Madrid: Kampf gegen Finanzkriminelle

Galindo Gaznate 13.06.2013 SpanischeFlagge

Wie USA und EU, wollen auch die Spanier die Steuermoral verbessern. Die Rechtsregierung Rajoy in Madrid verfolgt dabei lieber die kleinen Steuersünder als sich mit den großen Schmiergeldgebern anzulegen. Aber Spanien stellt sich auch dem Merkel-Sparterror entgegen und fordert mehr finanzpolitische Verantwortung von Brüssel. Der ESM soll unbegrenzte Bailout-Kapazitäten zur Rettung von Euro-Ländern vor dem Staatsbankrott erhalten.

Kleinen Steuerzahlern wird akribisch hinterher spioniert, während große Unternehmen und Spitzenverdiener über zahlreiche „Schlupflöcher“ verfügen, halblegale, d.h. von korrupter Politik legalisierte, kriminelle Methoden also. Das halblegale bis kriminelle „Vermeiden“ von Steuerzahlungen wird von Rechtspopulisten immer noch als Kavaliersdelikt hingestellt. Durch Steuerflucht entsteht Spanien ein Schaden von ca. 50 Milliarden Euro jährlich, so die Welt.

Spanien für humanere EU-Finanzpolitik

Auf der großen Bühne der EU-Finanzpolitik gibt sich Spaniens Rechtsregierung dem Sparkurs von Merkel immer abgeneigter. Aus Schaden klug will Madrid sich derneoliberal-rechtspopulistischen Regierung in Berlin entgegenstellen. Deren mit ideologischer Verbissenheit durchgeboxte „Austeritätspolitik“ dient nur egoistischen Interessen der raubkapitalistischen deutschen Exportindustrie, die halb Europa ins Elend getrieben hat. Berlin tut dabei alles, um Merkels Wiederwahl zu stützen indem in Deutschland noch bis Oktober eitel Sonnenschein vorgespielt wird. Der spanische Außenminister Manuel Garcia-Margallo hat den Vorschlag gemacht, der Euro-Rettungsmechanismus ESM solle eine unbegrenzte Feuerkraft bekommen, sehr zum Ärger der FAZ.

Der Euro-Schutzschirm mache kaum Sinn, wenn er über eine begrenzte Feuerkraft verfüge und immer nur nach einem einstimmigen Votum zum Einsatz kommen dürfe, sagte Garcia-Margallo auf einer Pressekonferenz mit seinem französischen Kollegen Laurent Fabius. „Ein Schutzschild muss per Definition über eine unbegrenzte Feuerkraft verfügen und rasch handeln können, was derzeit nicht der Fall ist.“ Deshalb wolle Garcia-Margallo dafür werben, die Einschränkungen des ESM aufzuheben, wenn sich Europas Außenminister Mitte Juli auf Mallorca treffen. Der ESM kann bisher nur Kredite bis zu insgesamt 500 Milliarden Euro vergeben -angesichts der EU-Wirtschaftsleistung zu wenig: Allein die fünf größten Volkswirtschaften haben ein BIP von insgesamt über 10.000 Milliarden (D, F, UK, I, SP). Italien musste heute bereits wieder höhere Zinsen auf neue Staatsanleihen akzeptieren, womöglich bekamen die Finanzfirmen Rückenwind aus Deutschland wegen der Klage gegen Brüssels Finanzpolitik. Derweil kämpft jedes Land daheim um die Steuermoral seiner Bewohner, um die Milliarden, die an Großbanken via Zinslast für Staatsanleihen gehen, beim Bürger wieder einzutreiben.

Spaniens Steuerkriminalität

In Spanien gibt es bezeichnenderweise keine offiziellen Zahlen über Steuerhinterziehung. Nach einem Bericht aus dem Jahr 2012, den der Brite Richard Murphy vom Tax Justice Network in seinem Finanz-Blog „Tax-Research“ vorlegte, macht die Schattenwirtschaft 22,5 Prozent des spanischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus, angeblich doppelt so viel wie in Großbritannien. Murphys Berechnungen zufolge entgehen dem spanischen Fiskus etwa 72 Milliarden Euro im Jahr. Nur so ist das Überleben vieler Spanier erklärbar, obwohl die Arbeitslosigkeit bei 26 Prozent liegt und der Sozialstaat im Sparwahn Rajoys heruntergewirtschaftet wurde.

