Spanische Demokratie in Gefahr

Spanien war einst Militärdiktatur unter Generalissimo Franco. Aber einige glauben, das ist noch nicht vorbei oder gerade dabei, sich wieder zusammenzubrauen… (mit einer Kritik der neoliberal-verdächtigen, wenn nicht rechtsradikalen Partei Ciudadanos, auf deren anfänglich halblinksliberal tönende Propaganda wir hier im Blog vor Jahren auch einmal kurz hereingefallen waren).

Pere Grau Rovira (Gastblogger)

Europa hat es damals geglaubt. Und viele Spanier. Und viele Katalanen. Nämlich, dass nach der lange Nacht der Diktatur in Spanien wieder die Sonne der Demokratie aufgegangen wäre, dass man alles geschehene Unrecht wiedergutmachen würde und dass der Geist des alten Diktators so tot und begraben wäre wie er selbst. Anscheinend glaubt es Europa immer noch. Aber schon wenige Spanier und gar nicht die große Mehrheit der Katalanen. Weil die Masken immer schneller fallen. Weil es sich mit jedem Tag deutlicher zeigt, dass der ultranationalistische Geist der Diktatur lebendig ist wie eh und je, und Spanien an der politischen Lösung der Konflikte mit seinen Völkern hindert.

In meinem Artikel „Ein entlarvendes Manifest“ vom 8.08.2018 berichtete ich über das von 181 pensionierten Militärs (oder Offiziere der Reserve wie es amtlich benannt wird) unterschriebenes Dokument, in dem die Figur von Franco verteidigt wurde. Nun, dieser Wisch haben bis jetzt schon mehr als 700 Militärs unterschrieben, darunter einige, die in den letzten Jahre hohe Posten in der Armee bekleidet haben: ein Chef des Generalstabs (in etwa wie der deutsche Generalinspekteur), ein ehemaliger Oberkommandierender der Luftwaffe, oder ein Generaladjutant des Königs. Jetzt nach dem Aufschrei vieler Spanier gegen diese Huldigung des Diktators hat sich das Verteidigungsministerium zu einer lahmen Reaktion gezwungen gesehen und hat fünf der Unterzeichnenden zu einer Anhörung zitiert. Wohlgemerkt: fünf von mehr als siebenhundert!

Einer von diesen fünf (der übrigens behauptet, nichts vom Ministerium gehört zu haben) ist der General Manuel Fernández-Monzón, der sich in dieser Woche zu Wort gemeldet hat. Eine Erklärung vorweg: Während und nach dem Bürgerkrieg wurden unzählige Spanier durch militärische Standgerichte zum Tode verurteilt und hingerichtet. Diese Urteile werden von den spanischen Demokraten als „legale Morde“ bezeichnet. Jetzt meint General Fernández-Monzón, dass es damals keine Morde gab. Was es gab waren „von absolut legalen Kriegsgerichten verurteilte Gesetzesbrecher“. Auch hat er gesagt, dass die Zahl der zu jener Zeit verschwundenen Bürger (man hat es als ca. 140.000 geschätzt) „sehr stark aufgebauscht wird“ und in Wirklichkeit sehr gering wäre.

Man muss sich fragen wie lebendig dieser Korpsgeist bei den jetzigen aktiven Offizieren der Armee noch ist, und man kann ein Schaudern nicht vermeiden. Aber es ist beileibe nicht nur in der Armee, wo der Geist des alten Massenmörders immer noch weiterlebt.

Die neue sozialistische Regierung will ein altes Anliegen der Partei verwirklichen und die Gebeine Francos aus seinem protzigem Mausoleum im „Tal der Gefallenen“ entfernen. Dagegen laufen jetzt die spanischen rechten Sturm. Die Vorsitzenden der bisherigen Regierungspartei Partido Popular, und von der Partei Ciudadanos (eine rechtsextreme Partei, die in Deutschland merkwürdigerweise als „liberal“ bezeichnet wird) haben schon verkündet, dass sie im spanischen Parlament gegen die Verlegung der Gebeine Francos stimmen werden. Auch hier fallen die Masken und es wird immer verständlicher, warum in Spanien heutzutage ständig gegen viele der grundlegenden Menschenrechte verstoßen wird.

