Gerät die Hype aufs Glatteis? Bitcoins auf Island

ArgonEdelgast 

Heute wird überall auf der Welt fieberhaft daran gearbeitet, Bitcoin zu schürfen. Venezuela will den Boom mit einer Erdöl-gedeckten Kryptowährung nutzen. Andere setzen auf pure Kryptotechnologie, doch das Schürfen braucht Zeit und Strom. Eine der interessantesten Minenfarmen liegt daher auf Island. Island ist vor allem wegen der Geothermiekraftwerke interessant, die hier billigen Ökostrom aus heißem Quellwasser gewinnen. Island sammelte in der Finanzkrise Erfahrungen damit, wie ein Volk mit Finanzfirmen umgehen sollte: Pleite gehen lassen, verstaatlichen, Bankster ins Gefängnis werfen, so kam das Land gut durch die Krise. Leider regierten danach wieder konservativ-neoliberale Parteien.

Aber ist das wirklich ökologisch? Die in Island beheimateten Bitcoin-Produzenten dürften in diesem Jahr mehr Strom verbrauchen als alle isländischen Privathaushalte zusammen, wie der Sprecher des isländischen Energieunternehmens HS Orkas, Johann Snorri Sigurbergsson, dem britischen Fernsehsender BBC laut Hblatt sagte. Bertelsmann SpiegelOnline (SPIon) schrie schon panisch die Warnung ins Netz, Island müsste um seine Stromversorgung fürchten, dabei heizt Bertelsmann TV-Sender n-tv mit einem neben Dax, Dollar und Gold platzierten Bitcoin-Ticker die Hype kräftig an.

Klar ist jedoch, wie das Beispiel China zeigte: Auch in Island dürften Miner von Bitcoin und anderen Krypto-Währungen bald mehr Strom verbrauchen als alle (nur ca. 300.000) Einwohner zusammen. Davon gehen Experten des regionalen Energieversorgers Hitaveita Sudurnesja aus, wie die Nachrichtenagentur AP berichtet. Insgesamt könnte die Mining-Infrastruktur ihren Energiehunger in diesem Jahr auf 100 Megawatt verdoppeln – mehr als die 340.000 Einwohner der Insel im Nordatlantik verbrauchen. Das liege vor allem an den vergleichsweise niedrigen Temperaturen, die als natürliche Kühlung der Technik dienen, und Islands günstigen Preise für den Strom aus Geothermie und von Wasserkraftwerken, so heise.

Die Bitcoin-Hype galoppiert

Doch die galoppierende Bitcoin-Hype lockt auch konservative Sparer an die Börsen. Beim traditionellen Festgeldsparen schrecken niedrige Zinssätze von unter zwei Prozent die Anleger ab, während die frühen Investoren in die umstrittene Digitalwährung Bitcoin über eine Serie von erstaunlichen Kurssprüngen jubeln. Heftige Kursschwankungen belasten zwar die Nerven der Bitcoin-Fans, doch bislang ist der große Crash ausgeblieben. Aber die Bitcoin-Gewinner blenden dabei oft aus, unter welchen ökologischen Umständen die Digitalwährung „geschürft“ wird. Die Miner stellen ein gigantisches Computernetzwerk zur Verfügung, mit dem die Integrität der Währung gewährleistet wird. Sie verifizieren sämtliche Bitcoin-Transaktionen und speichern das unendliche Logbuch („Blockchain“) in Datenbanken. Sie bilden quasi das technische Rückgrat des Zahlungssystems Bitcoin und werden dafür mit Einheiten der Digitalwährung belohnt.

Der aktuell boomende Bitcoin stieg im Wert rapide: 2016 kostete ein Bitcoin nur 700 US-Dollar, inzwischen 15.000 Dollar -eine Finanzblase bildet sich. Der Bitcoin ist (neben Litecoin, Ethereum u.a.) eine dezentralisierte Netzwährung, die anonyme Transaktionen mittels Blockchain-Technologie ermöglicht. Dabei wird in einer netzweit verteilten Datei jede Transaktion eines Bitcoin (der im Kern aus eben dieser Datei besteht) verzeichnet. Mit derartiger Technologie könnten auch Ölkontrakte organisiert werden, um dem Dollar den Rücken zu kehren, meldete Russia Today.

Die Bitcoin-Revolution frisst ihre Kinder

Wieviel Energie schluckt nun der Bitcoin wirklich? Der gesamte Strombedarf der in aller Welt verteilten Schürfer lässt sich zwar kaum exakt bestimmen, sondern nur schätzen. Doch Alex de Vries, einer der weltweit führenden Kryptowährungs-Experten, hat in seinem Blog Digiconomist berechnet, dass durch das Bitcoin-System derzeit 32,5 Terawattstunden verbraucht würden. Das entspreche immerhin dem Strombedarf von Serbien. Pro Bitcoin-Transaktion würden 237 Kilowattstunden verbraucht, das entspricht in etwa dem monatlichen Durchschnittsverbrauch eines hiesigen Einfamilienhauses.

De Vries‘ Zahlen sind jedoch nicht unumstritten. So bezweifelt der französische Bitcoin-Experte Marc Bevard die Berechnungsgrundlage, wonach 60 Prozent der Bitcoin-Erlöse beim Schürfen für den Strombedarf draufgehen. Selbst wenn die Stromrechnung nur 20 oder 30 Prozent der geschürften Bitcoin-Erträge frisst, bleiben die grundsätzlichen Zweifel an der ökologischen Nachhaltigkeit des Bitcoin. Das hat auch mit einem Grundprinzip der Digitalwährung zu tun: Es werden im gesamten Bitcoin-Netzwerk täglich nur rund 1800 Bitcoins an die Miner verteilt. Und je mehr Miner um die wenigen Bitcoin-Einheiten buhlen, desto komplizierter werden die Rechenaufgaben, die zu bewältigen sind. Dieses Prinzip schützt zum einen das System vor Angriffen von Betrügern. Es treibt aber auch die erforderliche Rechenleistung nach oben.

Dabei sei angemerkt, dass die miese Öko-Bilanz nicht das einzige Manko des Bitcoins ist, da wären noch Finanzregulierung und Geldwäscheproblematik: Bundesbank-Präsident Jens Weidmann setzt sich für eine globale Regulierung umstrittener Kryptowährungen wie Bitcoin ein. „Angesichts der Tatsache, dass solche Geschäfte global angeboten werden, ist klar, dass eine nationale oder europäische Regulierung nur begrenzt wirksam sein kann“, sagte Weidmann am Mittwoch laut Redetext zur Eröffnung eines Symposiums der Bundesbank in Frankfurt. Zunächst sei wichtig, bestehende Geldwäschevorschriften durchzusetzen und zu verhindern, dass Bitcoin und Co., die auf Plattformen im Internet gehandelt werden, als Mittel der Terrorismusfinanzierung eingesetzt würden. „Anlass zu regulatorischen Eingriffen könnten auch potenzielle Finanzstabilitätsrisiken bieten, weshalb wir die Verwendung von Krypto-Token im Finanzsektor im Blick haben müssen“, sagte Weidmann laut heise. Die enorme Nachfrage nach Bitcoin lasse die Kosten der Transaktion steigen, warnte ergänzend der ehemalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, im staatsnahen DLF.

„Es ist nicht ganz einfach, diese Eigentumsübertragungen zu verifizieren. Dazu braucht es erhebliche Rechnerleistung. Und der eigentliche Vorteil dieser Technik, nämlich schnell, günstig Eigentumsübertragungen zu erfassen, löst sich jetzt langsam auf, denn es dauert immer länger oder kostet immer mehr, um diese Eigentumsübertragung zu verifizieren.“ DLF

Damit sich das Schürfen der Digitalwährung noch lohnt, weichen die großen Player in der Bitcoin-Szene auf Länder aus, in denen Strom nicht viel kostet. Dazu gehört neben China auch Island, wo Ökostrom vergleichsweise billig zu haben ist. Das Gros der Bitcoin-Einheiten wird inzwischen in China geschürft, wo Mining-Farmen aber mit CO2-lastigem Kohlestrom gespeist werden. Rund zwei Drittel des chinesischen Stroms werden aus fossilen Brennstoffen erzeugt.

CO2-Klimakrise, Stromverschwendung: Vor diesem Hintergrund hat Bram Cohen, der Erfinder des Filesharing-Systems BitTorrent, angekündigt, eine eigene Digitalwährung herauszubringen. Sein „Chia Network“ setzt zwar wie Bitcoin auch auf die Blockchain-Technik, soll aber bei den Transaktionen mit deutlich weniger Energie auskommen. Bei der Verifizierung soll nicht mehr die Prozessorleistung eine Rolle spielen, sondern der Speicherplatz.

„Die Idee ist, einen besseren Bitcoin zu schaffen“, sagte Cohen dem Portal TechCrunch. Außerdem ließe sich mit dem Chia-System die Instabilität des Bitcoin beseitigen, die auf die Abhängigkeit von wenigen „Minern“ zurückzuführen sei, die Zugang zu den billigsten Energiequellen haben. Im „Chia Network“ sollen auch keine Miner arbeiten, sondern Farmer. „Es ist technisch anspruchsvoll und es gibt einen großen Berg von Arbeit zu erledigen“, sagte Cohen. Er habe aber bereits genügend Geld von Investoren eingesammelt und auch schon die notwendigen Mitarbeiter eingestellt. Im zweiten Quartal sollen erste Chia verkauft werden, so heise.

