Wie die USA Kritiker terrorisieren

Gilbert Perryaac53-yes-we-scan-round-200

The Intercept enthüllt aktuell ein dunkles Kapitel der US-Politik unter Obama. Der Umgang mit Whistleblowern und Journalisten, die seine Regierung kritisieren, ist härter denn je. Fast scheint es, als wolle Washington nicht nur nach Außen (Ukraine) zurück zum Kalten Krieg, sondern auch nach Innen zurück in die Kommunistenhatz des McCarthy-Regimes. Nur das zusätzlich zu den immer noch gejagten Kommunisten nun jeder zum Staatsfeind erklärt wird, der Transparenz und Demokratie einfordert.

Im Juni 2009 brachten die reaktionär-nationalistischen FoxNews einen langweiligen Bericht zu Nordkoreas Atomwaffentests: “North Korea Intends to Match U.N. Resolution With New Nuclear Test”. Kein Aufreger, kein Skandal, aber dennoch wurde nur wegen der unwichtigen Informationen, die der Story zugrunde lagen ein Leben eines koreanisch-stämmigen US-Bürgers zerstört. Stephen Kim, ein Experte des US-State Department für sogenannte „Schurkenstaaten“ (rogue nations) und Massenvernichtungswaffen hatte dem Fox-Mann James Rosen ein paar unwichtige Details gesteckt. In vorherigen Jahren ein nichtiger Vorgang, tausendfach praktiziert in den USA.
Unrechts-Gesetz Espionage Act
Doch wenn Big Brother es will, gilt von heute auf morgen ein neues Gesetz -das in diesem Fall ein altes ist: der sogenannte Espionage Act“ von 1917. Erlassen gegen deutsche Spione im Ersten Weltkrieg, wieder aufgewärmt als Unrechts-Strafgesetz in der Post-Wikileaks-Ära. Die Pressefreiheit der USA steht damit zur Disposition. Der deutsche Jurist und Richter Kai Ambos merkte dazu an:
“Der Vorwurf der Spionage ist sehr problematisch. Die Tatbestände, die die USA hier aufführen,

Snowden

NSA-Whistleblower Edward Snowden

beruhen auf einem Gesetz von 1917, das vor allem im Zweiten Weltkrieg eine Rolle spielte. Dabei ging es um klassische Spionage, wenn also jemand Staatsgeheimnisse an eine fremde, feindliche Macht liefert. Unter Obama hat dieses Gesetz leider wieder mehr Bedeutung erlangt. Es ist schon ein wenig paradox, dass die US-Regierung jemanden wegen Spionage verfolgt, der das Ausspionieren ihrer Bürger aufgedeckt hat. Es ist sehr fraglich, ob das Verhalten Snowdens überhaupt unter Spionage fällt, denn er hat ja keiner fremden Macht Informationen geliefert und dafür ja auch keine finanziellen Vorteile erhalten. Er hat die Öffentlichkeit (…) über einen Missstand informiert. Für mich ist er daher eher ein klassischer Whistleblower als ein Landesverräter.”