Indessen gehen die Ausschreitungen von spanischen Ultranationalisten (angeheizt meistens von der Partei Ciudadanos und von ultrarechten Vereinen) gegen die zahlreichen Träger der gelben Schleifen weiter, die an die zu Unrecht gefangenen katalanischen Politiker und Aktivisten erinnern sollen. Mehr als einmal sind bei diesen Gruppen auch Mitglieder der spanischen Polizei (in Zivil) identifiziert worden.

Man sieht sich an die Ausschreitungen der SS in der Weimarer Republik und in der Nazizeit erinnert. Und wenn man die Worten von General Fernández-Monzón liest kann man nicht vermeiden sich lebhaft vorzustellen, was in Deutschland passieren würde, wenn ein ehemaliger General der Bundeswehr behaupten würde, dass Richter Roland Freisler und sein Volksgericht genauso  „ein absolut legales Gericht  war, das nur Gesetzesbrecher verurteilt hat“. Die Empörung würde unbeschreibbar werden.  In Spanien bringt das nur eine lahme Anhörung, und noch den Applaus der zahlreichen Ewiggestrigen.

Erschienen unter dem Titel:“Die Masken fallen nach und nach“ Quelle

Zum Autor Pere Grau Rovira:

Ich bin 1930 in Barcelona geboren. Meine Schulzeit stand unter dem Schatten der Franco Diktatur, das heisst, dass ich meine Sprache, Katalanisch, -die aus dem öffentlichen Leben verbannt war- nicht in der Schule lernen konnte und ich sie nur indirekt und fehlerhaft durch einige geretteten Bücher und alte Zeitschriften lernte. Ich absolvierte die Handelshochschule (in etwa entsprechend der deutschen BWL), arbeitete als Büroangestellter, und als Autodidakt interessierte ich mich immer mehr für Kunst und Literatur. Ich lernte dann richtig Katalanisch in Unterrichtsstunden für Erwachsene, die ein unerschrockener katalanischer Schriftsteller untergrundartig organisiert hatte, und gab später die erworbenen Kenntnisse weiter an junge Leute meines Alters auf dieselbe Weise hinter verschlossenen Türen.

Eine damalige minimale Öffnung des Regimes machte allmählich möglich das Erscheinen von einigen Bücher auf Katalanisch, meistens Lyrik, die dem Regime weniger gefährlich erschien. Dadurch konnte ich unsere Dichter lesen und schätzenlernen und habe ich mich selber als Jungdichter gewagt. Ich gewann damals mit meinen Gedichten zwei bescheidene Preise und einen Dritten gewann ich später 2002 schon als alter Mann.

1960, entmutigt und genervt von den persönlichen Beschränkungen des Lebens unter der Diktatur, emigrierte ich nach Deutschland, wo ich seitdem in Hamburg lebe und geheiratet habe. Ich habe aber ständig die Ereignisse in meiner Heimat verfolgt und in Deutschland immer versucht, wenn die Information über Katalonien in den deutschen Medien meines Erachtens nicht korrekt war, höflich darauf hinzuweisen und eine Gegendarstellung angeboten.

Und das ist weiterhin der Sinn dieser Webseite. Eine immer noch wachsende Zahl von Katalanen hat es satt bekommen, Opfer einer aberwitzige spanischen Politik zu sein, die -was Katalonien betrifft- in subtilerer Form noch viele Ziele der Francozeit verfolgt. Der jetzige Ruf der Katalanen nach Unabhängigkeit findet in Deutschland viel Unverständnis, und dieses Unverständnis wird noch gefördert durch eine Medieninformation, die von der Propaganda der spanischen Politik sehr beeinflusst wird.