Piraten kritisieren steuerfreies Bitcoinschürfen

Der isländische Parlamentsabgeordnete Smári McCarthy von der Piratenpartei hat den Zuzug der icelandflagMiner kritisiert: „Unter normalen Umständen bezahlen Unternehmen, die in Island zur Wertschöpfung beitragen, einen gewissen Betrag an Steuern“, sagte er. Diese Unternehmen würden das aber nicht tun, vielleicht sollte das aber verlangt werden. Mit diesem Vorschlag wolle er aber nicht zum Gegner der Kryptowährungs-Gemeinde werden, sondern mit ihr zusammenarbeiten, „um diese Innovation zu stärken“, ergänzte er später auf Twitter. Das bislang letzte Mal, dass sich sein Land umfangreich an internationalen Finanzspekulationen beteiligte, endete mit dem Crash 2008 -Wikileaks deckte damals Betrügereien isländischer Bankster auf und Island wählte Piraten an die Macht: Sie führten Island als nahezu einziges Finanzoasen-Land elegant aus der Krise: Sie ließen Banken zusammenkrachen, verstaatlichten sie und bürdeten die Schulden nicht der Bevölkerung auf (anders als etwa in Irland, Griechenland und auch Deutschland).

Die Isländer stürzten nach einer Intervention von Wikileaks und Julian Assange in der Bankenkrise 2008 als einziges Volk Europas die Regierung und das Land fuhr gut damit. Nun sind die Piraten in Island wieder im Aufwind. Jasmin

2016 kam ein neuer Skandal über die (nach Abwahl der Piraten) wieder konservativen Politbonzen Islands: Finanzminister Bjarni Benediktsson und Innenministerin Ólöf Nordal, beide von der nationalistischen Unabhängigkeitspartei, sind weitere Panamesen in der Rechtsregierung von Gunnlaugsson. Alle drei haben über die Kanzlei „Mossack Fonseca“ (Panama) Briefkastenfirmen in „Steueroasen“ eingerichtet. Der Herr Ministerpräsident hatte mit seiner Frau die Firma „Wintris“ (Virgin Islands) über die Luxemburger Tochter der isländischen „Landsbanki“-Bank 2008 erworben, die in räuberische Abzocke am isländischen Volk verwickelt war. Gunnlaugsson steckt damit bis zum Hals, den er nie voll kriegen konnte, im dreckigsten Banken- und Regierungs-Korruptions-Skandal Islands.

Landsbanki und Kaupthing gehörten zu den Großpleitiers Islands, Wintris war mit mehreren Millionen Gläubiger von beiden Banken. 2013 wurde Gunnlaugsson Ministerpräsident, der über die Entschädigung der Gläubiger zu entscheiden hat und zufällig zugleich Begünstigter ist. Doch weil Parlamentarier, anders als in Deutschland, in Island ihre Geschäfte offenlegen müssen, hatte er die Schwindelfirma 2009 seiner Frau noch schnell für einen US-Dollar abgetreten. Dies geschah jedoch, nachdem er als Noch-Eigner ins Parlament eingezogen war, was wahrscheinlich einem Betrug gleichkommt.

Islands Volk stürzte als einziges Europas nach der Bankenkrise 2008 die Regierung und wählte eine eigens neu gegründete Piratenvorläufer-Partei mit linksgrüner Hilfe an die Macht. Diese entmachtete die Banken und sorgte dafür, dass sie selbst den Schaden, den sie angerichtet hatten, tragen mussten: Nach der Pleite wurden sie verstaatlicht (statt vorher, wie bei Merkel). Alle anderen Völker ließen ihre korrupten Eliten an der Macht und sich von korrupten Medien aufschwatzen, dass die Banken systemrelevant und daher mit Steuergeld zu retten wären. Islands Ex-Staatschef Geir Haarde musste sich als einziger Politiker Europas vor Gericht für die (auch politisch zu verantwortende!) Finanzkrise verantworten: Am 23.4.2012 verkündete ein parlamentarisches Sondergericht, Haarde hätte zwar verantwortungslos gehandelt, könne aber mangels gesetzlicher Verbote nicht bestraft werden.

Nachdem der Karren aus dem Dreck war, ließen sich die Isländer leider wieder medial einlullen und kehrten 2013 mehrheitlich zu ihrer vorherigen rechtsgerichteten Einstellung zurück –so kam der smarte Saubermann Gunnlaugsson mit der rechtspopulistischen Fortschrittspartei an die Macht. Er hätte seine Verwicklung in den Bankensumpf zugeben müssen, überschrieb aber schnell noch alles seiner Frau. „Völlig legal!“, tönt er jetzt –stimmt, denn die Gesetze wurden von korrupten Politgangstern mit ihren Bankster-Komplizen ausgebrütet. Wenigstens kamen die Piraten 2013 ins Parlament.

Die 2012 gegründete Piratenpartei profitierte von den Finanzskandalen. Bei den Wahlen 2013, als sie erstmals antraten, hatten sie es mit 5,1 Prozent gerade geschafft, ins Parlament einzuziehen. Islands Piratenpartei tritt für die IMMI, die Island zur Datenoase (analog zu Finanzoasen) machen will, Bürgerrechte, direkte Demokratie, eine Copyright-Reform, Transparenz, Gleichheit, Mindesteinkommen, eine Förderung der Internetökonomie sowie für den Schutz der Gläubiger gegen die Banken ein. Die Piraten wollen ferner, dass mit einem Volksentscheid über einen Beitritt zur EU entschieden werden müsste. Mit Protest und einer Petition wurde Gunnlaugsson vor zwei Jahren zum Rücktritt gezwungen. Proteste vor dem Parlament fordern Neuwahlen und verlangten von der Opposition, einen Misstrauensantrag zu stellen. Mehr als 5000 hatten ihre Beteiligung angekündigt. In Island mit seinen ca. nur 300.000 Einwohnern eine gewaltige Zahl. Die Regierung stürzte -Vorbild für Merkel in Berlin?

Katrín Jakobsdóttir

Island wird derzeit regiert von Katrín Jakobsdóttir (42), die seit der Wahl vom November 2017 Premierministerin Islands ist. Seit 2007 gehört sie für den Wahlkreis Reykjavík-Nord dem isländischen Parlament an. Am 1. Februar 2009 wurde sie Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie Ministerin für nordische Zusammenarbeit in der Regierung von Jóhanna Sigurðardóttir. Sie blieb nach den Neuwahlen im April 2009 als Mitglied der Regierung Jóhanna Sigurðardóttir II im Amt. Ihr Nachfolger als Bildungsminister war ab dem 23. Mai 2013 Illugi Gunnarsson im Kabinett des später als Finanzbetrüger zurück getretenen Sigmundur Davíð Gunnlaugsson.

Von 2002 bis 2003 war sie Vorsitzende der Jungen Links-Grünen und von 2003 bis 2013 stellvertretende Parteivorsitzende. Seit 2013 hat sie den Parteivorsitz inne. Nach der Parlamentswahl in Island 2017 wurde die Links-Grüne Bewegung mit fast 17 Prozent der Stimmen zweitstärkste Kraft. Da die stimmenstärkste Unabhängigkeitspartei keine Partner für Koalitionsverhandlungen fand, erhielt Katrín Jakobsdóttir den Auftrag zur Regierungsbildung. In einem Regierungsbündnis mit der Unabhängigkeitspartei und der Fortschrittspartei ist sie Premierministerin. Sie war also nach dem Wikileaks-Crash der Regierung und der Wahl einer Protestpartei-Regierung von Februar 2009 bis Mai 2013 Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur und ist seit Februar 2013 Vorsitzende der Links-Grünen Bewegung (eine wirklich linke Partei nicht zu vergleichen mit der deutschen neoliberal-militaristischen Grünenpartei).

 

 

 

US-Protektorat Island: Korrupte Rechtsregierung plante heimlich Remilitarsierung

Gunnwald Larsen icelandflag

Reykjavik. Islands Rechtsregierung plante heimlich eine wieder auflebende US-Militärpräsenz auf der Insel –unbeliebt bei der Bevölkerung. Ein Schelm, der den Schwarzgeldsegen des Ministerpräsidenten Gunnlaugsson, der jetzt bei den Panama-Papers ans Licht kam, damit in Verbindung bringt. Erstmals hatte Gunnlaugsson Anfang Februar 2014 den US-Amerikanern ihre Luftwaffenübung Iceland Air Meet 2014 über der Insel gestattet.

Noch vor zwei Monaten hatte Gunnlaugssons Außenminister Gunnar Bragi erklärt, dass keine Gespräche über eine erneute permanente Stationierung von US-Truppen geführt worden wären. Die „Sicherheitslandschaft“ in Europa habe sich aber verändert, daher werde mehr Beobachtung um Island stattfinden: „Wir begrüßen mehr Aktivität. Das stärkt unsere Verteidigung und unsere Sicherheit“. Aber es gehe nicht darum, dass 2-3000 Menschen und „viele“ Flugzeuge stationiert werden sollten: „Wir sprechen lediglich darüber, die notwendigen Veränderungen an den Hangars vorzunehmen, damit neue Flugzeuge kommen und gewartet werden können.“ Nach Stars and Stripes würde die US Navy ihre Kampfjets nur vorübergehend dort stationieren. Erst später würde man überlegen, die dort stationierten Mannschaften regelmäßig auszutauschen.