Wie Obama Experten und Journalisten Maulkörbe umhängt
Doch die US-Justiz sieht dies anders und macht den Hexenjägern der antikommunistischen McCarthy-Ära Konkurrenz: Selbst läppische Leaks werden zur großen Staatsaffäre aufgeblasen, um Exempel zu statuieren und alle Staatsdiener auf verbissenes Schweigen gegenüber der Öffentlichkeit einzuschwören. Der Fall Stephen Kim ist ein gutes Beispiel, wie Menschen aus purer Machtgier der Herrschaftseliten in ihrer Existenz vernichtet werden.
Die auf Kims Informationen basierende RosenStory über Korea war kein großer, nicht mal ein kleiner Scoop. Rosen bestätigte lediglich die konventionelle WeisheitTunisiaL_Journ des Tages. Laut Gerichtsakten, beschrieb das USAußenministerium den Artikel als „nichts Außergewöhnliches.“ Aber der Artikel löste auf andere Weise ein Erdbeben aus, weil die ObamaAdministration strafrechtlich gegen Whistleblower und Leaks vorgehen wollte: Eine Folge der Wikileaks und später der NSA-Snowden-Enthüllungen (schon die Hetzjagd auf Assange und später Snowden war rechtlich fragwürdig).
Das FBI hatte bald eine Untersuchung gegen Kim eingeleitet. Weil Rosens Telefone leicht zu verfolgen waren und er und Kim zweimal  das Gebäude zur gleichen Zeit verließen, war es einfach für das FBI. Es dauerte nicht lange und Kim, der seit dem Jahr 2000 als Beamter gearbeitet hatte, saß im Gefängnis. Weil der 1967 in Seoul geborene Wahl-US-Amerikaner angeblich sein Land verraten hatte, wurde er mit jahrzehntelanger Haftstrafe und damit der kompletten Zerstörung seiner Existenz bedroht.
Fünf Jahre später, am 2. April 2014, saß Kim in einem halb leeren Gerichtssaal in Washington, D.C., und bekannte sich in einer Anzahl von Verletzung des Espionage Act für schuldig. Er war das jüngste Opfer in einer noch nie da gewesenen Kampagne gegen undichte Stellen im US-Staatsapparat.
Die ObamaAdministration hat bisher mehr als doppelt so viele LeakFälle unter der Espionage Act verfolgt als alle bisherigen US-Regierungen zusammen.  Ist dieser überschießende Hass gegen jede Transparenz der Regierung der USA wirklich noch mit den Menschenrechten und der Pressefreiheit vereinbar, auf deren Durchsetzung die globalen Militäranstrengungen Washingtons angeblich abzielen? Die Darstellung der Tragödie des Korea-Experten Kim: „Destroyed by the Espionage Act“ auf The Intercept sagt etwas anderes. Angriffe mit Polizeiknüppeln auf Journalisten wie aktuell  in Tunesien wirken dagegen fast harmlos.
Der Autor von Glenn Greenwalds Portal The Intercept, Peter Maass, der dort diese Story präsentierte, kennt sich aus in der US-Medienwelt: Er schrieb für The New York Times Magazine, The New Yorker und die The Washington Post.

USA: Asyl-Sabotage verletzt Snowdens Menschenrechte

Gerd R. Rueger 09.07.2013 Snowden

Amnesty International: Machenschaften der US-Behörden,  Edward Snowden die Suche nach Asyl zu sabotieren, sind eine grobe Verletzung seiner Menschenrechte. Snowden soll jetzt in Venezuela Asyl suchen, Caracas signalisiert Offenheit. Merkel sahnt derweil Aufmerksamkeit für den PRISM-Leak ab, geriert sich als große Datenschützerin. Ihre Asyl-Verweigerung für Snowden beweist jedoch die große Heuchelei in Berlin, bei der auch die FDP sich nicht mit Ruhm für Freiheitsrechte bekleckert.

„Wir kritisieren, dass die USA Druck auf andere Regierungen ausüben, um Snowden daran zu hindern, Asyl zu finden,“ sagte Michael Bochenek, Leiter der Abteilung Recht und Politik im internationalen Sekretariat von Amnesty International. „Es ist sein unanfechtbarer menschenrechtlicher Anspruch, Asyl zu beantragen. Er darf nicht daran gehindert werden.“ Wieder einmal erweist sich die Doppelmoral westlicher Machthaber und auch unserer Mainstream-Medien, die dies nicht wirklich hinterfragen. Merkel gibt derzeit die große Datenschützerin gegenüber Obama, setzt sich aber nicht wirklich für den Mann ein, der PRISM überhaupt erst ans Licht brachte: Pure Heuchelei?

Merkel/Westerwelle als Menschenrechtsverletzer?