Diese Webseite will keine Propagandapostille für die Unabhängigkeit Kataloniens sein. Was ich versuchen möchte, ist einfach Fakten darzulegen. Fakten, mit denen ich beweisen möchte, dass wir Katalanen kein verrücktes, egoistisches, unsolidarisches Volk sind, sondern ein offenes und sehr solidarisches, das es aber satt hat, von den spanischen Zentralregierungen gebremst, hintergangen und grundschlecht verwaltet zu werden.

Etwas noch dass ich als sehr wichtig erachte. Seitens der Katalanen gibt es keinen Hass gegen das spanische Volk. Nur eine entschiedene Ablehnung der Methoden ihrer Politikern. Man findet aber leider allzuoft Beispiele von Hass einiger Spaniern gegen Katalonien (davon werden Sie hier einige Proben finden). Hass ist ein zu schlechter Berater, um Zeit damit zu vergeuden. Und noch eines: Wie die überwältigende Mehrheit der Katalanen, die jetzt die Unabhängigkeit unbedingt wollen erachtete ich früher als besser, eine Lösung (Föderale, konföderale), die uns ein einträchtiges Miteinander mit dem Rest Spanien ermöglicht hätte. Die Zeit und die Unversöhnlichkeit der spanische Politik hat aber letzten Endes diese Illusionen zerstört.

Mit diesen Seiten also möchte ich dazu beitragen das Verständnis meiner deutschen Mitbürger für meine katalanischen Landsleute zu verbessern. Ob es mir gelingt, werden nur meine Leser sagen können. Quelle

Sieg der Vernunft? Wahl in Tunesien 2014

Gerd R. Rueger, Tunis/Sfax

Tunis. Die Bekanntgabe vorläufiger Ergebnisse der am Sonntag abgehaltenen Parlamentswahl durch die Wahlkommission ISIE zögerte sich immer weiter hinaus. Eine bereits am Morgen angekündigte Pressekonferenz wurden mehrfach verschoben. Sieger ist die säkulare Allianz Nidaa Tunis, die auch alte Ben Ali-Komplizen aufstellte.

Die Kommission hat bis zum 30. Oktober Zeit, das Endergebnis bekannt zu geben. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 62 Prozent und die Wahl verlief weitgehend friedlich. Vorher waren mögliche Anschläge der salafistischen Terrorgruppe Ansar al-Scharia befürchtet worden, die nicht nur in Libyen, sondern auch in Tunesien agiert.

Der Europarat lobte den Ablauf der ersten Parlamentswahl in Tunesien seit dem Arabischen Frühling. Die Wahl am Sonntag sei „ordentlich“ und auf der Grundlage der neuen Verfassung des Landes verlaufen, betonte der Generalsekretär des Rates, Thorbjørn Jagland. Zu ausländischen Versuchen, die Situation in Tunesien durch einsickernde Islamisten zu destabilisieren, äußerten die Europäer sich nicht.

Das vorläufige Endergebnis war noch nicht bekannt gegeben, da räumte Yusra Ghannouchi, die Sprecherin der Islamistenpartei Ennahda („Wiedergeburt“),  ihre Niederlage ein. Gewinner der Wahl wird die säkulare Parteien-Allianz Nidā’ Tūnis („Ruf Tunesiens“) sein. Der schlechte Ruf des Islamismus und die heikle Bündnispolitik mit alten konservativen Kräften noch aus der Zeit der Diktatur Ben Alis brachte der breiten Allianz den Sieg.

Die Ennahda, die bei der Wahl zur Verfassunggebenden Versammlung 2011 noch 89 von 217 Sitzen gewann und das Land bis 2013 regierte, kommt vermutlich nur auf 28 bis 31 Prozent und höchstens 68 Sitze. Die sozialdemokratische Ettakatol, die 2011 mit der Ennahda koaliert hatte, wird mit in den Abgrund gezogen und muss mit massiven Verlusten rechnen.