Die USA haben kürzlich schon mal 12 Kampfflugzeuge des Typs F-15C Eagles mit 350 Mann an Personal im Rahmen der Operation Atlantic Resolve nach den Niederlanden und Island verlegt, zunächst bis September. Damit kehren die US-Truppen wieder auf die Insel zurück, nachdem 2006 der Nato-Luft- und Marinestützpunkt Keflavík geschlossen wurde. Zunächst wurden Kampflugzeuge der US Air Force, nicht der Navy geschickt, aber möglich ist ein weiterer Ausbau der US Militärbasis im Rahmen des globalen, über 1000 Basen umfassenden US-Militärsystems.

Die Rechtsregierung Sigmundur Gunnlaugsson, die dank den Panama Papers ins Straucheln kam, hat jedoch erst einmal andere Probleme als die Rückkehr des US-Militärs. Ihre die Heimlichtuerei, was Abmachungen mit den USA angeht, dürfte Gunnlaugsson weiter schaden. Island, das nach Finanz- und Griechenlandkrise doch nicht mehr der EU beitreten wollte, ist zwar Nato-Mitgliedsstaat, hat aber, außer einer Küstenwache, kein Militär. Sehr sinnvoll, nicht nur für ein kleines Volk von 320.000 Menschen.

Drohen die USA mit CIA-Attacken?

Im September 2015 hatte US-Vize-Verteidigungsminister Bob Work gesagt, Washington habe Reykjavik erklärt, dass wegen es wegen der „wachsenden russischen Aggression“ notwendig werden könnte, den Stützpunkt wieder zu eröffnen: „Die Russen habe lange Transitflüge geflogen, die nahe an Island vorbeigehen, aber kürzlich hätten sie mehrere Umrundungsflüge gemacht.“ Island habe sich interessiert an einer engeren militärischen Kooperation gezeigt. Das weckt Erinnerungen an die „russischen U-Boote“ vor Schwedens Küste, mit denen die CIA in den 80er-Jahren Olof Palmes Friedenspolitik torpedierte, bevor eine dubiose faschistische Gruppe ihn ermordete. Ob die Isländer sich so etwas auch gefallen lassen würden, darf bezweifelt werden.

Die USA wollen Militär-Hangars vergrößern, in denen früher die Seeaufklärungs- und U-Boot-Jagdflugzeuge untergebracht waren, um sie für die größeren P-8A Poseidon-Flugzeuge der US Navy geeignet zu machen, mit denen nach russischen U-Booten Ausschau gehalten werden soll. Es gäbe hier viel Platz für neue Einrichtungen, erklärte der Kommandeur des Stützpunkts. Die isländische Regierung hatte abgestritten, dass die Idee, den Stützpunkt wieder zu eröffnen, von ihr gekommen sei. Es hätten zwischen den Regierungen auch keine Gespräche deswegen stattgefunden.

Island: Sommer der Piraten dank Panama Papers-Krise

Gerd R. Rueger icelandflag

Reykjavik. Nur weil seine Frau eine Firma hat, soll Ministerpräsident Gunnlaugsson zurücktreten, so tönen ARD & DLF stündlich. Sie vergessen dabei zu sagen, dass Saubermann Gunnlaugsson damit bis zum Hals im dreckigsten Banken- und Regierungs-Korruptions-Skandal der Landesgeschichte steckt. Nebenbei verschweigen die Mainstreamer auch, dass zwei weiter Minister der isländischen Rechtsregierung Offshore-Firmen in Steueroasen besitzen. Die Isländer stürzten nach einer Intervention von Wikileaks und Julian Assange in der Bankenkrise 2008 als einziges Volk Europas die Regierung und das Land fuhr gut damit. Nun sind die Piraten in Island wieder im Aufwind.

Finanzminister Bjarni Benediktsson und Innenministerin Ólöf Nordal, beide von der nationalistischen Unabhängigkeitspartei, sind weitere Panamesen in der Rechtsregierung von Gunnlaugsson. Alle drei haben über die Kanzlei „Mossack Fonseca“ (Panama) Briefkastenfirmen in „Steueroasen“ eingerichtet. Der Herr Ministerpräsident hatte mit seiner Frau die Firma „Wintris“ (Virgin Islands) über die Luxemburger Tochter der isländischen „Landsbanki“-Bank 2008 erworben, die in räuberische Abzocke am isländischen Volk verwickelt war. Gunnlaugsson steckt damit bis zum Hals, den er nie voll kriegen konnte, im dreckigsten Banken- und Regierungs-Korruptions-Skandal Islands.

Landsbanki und Kaupthing gehörten zu den Großpleitiers Islands, Wintris war mit mehreren Millionen Gläubiger von beiden Banken. 2013 wurde Gunnlaugsson Ministerpräsident, der über die Entschädigung der Gläubiger zu entscheiden hat und zufällig zugleich Begünstigter ist. Doch weil Parlamentarier, anders als in Deutschland, in Island ihre Geschäfte offenlegen müssen, hatte er die Schwindelfirma 2009 seiner Frau noch schnell für einen US-Dollar abgetreten. Dies geschah jedoch, nachdem er als Noch-Eigner ins Parlament eingezogen war, was wahrscheinlich einem Betrug gleichkommt.

Kommt in Reykjavik ein Sommer der Piraten?

Islands Volk stürzte als einziges Europas nach der Bankenkrise 2008 die Regierung und wählte eine eigens neu gegründete Piratenvorläufer-Partei mit linksgrüner Hilfe an die Macht. Diese entmachtete die Banken und sorgte dafür, dass sie selbst den Schaden, den sie angerichtet hatten, tragen mussten: Nach der Pleite wurden sie verstaatlicht (statt vorher, wie bei Merkel). Alle anderen Völker ließen ihre korrupten Eliten an der Macht und sich von korrupten Medien aufschwatzen, dass die Banken systemrelevant und daher mit Steuergeld zu retten wären. Islands Ex-Staatschef Geir Haarde musste sich als einziger Politiker Europas vor Gericht für die (auch politisch zu verantwortende!) Finanzkrise verantworten: Am 23.4.2012 verkündete ein parlamentarisches Sondergericht, Haarde hätte zwar verantwortungslos gehandelt, könne aber mangels gesetzlicher Verbote nicht bestraft werden.

Nachdem der Karren aus dem Dreck war, ließen sich die Isländer leider wieder medial einlullen und kehrten 2013 mehrheitlich zu ihrer vorherigen rechtsgerichteten Einstellung zurück –so kam der smarte Saubermann Gunnlaugsson mit der rechtspopulistischen Fortschrittspartei an die Macht. Er hätte seine Verwicklung in den Bankensumpf zugeben müssen, überschrieb aber schnell noch alles seiner Frau. „Völlig legal!“, tönt er jetzt –stimmt, denn die Gesetze wurden von korrupten Politgangstern mit ihren Bankster-Komplizen ausgebrütet. Wenigstens kamen die Piraten 2013 ins Parlament.

Bei den inzwischen sehr wahrscheinlichen Neuwahlen, hätte die 2012 gegründete Piratenpartei gute Chancen, zur stärksten Kraft zu werden. Bei einer Umfrage, die noch vor den Panama Papers durchgeführt wurde, wollten 36,1 Prozent der Befragten für die Piratenpartei stimmen, die Unabhängigkeitspartei käme auf 23,2 Prozent und die Fortschrittspartei auf 12,1 Prozent. Schon damit wäre eine Fortsetzung der Regierungskoalition nicht mehr möglich. Die Grünen (die in Island, anders als bei uns, eine linke Partei sind) haben sich mit 11 Prozent und die Sozialdemokraten mit 9,5 Prozent noch nicht vom Rechtsruck 2013 erholt.

Im Januar lagen die Piraten bei einer Umfrage allerdings schon bei 42 Prozent, 36 Prozent erzielten sie bereits im November 2015. Das aber zeigt, dass die Piraten bereits eine stabile Anhängerschaft erreicht haben könnten. Bei den Wahlen 2013, als sie erstmals antraten, hatten sie es mit 5,1 Prozent gerade geschafft, ins Parlament einzuziehen. Angesichts der Erfolge der isländischen Parteien hoffen auch die deutschen, davon profitieren zu können.

Islands Piratenpartei tritt für die IMMI, die Island zur Datenoase (analog zu Finanzoasen) machen will, Bürgerrechte, direkte Demokratie, eine Copyright-Reform, Transparenz, Gleichheit, Mindesteinkommen, eine Förderung der Internetökonomie sowie für den Schutz der Gläubiger gegen die Banken ein. Die Piraten wollen ferner, dass mit einem Volksentscheid über einen Beitritt zur EU entschieden werden müsste.

