Es war Florian Rötzer, pensionierter Chef und Gründer von Telepolis, der persönlich auf eine PR-Operation der deutschen Mainstream-Medien hereinfiel: Er referierte über zwei Seiten brav, was die Edelmänner von EdelmanErgo in ihrem „Trustbarometer“ ventilieren. Dort wird über Fakenews und was die Deutschen zu Medien denken fabuliert. Leider vergaß Telepolis zu erwähnen, dass Edelman die weltgrößte PR-Agentur für Konzerne ist, d.h. selbst Edel-Fakenews-Verbreiter Nr.1 der Medienwelt. Da wurde der Bock nicht nur zum Gärtner gemacht -die Ziegenkacke wurde noch als Delikatesse feilgehalten.
Schon ein Klick zu Lobbypedia (wenn man bloß kapiert hätte, dass solche PR-Agenturen zur Lobby-Industrie gehören) hätte schlauer gemacht: EdelmanErgo wurde 2006 erwischt als es für Walmart (den größten Billiglohn-Ausbeuter der westlichen Handelswelt) einen fingierten Pro-Wal-Mart-Blog erstellte: Der Walmart-Edelman-Astroturf-Skandal (Bloomberg). Es ist schon ironisch, wenn ein medienkritisches Blog wie Telepolis ausgerechnet beim Thema Medienkritik und -qualität auf so eine PR-Kampagne reinfällt und beim Thema Recherchequalität von Medien selbst verpennt, die Hintergründe zu recherchieren.
Last week, Wal-Mart took a hit when bloggers on the Internet attacked the behemoth’s effort to burnish its image via its own bloggers, who were receiving compensation from the retailer for their efforts. The episode may turn out to be an even bigger public relations disaster for Edelman, the retailer’s PR firm. It culminated on Oct. 16, with a mea culpa from CEO Richard Edelman on his blog. Bloomberg
Telepolis rapportierte ahnungslos die PR-Ergüsse eines der umtriebigsten und blamiertesten Fakenews-Akteurs der westlichen Welt zum Thema Fakenews -und da fragte man sich noch, was die BILD-Juso-Gate-Story toppen kann… Und was war die Fakenews-Fakenews des Tages? Nicht besonders Aufregendes, Edelman rhabarberte die derzeit im Mainstream gemaulte Kampagne „Oh weh, die Fakenews machen uns das Leservertrauen in die Medien kaputt“ mit einer „Studie“ im Bertelsmann-Stil weiter:
Nach dem im Januar veröffentlichten „Edelman Trust Barometer 2018“ sollen die Menschen verunsichert sein. Dazu würden Fake News erheblich beitragen, die es freilich schon immer gegeben hat, aber die seit 2016 zu einem Kampfbegriff im politischen und medialen Feld wurden, wo jede Seite der anderen Desinformation vorwirft. Bei Edelman spricht man gar von einer „ernsthaften Bedrohung“. 61 Prozent der Deutschen und weltweit sogar fast 70 Prozent hätten „Angst vor Fake News“. Und mehr als die Hälfte sagt, sie könnten Falschinformationen von Qualitätsjournalismus nicht unterscheiden. Telepolis
Tatsächlich findet sich im ganzen Telepolis-Text kein Hinweis, wer diese angebliche „Studie“ verzapft hat, noch wie diese angeblich durchgeführt worden sein soll. Statt dessen erfährt man, dass nach der Edelman-Umfrage die Menschen in 21 von 28 Ländern das Vertrauen in „Plattformen wie Suchmaschinen und Soziale Medien“ verloren, denen aber noch immer 51 Prozent trauen. Während „Journalismus, wie ihn traditionelle Medien wie Zeitungen und TV-Sender sowie seriöse Online-Medien betreiben, deutlich an Vertrauen“ gewonnen haben soll (was, wie Telepolis nicht begreift, kein Fakt ist, sondern eher auf die Auftraggeber eines Fake deutet: Irgendwelche Mainstream-Medien, wahrscheinlich Bertelsmann, die in dieser Sache so schlau gewesen sein könnten, den Propaganda-Quatsch nicht als „Bertelsmann-Studie“ zu ventilieren). Dem Medien-Mainstream, so referiert brav Telepolis, würden global 59 Prozent trauen, in Deutschland, „dem Land der Lügenpresse“, sogar 61 Prozent,wundert sich Telepolis-Chef Rötzer. Während den „Plattformen“ (zu denen wohl Telepolis gehören dürfte) nur 40 Prozent trauen, was Telepolis immerhin zu der kritischen Frage bewegt:
