Daniele Ganser zum Ukraine-Krieg

Hannes Sies rekapituliert Daniele Ganser „Illegale Kriege“

Der Ukraine-Krieg 2014 wird von Ganser als Bürgerkrieg nur „auf den ersten Blick“ gekennzeichnet, in Wahrheit trieben dort sowohl Russland (was in den Westmedien im Vordergrund steht) als auch die USA (!) verdeckte Kriegsführung: „Wie bei der Kubakrise spielen beide Seiten mit verdeckten Karten und versuchen die Ukraine in ihren Einflussbereich zu ziehen.“ (S.250) Er rollt die Vorgeschichte bis zur deutschen Wiedervereinigung und dem im Gegenzug Moskau zugesichertem Versprechen, die Nato darüber hinaus nicht weiter nach Osteuropa auszudehnen. Dieses Versprechen habe der Westen selbstherrlich gebrochen und russische Interessen damit grob verletzt. Die geplante Nato-Erweiterung auf die ehemaligen Sowjetrepubliken Ukraine und Georgien stelle weitere Provokationen gegen Moskau dar.

Den Ukraine-Putsch vom 20.Februar 2014 sieht Ganser ebenfalls völlig anders als der Mainstream der westlichen Leitmedien. Er verweist auf Interventionen des US-Republikaners McCain und des US-Milliardärs Soros sowie die zweifelhafte Westdarstellung des Massakers auf dem Maidan mit über 40 Toten. Er zitiert eine Untersuchung der Universität Ottawa, die eine False-flag-Operation der prowestlichen Putschisten für wahrscheinlich hält (S.259).

Das abgehörte Telefonat des US-Botschafters mit Victoria Nuland belegt neben der herablassenden Haltung Brüssel gegenüber („Fuck the EU“) auch, dass die USA den Putsch durchgeführt haben. Was die „Rückeroberung der Krim“ angeht, betont Ganser den Präzedenzfall Kosovo: Dort habe der Westen die Sezession von Serbien per Volksentscheid anerkannt. Sie der Krim jetzt zu verweigern sei durchsichtig von Interessen geleitet. Kritisch sieht Ganser auch die Sanktionen, die der Westen nach dem Abschuss des Passagierflugzeugs  MH17 erließ: Man habe Russland ohne Beweise verantwortlich gemacht und sogar die neutrale Schweiz habe sich dieser Maßnahme angeschlossen.

Ganser, Daniele, Illegale Kriege: Wie die Nato-Länder die UNO sabotieren –Eine Chronik von Kuba bis Syrien, Zürich: Orell Füssli Verlag 2016

„Fuck-Leak“ USA abgehört: Das geschieht euch recht!

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Wie es ist, wenn andere dich abhören, musste die wenig talentierte US-Diplomatin Nuland feststellen. Die sprachliche Entgleisung von Obamas Europaberaterin schaffte es in alle wichtigen Medien Europas. Victoria „Fuck the EU“ Nuland und die USA nahmen es gelassen. Seit wann kratzt es den Boss, wenn seine Lakaien merken, dass er sie verachtet? Außerdem kann man ja die Schuld Putin zuschieben: Pfui, der hat uns abgehört! Aber war da nicht zuerst die NSA, die alle abhören will?

„Dies ist ein neuer Tiefpunkt der russischen Spionagetaktik“, schimpfte die US-Außenamtssprecherin Jen Psaki in laufende Kameras. Aber da nützt alles offizielle Toben für die Medien nichts: Auch andere können Lauschen. Die Global Gestapo der NSA hat nicht das Monopol auf dreckige Methoden und nur das finden die US-Regierenden schlimm. So erregt sich Obamas Administration über die Publikation des Telefongesprächs zwischen Obamas Europa-Beraterin Viktoria Nuland und dem US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt… eigentlich über ihre eigenen Methoden: Überwachung ist mies? USA abgehört: Das geschieht euch recht!

Denn jeder wird von euch ausspioniert. Wieviele Menschen weltweit insgeheim mit den von der NSA gewonnenen Geheimnissen erpresst oder ausgeplündert wurden, weiß keiner. Eine demokratische Kontrolle der Geheimdienstler findet in den USA nicht statt. Spätestens mit Yahoo, Google und Facebook sind Washingtons finstere Träume umfassender Überwachung der Weltbevölkerung wahr geworden. Das staatliche Interesse an den gestohlenen privaten Datenbergen ist nicht erst seit dem NSA-Skandal bekannt. Bei Facebook handele es sich um „Hilfstruppen der US-Geheimdienste“, warnte Wikileaks-Gründer Julian Assange schon im Mai 2011 vor der seiner Meinung nach „schrecklichsten Spionage-Maschine, die jemals entwickelt wurde“.

Jüngst kamen durch den Snowden-NSA-Leak die Details der vielfältigen Verschwörungen von Google, Facebook & Co. mit den Machtzentralen der Geheimdienste in den USA ans Licht. Was vorher angeblicher Paranoia von Assange und anderen Warnern vor der Überwachung zugeschrieben wurde, ist nun hieb- und stichfest bewiesen. Dieselben Journalisten die zuvor jahrelang Hohn und Häme über den Wikileaks-Gründer ausgeschüttet und im Dienst der Mächtigen alles abgeleugnet hatten, tun heute so, als wäre nichts gewesen. Doch der Leak einer kleinen peinlichen Entgleisung lässt sich vor diesem Hintergrund nicht mehr mit geheuchelter Empörung über das Abhören der anderen abtun.

Von deutschen Mainstream-Medien wurde die Aufzeichnung von Nulands Lagebesprechung zur Ukraine eine Top-Meldung in tsa_body_scangroßen Zeitungen und Fernsehen. Auch in anderen Ländern machte die Entgleisung Schlagzeilen. „Al carajo la UE“ (die landesüblichen Übersetzung des F-Worts) schreibt z.B. Anne Gearan in El Economista: “Nuland ofende a la Unión Europea”. Nun ja. Eine US-Diplomatin steht nackt da. Und was zeigt sich? Eine pöbelnde Upperclass-Matrone, die glaubt, nur sie und ihre Leute könnten und dürften alle anderen abhören. Wir sind die Guten. Die anderen sind unsere Diener oder aber Feinde, ja Terroristen! Gegen die ist bekanntlich alles erlaubt. Lauschen, Lügen, Drohnenterror… Drohnenmaßnahmen. Terror kommt ja nur von den anderen.