Petition gegen korrupte Rechtsregierung

In einer Petition, die bereits von mehr als 17.000 Isländern unterschrieben wurde, wird Gunnlaugsson zum Rücktritt aufgefordert. Proteste vor dem Parlament fordern Neuwahlen und verlangen von der Island KarteOpposition, einen Misstrauensantrag zu stellen. Mehr als 5000 haben ihre Beteiligung angekündigt. In Island mit seinen ca. nur 300.000 Einwohnern eine gewaltige Zahl. Die Regierung ist inzwischen in helle Panik verfallen, die Rechtsparteien bangen um ihre Sitze und könnten die Regierung als schnelles Notopfer darbieten. Oder man hält das Volk hin, bis die Medien eine neue Sau gefunden haben, die sie durchs Dorf treiben können. In Deutschland suchen sie bereits händeringend nach einer, der sie vorzugsweise ein Schild mit der Aufschrift „Putin“ umhängen können. Notfalls greifen sie aber auch zu Asylbewerbern, Iran oder Nordkorea.

Island: Piraten-Partei protestiert gegen Zensur von The Pirate Bay

Gerd R. Rueger icelandflag

Die isländischen Internet Service Provider blockieren die Torrent-Plattform The Pirate Bay. Das haben Netz-Dienstleister mit Vertretern der Unterhaltungsindustrie ausgeschachert –unter Protest der isländischen Piratenpartei die in Umfragen wieder bei 30% liegt. Andere Länder setzen ihre Hexenjagd auf die Sharing-Netzkultur fort, in den USA wurde ein junges Computergenie dabei zu Tode gehetzt.

Die isländischen Internet Service Provider blockieren seit dem Wochenende den Besuch der Torrent-Plattform The Pirate Bay. Darauf haben sich die Dienstleister mit Vertretern der Unterhaltungsindustrie geeinigt –unter Protest der isländischen Piratenpartei die in Umfragen wieder bei 30% liegt. Praktisch nicht so schlimm, vergiftet aber das netzpolitische Klima in einem Land, das einmal Datenoase werden wollte (nachdem Wikileaks es vor der totalen Abzocke durch Bankster bewahrt hatte und man einige Zeit lang ein Herz für Hacker zeigte).

„Die Blockade an sich ist letztlich nichts anderes als eine Unannehmlichkeit, die mit etwas Googlen und dem Einrichten eines VPN leicht ausgehebelt werden kann. Wesentlich ernster ist die Tatsache, dass Rechteinhaber das Justizsystem umgehen können, um ihre Zensurmaßnahmen bei den Providern durchzusetzen“ Ásta Helgadóttir, für die Piratenpartei in Islands Parlament.

Als Erzrivale der Content-Industrie, wurde die Torrent-Suchmaschine The Pirate Bay in den letzten Jahren zur meist zensierten Webseite des Internets, so torrentfreak. Die Gerichte Dutzender Staaten schrieben den nationalen Internet Service Providern vor, das Portal zu zensieren. Die de facto Zensur von The Pirate Bay erfolgte in Island, dem Land, das Wikileaks eine erste Basis lieferte, aber nicht auf staatliche Weisung.

Islands Internet-Provider haben sich in geheimen Verhandlungen mit den Vertretern der Content-Industrie auf The_Pirate_Bay_logo.svganwaltlichen Druck „freiwillig“ geeinigt. Sie müssen die Suchmaschine für das BitTorrent-Netzwerk landesweit blockieren, wovon auch das isländische Sharing-Portal deildu.net betroffen ist. Anlass der zivilrechtlichen Einigung war eine drohende Klage der nationalen Lobbygruppe der Unterhaltungsindustrie STEF, die eine Zensur der unliebsamen Inhalte schon 2014 gerichtlich erzwingen wollte. Der in den USA von der Justiz zu Tode gehetzte Hacker Aaron Swarts sagte dazu:

Es wird Stehlen und Piraterie genannt, als ob das Teilen von Wissensreichtümern das moralische Äquivalent zur Plünderung eines Schiffes und zum Mord der ganzen Crew wäre. Dabei ist Teilen nicht unmoralisch – es ist eine moralische Notwendigkeit. Nur solche, von Gier geblendeten würden einem Freund eine Kopie verweigern. Natürlich sind großen Firmen vor Gier geblendet. Die Regeln in denen sie sich bewegen erwarten dies – ihre Aktionäre würden sich mit weniger auch nicht zufrieden geben. Und die Politiker haben ihnen das abgekauft, erlassen Gesetze die ihnen die exklusive Macht geben, selbst zu entscheiden wer kopieren darf.

 Aaron Swarts, Guerilla Open Access Manifest

Banken-Diktatur: Warum scheiterte Varoufakis Plan einer Parallelwährung?

Prometheus Spiegeltit_FauleGriechen

Tsipras wurde von der EU/EZB/Goldman Sachs-Mafia zum Rücktritt gezwungen. Zuvor hatte man seinen Finanzminister Varoufakis monatelang gemobbt, bis zu einer Hetzkampagne in den Medien unter Führung des Bertelsmann-Konzerns. Varoufakis, der im Gegensatz zu Schäuble tatsächlich etwas vom Finanzwesen versteht, hatte einen Plan B. Doch er durfte ihn nicht umsetzen. Vielleicht, weil er die Macht der Banken generell in Frage gestellt hätte? Geldexperte Lietaer erklärte, wie dies hätte geschehen können. Regional- und Parallelwährungen entmachten die Banken auch ohne gleich Freigeld und Freiwirtschaft einzuführen. Damit bietet der Ex-Zentralbanker sogar den Bilderbergern die Stirn.

Nie zuvor wurde ein europäischer Finanzminister mit soviel medialer Aufkerksamkeit bedacht, wie der sozialistische Grieche und Ökonomie-Professor Yanis Varoufakis. Doch die Medienleute berichteten nicht über seine klugen Verhandlungen mit den gnadenlosen Gläubigern unter Schäubles deutscher Führung, die Medienmeute berichtete auch nicht über seine Kompetenz und Stragtegie, sondern lieber über sein „Auftreten“, seine Unwilligkeit, sich an die Poliker-Kaste anzubiedern, wie es von einem Neuling erwartet wird.

Deutsche Presselügen diffamierten Varoufakis

Deutsche Presselügen stellten Varoufakis als Enfant Terrible, als Motorradrocker, Lederjacken-Geck dar oder diffamierten ihn schlicht als „ Rüpel“. Nur selten wurde erwähnt, dass er ein ausgewiesener Finanzexperte, Professor der Ökonomie und genialer Kopf ist. Von ARD bis RTL und BILD bis SPIEGEL hetzte die tumbe Journaille des Mainstream Tag für Tag monatelang gegen ihn -fast noch mehr als gegen Tsipras selbst. Warum?

Am Ende, nach seinem erzwungenen Rücktritt kam heraus, dass er einen Plan B zum Schuldenschnitt hatte. Eine Parallelwährung sollte den griechischen Binnenraum mit Geld versorgen, auch wenn eine bösartige EZB und feindliche Politik aus Berlin Athen in die Knie hätten zwingen wollen (was sie am Ende taten). Warum musste der griechische Finanzminister unbedingt abgeschossen werden, mit allen Mitteln? (Und wir wissen nicht wirklich genau, mit welchen Drohungen dies geschah.)

Es geschah vermutlich weil Varoufakis das Potential hat, die Machtgefüge des Westblock zu erschüttern, dessen geheime Binnenstruktur von Finanzfirmen beherrscht wird. Im Kern wird der Westen von der privaten (!) Federal Reserve gesteuert, der US-Zentralbank, die den Dollar druckt und das Weltdollarsystem kontrolliert. Die Federal Reserv, kurz Fed genannt, ist von A bis Z als Täuschung der Öffentlichkeit konstruiert, so ist sie weder Federal (also US-Bundesstaatlich) noch Reserve (also Währungsreserve). Nur wenige US-Bürger wissen, dass Goldman Sachs, Morgan, Rockefeller & Co. diese Notenbank besitzen und beherrschen und kaum einer ahnt, was das bedeutet. Wie auch, wenn die Medien nicht (bzw. neuerdings doch hie und da, aber abwiegelnd und desinformierend) über Geheimtreffen der Geldmächtigen mit Politikern wie den Bilderberger-Konferenzen berichten?

Ex-Zentralbanker: Respekt vor Tsipras Leistung

Die EZB (Europäische Zentralbank) ist zwar formal vom Staatenbund EU eingesetzt, aber so unabhängig konstruiert, dass sie kaum kontrollierbar ist. An ihrer Spitze steht mit Mario Draghi ein Goldman Sachs-Manager, der somit auch Verantwortung für die Euro-Einführung in Athen trägt. Heute drangsaliert er zusammen mit Merkel und Schäuble die Syriza-Regierung in Griechenland bzw. hat zu ihrem Rücktritt beigetragen. Unsere deutsche Journaille hat mehrheitlich die Schuld für das Scheitern der Verhandlungen Syriza, Tsipras und Varoufakis zugeschoben. Doch das ist pure Propaganda, wie der belgische Geldexperte Bernard Lietaer meint. Er bedauert, dass Varoufakis Plan B einer Parallelwährung durch den kriminellen Druck der Erpresser in Brüssel und Berlin verhindert wurde.