Amnesty International befürchtet, Whistleblower Edward Snowden wäre in US-Haft unmenschlicher Behandlung ausgesetzt, sollte er ausgeliefert werden. Das Beispiel Bradley Manning ist dabei eine grausame Warnung. Von Washington offensichtlich zur Abschreckung für weitere Whistleblower gedacht, könnte die monatelange Folterhaft für den Wikileaks-Informanten Manning jetzt zum Trumpf für Snowdens Asylsuche werden.
„Kein Staat darf eine Person an ein Land ausliefern, in dem sie einem erheblichen Risiko ausgesetzt ist, unmenschlich behandelt zu werden,“ so Bochenek. „Wir haben Kenntnis von anderen Fällen, in denen Personen für ähnliche Taten unter Bedingungen festgehalten wurden, die nicht nur von Amnesty International sondern auch von UN-MitarbeiterInnen als grausam, unmenschlich und entwürdigend sowie als Verletzungen des internationalen Rechts angesehen wurden.“

Auch die schwarzgelbe Bundesregierung Merkel/Westerwelle muss sich fragen lassen, ob ihre pauschale Verweigerung von Asyl nicht eine Verletzung der Menschenrechte Snowdens darstellt. Der platte Verweis diverser Bundesminister auf die Gepflogenheit, erst Asylanträge zu bearbeiten, wenn der Asylsuchende deutschen Boden betreten hat, ist läppisch. Dazu gibt es keine juristische Verpflichtung, mithin liegt es im Ermessen Berlins, meint Amnesty: Die Notwendigkeit, sich im Asyl-Land zu befinden sei eine Konvention, die ignoriert werden kann, wenn ein Land dies für angemessen hält: „Es ist wahr, dass viele Staaten dies als Regel in ihren eigenen nationalen Vorschriften haben, aber es ist nicht vom internationalen Recht vorgeschrieben,“ erklärte der AI-Menschenrechtsexperte Bochenek. Gerade die FDP, die sich gern als Vorkämpferin für Freiheitrechte darstellt, enttarnt sich hier mit Heuchelei im Fall Snowden. Sie könnte sein Asyl in der schwarzgelben Koalition durchsetzen, wie sie auch die fetten Steuergeschenke an ihre Parteispender-Klientel Möwenpick & Co durchdrückte. Von Snowden zu verlangen, auf gut Glück nach Deutschland einzureisen, ist angesichts der US-Macht unzumutbar. Trotzdem mühen sich CDU und FDP aus ihrer unglaubhaften Empörung über die PRISM-Ausspionierung durch die USA beim Wähler Honig zu saugen.

USA: Vorverurteilung von Snowden

Amnesty meint, ranghohe US-Beamte hätten Edward Snowden bereits aac53-yes-we-scan-round-200vorverurteilt, ihn als schuldig bezeichnet sowie als Verräter deklariert. Sie wecken damit Zweifel daran, dass Snowden im Falle einer Verhaftung ein faires Gerichtsverfahren zuteil würde. Die Entscheidung der US-Behörden, Snowden unter Bezugnahme auf den „Espionage Act“ (Spionagegesetz) anzuklagen, nimmt ihm zudem die Möglichkeit, sich im Prozess damit zu verteidigen, dass er im öffentlichen Interesse gehandelt hat. Auch aus diesem Grund darf Snwoden nicht an die USA ausgeliefert werden, so AI.

„Es scheint, dass die US-Behörden Edward Snowden vor allem dafür belangen, dass er Menschenrechtsverletzungen offenlegt“, so Bochenek. „Niemand darf dafür angeklagt werden, dass er Menschenrechtsverletzungen veröffentlicht. Enthüllungen dieser Art sind durch die Rechte auf Information und freie Meinungsäußerung geschützt.“ Neben der Anklageerhebung haben die US-Behörden auch Edward Snowdens Reisepass für ungültig erklärt. Dies verletzt aus Sicht von Amnesty International sein Recht auf Freizügigkeit und das Recht, in einem anderen Land Asyl zu beantragen.

„Snowden ist ein Whistleblower. Er hat Informationen veröffentlicht, die in größtem Interesse der Öffentlichkeit in den USA und weltweit sind. Und anstatt auf die enthüllten Vorgänge einzugehen, setzt die US-Regierung einzig alles daran, Edward Snowden zu ergreifen. „Eine erzwungene Auslieferung an die USA würde Snowden einem großen Risiko aussetzen, Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu werden, und muss daher unterbleiben“, folgert Michael Bochenek abschließend.