Beji Caid el Sebsi ist Vorsitzender von Nidā’ Tūnis. Foto: Guillaume Paumier. Lizenz: CC BY 3.0.

Der Ennahda-Funktionär Lotfi Zitoun appellierte bereits an den anscheinenden Wahlgewinner, zusammen mit seiner Partei eine „Regierung der Einheit“ zu bilden, die seinen Worten nach dem „Interesse des Landes“ am besten gerecht würde. Ein anderer mögliche Koalitionspartner der Nidā’ Tūnis wäre die Partei des Oligarchen Slim Riahi, die mit Popkonzerten für sich warb und überraschend stark abschnitt, so tp.

Sieger: Die Allianz Nidaa Tounès

Nidaa Tounes supporters wave party flags on election night. Photo: Nidaa Tounes official Facebook pageMourakiboun, die tunesische Wahlbeobachterorganisation, ging gestern davon aus, dass die Allianz Nidaa Tounès auf 37,1 Prozent der Stimmen kommen wird, während auf die islamistische Ennahda 27,9 Prozent entfielen. Tunesische Medien berichteten unter Berufung auf Umfragen über einen ähnlichen Wahlausgang.

A preliminary ballot count published by Anadolus Agency revealed moderate Islamist party Ennahdha with 68 seats so far (31.33%) and 83 for Nidaa Tounes (38.24%) in the 217-seat assembly. Following the two leading parties are the United Patriotic Front with 17 seats, the Popular Front with 12 seats, Afek Tounes with 9, Democratic Current with 5, and the Initiative and Congress for the Republic parties with 4 seats each. TunisiaLife

Auf ihrer offiziellen Facebook-Seite verkündete Nidaa Tounès ihren Wahlsieg. „Wir haben gewonnen, lang lebe Tunesien“, hiess es dort. Parteichef Béji Caïd Essebsi hatte sich am Sonntagabend noch vorsichtig gezeigt und erklärt, es gebe Hinweise, wonach die Partei an der Spitze sein könnte.

Die islamistisch-gemäßigte Ennahda-Partei, die derzeit in der verfassunggebenden Nationalversammlung die Mehrheit hält, teilte mit, auf Platz zwei gelandet zu sein. Nidaa Tounès habe einen Vorsprung von etwa einem Dutzend Sitzen, erklärte Ennahda-Sprecher Zied Laadhari. Dies seien aber nur Hochrechnungen, betonte der Sprecher.

Der Unternehmer Slim Riahi hoffte auf einen Überraschungserfolg mit seiner neoliberalen Freien Patriotischen Union. Der 42-jährige ist Vorsitzender des beliebten Fussballvereins Club Africain in Tunis und tritt ausserdem bei der Präsidentenwahl am 23. November an.

Die Ennahda war 2011 aus der ersten freien Wahl nach dem Sturz von Zine el Abidine Ben Ali im Arabischen Frühling mit Abstand als stärkste Kraft hervorgegangen. Wenn das neue Parlament die Arbeit aufnimmt, kann die derzeitige Übergangsregierung von einer gewählten politischen Führung abgelöst werden. Mit der Wahl eines Präsidenten bis zum Jahresende soll der nach der Jasminrevolution eingeleitete Weg in die Demokratie abgeschlossen sein. Bis spätestens Februar soll das Kabinett arbeitsfähig sein. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre.

Vorgeschichte: Urlaubsparadies Diktatur

Ab 1994 war Tunesien eine vom Westen anerkannte repräsentative Demokratie, die als in den Medien romantisiertes Urlaubsparadies viele Deutsche, Franzosen, Italiener ins Land locken konnte. Alle Wahlen erbrachten wundersamer Weise  Ergebnisse von bis zu über 90 Prozent der Stimmen für Ben Ali und seine Partei Rassemblement constitutionnel démocratique. Zuletzt war der prowestliche Präsident 2009 für weitere fünf Jahre bestätigt worden, weshalb die nächste reguläre Wahl 2014 stattfinden sollte.