Ich habe einen Höllenrespekt vor Tsipras. Der Arme. Er zahlt für die Fehler seiner Vorgänger. Die Geschichte ist nicht fair. Wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre, hätte ich bei der Abstimmung eine dritte Option zur Abstimmung gestellt. Die Option, zwei Währungen parallel zu nutzen. Den Euro und die Neo-Drachme. Die Einführung einer Parallelwährung geht heute in nur drei Tagen. Jede Familie hat ein Handy. Das kann man als Bankkonto verwenden und als Bezahlsystem. Dieser Plan B wäre möglich gewesen und Varoufakis war das bekannt. Schließlich gibt es in Großbritannien genau genommen auch zwei Währungen, das britische Pfund und den Euro. Der Währungsexperte Bernard Lietaer in nrhz.de

Die Finanzkrise ist für Lietaer ein Beispiel für die Dominanz der Banken, die sich bis in die Medien hineinzieht. Dort findet man selten oder nie Berichte über das einzige erfolgreiche Beispiel im Umgang mit der Bankenkrise 2008/2009: Island.

Über Island wurde nur während der Krise diskutiert und seitdem wird darüber nicht mehr geredet. Man findet nichts darüber. Island KarteDenn was ist dort passiert? Das Bankensystem ist dort zusammengebrochen, aber man hat die Banken nicht gerettet, sondern die verantwortlichen Banker ins Gefängnis gesteckt. Die Medien schweigen darüber. Es ist fast unmöglich, darüber Informationen zu finden. Das ist unglaublich. Bernard Lietaer

Hier auf Jasminrevolution stand Island natürlich von Anfang an im Mittelpunkt, auch weil -was Lietaer übersieht- die Medien dort von der Whistleblower-Plattform WikiLeaks von Julian Assange ihre ersten Anstöße erhielten. Nur so konnte die Bankster-Kriminalität aufgedeckt und die politische Gegenwehr ermöglicht werden. Auch die isländischen Medien waren jedoch anfangs juristisch blockiert und konnten nur auf die Website von WikiLeaks verweisen. Die hochgelobte Pressefreiheit des Westen erwies sich auch in Island als Hohn, wenn sie gegen die wirklichen Machthaber im Westen vorgehen will, gegen die Finanzmächte, die reichen Schmarotzer, die Medien und Politik korrumpiert haben. Neben nicht korrumpierten, mutigen und fairen Medien braucht der Kampf gegen die Geld“eliten“ auch Mittel, den Alltag zu organisieren, wenn sie ihre Macht missbrauchen und das Finanzsystem lahmlegen, wie derzeit in Griechenland. Lietaer rät zu Regional- und Parallelwährungen.

Es muss nicht gleich Freigeld sein: Parallelwährung Flight Miles
Unterguggenberger

Unterguggenberger

Freigeld als finanzpolitische Guerillamethode wird seit seiner Erfindung und ersten Erprobung während der Wirtschaftskrise 1932 im Experiment von Wörgl (Österreich) verunglimpft und verdammt. Meist wird es einfach als nationale bzw. nationalistische Schrulle abgetan und mit seinem Vorkämpfer Michael Unterguggenberger bzw. dessen Vordenker Silvio Gesell in eine rechte Ecke geschoben. Freigeld ist Geld mit Verfallsdatum („Schwundgeld„), das seinen Wert nach Ausgabe langsam verliert und somit schnell ausgegeben werden muss. Man kann es nicht sparen, es nährt keine Banken und Kapitalisten, aber es hält dennoch den Geld- und Warenstrom der Wirtschaft aufrecht. Aber es muss nicht immer gleich Freigeld sein, wenn man der Macht der Banken entgegentreten will.

Der ehemalige belgische Zentralbanker Lietaer hat konzerninterne Parallelwährungen für diverse Multis (Multinationale Konzerne) konzipiert. Er bestreitet, dass es dabei zu Problemen kommen muss, wie Notenbanken behaupten, die eifersüchtig ihr Geldmonopol verteidigen. Seiner Auffassung nach geht es den Zentralbanken primär um ihre Macht und er verweist aus eigener Erfahrung auf Bonussysteme, die man auch als Währungen analysieren kann.

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Parallelwährung, Wörgl 1932

Zunächst ist wichtig zu verstehen, dass es heute schon hunderte und tausende von Parallelwährungen gibt, die für die unterschiedlichsten Zwecke genutzt werden. Zum Beispiel das Free und Flight Miles System, das seit 45 Jahren im Umlauf ist. Fünfzehn Tausend Milliarden Miles sind im Umlauf. Mehr als alle Dollars und Euros zusammen. Es funktioniert sehr gut, ist stabil, einfach zu Handhaben und kostet nur einen Bruchteil unseres Geldsystems. Die Kritik, die ich an diesen kommerziellen Währungen habe, ist nur die, dass sie nichts für die Gesellschaft tun, sondern einfach nur Anreize sind, mit bestimmten Airlines zu fliegen. Aber ob wir mit dieser oder jener Fluggesellschaft fliegen, ändert nichts und ist ökologisch eher bedenklich. Vor der letzten Krise habe ich in einem Dutzend Ländern mehr als 5000 solcher alternativen Tauschsysteme identifiziert, die von Menschen für die unterschiedlichsten Zwecke erschaffen und genutzt wurden. Bernard Lietaer

Briten: Währungsherrschaft in Ghana

Das Britische Empire beherrschte generationenlang einen Großteil der Erde. Mit Waffengewalt gegen Eingeborene, List und Tücke, das gegeneinander Aufhetzen verschiedener Völker konnte die kleine Ausbeuternation England ganze Kontinente dominieren und plündern. Um 1820 übernahm das Colonial Office die britischen Handelsposten an der Goldküste, verharmlost wikipedia die Kolonialverbrechen Großbritanniens. Zwischen den Briten und dem Volk der Fanti wurde „ein Abkommen geschlossen, um sich gegen die Aschanti aus dem Binnenland zu verteidigen.“ Was für sagenhaftes Glück für die Fanit! Im Jahr 1874 erklärten die Briten den Küstenstreifen zur Kronkolonie (ZDF-Historiker Guido Knopp würde an dieser Stelle in einer Doku die pompöse Orchesterfassung von „God Save the Queen“ erklingen lassen). Das Aschantigebiet im Innern des Landes und auch die so genannten „Nördlichen Territorien“ wurden 1901 endgültig annektiert und vom Gouverneur in Accra direkt verwaltet. Einigen Küstenstädten wurde bereits Mitte des 19. Jahrhunderts indigene Gemeinderäte zugestanden, 1925 kam es unter Gouverneur Gordon Guggisberg zu einer Verfassungsreform. Und so ging die glückliche Kolonie des Empire seiner goldenen Zukunft entgegen -laut Geschichtsklitter-Website Wikipedia zumindest.

Doch weniger bekannt ist, dass dabei z.B. in Ghana auch bereits die Waffe Geld zum Einsatz kam, die regionale Währungen dem Diktat der Bank von England in London unterwarf. Geldexperte Lietaer rät zur Einführung von Regionalwährungen nicht nur für Griechenland: „Es ist völlig unmöglich, in Regionen eine gute Entwicklung ohne Regionalwährung zu haben“, und erklärt dies am Beispiel Ghana.

Unser Geldsystem führt zwangsläufig dazu, dass der Reichtum aus den Regionen abfließt. Es gibt einen Fall, der dies beweist. Die westafrikanische Region, die heute der Staat Ghana ist. Im frühen 19. Jahrhundert war diese Region unter britischer Kontrolle und es gab dort eine eigene Währung. Aus der Sicht der Briten hatte das den großen Nachteil, dass die Bewohner dieser Regionen nichts bei den Briten gekauft haben, weil sie nichts von ihnen brauchten.

Um das zu ändern war es nicht nötig ein Gesetz zu machen, dass die Bewohner gezwungen hätte, bei den Briten zu kaufen, und dann die Armee zu schicken. Es war völlig ausreichend, ihnen die britische Währung aufzuzwingen. Sie haben verfügt, dass jede Familie ihre Abgaben an die Kolonialdiktatur nur mit Shilling bezahlen darf. Also waren die Ghanesen verpflichtet, eine Abgabe zu zahlen, die nur in Shilling akzeptiert wurde. Die BewohnerInnen waren daraufhin gezwungen, in einen Wirtschaftsaustausch mit den Briten zu treten. In nur fünf Jahren waren das traditionelle Geldsystem und die Region wirtschaftlich am Ende.

Wenn wir wollen, dass sich Regionen gut entwickeln, dann geht das nur, wenn diese Regionen eine eigene Währung haben. Das globale Geldsystem sorgt nämlich zwangsläufig dafür, dass der Wohlstand aus den Regionen abfließt. Wir brauchen also zwingend Parallelwährungen, um all diese Probleme zu lösen. Bernard Lietaer

Bernhard Lietear ist ein etablierter, aber durch Erfahrung klüger gewordener und daher kritischer Währungsexperte und war unter anderem Führungskraft der Belgischen Zentralbank. Dort war er verantwortlich für die Einführung des ECU, einer Parallelwährung, die die Euro-Einführung vorbereitete. Lietaer beriet Konzerne, Entwicklungsländer und er war Präsident eines elektronischen Zahlungssystems. 1992 kürte ihn die Business Week zu einem Top-Weltwährungshändler. Heute ist er Research Fellow am Center for Sustainable Resources der University of California in Berkeley und wirbt weltweit für eine Reform des Geldsystems und für die Einführung von Regional- und Parallelwährungen. 2004 erschien sein Buch „Regionalwährungen. Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand“ (gemeinsam mit der verstorbenen Margret Kennedy).