Aktionen wie die Drangsalierung des bolivianischen Präsidenten Evo Morales aufgrund der Befürchtung, Snowden sei an Bord, oder den Versuch von US-Vizepräsident Joe Biden, Ecuador telefonisch zur Ablehnung von Snowdens Asyl-Gesuch zu bewegen, haben aus Sicht von AI ebenfalls juristisch eine erhebliche Bedeutung: „Sich in das Recht, Asyl zu suchen, einzumischen, ist nach internationalem Recht ein ernstes Problem. Es ist ein weiterer Beweis, dass er (also Snowden) begründete Angst vor Verfolgung empfindet. Dies wird für jeden Staat beim Prüfen eines Antrags relevant sein. Internationales Recht sagt, dass jemand, der Verfolgung fürchtet, nicht in dieses Land zurückgeschickt werden soll.“

Die Auslieferungsabkommen vieler Länder beinhalten Klauseln, Personen nicht aufgrund politisch motivierter Anträge auszuliefern. Sollte ein Auslieferungsantrag der USA als politisch motiviert eingestuft werden, würden diese Länder Snowden nicht ausliefern dürfen.

USA: Undiplomatisches Säbelrasseln

AI-Experte Bochenek meinte außerdem, die USA seien sehr undiplomatisch vorgegangen: Durch ihr grobes Säbelrasseln hätten sie die öffentliche Meinung besonders in Lateinamerika zugunsten Snowdens beeinflusst. Bochenek widersprach auch der Behauptung,  die Platzierung von Snowden auf Interpols „Red Flag“-Liste bedeute, dass ein Land ihn den USA aushändigen müsse. Diese Prozedur werde lediglich angeraten und könne nach eigenem Ermessen ignoriert werden.

Drohungen und Missbrauch ökonomischer Macht bestimmen die Politik der USA: Politisch könnte ein Asyl für Snowden daher für das betreffende Land erhebliche Folgen haben. Die Ölnation Venezuela wäre aus diesem Grund eine plausiblere Wahl für Snowden als die wirtschaftlich schwächeren Länder Bolivien oder Ecuador, weshalb ich hier bei Jasminrevolution schon von Anfang an auf Caracas als Zielort tippte.

USA: Verfolgung von Snowden rechtswidrig?

Gerd R. Rueger 27.06.2013 Banner in Hong Kong, der Edward Snowden zeigt

Bradley Manning, Julian Assange und jetzt Edward Snowden werden von den USA verfolgt. Grund ist eine fadenscheinige Beschuldigung der „Spionage“. Doch was die drei Kämpfer für Transparenz und Menschenrechte taten, entspricht dem Verhalten von Whistleblowern, nicht Spionen. Unsere Medien übernehmen mehrheitlich unkritisch die krude Deutung der USA, doch Prof. Kai Ambos, ein Experte für internationales Strafrecht, widersprach ihnen im Interview mit der Tagesschau. Diese Information wird seitdem totgeschwiegen.

Jede kritisierte, kriminelle oder zwielichtige Institution, sei es die Mafia, die Scientology-Church oder die US-Regierung, hat etwas gegen Whistleblower, die ihre Machenschaften ans Licht bringen. Sie werden zu „Verrätern“ erklärt und in ein möglichst ungünstiges Licht gerückt, ihre Glaubwürdigkeit wird untergraben und sie werden bekämpft. Je größer die Verwerflichkeit der ans Licht gebrachten Untaten der Institution, um so härter wird die Verfolgung der Whistleblower betrieben. Die US-Regierung betreibt neben der Auslieferung von Julian Assange jetzt auch die von Edward Snowden, wofür sie eine Begründung brauchen. Die USA haben Bradley Manning, Julian Assange und Edward Snowden „Spionage“ vorgeworfen, doch die Publikation von Untaten der US-Regierung hat nichts mit Spionage zu tun. Auch Juristen sehen das so:

Kai Ambos, Richter am Landgerich und Professor für internationales Strafrecht (Göttingen):