Um den Jahreswechsel 2010/2011 stürzte jedoch der danach auch in Westmedien Diktator genannte Ben Ali durch die tunesische -mehr im Ausland als dort selbst- Jasminrevolution genannte Erhebung. Das Amt des Präsidenten wurde mit dessen Flucht am 15. Januar 2011 vakant und bis zu einer regulären Wahl interimistisch ausgefüllt. Zunächst war geplant, bereits wenige Monate darauf eine Präsidentschaftswahl abzuhalten. Da jedoch im Lauf der Revolution die Verfassung außer Kraft gesetzt wurde, fehlten die Voraussetzungen für die Durchführung jeder Art von Wahlen. Der am 16. Januar bestimmte Interimspräsident Fouad Mebazaâ gab daher am 3. März bekannt, dass eine verfassunggebende Versammlung einberufen werden solle, die, verzögert, am 23. Oktober 2011 gewählt wurde und die innerhalb eines Jahres eine Verfassung erarbeiten sowie die Präsidentschafts- und Parlamentswahl organisieren sollte.

Es kam immer wieder zu Verzögerungen wegen ökonomischer Schwierigkeiten und politischer Verwerfungen, die sich im ersten Halbjahr 2013 durch die Ermordung der linken Oppositionspolitiker Chokri Belaid und Mohamed Brahmi zuspitzten. Die Wahlen, auf den 23. Juni 2013 angesetzt, wurden nach Protesten gegen die Regierung zuerst auf den 17. Dezember und dann ins Jahr 2014 verschoben, als die Regierung Ali Larajedhs Ende 2013 wegen des öffentlichen Drucks zurücktrat.

Als Gründe für das für Ennahda enttäuschende Abschneiden unter anderem den wirtschaftlichen Niedergang während der Regierungszeit der Partei und ihren Kuschelkurs im Umgang mit den Ansar al-Scharia-Extremisten. Als diese die beiden linksoppositionellen Politiker ermordeten, hatte sich Ennahda nach den massiven Protesten aus der Übergangsregierung verabschiedet und die Macht an ein Technokratenkabinett abgegeben.

Guide to Tunisian Parties

ENNAHDA – Originally founded in 1981 under the name of Islamic Tendency Movement by Rached Ghannouchi, who is still the party’s leader, Ennahda was subject to suppression under Ben Ali. Its leadership was exiled or jailed during the regime, including Ghannouchi who spent years in Britain. He returned to Tunisia after the revolution, and Ennahda became a legal party. The party won around 40 percent of the seats in Tunisia’s first transition assembly in the 2011 election and formed a coalition government with two smaller secular parties. Ghannouchi’s party was criticised by opponents for its economic management and for its laxity with hardline Islamists. But Ghannouchi was also seen as a more flexible Islamist leader who was able to compromise with rivals and end the crisis.

NIDAA TOUNES – Founded in 2012, mainly in reaction to the victory of Islamists after the revolution, Nidaa Tounes is an alliance that includes some former members of the Ben Ali regime, including party chieftain Beji Caid Essebsi. It is now the largest rival to Ennahda. Essebsi, 87, was a political figure in Tunisia since after the 1956 independence from France, a minister under Tunisia’s first President Habib Bourguiba, and a parliament speaker under Ben Ali. Nidaa Tounes presents itself as a modern movement best able to manage the problems of one of the Arab world’s most secular countries.

POPULAR FRONT – A coalition that includes dozens of smaller parties from the left-wing to nationalists as well as independent intellectuals. Founded in 2012, it presents itself as the third choice between Islamists and Nidaa Tounes. Its leader, Hamma Hammami, was also arrested by Bourguiba and Ben Ali, and is running as a presidential candidate. Two of its leaders Chokri Belaid and Mohamed Brahmi were assassinated by Islamist militants in 2013, triggering a political crisis that forced Ennahda-led government to step down.