Prism-Leak: Assange sieht Snowden in großer Gefahr

Gerd R. Rueger 12.06.2013 Snowden

Julian Assange hat NSA-Dissident und Whistleblower Edward Snowden geraten, statt in der ehemaligen britischen Kolonie Hongkong lieber in Lateinamerika Asyl zu suchen. Auch das Wunschziel Snowdens, Island, kann nach dem jüngsten Rechtsrutsch und Regierungswechsel in Reykjavik (den Snowden vielleicht nicht mitbekommen hat) nicht mehr empfohlen werden. SpiOn (Bertelsmann) nutzt den Prism-Leak für weitere Hetzkampagne gegen Assange und Wikileaks.

„Lateinamerika hat gezeigt, dass es bei den Menschenrechten vorankommt und eine lange Asyl-Tradition hat“, sagte Assange aus seinem Botschaftsasyl Ecuadors. Snowden hatte sich vor drei Wochen in der Annahme nach Hongkong abgesetzt, dass die dortige Justiz ihn nicht an die USA ausliefern würde. Nach einigen Rechtsexperten soll der 29-Jährige durch das Justizsystem in Hongkong vor der Auslieferung für einige Monate geschützt sein -China ist US-Konkurrent und Hangkong genießt eine gewisse Unabhängigkeit. Noch soll kein US-Antrag vorliegen, doch die Erfahrungen aus dem Fall Assange sollte misstrauisch machen: Die US-Justiz zieht gerne zunächst diplomatische und geheimdienstliche Fäden im Hintergrund. Seit Montag ist Snowdens Aufenthaltsort unbekannt, offenbar ist er in Hongkong untergetaucht.

Das von Snowden enthüllte globale US-Spionagesystem PRISM habe keine rechtliche Grundlage, so Julian Assange. Vor allem sollte man nicht auf die Beteuerungen von US-Präsident Barack Obama hereinfallen, dass keine Gespräche mitgehört würden, außer bei Terrorverdacht. „Man kann überhaupt keinen Erklärungen trauen, die das Weiße Haus abgibt“, sagte Assange, niemand habe Obama den Auftrag für den Ausbau der von Bush begonnenen, massiven globalen Überwachung erteilt. Bei der zur offiziellen Regierungspolitik erklärten Paranoia der US-Regierung („war against terror“) seit 9/11 gerät eigentlich jeder unter „Terrorverdacht“, der kein hirnloser Sklave von US-Interessen sein will -und wie Snowden aufdeckte, selbst viele US-Bürger, die nichts anderes sind.

PRISM, Snowden und Assange im „Spiegel“

SpiOn (SpiegelOnline) nutzt auch den Prism-Leak, um die alten Hetzparolen gegen Julian Assange wieder aufzuwärmen. Damit auch der letzte seiner verblödeten Leser Wikileaks in üblem Licht sieht, kommt SpiOn mal wieder mit der verleumderischen Lüge von den „Vergewaltigungsvorwürfen“ aus Schweden. Die Bertelsmann-Gehirnwäsche soll auch die letzten drei Jahre Arbeit von Wikileaks totschweigen und „erinnert“ seine Infotainment-Konsumenten daran, die  Enthüllungsplattform hätte „…2010 Tausende vertrauliche und geheime Dokumente des US-Militärs und US-Diplomatendepeschen veröffentlicht.“ -Als wäre seit den damals von „Spiegel“ und SpiOn zu profitträchtigen Schlagzeilen vermarkteten Leaks vor drei Jahren nichts mehr passiert -Orwells „Zwiedenken“ in Aktion: Die Geschichte wird gemäß den Machtinteressen der Herrschenden verzerrt und zurechtgelogen. Auch eine Portion Häme kann sich Bertelsmanns SpiOn nicht nicht verkneifen: „Mit der Flucht vor internationalen Strafbehörden kennt sich Julian Assange bestens aus.“ Genau, auch dank SpiOn, Bertelsmann und seiner Hetze.

Zwiedenken (Doppeldenk), im engl. Original doublethink, nur  in älteren Übersetzungen findet sich der treffendere Begriff Zwiedenken.  Zwiedenken ist ein Neusprech-Begriff aus dem dystopischen Roman 1984 von George Orwell und beinhaltet die Fähigkeit, in seinem Denken zwei widersprüchliche Überzeugungen aufrechtzuerhalten und beide zu akzeptieren. Das schließt mit ein: Absichtlich Lügen zu erzählen und aufrichtig an sie zu glauben; jede beliebige Tatsache zu vergessen, die unbequem geworden ist, und dann, falls es wieder nötig ist, sie aus der Vergessenheit zurückzuholen; so lange wie nötig die Existenz einer objektiven Realität zu leugnen und gleichzeitig die Realität zu akzeptieren, die man verleugnet. Selbst der Gebrauch des Begriffes Zwiedenken macht die Verwendung des Zwiedenkens erforderlich. Denn schon allein indem man diesen Begriff verwendet, räumt man ein, die Realität zu manipulieren. Durch eine erneute Anwendung des Zwiedenkens jedoch löscht man diese Erinnerung aus, womit die Lüge der Wahrheit fortlaufend einen Schritt voraus ist. Das dürfte den Bewusstseinszustand des heutigen Durchschnittsmenschen nach regelmäßigem Konsum von Mainstreammedien (ARD, Bertelsmann & Co.) ganz gut beschreiben.

Bradley Manning: Unterstützung von der re:publica 13 aus Berlin

Gerd R. Rueger 06.05.2013

Auch in Berlin gibt es Solidarität mit dem Wikileaks-Whistleblower Bradley Manning. Seit drei Jahren inhaftiert, teilweise unter unmenschlichen Bedingungen, macht die US-Justiz ihm derzeit einen Schauprozess. Auf der Netzkonferenz re:publica 13 begann man mit einem „Ich bin Bradley Manning“-Protest: Birgitta Jónsdóttir, neugewählte Piraten-Kapitänin in Islands Parlament, hält das „A“ in der unteren Reihe; vom Chaos Computer Club entsandt: Andy Müller-Maguhn hält das „Y“ in der oberen Reihe.

Am 1.Juni Bradley-Manning-Demo in Berlin

Free Bradley Manning.pngDirekt von der Internetkonferenz re:publica meldet sich Detlef Borchers für HeiseNews zur Solidaritäts-Erklärung mit dem Whistleblower Bradley Manning. Mitgetragen wurde die Veranstaltung von der Berliner Sektion des „Free Bradley Manning“-Networks, das am 1. Juni im Rahmen des internationalen FreeBradley-Day zu einer Demonstration auch in der deutschen Hauptstadt aufruft. Das Hauptverfahren im Schauprozess gegen Manning wird am 3. Juni eröffnet, begleitet von andauernden Protesten, die in den auf Femen-Oben-ohne-Aktionen etc. fixierten Mainstream-Medien eher nicht vorkommen.

Bradley Manning ist jetzt über Tausend Tage in US-Haft, teilweise eingekerkert unter Bedingungen, die der “Folter nahe kommen”, so Menschenrechts-Organisationen (wir würden einfach sagen: In Folterhaft). Die eines zivilisierten Rechtsstaates unwürdige Behandlung des politischen Dissidenten Manning durch die USA ist ein seit Jahren in unseren Medien totgeschwiegener Skandal. Journalisten, die sich vor Mitgefühl schier überschlagen, wenn es um Dissidenten anderer Machtblöcke geht -etwa PussyRiot-, lässt das Schicksal des mutmaßlichen Whistleblowers kalt. Die von Anons und anderen organisierten Demos litten unter Aufmerksamkeits-Entzug  für Netzkultur-Themen durch die Medien, die auch dem Privacy-Day und der Piraten-Partei in der Vergangenheit zu schaffen machten.

Bradley’s attorney David Coombs

„I am Bradley Manning“ -so protestierten Bürgerrechtler jüngst auch vor dem Büro der SF-Pride-Parade, unter ihnen Daniel Ellsberg, der Whistleblower der Pentagon-Papers. Die Pride-Organisatoren hatten Manning wieder ausgeladen, (symoblisch) die Ehrenposition eines Marshalls inne zu haben. Wollen Kaliforniens Schwule, Lesben und Transsexuelle nichts mit einem Menschen zu tun haben, der im Militärdienst wegen seiner sexuellen Orientierung diskriminiert wurde?

Auch die ehemalige Wikileaks-Aktivistin Birgitta Jónsdóttir gehört zu den Menschen, die fest zu Bradley Manning stehen. Auf der re:publica-Vorabveranstaltung ließ sie einen Trailer abspielen, der für Judith Ehrlichs Film Outlaws and Pioneers of the Electronic Frontier wirbt, so Detlef Borchers. In Berlin erklärte sie, wie sie gegen den „media blackout“ kämpft, wie sie ihrem eigenen iPhone und ihrem Computer nicht mehr über den Weg traue: Sensitive Inhalte hätten auf ihnen nichts zu suchen. Das sei schwierig, denn Birgitta Jónsdóttir arbeite an einer Anthologie namens „1001 Nights“, gemeint sind die 1001 Tage, die Bradley Manning schon jetzt in Haft ist. Der NDR-Journalist John Goetz, der als Wikileaks-Unterstützer bei der Nachbearbeitung des Collateral-Murder-Videos beteiligt war, erinnerte sich auf der re:publica, dass damals niemand wusste, dass Bradley der Whistleblower war, so Borchers. Im deutschen Wikipedia findet sich Collateral Murder übrigens nicht unter dem weltweit bekannten Titel des Videos, sondern unter „Luftangriffe in Bagdad vom 12. Juli 2007„; Wikipedia folgt anfangs der Darstellung der US-Militärs und überschreitet tendenziell die Grenze zwischen „neutraler Darstellung“ und Verharmlosung.

