen Hetzartikel gegen Griechenland gebracht?

SPIEGEL droht Tsipras mit Militärputsch

Im „Akropolis adieu!“-Leitartikel, der sich in SPIEGEL Nr.20/2012 von S.22-31 endlos langweilig hinzog, wurde das ganze neoliberale Hetzprogramm der Medienkampagne gegen Athen noch einmal durchgekaut. Diesmal im leicht gehobenen Stil –verglichen mit BILD; die Latte liegt niedrig für heutigen „Qualitäts-Journalismus“. Der Artikel begann mit der Hass- und Angstfigur der westlichen Finanzindustrie, Alexis Tsipras, und seiner unabhängigen Linken, die sich zwischen den Kommunisten und den korrupten Sozialdemokraten der Pasok als zweitstärkste Kraft etablieren konnten: „Es gibt vieles, was Alexis Tsipras an Deutschland gefällt,“ weiß der SPIEGEL, sein BMW-Motorad, preußische Perfektion und „der deutsche Oberlinke Oskar Lafontaine“. Nur die deutschen Vorgaben zu einer „brutalen Sparpolitik“ (vom SPIEGEL in Anführungszeichen gesetzt) liebt Tsipras nicht, ausgerechnet das also, was den Neoliberalen so wichtig ist.

„Tsipras ist der neue Star in Athen“, ärgert sich der SPIEGEL, „mit seiner wilden Sammlungsbewegung aus Trotzkisten, Anarchos und Linkssozialisten“. Die Pasok, die im Parteienspektrum etwa der neoliberalen Schröder-SPD entspricht, mag der Artikel aber auch nicht so recht –weil sie offenbar unfähig oder unwillig ist, eine neoliberale Sparpolitik nach Berliner Gusto brutal genug durchzusetzen. „Angela Merkel wird in griechischen Magazinen gern in Nazi-Uniformen dargestellt,“ wundert sich der SPIEGEL und kontert kalt: „Im Berliner Kanzleramt fühlen sich Merkels Berater inzwischen an Weimarer Verhältnisse erinnert.“ Sicher ist das Blatt gut informiert, denn die Bertelsmann-Stiftung ist Politik-Berater Nr.1 in Berlin.  In Athen herrschen also Chaos und Anarchie:

„Und wie in den 20er Jahren in Deutschland profitieren davon rechte und linke Randparteien. Das politische System des Landes löst sich auf, und manche Beobachter befürchten sogar, dass die zugespitzte Lage am Ende in einen Militärputsch münden könnte.“ (SPIEGEL Nr.20/2012, S.24)

Der SPIEGEL zitiert die ominösen Beobachter nur, er sagt nicht, ob er den Militärputsch ebenfalls „befürchtet“ oder vielleicht doch eher mit hämischer Schadenfreude herbeisehnt –oder am Ende selber damit droht? Jedenfalls lässt er kein gutes Haar an Griechenland, zitiert „die Experten des IWF“ mit ihrem „vernichtenden Urteil“ von „strukturellen Verkrustungen“ und einer „zu großen Rolle des öffentlichen Sektors“. Athen soll raus aus dem Euro, „wieder konkurrenzfähig“ werden, aber der „Populist Tsipras“ versuche „Europa“ zu erpressen, tobt der SPIEGEL, spuckt Gift und Galle gegen Griechenland, das „komplett heruntergewirtschaftet“ und dessen Pleite zu fürchten sei wie die „Schwarze Pest“.

SPIEGEL: Sozialabbau, Deregulieren & Privatisieren!