Allgemein muss man freilich sagen, dass solche Fragestellungen unsinnig sind, denn es gibt unter den traditionellen Medien auch wenig vertrauenswürdige oder sehr einseitig berichtende, während es auf den „Plattformen“ natürlich auch vertrauenswürdige Quellen und Informationen gibt. Telepolis
Vertrauenswürdiger als die Masse des Mainstreams und auch als viele „Plattformen“ ist Telepolis schon, aber nicht jeder einzelne Artikel muss deshalb vertrauenswürdig recherchiert sein. Und so schwadroniert Rötzer weiter: „Skepsis gegenüber Nachrichtenmedien ist immer angebracht und eine Tugend eines aufgeklärten Menschen.“ Stimmt! Aber angewandt auf seinen Artikel lautet das skeptische Urteil: Durchgefallen! Zu kritiklos nachgeplappert, was PR-Fuzzis der debilen Pressemeute in den Trog schütten (da geht es dann noch moralisierend weiter, die Jugend würde zu wenig Geld für Nachrichtenmedien ausgeben wollen usw.). Zu wenig Hintergrund recherchiert, wie diesen:
Edelman: „Working Families for Wal-Mart“
Edelman ist mit 5600 Mitarbeitern und 67 Büros in die weltweit größte eigenständige PR-Agentur. Im „World PR-Report“, der von Edelman mitfinanziert wird, führt das Unternehmen die Liste der TOP10-PR-Agenturen an – mit Einnahmen aus dem PR-Geschäft 2014 i.H.v. 812 Mio. US-Dollar. Der Umsatz der Organisation aus der Lobbyarbeit, die für die Klienten bei den EU-Organen getätigt wurde, betrug im Geschäftsjahr 07/2014-06/2015 zwischen 1,75 und 1,99 Mrd. Euro. Größte Kunden der Agentur waren dabei u.a. General Electric, Chevron, die ZTE Corporation, Danone, das European Justice Forum, BASF, die Business Software Alliance (BSA), der Global Crop Diversity Trust sowie Sage und H. Lundbeck. Lobbypedia
Doch diese Wirtschaftsnähe und Position als Werbetrommler für die Großen und Mächtigen dieser Welt ist nicht genug. Zum weltgrößten Werber wird man nicht durch faire Methoden. EdelmanErgo benutzt heimtückische Lügen bzw. Fakenews, wie die Mainstrem-Medien das bei anderen nennen, um sein Ziel zu erreichen: Die Öffentlichkeit mit „Astroturfing„, dreist als „Public Engagement“ lanciert, zu manipulieren.
Auf der Webseite von Edelman wird ein „dritter Weg“ der Kommunikation, neben „paid and earned media“ propagiert: Den Veränderungen auf dieser Welt sei am Besten mit „Public Engagement” zu begegnen. Dazu passt das Ergebnis von Edelmans Trust Barometer 2013: „A professor or person like yourself is now trusted nearly twice as much as a chief executive or government offcial.“ Die traditionelle Pyramide der Autorität, „with elites driving communications top down to mass audiences … is now joined by an inverted pyramid of community.“ Edelman engagiert sich besonders im Graswurzel-Lobbying. Dabei soll der Eindruck erweckt werden, eine Kampagne sei auch von der breiten Bevölkerung unterstütz. Lobbypedia
Ins Zentrum der Kritik rückte Edelman, so dokumentiert Lobbypedia, als der PR-Mega-Konzern dabei erwischt wurde, für den Kunden Wal-Mart einen Fake-blog erstellt zu haben: Walmart-Edelman-Skandal (Bloomberg). D.h. einen fingierten Pro-Wal-Mart-Blog erstellt hatte, der natürlich keine Angaben über die finanzielle Ausstattung durch Wal-Mart (bzw. Edelman) enthielt. Die von Edelman fingierte Fake-Organisation „Working Families for Wal-Mart“ (WFWM) bezahlte den beiden verantwortlichen Bloggern ihre Reise mit einem Wohnwagen von Wal-Mart-Parkplatz zu Wal-Mart-Parkplatz. Dort führten diese Interviews mit Kund_innen und Mitarbeiter_innen von Wal-Mart und veröffentlichten diese auf dem Blog. Obwohl die Kooperation von Blog und WFWM auf dem Blog durch einen Banner angezeigt wurde, war die im verborgenen operierende PR-Agentur nicht bekannt. Die Beteiligung wurde von BusinessWeek aufgedeckt und führte schnell zu Unmut in der Blogger-Szene. Mit einiger Verzögerung startete Edelman die Krisenkommunikation: CEO Richard Edelman persönlich äußerte sich zur Intransparenz und entschuldigte sich im Namen von Edelman, gleichzeitig nahm er den Kunden Wal-Mart aus der Schusslinie („100% our responsibility and our error“).
