Oder warum muss heute begründet werden, für das Streikrecht zu sein? Muss man bald Beiträge schreiben, um sich für das Wahlrecht, die Redefreiheit, Freiheit für sexuelle Orientierung, das Recht auf Leben zu sein? Unsere Medien haben, angeführt von Branchenriese Bertelsmann, offenbar ein Klima der Angst geschaffen, wo viele Menschen sich nur noch im Schutz der Anonymität des Internet trauen, für einfachste Menschenrechte einzutreten. Abgestumpft gaffen Medienkonsumenten nur noch auf instinktbasierte Schlüsselreize (Titten) und sind für Argumente kaum zugänglich. Die wenigen noch Nachdenkenden stehen scheinbar unter Rechtfertigungszwang. Hier ein Beispiel.
Warum ich auf der Seite der Streikenden bin
vorweg folgendes: ja, ich kann mir lebhaft vorstellen, dass viele bürger hier im land
auf bahnfahrten angewiesen sind. irgendwie müssen sie ja relativ
günstig ihre kostbaren praktikanten- und arbeitsplätzchen erreichen,
auch wenn der geldbeutel chronisch leer ist und die fahrkartenpreise
nicht gerade günstig sind hier im land.
dass diese menschen wütend sind, dafür habe ich volles verständnis.
womöglich müssen manche jetzt improvisieren und zb fahrgemeinschaften
mit arbeitskollegen bilden – um gottes willen, man könnte sich ja
dabei mal versehentlich näher kennernlernen, ach wie schrecklich ist
das denn, lol!
wenn man sich die argumente der streikgegner mal ansieht, dann kann
man sowieso nur noch mit dem kopf schütteln. oft wird dann gelästert,
dass die lokführer ja angeblich einen anstrengungslosen easyjob haben
und sich gefälligst nicht so anstellen sollen…
Lokführer ein Traumjob?
na von wegen. hat ein zug nämlich mal verspätung (und sowas kommt bekanntlich öfter
mal vor, ohne dass die lokführer verantwortlich dafür sind), dann
kommen nicht nur die fahrgäste zu spät an ihr reiseziel, sondern
logischerweise müssen die lokführer dann zwangsläufig überstunden
schieben. zuhause wartet die familie auf papa und der sitzt (mal
wieder) wegen eines technischen defektes irgendwo zwischen klanxbühl
und sindelfingen fest und kommt erst stunden später zum abendbrot.
womöglich dann traumatisiert, weil sich (mal wieder) jemand vor den
zug geschmissen hat und zermalmt wurde, während der lokführer keine
chance hatte, das verhindern zu können.
der grund für die verspätung könnte natürlich auch eine terrorwarnung
oder bombendrohung gewesen sein, sowas soll ja durchaus öfter mal
vorkommen. das bahnpersonal kann es sich ja derweil in den bahnhöfen
gemütlich machen – es gibt tatsächlich wirklich schöne bahnhöfe hier
im land, aber wenn du irgendwo mitten in der pampa strandest, dann
nutzt dir das auch nichts und abgesehen mal davon sind sehr viele
bahnhöfe hier im land eher scheusslich.
es ist erschreckend, wie manche kleinen städte ihre bahnhöfe
regelrecht verwahrlosen und verkommen lassen!
lokführer ein traumjob? eher selten und auf dauer schon gar nicht.
es könnte zwar durchaus so sein, dass der beruf nicht gerade zu den
anspruchsvollsten berufen des landes gehört, aber wo ist bitteschön
der unterschied zu etlichen anderen berufen? in sehr vielen anderen
berufen können die beschäftigten diesbezüglich auch nicht gerade
jubeln.
weil sie im endeffekt kaum gefordert werden, sitzen viele oft nur
irgendwo rum und werden nicht wegen ihrer eigentlichen
arbeitsleistung bezahlt, sondern weil sie ihre lebenszeit opfern.
behauptet jemand von euch etwa das gegenteil? weil pech gehabt, ich
spreche nämlich aus erfahrung und könnte jederzeit etliche beispiele
nennen.
Bahn ist lukrativ für Investoren
die bahn ist ein lukratives unternehmen für die hiesigen investoren.
gewinne sind quasi staatlich garantiert, wovon die angestellten in
der regel kaum etwas haben, sondern bevorzugt die aktionäre dieses
unternehmens. die angestellten müssen sich hingegen oft mit
randallierenden (und sturzbetrunkenen) fahrgästen rumärgern, daran
hat auch das alkoholverbot auf vielen strecken nichts geändert. man
kann schliesslich nicht verhindern, dass manche schon hoffnungslos
betrunken ankommen.
– wenn die GDL ihre mitglieder zum streik aufruft, dann ganz sicher
nicht ohne grund. das kann man sich nämlich schon lebhaft vorstellen,
auch ohne dass man subtile einblicke hinter den kulissen hat.
– wenn man sich mal ansieht, wie andere berufsgruppen fröhlich und
munter und völlig leistungs- und verantwortungslos absahnen, dann
würde ich als lokführer auch mit den zähnen knirschen.