Birgitta Jónsdóttir, member of parliament for the Pirate Party

Der Besuch von Piraten-Kapitänin Birgitta Jónsdóttir ist eine besondere Ehre: Eigentlich hätte sie in ihrer Heimat Island derzeit genug zu tun, wo nach einem Rechtsrutsch bei den Wahlen gerade Verhandlungen um eine Regierungsbildung laufen. Dort wollen sich die just erstmals ins Parlament in Reykjavik eingezogenen Piraten  einer Zusammenarbeit mit den Altparteien verweigern: Ihre Partei wolle nicht in die Regierung, so Birgitta. Auch auf der Wikingerinsel scheint die Kluft zu groß zu den alten Mächten, die keine grundlegende Änderung des derzeitigen Systems zwischen Plutokratie, Finanzdiktatur und Medienherrschaft wollen.

Island-Piraten: Der Geist von Beppe Grillo über den Gletschern

Gerd R. Rueger 30.04.2013 flagisland

Wie Beppe Grillos 5-Sterne-Piraten in Italien wollen sich auch die Piraten in Reykjavik der Zusammenarbeit mit den Altparteien verweigern. Piraten-Kapitänin Birgitta Jónsdóttir sagte, ihre Partei wolle nicht in die Regierung. Auch auf der Wikingerinsel scheint die Kluft zu groß zu den alten Mächten, die keine grundlegende Änderung des derzeitigen Systems zwischen Plutokratie, Finanzdiktatur und Medienherrschaft wollen.

Nach dem Rechtsrutsch bei den Wahlen vom Wochenende, der für die Piraten nach einer Zitterpartie doch noch ein glückliches Ende nahm: Die Regierungsbildung läuft jetzt an, unter Vermittlung durch Islands beliebten Präsidenten Ólafur Ragnar Grímsson, der mehrfach Milliarden-Zahlungen der Regierung an Finanzfirmen stoppte, die im Verein mit heimischen Bankstern das isländische Volk ausplündern wollten. In Italien kam bekanntlich mit Mario Monti (Goldman Sachs) sogar ein Vertreter der Banken an die Macht, was Beppe Grillos Verweigerung noch unumgänglicher machte. Italien werde im Herbst Neuwahlen erleben, prognostizierte Grillo, weil das Weitertreiben des maroden Systems aus Spekulationsblasen auf Kosten der Staatskassen und Sozialabbau zu Lasten der Armen, Alten und Kranken der westlichen Gesellschaften dann endgültig am Ende sei.

Piraten wollen keine Komplizen der Plutokratie sein

Diesen Weg wollen Islands Piraten nicht mitlaufen, im Gegensatz zur rotgrünen Regierung, die sich zwar weit besser schlug als andere linke oder pseudolinke Parteien Europas, aber letztlich keine wirklich grundlegenden Änderungen zuließ. Gestern gab es in Reykjavik den ganzen Tag Treffen mit jedem einzelnen Vorsitzenden der sechs Parteien, die ins Parlament einziehen konnten.  Die letzte Vorsitzende, die der Präsident eingeladen hatte, war Birgitta Jónsdóttir, die Kapitänin der  Piratenpartei .

Birgitta Jónsdóttir, member of parliament for the Pirate Party„Wir wollen nicht in der Regierung sein „, sagte Birgitta Jónsdóttir am Abend, kurz nach ihrem Treffen mit Präsidenten Grímsson. Dies ist nicht das erste Mal, dass die isländische Piratenpartei sich zu diesem Thema äußert. Birgitta deutete es vor den Wahlen mehrfach an, dass es keine Priorität für die Piratenpartei sei, in der isländischen Regierung Ämter zu übernehmen. Birgitta sagte: „Wir glauben, wir können viel mehr Einfluss im Parlament haben, wenn wir weiter daran arbeiten, wie die Bewegung es während der letzten Zeit getan hat.“
Birgitta und ihre Kollegen wollen sich für eine bessere Zusammenarbeit in der Politik einsetzen und auch versuchen mehr Macht für das Parlament zu erstreiten. „Und ich hoffe, dass die Verhandlungen mit der Regierung jetzt zu einer anderen Form der Machtausübung führen, als wir sie bislang gewohnt waren“.
Auf die Frage, wen man am besten mit der Regierungsbildung beauftragen könnte, soll Birgitta empfohlen haben, zunächst die agrarisch-reaktionäre Fortschrittspartei ihr Glück versuchen zu lassen. Diese Partei vertritt traditionell die Fischer und Bauern Islands, was einen allzu schnellen Rückfall in den neoliberalen Irrsinn der Unterwerfung unter das Diktat der globalen Finanzmafia erschweren könnte.  Es ist noch nicht klar, wem und wann der Präsident das Mandat erteilen wird, aber eine Entscheidung wird bald fallen, vermutlich schon morgen.
Ausbeuter-Modell „Finanzoase“ krachte zusammen
Vor vier Jahren krachte das neoliberal-rechtspopulistische Modell von Island Icelandic Pirate Partyals Finanzoase spektakulär zusammen.  Unter dem Schock eines drohenden Staatsbankrotts lernten die stockkonservativen Isländer plötzlich zu demonstrieren und jagten die alte korrupte Regierung zum Teufel. Wikileaks hatte die kriminellen Machenschaften ihrer Bankster aufgedeckt und Julian Assange durfte im Isländischen Fernsehen seine Ideen von einer transparenten Demokratie im digitalen Zeitalter erklären. Ins Parlament zog die piratenhafte Protestpartei “Die Bewegung” mit Birgitta Jónsdóttir -damals Mitstreiterin von Julian Assange, jetzt bei den Piraten Islands. Doch nicht genug, Island sollte mit der IMMI (Islandic Modern Media Initiative) zur Datenoase werden, eine neue Verfassung wurde per Crowdsourcing erarbeitet, aber kam zuletzt doch nicht ganz durch. Die Wikinger stellten am Ende sogar ihren Ex-Premierminister vor Gericht: Geir Harde, der mit den Bankstern gekungelt hatte. Jetzt bekam seine neoliberale Rechtspartei mit ein paar jüngeren Gesichtern doch wieder Oberwasser bei den Isländern -vor allem auch, weil diese nicht mit der rotgrünen Linksregierung in die von Lakaien der Finanzmafia dominierte EU wollten. Aller Wahrscheinlichkeit nach kommen die Wikinger mit ihrem Rechtsruck jetzt jedoch vom Regen in die Traufe.

Finanzmafia verliert gegen Wikileaks

Gerd R. Rueger 30.04.2013 flagisland

Reykjavik. Wikileaks errang vor dem Supreme Court einen bedeutenden juristischen Sieg. Das Gericht verurteilte den Finanzboykott gegen Wikleaks  als illegal. Im Einklang mit der US-Regierung hatten Finanzfirmen sich 2010 geweigert Spenden weiterzuleiten, um WikiLeaks in die Enge zu treiben. Julian Assange war damals von den USA zum Staatsfeind Nr.1 erklärt  und mit Sex-Beschuldigungen extremer Stigmatisierung ausgesetzt worden. Jetzt könnte es um Schadensersatz in Millionenhöhe gehen.

JAWikiLeaks konnte letzte Woche, im medialen Windschatten des Wahl-Endspurts,  auch vor dem höchsten isländischen Gericht einen weiteren bedeutenden juristischen Sieg erringen. Das Gericht verurteilte den Finanzboykott von 2010, als  sich mutmaßlich in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der US-Regierung etliche Finanzdienstleister weigerten, Spenden an WikiLeaks weiterzuleiten, als illegal. Julian Assange war zu dieser Zeit von den USA zum Staatsfeind Nr.1 erklärt worden und zudem mit sexuell begründeter Strafverfolgung aus Schweden extremer Stigmatisierung ausgesetzt -zu der dann auch noch Geldnot kam.

Die Kreditkartenfirmen Visa und MasterCard hatten sich während der Cablegate-Veröffentlichungen Ende 2010 plötzlich geweigert, weiterhin Spenden weiterzuleiten. Zeitweise war die deutsche Wau-Holland-Stiftung die letzte Geldquelle der von Hunderten US-Agenten gehetzten Whistleblower. Später dafür polizeilich verfolgte Hacker von Anonymous hatten damals in der „Operation Payback“ zu Netzattacken gegen Finanzfirmen gegriffen, um auf die rechtswidrige Drangsalierung hinzuweisen. WikiLeaks betonte, der illegale Boykott habe zu einem Rückgang der Spenden um 95 Prozent geführt. Dies ist zwar eine Angabe, die aus Sicht der Finanzfirmen angeblich nicht zu verifizieren ist, die sich jedoch sehr leicht aus vorherigen Monaten hochrechnen lässt -im Geschäftsleben ein übliches Verfahren, um das Ausmaß einer Geschäftsschädigung zu beziffern. Wenn für ein paar Stunden via DDOS aus dem Netz genommene Onlinefirmen so ihre angeblichen Verluste beschreien, wird das von Medien auch gerne so hingestellt -obwohl die z.B. Buchkäufer höchstwahrscheinlich später ihre Bestellung nachholen dürften. Im Fall Wikileaks verweisen viele Journalisten merkwürdigerweise abJAssangeBobbyer ausdrücklich darauf, wie schwer solcher Schaden doch zu verifizieren sei. Und das, obwohl bei monate- und jahrelanger Blockade ein tatsächlicher Schaden kaum abzuleugnen ist.