„Der Vorwurf der Spionage ist sehr problematisch. Die Tatbestände, die die USA hier aufführen, beruhen auf einem Gesetz von 1917, das vor allem im Zweiten Weltkrieg eine Rolle spielte. Dabei ging es um klassische Spionage, wenn also jemand Staatsgeheimnisse an eine fremde, feindliche Macht liefert. Unter Obama hat dieses Gesetz leider wieder mehr Bedeutung erlangt. Es ist schon ein wenig paradox, dass die US-Regierung jemanden wegen Spionage verfolgt, der das Ausspionieren ihrer Bürger aufgedeckt hat. Es ist sehr fraglich, ob das Verhalten Snowdens überhaupt unter Spionage fällt, denn er hat ja keiner fremden Macht Informationen geliefert und dafür ja auch keine finanziellen Vorteile erhalten. Er hat die Öffentlichkeit (…) über einen Missstand informiert. Für mich ist er daher eher ein klassischer Whistleblower als ein Landesverräter.“

Kai Ambos ist Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsvergleichung und internationales Strafrecht an der Georg August Universität Göttingen, außerdem kennt er die Rechtspraxis durch Tätigkeit  als Richter am Landgericht Göttingen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem im Bereich der internationalen Strafjustiz und der Justizreform mit Schwerpunkt Lateinamerika und Osteuropa. In einem Radio-Interview mit dem DLF erläuterte Ambos die rechtliche Situation Snowdens:

„… ich habe mir also noch mal die Straftatbestände angeguckt, um die es da geht. Wenn man sich jetzt mal auf die amerikanische Argumentation einlässt – das sind ja drei Straftatbestände. Der eine ist Diebstahl von Regierungseigentum. Der ist jetzt was Kleineres, das kann man mal weglassen. Und die anderen beiden sind aus einem Gesetz aus 1917, der sogenannte „Espionage Act“, also der Spionageakt, den man besonders eingesetzt hat gegen die Spionage im Rahmen des Zweiten Weltkriegs. (…) Die Straftatbestände, die die USA da anführen, sagen da noch, es muss ein Schaden zum Nachteil, „to the Injury of the United States“ muss geschehen, man muss „National Defense“-Informationen, also nationale Verteidigung berühren, man muss die Sicherheit und das Interesse der Vereinigten Staaten gefährden mit dieser Handlung. Also er hat natürlich Informationen weitergegeben, die sicherlich auch klassifiziert sind, die Geheimnis – sozusagen geheime Informationen, das ist klar. Insofern sind diese Tatbestände erfüllt. Aber hat er tatsächlich einen Schaden den USA zugefügt? Das ist natürlich sehr unbestimmt, sehr schwer auszulegen. Da tritt zum Beispiel ein Kollege von Ihnen im Guardian, nämlich der Herr, der den zuerst interviewt hat, die Auffassung, er hat gar nicht zum Schaden der USA gehandelt, er hat zum Nutzen der USA gehandelt, denn er hat die Bürger darüber informiert, dass sie ausspioniert wurden. Und die Ironie der Geschichte ist, dass er jetzt verfolgt wird wegen Spionage, ja? Eigentlich ein Witz und ein Treppenwitz.“

Die Frage lautet also letztlich: Nützt es einem Land oder schadet es einem Land, wenn Verbrechen seiner Regierung und anderer Behörden (hier die NSA) aufgedeckt werden? Die Antwort kann aus Sicht der belasteten Behörden nur lauten: Er schadet uns. Ein Schaden für das Land kann nur behauptet werden, soweit die Behörden sich selbst und ihre Interessen mit dem Land als Ganzes und dessen Interessen gleichsetzen. Für die Bürger des Landes und seine restlichen Institutionen sieht dies ganz anders aus: Ihnen nützt der Whistleblower. Auch den Behörden selbst, soweit sie in die Verbrechen nicht verwickelt sind, würde eine Klärung und eine Aburteilung der Straftäter im Endeffekt nützen. Es ist also der Argumentation von Kai Ambos zufolge die Beschuldigung der Spionage gegenstandslos, die Verfolgung der Whistleblower ist demnach eine Verfolgung politischer Dissidenten, wie sie angeblich nur bei totalitären Staaten vorkommt. Unsere Medien reiten derzeit im Zusammenhang mit der sehr totalitär wirkenden Verfolgung der Whistleblower verstärkt auf mangelnder Beachtung der Menschenrechte durch China, Russland und sogar Ecuador herum, ohne die Beachtung derselben Menschenrechte durch die USA infrage zu stellen. Viele Medienkonsumenten sehen diese journalistische Beteiligung an der Hetzjagd auf unbequeme Dissidenten und Oppositionelle zunehmend kritisch -was eine gute Sache ist. Die altehrwürdige SZ, ehemals linksliberales Vorzeigeblatt, schreibt dazu etwa:

