Freiheit für Investoren, Sklaverei für Dich: Konzerndiktatur mit CETA oder TTIP?

Daniela Lobmueh

CETA ist wie TTP und TTIP im Kern eine Verschwörung korrupter Politiker und Industriebarone, die insgeheim hinter der Parole vom „Freihandel“ versteckt, die Ausbeutung verschärfen und die Demokratie untergraben wollen. Der geheim gehaltene CETA-Text wurde geleakt und entspricht dieser Einschätzung völlig. Nachbesserungen, die als Zugeständnisse an Kritiker verkauft wurden, erweisen sich als Augenwischerei. Kern auch von CETA ist der „Schutz von Investoren“, d.h. die Dominanz des Geldes über die Menschenrechte. Wie soll die Diktatur der Konzerne nach TTIP oder CETA funktionieren?

CETA („Comprehensive Economic and Trade Agreement“ auch als „Canada-EU Trade Agreement“ gelesen), heißt das geplante europäisch-kanadische „Freihandelsabkommen“. Es wurde im Oktober 2013 von EU-Kommission und der kanadischen Regierung beschlossen, bedarf jedoch noch der Legitimation durch das EU-Parlament und den Europäischen Rat der EU, die jetzt im September erfolgen soll. Der Inhalt dieses wie vieler ähnlicher Abkommen war geheim -bis die Whistleblower kamen. Nun ist ein PDF des für Nichtjuristen leider schwer verständlichen Textes im Netz, erstaunlicherweise auch von der ARD zugänglich gemacht: CETA-Volltext (521 Seiten).

Unsere Medien vernebeln meist mehr als über diese angeblichen „Handelsabkommen“ zu informieren. Besonders der Bertelsmann-Medienkonzern bemühte sich, die drohende Knechtung von Mensch und Umwelt durch Profitinteressen anzupreisen.

Wie funktioniert die Konzerndiktatur?

CETA gilt als maßgeblich für das drohende TTIP. Die TTIP-Diktatur der Konzerne soll bekanntlich durch Sogenannte TPP_TTIPSchiedsgerichte, in Wahrheit paralegale Geheimgerichte, ausgeübt werden. Dort können Firmen imaginierte Profiteinbußen bei Völkern einklagen, die der Ausbeutung von Mensch und Umwelt Grenzen setzen wollten. Mit dem CETA-Schiedsverfahren (im verlogenen Juristen-Kauderwelsch „Investor-State Dispute Settlement“ genannt) würden die Weichen auch für gleiche Regelungen bei TTIP gestellt. Denn mit CETA könnten US- oder EU-Konzerne über kanadische Tochterfirmen EU-Staaten verklagen -schon ohne TTIP.

Dank jahrelanger mühsamer Kritik an den geheim tagenden Schiedsgerichten sieht CETA nun angeblich ein gewisses Maß an Transparenz vor (X.33: Transparency of Proceedings). Bei genauerem Hinsehen erweisen sich die sogenannten Zugeständnisse von Industrie und ihnen dienstbarer Politiker aber als reine Augenwischerei.

Der einen Staat bzw. ein Volk verklagende Konzern kann, muss aber nicht, seinen Anspruch offen vorlegen. Schiedsverfahren „sollen grundsätzlich“ öffentlich stattfinden -es sei denn, die „Richter“ schließen die Öffentlichkeit aus, um „vertrauliche oder geschützte Informationen“ zu wahren. Dies ist ein perfider Gummiparagraph, denn wo immer irgend etwas für eine Firma nicht zu ihrem Glanz und Gloria gereicht, hat sie noch stets auf ihr „Geschäftsgeheimnis“ gepocht. Vor Verhandlungsbeginn sollen angeblich „die wichtigsten Dokumente“ publiziert werden -vermutlich aus Sicht der Konzerne bzw. der von ihnen bestellten „Richter“, die in Wahrheit von der Wirtschaft bestellte Wirtschaftsanwälte aus speziellen, nur Konzerninteressen verpflichteten Wirtschaftskanzleien sind. Die ganze kriminelle Korruption, mit der in diesem mafiösen Milieu die Demokratie untergraben werden soll, wird von Konzernen in ihren Methoden und Strukturen als „Geschäftsgeheimnis“ betrachtet.