Spaniens Steuerbehörden hatten einige Erfolge vorzuweisen: In Madrid, Katalonien und Andalusien trieben sie seit der Finanzkrise zusätzliche 25,6 Milliarden Euro ein. Ganz besonders nehmen die Fahnder dabei die kleinen Lohnsteuerpflichtigen, Familienbetriebe und Besitzer von Ferienhäusern ins Visier, die angeblich ca. ein Viertel ihrer Einkünften am Fiskus vorbei schleusen -weit weniger als die Reichen und Superreichen.

Bei der Jagd auf die Kleinen greift der Fiskus zu immer perfideren Tricks, da bei jedem einzelnen wenn überhaupt, nur wenig zu holen ist. Finanzbeamte spionieren Internetportale aus, auf denen möglicherweise nicht gemeldete Ferienwohnungen angepriesen werden. Von Elektrizitätswerken besorgen sie sich die Stromrechnungen, um festzustellen, ob in Werkstätten heimlich gearbeitet wird oder vorgeblich leer stehende Wohnungen vermietet sind. Stromverbrauch verrät auch, ob sich Klimaflüchtlinge etwa aus Deutschland nicht doch mehr als sechs Monate im Jahr in Spanien aufhalten und damit  steuerpflichtig sind.

Während Zehntausende spanische Familien von Bankstern auf die Straße gesetzt wurden, mit Zwangsräumungen in den Tod getrieben wurden, lassen es sich gutsaturierte Rentner aus den Nordländern dort wohlgehen und denken nicht daran, Steuern zu zahlen. Die Journaille in den Herkunftsländern der Klimaflüchtlinge, ganz besonders in Deutschland, hetzt dabei noch unentwegt gegen faule Südeuropäer. Leider findet man solche Hetze auch im Web bei ganz vernünftigen Blogs wie den iknews, die aber auch nicht erklären können, welchen Sinn es macht, den Großbanken Abermilliarden an überzogenen Zinsen auf Staatsanleihen zu zahlen. Das den Staaten geliehene Geld holen sich die Bankster bei der EZB zum Nulltarif, die Zinsen kassieren sie, weil der EZB Fesseln angelegt werden: Weil sie Staaten nicht unbegrenzt helfen darf, fallen Ratingagentur-Gangster über sie her und geben sie zum Abschuss frei.

Das Problem sind aber nicht „die Schulden“, sondern dass korrupte Politiker das geliehene Geld Jahrzehnte in die Taschen der Konzerne und Reichen schoben, statt sinnvoll zu investieren. Dies aufzudecken und zu korrigieren wird aber heute gerade mit dem Krisen- und Schulden-Geschrei unmöglich gemacht, dass den Leuten technokratische Sparorgien verkaufen will. Kaputtsparen hat aber noch nie jemanden aus der Schuldenfalle gebracht, es dient nur der Machtsteigerung der Zinswucherer durch Abschreckung -wie der Totschläger, den ein Mafiaboss losschickt. Die Bankster schicken den Zwangsvollstrecker, wenn Hypothekenschuldner dank der Bankster-gemachten Krise nicht mehr zahlen können.

Den Zwangsräumern hat Madrid inzwischen unter dem Druck der Proteste einen Riegel vorgeschoben. Aber auch großen Fischen unter den Bankstern muss es an den Kragen gehen: Gegen fast 100 (Ex-) Bank-Chefs  laufen inzwischen in Spanien polizeiliche Ermittlungen. Der spanische Banker Miguel Blesa, Präsident der Caja Madrid, der diese Woche in Untersuchungshaft genommen wurde, ist einer der wichtigsten Verdächtigen in der spanischen Bankster-Szene. Bankster Blesa soll Hunderte Millionen Euro bei der Bankia-Pleite zu verantworten haben.