Edelman-Astroturfing: Fakenews für Fortgeschrittene
Unter Astroturfing versteht das „LobbyingABC“ von Lobbypedia das künstliche Nachahmen einer Bürgerbewegung, die hinter den Kulissen von Unternehmen oder Lobbyorganisationen gesteuert oder finanziert wird. Die Tarnung soll den Geldgebern dazu dienen, von der besonderen Glaubwürdigkeit von Bürgerinitiativen zu profitieren. Bei solchen künstlichen Bürgerinitiativen werden die Unterstützer meist unter falschen Voraussetzungen und ohne Wissen um die wahren Drahtzieher angeworben. Werden die Auftrag– oder Geldgeber offen benannt und mit tatsächlich Engagierten gearbeitet, bezeichnet man das strategische Einbinden von Bürgerinnen und Bürgern in die politische Interessenvertretung als Grassroots-Lobbying. Astroturfing hat seinen Ursprung in den 1970er Jahren in den USA und finden seit Ende der 1990er Jahre vermehrt in Europa Anwendung.
Astroturf ist ursprünglich der Name eines Kunstrasenherstellers. Im Englischen ist der Markenname zur allgemeinen Bezeichnung für Kunstrasen geworden. Im Englischen ist der Ausdruck für Bürgerbewegungen aus der gesellschaftlichen Basis grassroots movement. Ihr künstliches Nachahmen wird schlicht mit dem Wort für Kunstrasen bezeichnet – Astroturfing… Edelman gibt hier ein prominentes Beispiel:
Edelman The Centre und Grassroots Enterprise
Edelman The Centre ist eine der weltweit größten PR-Agenturen. Grassroots Enterprise ist eine offizielle Tochter, die die Organisation von Graswurzelbewegungen anbietet. Diese Dienste werden auch in der Filiale von Edelman The Centre in Brüssel angeboten. Edelman The Centre und Grassroots Enterprise agieren dabei als Netzwerkakteur. Laut eigener Angabe schaffen sie Verbindungen zwischen ähnlich Gesinnten um der geplanten Bewegung den nötigen Hintergrund zu geben. Die Agenturen ermöglichen es Unternehmen, die über die nötige Finanzstärke verfügen, eine Bewegung aus der Gesellschaft zu finanzieren. Diese vertritt dann, wenn der Hintergrund unerkannt bleibt, glaubwürdig die Interessen der Finanziers.
2010 organisierte die Agentur eine Aktion vor dem EU-Parlament in Brüssel, bei der eine Verkostung gentechnisch veränderter Lebensmittel im Mittelpunkt stand. „Farmers Biotech-Network“ war die bis dato unbekannte Gruppe, über die die Journalisten als Initiator berichteten. Erst im Nachhinein fand man heraus, dass die Aktion von EuropaBio finanziert wurde. Dabei handelt es sich um eine Kampagne, die von großen Gentech-Unternehmen, wie z.B. Bayer und Monsanto, finanziert wird. EuropaBio versuchte berühmte Persönlichkeiten, wie Bob Geldorf, Kofi Annan oder den französischen Politiker Claude Allègre als Botschafter zu gewinnen, um die Vorzüge der Gentechnik anzupreisen. Auf Nachfrage bestritten diese Personen jedoch als Botschafter für EuropaBio tätig zu sein. Bob Geldorf erklärte EuropaBio nicht einmal zu kennen, so Lobbypedia.