REPUBLICAN PARTY – Formerly known as the Progressive Democratic Party or PDP, it changed its name after the revolution. Its leaders were among the most active in the 2011 uprising and were opponents of the Ben Ali regime. Its leader Ahmed Nejib Chebbi was a staunch foe of Ben Ali and was banned from running in 2009 elections during his regime. He participated in a national unity government in 2011.

INITIATIVE PARTY – A new party created after the revolution, the Initiative movement is led by Ben Ali’s former foreign and defence minister Kamel Morjane and is one of the three parties created by members of the old regime participating in the election. The party may do well in local areas where Morjane has influence. He was also a former diplomat in the United Nations. He says he apologised for his role in the Ben Ali regime, and believes his technocrat experience can be used to help Tunisia.

CONGRESS FOR THE REPUBLIC OR CPR PARTY – A secular, centre-left party created in 2011 by Moncef Marzouki, the current president of Tunisia. He was a human rights activist from 1989 to 1994, and a longtime opponent of Ben Ali. He was arrested several times under the former regime and sought exile in France for ten years before returning after the uprising. The CPR presents itself as a revolutionary party and opposes the return of former Ben Ali figures.

ETTAKATOL – A small Social-Democrat party founded in 1994 by medical doctor Mustapha Ben Jaafar. He was the head of the Tunisia assembly after the first election following the 2011 revolt, and Ettakatol were part of the coalition government led by Ennahda before they stepped down.

Tunesien: WikiLeaks leakt Nepotisten-Clan

Präsident Ben Ali und seine nepokratische Diktatur

Gerd R. Rueger 9.8.2010

Besuchen sie Tunesien –herrliche Strände, malerische Landschaft und eine exotische Kultur! Eine grausame Diktatur ist kein Hindernis für die Fremdenverkehrsindustrie. Folter und Willkür waren an der Tagesordnung, die Habgier der Herrschaftsclique bestimmte Wirtschaft und öffentliches Leben des von deutschen Touristen als traumhaftes Urlaubsparadies erlebten Landes. Die westlichen Herrschenden wussten mehr als der normale Europäer oder US-Amerikaner aus seinen Medien erfuhr. Die EU hatte erst als das Ali-Regime schon im freien Fall war in Gestalt von Kommissarin Ashton kritischere Töne angestimmt. Die USA boten dank WikiLeaks unfreiwillig einen tieferen Einblick in die Politik des Westen gegenüber der arabischen Welt.

Die folgende Diplomaten-Depesche stammt laut WikiLeaks von Robert F. Godec, U.S. Ambassador in Tunis, der über West- und Südafrika sowie das US-Besatzungsregime im Irak nach Tunesien kam. Am 23.June 2008 wurde sie abgeschickt, als geheim klassifiziert, freizugeben erst 2018. Sie wurde von Wikileaks  2010 geleaked und enthält nichts besonders Aufregendes, gibt als Quelle für die Erkenntnis, Diktator Ali sei korrupt und würde mit seinem Nepotisten-Clan das Land ausplündern neben eigenen Spitzeln vor allem den läppischen „Korruptions-Index“ von Transparency International“ (TI) an. Im Einklang mit TI wird beklagt, ausländische Investoren müsste Schmiergelder zahlen und wegen mangelnder Rechtssicherheit um ihre tunesischen Besitztümer fürchten, so der habgierige Blick eines Clanmitglieds des Diktators darauf fallen würde. Menschenrechtsverletzungen interessieren offenbar weniger als ökonomische Hemmnisse für westliche Finanzinvestoren, obwohl Folterfälle bekannt waren. Die magere Berichterstattung des Diplomaten ergibt, ähnlich wie die über deutsche Politiker publizierten Depeschen, außer Klatsch und Tratsch nicht viel, was nicht z.B. über die CIA-Länderberichte ohnehin öffentlich (!) zugänglich war und ist.