„We thank the Icelandic People“

Julian Assange wandte sich nicht nur an die Richter, sondern an die ganze 400px-Iceland_relief_mapBevölkerung Islands und bezeichnete das Urteil als einen Sieg für die Meinungsfreiheit:

Wir danken dem isländischen Volk dafür, dass es uns gezeigt hat, dass es sich nicht von mächtigen, von Washington unterstützten Finanzdienstleistern wie Visa einschüchtern lässt… Und wir schicken eine Warnung an die anderen Firmen, die in diese Blockade verwickelt sind: ihr seid die Nächsten„. (gulli)

Mit seinem Richterspruch bestätigte der „Supreme Court“ in Reykjavik  das Urteil eines Bezirksgerichts, dem zufolge MasterCards lokaler Partner Valitor seinen Vertrag mit WikiLeaks‘ Finanzdienstleister DataCell rechtswidrig kündigte. Valitor hat jetzt binnen einer Frist von 15 Tagen das WikiLeaks-Spendenkonto wieder zu eröffnen. Für jeden weiteren Tag droht der Firma eine Konventionalstrafe von 800.000 Isländischen Kronen (gut 5200 Euro).

WikiLeaks ist jetzt guter Hoffnung, dass das isländische Urteil einen Präzedenzfall für weiter laufende Klagen in anderen Ländern schaffen wird. Besonders im ebenfalls der skandinavischen Rechtskultur verpflichteten Dänemark ist durchaus eine ähnliche Rechtsprechung zu erwarten. Die Strategie, das von WikiLeaks als Finanzblockade eingeschätzte Verhalten der Finanzfirmen lokal zu bekämpfen, hat sich bisher als zwar mühsam und langwierig, aber dennoch als soweit erfolgreich bestätigt. Jetzt bleibt nur noch abzuwarten, ob von den Finanzbütteln der US-Regierung auch ein angemessener Schadensersatz für die angerichteten Einbußen einzuklagen ist. Auch dagegen werden sie sich vermutlich mit allen juristischen Tricks zur Wehr setzen, die man mit viel Geld von teuren Anwälten bekommen kann.

Der tatsächliche Schaden wird jedoch kaum wieder gut zu machen sein: WL_LogoWikileaks wurde von den Bankstern in der Stunde höchster Not im Stich gelassen, was sicher zur Zerstörung der damaligen Hacker-Tafelrunde beigetragen hat. Und das, nach allem was die Netzaktivisten für die Finanzbranche getan hatten: Mit aufklärenden Leaks wollte Wikileaks den Grundstein für eine künftig ehrliche Betriebsführung mit sauberen Methoden legen. Doch dieses noble Projekt war wohl nichts, was Bankster sich gewünscht hatten. Sollten eines Tages wieder ein paar ehrenhafte Bankkaufleute in diesem heute dubiosen Metier in Spitzenpositionen gelangen, werden sie Julian Assange vielleicht sogar die Bilderberger-Rockefeller-Rothschild-Medaille für Verdienste im Kampf gegen dunkle Finanzkriminelle  und dreiste Schwarzgeldschieber verleihen müssen.

Island: Rotgrün abgewählt, aber Piraten drin!

Gerd R. Rueger 29.04.2013 Icelandic Pirate Party

„Als die letzten Stimmen ausgezählt wurden, sprangen wir über die 5-Prozent-Hürde“, so am Wahlabend die Piratin Birgitta Jónsdóttir, bekannt als Mitstreiterin von Wikileaks. Doch die rotgrüne Reformregierung ist abgewählt. Island kehrt zurück zu seiner konservativen Grundlinie -Unterschied: Diesmal sitzen immerhin Piraten im Parlament. Vielleicht besteht doch noch Hoffnung für das Projekt der „Islandic Modern Media Initiative“, die gefloppte Finanzoase zu einer digitalen Datenoase zu machen.

Piratin Birgitta Jónsdóttir

Vor vier Jahren krachte das neoliberal-rechtspopulistische Modell von Island als Finanzoase spektakulär zusammen.  Unter dem Schock eines drohenden Staatsbankrotts lernten die stockkonservativen Isländer plötzlich zu demonstrieren und jagten die alte korrupte Regierung zum Teufel. Wikileaks hatte die kriminellen Machenschaften ihrer Bankster aufgedeckt und Julian Assange durfte im Isländischen Fernsehen seine Ideen von einer transparenten Demokratie im digitalen Zeitalter erklären. Ins Parlament zog die piratenhafte Protestpartei „Die Bewegung“ mit Birgitta Jónsdóttir -damals Mitstreiterin von Julian Assange, jetzt bei den Piraten Islands. Doch nicht genug, Island sollte mit der IMMI (Islandic Modern Media Initiative) zur Datenoase werden, eine neue Verfassung wurde per Crowdsourcing erarbeitet, aber kam zuletzt doch nicht ganz durch. Die Wikinger stellten am Ende sogar ihren Ex-Premierminister vor Gericht: Geir Harde, der mit den Bankstern gekungelt hatte.

Doch dann wollte die rotgrüne Linksregierung aus sozialdemokratischer Allianz und Linksgrüner Bewegung auch noch in die EU. Das war den euroskeptischen Isländern dann doch zuviel. Der erzkonservative Isländer, der seine Makrelen fischen will, wie es ihm gerade passt, statt nach EU-Fangquoten war ungnädig. Der neoliberal-finanzbegeisterte Jungisländer hat zwar seinen fett bezahlten Job bei den Bankstern meist verloren, aber links ist er noch lange nicht. Datenschutz? Island lässt seine Bevölkerung gentechnisch überwachen, zum Nutzen der Gentechnik-Industrie. Und Europa war den Wikingern schon immer suspekt. Zumal die Merkel-Dominanz und rabiat-unsoziale Ausplünderung der Finanzkrisen-Verliererländer die EU derzeit noch abschreckender dastehen lässt. Auch der Pesthauch von Merkels schwarzgelber Kaputtspar-Politik hat dem isländischen Reformprojekt vorerst das Licht ausgeblasen.

Also läuft der Wähler zwischen den Gletschern wieder seinen alten Führern hinterher, und die sind konservativ. Des verurteilten Herrn Hardes Nachfolger als Chef der konservativ-neoliberalen Unabhängigkeitspartei, Bjarni Benediktsson, wird jetzt Ministerpräsident mit Hilfe der Rechtsliberalen und agrarisch-reaktionären Fortschrittspartei. Benediktsson ist ein 43-jähriger Jurist aus reichem Hause, der vier Jahre lang in Deutschland studiert hatte, auch darum wird Reykjavik jetzt von der Europäischen Union und dem Euro wohl eher die Finger lassen.

Endgültiges Wahlergebnis nach News of Iceland

Progressive Party – 24,4% (19)
Independence Party – 26,7% (19)
Social Democratic Alliance – 12,9% (9)
Left-Green Movement – 10,9% (7)
Bright Future – 8,3% (6)
Pirate Party – 5,1% (3)

Parties that did not pass the 5% election threshold:

Right Green Party – 1,7%
Humanist Party – 0,1%
Household Party – 3,0%
Rainbow – 1,0%
Sturla Jónsson – 0,1%
Democracy Watch – 2,5%
Rural Party – 0,2%
Alþýðufylkingin – 0,1%
Dawn – 3,1%

So gab es für die Piraten doch nur 5,1%=3 seats (zeitweilig sah es sogar nach 4 Sitzen im Parlament aus)

The party got 5.1% of the votes, Pirate Party members who got elected and will take their seat at the Icelandic parliament are:

  • Birgitta Jónsdóttir, WikiLeaks volunteer and former MP from 2009 – 2013
  • Jón Þór Ólafsson, business administration student at the University of Iceland
  • Helgi Hrafn Gunnarsson, programmer

Birgitta Jónsdóttir Birgitta Jonsdottir

One of many in the circle of co-creation at Pirate Party · 1,049 subscribers

„…we climbed over the 5% when the lats voes were counted. So it is official – the Pirate Party of Iceland has 3 members of the Icelandic parliament. We hope this will be an encouragement to Pirates all over the world.“ Posted in News of Iceland
Passend zum PiratenThe Pirate Bay is now in Iceland-Wahlerfolg zog jüngst die Netz-Tauschbörse The Pirate Bay aus dem juristisch zunehmend unfreundlich gewordenen Schweden nach Island -hoffentlich macht die neue bzw. bald zu erwartende Rechtsregierung in Reykjavik diesen Ortswechsel nicht zum Debakel.