„“Ich werde keine Jets starten, um einen 29 Jahre alten Hacker zu fassen“, sagte US-Präsident Barack Obama zum Auftakt seiner Afrika-Reise in Senegals Hauptstadt Dakar. Außerdem habe er bislang keinen Kontakt zu seinen russischen und chinesischen Kollegen Wladimir Putin und Xi Jinping aufgenommen, weil die Fahndung nach Snowden eine rein rechtliche Angelegenheit sei. Er hoffe auf die Durchsetzung internationalen Rechts. Die USA warnten alle Staaten, die dem Informanten helfen, vor Konsequenzen. „Unsere Regierung wird Länder für schlechtes Verhalten nicht belohnen“, sagte der US-Politiker Menendez. „Handelsvorteile sind ein Privileg, das Staaten gewährt wird, kein Recht.“ Snowden, der am Freitag 30 Jahre geworden ist, wird von den USA wegen Spionagevorwürfen gesucht…“

Die SZ zeigt hier keine Spur von journalistischer Distanz zu Obama und den USA -aber wehe, wehe, jemand ergreift die Partei der Dissidenten: Dann ist das Jaulen der „Qualitätsjournalisten“ groß, das Pochen auf unabhängige Berichterstattung, Objektivität, der alte Spruch „sich mit keiner Sache gemein zu machen“ als Ethos wird wiedergekäut. Tatsache ist leider: Es gibt keine totale Objektivität. Jeder hat eine eigene Meinung und kann sie nicht wirklich aus seinem eigenen Kopf heraus halten. Die meisten hängen ihr Mäntelchen in den Wind der Mächtigen ihres Landes oder der Weltmacht Nr.1, der USA. Gefährlich wird dies auch durch ihren Irrglauben, damit objektiv zu sein: Eine selbstbetriebene Gehirnwäsche ist die effektivste Gehirnwäsche. Schlimm ist, dass es beim Thema PRISM um die informationelle Freiheit der ganzen Welt geht -auch um die der SZ-Journalisten. Können sie nicht begreifen, dass sie sich hier sehr wohl mit einer „Sache gemein machen“? Mit der Sache, sich selbst zu entmündigen und ihre Freiheitsrechte aufzugeben. Für diese Rechte zu kämpfen wäre ihre erste Pflicht, hätten sie tatsächlich ein Ethos, das diese Bezeichnung verdient. Leider sind sie nur ein Beispiel von vielen und viele ihrer Kollegen sind noch viel weiter von einem verantwortlichen Journalismus entfernt -die billige Kritik an Ecuadors Problemen mit der reaktionären Presseübermacht des Landes ist dabei eine der unwürdigsten Wendungen. Die Damen und Herren Medienleute wissen ganz genau, dass es in Lateinamerika immer die reaktionäre Presse war, die nach einer Alösung von Militärdiktaturen und Oligarchen-Despoten an einem Sturz der Linksregierung arbeitet -oft mit Hilfe der CIA. Wenn jetzt immer wieder süffisant eingestreut wird, Ecuador bzw. Correa würde in seinem eigenen Land die Pressefreiheit selbst nicht achten, für die er mit dem Asyl für Snowden eintritt, ist das pure Heuchelei.

siehe auch

Bald Whistleblower-Flut in Washington?