Erwähnt wird im Wesentlichen nur die Inhaftierung des Comedian Hedi Oula Baballah im Februar 2008 wegen angeblicher Drogendelikte, in Wahrheit aber wegen der Verspottung von Ben Ali, sowie des mutigen Journalisten Slim Boukdhir, der in einem Artikel die Korruption der Herrschenden attackiert hatte. Deutlich wird, dass die USA nicht im Traum daran dachten, sich für die Rechte der Gefolterten Dissidenten einzusetzen –ganz anders als in „kommunistischen“ Staaten wie China, Kuba oder Nordkorea. Die tunesische Menschenrechtsaktivistin Sihem Bensedrine berichtete schon lange über das Ausmaß der sozialen Proteste und die erschreckende Unterdrückung der Meinungsfreiheit  in Tunesien. Doch der Depeschen-Leak brachte die Medien in Fahrt, etwas mehr über Korruption zu schreiben: Wie die tunesische Bloggerin Lina Ben Mhenni auf ihrem Blog „A Tunisian Girl“ berichtete,  nahm die libanesische Akhbar aus Beirut das Thema Ben Ali-Korruption auf, immerhin.

Laut Human Rights Watch wurde während der gesamten 23-jährigen Amtszeit von Ben Ali systematische Folter von Polizei und Justiz ausgeübt –im Verhör, in Untersuchungshaft und in den verhängten Gefängnisstrafen.

تونس: يجب إصلاح الإطار القانوني لمحاكمة جرائم الماضي

Die US-Diplomaten-Depeschen bieten also weniger Information über die Zustände in Tunesien, als vielmehr über den speziellen Blick der US-Administration auf das arabische (oder überhaupt auf das nicht-westliche) Ausland. Hier eine gekürzte Dokumentation der geleakten Depesche nach Tristam:

“1. (S) According to Transparency International’s annual survey and Embassy contacts‘ observations, corruption in Tunisia is getting worse. Whether it’s cash, services, land, property, or yes, even your yacht, President Ben Ali’s family is rumored to covet it and reportedly gets what it wants. Beyond the stories of the First Family’s shady dealings, Tunisians report encountering low-level corruption as well in interactions with the police, customs, and a variety of government ministries. The economic impact is clear, with Tunisian investors — fearing the long-arm of „the Family“ — forgoing new investments, keeping domestic investment rates low and unemployment high(…)

7. (S) Tunisia’s financial sector remains plagued by serious allegations of corruption and financial mismanagement. Tunisian business people joke that the most important relationship you can have is with your banker, reflecting the importance of personal connections rather than a solid business plan in securing financing. The legacy of relationship-based banking is a sector-wide rate of non-performing loans that is 19 percent, which remains high but is lower than a high of 25 percent in 2001 (Ref I). Embassy contacts are quick to point out that many of these loans are held by wealthy Tunisian business people who use their close ties to the regime to avoid repayment (Ref E). Lax oversight makes the banking sector an excellent target of opportunity, with multiple stories of „First Family“ schemes. The recent reshuffle at Banque de Tunisie (Ref B), with the Foreign Minister’s wife assuming the presidency and Belhassen Trabelsi named to the board, is the latest example. According to a representative from Credit Agricole, Marouane Mabrouk, another of Ben Ali’s sons-in-law, purchased a 17 percent share of the former Banque du Sud (now Attijari Bank) shares immediately prior to the bank’s privatization. This 17 percent share was critical to acquiring controlling interest in the bank since the privatization represented only a 35 percent share in the bank. The Credit Agricole rep stated that Mabrouk shopped his shares to foreign banks with a significant premium, with the tender winner, Spanish-Moroccan Santander-Attijariwafa ultimately paying an off the books premium to Mabrouk. XXXXXXXXXXXX recounted that when he was still at his bank he used to receive phone calls from panicked clients who stated that Belhassen Trabelsi had asked them for money. He did not indicate whether he advised them to pay.