Vertraue lieber dem Lokführer
eigentlich müsste bahnfahren nicht nur für die fahrgäste sehr viel
komfortabler werden, sondern auch für das bahnpersonal. ohne die
läuft nämlich gar nichts, vollautomtisierte züge sind nämlich nur ein
mythos. ich vertraue mein leben lieber einem erfahrenen lokführer an,
als einem computerchip – ihr etwa nicht?
erst die kombination aus mensch und maschine garantiert
höchstmögliche sicherheit und wer etwas anderes behauptet, der hat
keine ahnung von computern.
die bahn hatte mehr als genug gelegenheiten, dem bahnpersonal
entgegen zu kommen. das wurde offensichtlich nicht nur sträflich
versäumt, sondern man setzt im management offenbar darauf, dass
sowohl der finanzielle druck, als auch der politische druck schon
behilflich sein wird, die streikenden letztendlich zu züchtigen,
nicht wahr?
Gierige Bahn-Manager
dabei sind es die supergierigen manager, die dringend mal gezüchtigt
werden sollten! behauptet etwa jemand von euch etwas anderes?
die sitzen nämlich gemütlich in ihren vollklimatisierten büros und
haben selbstverständlich stets pünktlich feierabend. die müssen sich
nicht mit den traumata rumärgern, wenn du als lokführer einen
selbstmörder überrollst. die verdienen das hundert-, wenn nicht sogar
das tausendfache. warum und wofür eigentlich?
diese manager sind ja nichtmal in der lage, ihr personal bei laune
halten zu können, lol!
abgesehen mal davon: der service ist in den zügen lausig, die preise
sind viel zu teuer und wer mal in einem intercity den speisewagen
besucht hat, der wird anschliessend garantiert keine lobeshymnen über
die qualität der dort angebotenen speisen und getränke singen…
Jobcenter zwingt zu Arbeits-Zwangsreisen
unsere behörden zwingen viele menschen hier im land dazu, in weit
entfernten städten arbeiten zu müssen. kurioserweise sind die züge in
der gegenrichtung auch oft voll bis zum abwinken, dieses ganze
merkwürdige system hat echt methode.
ich war auch schon öfter mal in so einer situation und wenn du keine
lust hast, ständig auf der autobahn im stau zu stecken, dann nutzt du
natürlich die bahn. fernbusse sind zwar auch bequem, aber
kurioserweise sind meistens diejenigen routen gar nicht verfügbar,
die man dringend benötigt. darüber hinaus boykottiere ich diese
fernbusse mit ihren extrem schwankenden fahrpreisen und dass diese
unternehmen auffällig gierig hinter den daten ihrer fahrgäste her
sind, das ist doch schon längst kein geheimnis mehr.
die bahn müsste dringend mal ordentlich reformiert werden und sollte
ein non-profit-unternehmen sein. denn wir sehen es ja immer
deutlicher: es ist im öffentlichen interesse, wenn die fahrpreise
stabil bleiben, wenn pünktlichkeit einkehrt und wenn das personal
nicht ständig streiken muss.
Raucherabteil fehlt
es ist schon lächerlich, dass man in zügen kein raucherabteil mehr
findet. zigtausende restaurants bieten separate räumlichkeiten für
raucher an, aber die bahn schafft das nicht? LOL!
noch schlimmer: man darf ja in den bahnhöfen auch nicht mehr rauchen,
also ist bahnfahren für tabakkonsumenten alles andere als
komfortabel. wer sich diesen blödsinn ausgedacht hat, der muss echt
einen an der waffel haben.
in manchen zügen kleben immer mehr verbotsschilder an den wänden und
es dauert sicher nicht mehr lange, dann darf man in den zügen auch
kein laptop, tablet oder smartphone mehr benutzen. wettet jemand von
euch etwa dagegen?
Essen schmeckt nicht
das catering ist in den zügen skandalös, wenn nicht sogar
ungeniessbar: allerbilligste ware mit völlig überhöhten preisen –
egal ob im speisewagen, den automaten oder diesen mobilen
cateringwagen, die irgendwelche armen hartzopfer mühsam durch den zug
rollen müssen.
diese manager interessiert das alles nicht, die sitzen nämlich
schön bequem in der ersten klasse (und zwar im flugzeug) und
schlürfen genüsslich champagner während der reise, selbstverständlich
von besonders hübschen stewardessen serviert. dazu dann eine cohiba –
hach, das leben kann doch so schön sein…
solche leute sollte man mal zwingen, mindestens einen monat lang
langstrecken in ihren eigenen zügen nutzen zu müssen – zweite klasse
und nahverkehrszüge natürlich, weil wenn schon, denn schon!
gravierende unterschiede mit den intercitys sehe ich übrigens nicht,
denn wenn in so einem waggon vorne jemand niest, dann haben ein paar
tage später auch alle anderen passagiere einen schnupfen.
auch wenn der bahnstreik ärgerlich für manche bahnkunden ist, es gibt
ärgerlichere dinge auf dieser welt. und wenn die kleinen arbeiter und
angestellten mal die gelegenheit haben, die grossen topmanger und
aktionäre zu ärgern, dann habe ich echt kein problem damit!
hätten die sich mal lieber besser vorher schon um ihre wahren
leistungsträger gekümmert, anstatt sich nur heimlich selbst die
taschen vollzustopfen, dann wäre das alles gar nicht passiert. und es
soll ja keiner glauben, dass diese bahnmanager deswegen weniger boni
kassieren werden, lol!
wann erleben wir eigentlich mal einen managerstreik? jetzt bin ich
aber mal gespannt auf eure antworten…
(sprich: Kommentare) Quelle: Leserbrief auf Streik-Kritischen Artikel bei Telepolis