Und worin sehen die Schreiber von Bertelsmann-Blatt SPIEGEL die neoliberale Endlösung des Griechen-Problems? Die Edelfedern eines Konzerns, dessen Stiftung als neoliberaler think tank unentwegt für Sozialabbau, Deregulierung und Privatisierung trommelt, eines Konzerns, der unter dem Label Bertelsmann-Arvato Dienstleistungen für selbige Privatisierung feilhält, propagieren drei Lösungsansätze: Sozialabbau, Deregulierung und Privatisierung. Empört stellen die Bertelsmann-Edelfedern fest: „Auf nahezu keiner Reformbaustelle kann die Regierung Erfolge vorweisen. Die Privatisierung von Staatsunternehmen, die mithelfen sollte, die leere Staatskasse zu sanieren, hat noch gar nicht richtig begonnen.“

Athen habe total versagt, seiner „verriegelten Wirtschaft“ mehr „Wettbewerb“  zu verordnen, so lägen „weiterhin große Teile der Staatsverwaltung in Agonie“. Eigentlich wäre Athen ein toller Kunde für „Arvato Government  Services“ von Bertelsmann, wenn endlich mehr privatisiert würde –das sagt der SPIEGEL freilich nicht und wettert vielmehr weiter: Nur wenige „bescheidene Fortschritte“ könnten die Griechen vorweisen: Mehrwertsteuer von 19 auf 23 % erhöht, Beamtengehälter um 30% und Pensionen um 15% gekürzt, „das ist beachtlich“. Aber leider gehöre es „zu den Merkwürdigkeiten des griechischen Staates, dass es zwar 32 Gesetze zur Deregulierung gibt, aber keine Deregulierung“, denn der „Reformwille der meisten Politiker sei sehr begrenzt“.

In Sachen Sozialabbau ist der SPIEGEL ebenfalls noch unzufrieden: Arbeitslosengeld und Mindestlohn wurden zwar gekürzt, aber trotzdem lägen laut IWF, „die griechischen Verdienste teilweise deutlich über den Löhnen“ in „benachbarten Balkanstaaten wie Bulgarien und Rumänien“. So drohen den Griechen „Rezession“, „zu wenig Investoren“, „Abwärtsspirale“, „Teufelskreis“ (S.26f.). Vorbildlich sei Schäubles Berliner „Taskforce Griechenland“, die sich „eine besonders trickreiche Lösung ausgedacht“ habe: Hilfspakete für Athen sollen nur noch in Schuldendienste z.B. an deutsche Banken fließen, aber nicht in Beamtengehälter oder Renten (S.29) –Sozialabbau für Banker-Boni. Nur die „Rückkehr zur Drachme“ könne Athen erfolgreich aus der Misere bringen, wie „Argentinien nach Ende des Dollar-Regimes 2001“ (SPIEGEL Nr.20/2012, S.30).

Vorbild Argentinien 2001

Argentinien gilt als Musterbeispiel für das Scheitern einer neoliberalen Politik von Sozialabbau, Deregulierung und Privatisierung, in dem ein wohlhabendes Volk von ausländischen Großkonzernen und Finanzmafioso ausgeplündert und im Elend zurück gelassen wurde. Das argentinische „Chicago School“-Experiment endete damit, dass in der Nacht des Staatsbankrotts unbekannte Lkw vor der Zentralbank vorfuhren. Die Gold- und Devisenreserven Argentiniens wurden eingeladen und mit unbekanntem Ziel ins Ausland verfrachteten. Niemand rief die Polizei. Der Raub entsprach den im Land herrschenden Gesetzen, die völlig im Einklang mit den „Gesetzen des Marktes“ waren, wie sie die neoliberalen Chicago Boys in Buenos Aires umgesetzt hatten.

Der SPIEGEL verschweigt, dass der Argentinier bis heute mit weniger als der Hälfte des Einkommens von vor dem Crash 2001 auskommen muss. Der SPIEGEL verschweigt, dass die glimpflichen Verwüstungen durch den Crash 2008/2009 dem zähen Widerstand der Argentinier gegen die vom IWF auch in Buenos Aires geforderten Deregulierungen des Finanzwesens zu verdanken sind. Dieselben Deregulierungen wurden hierzulande auch vom SPIEGEL unentwegt gepredigt und unter medialem Druck von rotgrünen, rotschwarzen und schwarzgelben Regierungen umgesetzt. Der SPIEGEL dreht weiterhin die ideologische Gebetsmühle des Neoliberalismus, wonach Deregulierung, Privatisierung und Wettbewerb als Allheilmittel angepriesen werden.