8. (S) While the stories of high-level, Family corruption are among the most flagrant and oft-repeated, Tunisians report encountering low-level corruption more frequently in their daily lives. Speeding tickets can be ignored, passports can be expedited, and customs can be bypassed — all for the right price. Donations to the GOT’s 26-26 Fund for development or to the Bessma Society for the Handicapped — Leila Ben Ali’s favored charity — are also believed to grease the wheels. Hayet Louani (protect), a well-connected member of Parliament, faced increased pressure from the GOT after refusing several „requests“ to donate money to Trabelsi’s soccer team. XXXXXXXXXXXX reported that customs inspectors demanded 10,000 dinars to get his goods through customs; he did not reveal whether or not he acquiesced to the demand.

9. (S) Nepotism is also believed to play a significant role in awarding scholarships and offering jobs. Knowing the right people at the Ministry of Higher Education can determine admission to the best schools or can mean a scholarship for study abroad. An Embassy FSN stated that the Director of International Cooperation, a long-time contact, offered to give his son a scholarship to Morocco on the basis of their acquaintance. If you do not know someone, money can also do the trick. There are many stories of Tunisians paying clerks at the Ministry of Higher Education to get their children into better schools than were merited by their test scores. Government jobs — a prize in Tunisia — are also believed to be doled out on the basis of connections. Leila Ben Ali’s late mother, Hajja Nana, is also reported to have acted as a broker for both school admissions and government job placement, providing her facilitation services for a commission. Among the complaints from the protestors in the mining area of Gafsa were allegations that jobs in the Gafsa Phosphate Company were given on the basis of connections and bribery. (…)

The GOT’s strong censorship of the press ensures that stories of familial corruption are not published. The Family’s corruption remains a red line that the press cross at their own peril. Although the February imprisonment of comedian Hedi Oula Baballah was ostensibly drug-related, human rights groups speculate his arrest was punishment for a 30 minute stand-up routine spoofing the President and his in-laws (Tunis D). International NGOs have made the case that the harsh prison conditions faced by journalist Slim Boukdhir, who was arrested for failing to present his ID card and insulting a police officer, are directly related to his articles criticizing government corruption. (…)

Corruption is a problem that is at once both political and economic. The lack of transparency and accountability that characterize Tunisia’s political system similarly plague the economy, damaging the investment climate and fueling a culture of corruption. For all the talk of a Tunisian economic miracle and all the positive statistics, the fact that Tunisia’s own investors are steering clear speaks volumes. Corruption is the elephant in the room; it is the problem everyone knows about, but no one can publicly acknowledge. End Comment.”

Tristam, Pierre: „Wikileaks Cable: Tunisian Corruption and President Zine el-Abidine Ben Ali -A President and His Family Bask in Luxury as a Country Suffers“

So ging sie hin, die Ben Ali-Diktatur, was den tunesischen Schriftsteller Mustapha Tlili zu einem fast nostalgischen Rückblick mit berechtigter genugtuung ermunterte, mit einem Blick in eine lange aufgehobene Ausgabe der New York Times:

„…ein vergilbtes, zerknittertes Exemplar vom 7. November 1987. Der Artikel unter der Überschrift „A Coup is reported in Tunisia“, zu Deutsch: „Putsch in Tunesien gemeldet“, berichtet über den Sturz von Habib Bourguiba, dem alternden Gründer des modernen Tunesiens und einem seiner Unabhängigkeitshelden. Er wurde mitten in der Nacht in einem unblutigen Putsch abgesetzt, den sein Ministerpräsident Zine El Abidine Ben Ali organisiert hatte.“

++++++++Weltsozialforum 2013 in Tunesien++++++++