Mit seinem Schiedsspruch kann das Schiedsgericht finanzielle Entschädigungen verhängen für finanzielle Einbußen und besonders natürlich für Enteignungen. Gegen einen Schiedsspruch sind keine Einspruchsmöglichkeiten vorgesehen, wozu auch? Das ganze Prozedere spricht jeder Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit ohnehin Hohn. Schon die geheimdiplomatische Durchsetzung hat nichts mit Rechtsetzung durch legitimierende Demokratie zu tun, sondern ist verschwörerische Knechtung von Machtunterworfenen durch Plutokratie. Rechte erhalten nur die Konzerne gegen die Völker, selbst ein paar Transparenzpflichten sind nur als Kann-Bestimmungen vorgesehen. Soll-Bestimmungen treffen dagegen die geknechteten Menschen, denen zum Nutzen der Profite das letzte Hemd geraubt werden soll.

Konzernknechtschaft: An armen Ländern erprobt

Wie ausländische Investoren gegen Gesetze und staatliche Maßnahmen klagen können, wird detailliert in „Section 6: DollarPyramidInvestor-State Dispute Settlement“ beschrieben. Solche Investorenklagen nach internationalem Recht sind nichts völlig Neues: Die UNO-Handelsorganisation Unctad listete Ende 2012 genau 514 Klagen auf, meist von Konzernen aus den USA, den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland. Aber da die Konzernklagen bislang meist arme Länder des Südens knechten, wäre diese diktatorische „Paralleljustiz“ für den transatlantischen Handel neu –jetzt wären auch die Völker Kanadas und der EU betroffen. Von ihren Politikern an die Geldelite verraten, wären sie einer weiteren neoliberalen Entdemokratisierung ihrer Gemeinwesen ausgesetzt.

Gegen diese Schiedsgerichtsverfahren hatte erstaunlicherweise Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am 26. März 2014 bei EU-Handelskommissar Karel de Gucht protestiert, es „liegt beim Investitionsschutz ein sensibler Kernpunkt, der am Ende über die Zustimmung Deutschlands zu einem transatlantischen Freihandelsabkommen entscheiden kann“. Schiedsgerichtsverfahren unter „zivilisierten Ländern“ seien „unnötig“ -nicht aber prinzipiell abzulehnen, meint Gabriel. Die vorliegende Version des CETA-Abkommens wurde am 1. August 2014 hastig erstellt und am 5. August den 28 EU-Regierungen und der kanadischen Regierungen für Einsprüche übermittelt. Das Abkommen soll schon am 25. September 2014 vom kanadischen Premierminister Stephen Harper und EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso während eines EU-Kanada-Gipfels in Ottawa offiziell vorgestellt werden, so telepolis. Zu Protesten dagegen wird freundlich geraten.

Das TTIP des Pazifikraumes heißt TTP (Trans-Pacific Partnership)

Schon 2009 wurde ein Kapitel des geheimen TTP-Abkommens auf Wikileaks veröffentlicht, in dem es um den Schutz geistigen Eigentums geht -es erwies sich als Doppelgänger von ACTA („Anti-Counterfeiting Trade Agreement“), das im Juli 2012 nach großen Protesten der Netzkultur vom Europäischen Parlament abgelehnt wurde.

Proteste gab es auch gegen TTIP -wird CETA übersehen…?

 

 

Ungarn: Kulturkampf und EU-Kompromisse

Gerd R. Rueger 02.02.2013

Die Zensur der staatlich finanzierten Hochkultur Ungarns macht derzeit Schlagzeilen im deutschen Feuilleton. Orban wolle dumpf-nationalistische Töne durchsetzen, seine Regierung habe wohl ein Problem damit, dass Künstler sich zu ihrer Homosexualität bekennen usw.  ABER: Die Integration des Rechtspopulisten in die Brüsseler EU-Plutokratie kommt voran. Doch im Parlament wird von rechtsextremen Jobbiks, einer Abspaltung von Orbans Fidesz-Partei, offen Antisemitismus proklamiert und gegen Roma hetzt man ebenfalls weiterhin in Budapester Medien.

Orban und Barroso

„Es war ein sehr gutes Treffen!”, sagte Minister­prä­sident Viktor Orbán, nachdem er am Mittwoch dieser Woche bei  EU-Kommis­si­ons­präsident José Manuel Barroso  in Brüssel vorstellig wurde. Nach seinem Gespräch mit Orbán erklärte Barroso bei einer gemeinsamen Presse­konferenz, er habe versucht, den ungarischen Regierungschef davon zu überzeugen, dass ein Beitritt zur entstehenden EU-Bankenunion nötig sei.

Orban und EZB-Chef Trichet

Nach seinem Vortrag im Brüsseler Think-Tank „Bruegel-Institut“, sagte Orbán, dass er den Namen des neuen ungarischen Notenbank­prä­si­denten dem ungarischen Staatsoberhaupt János Áder erst einen Tag vor Ablauf der Frist vorschlagen werde, berichtete die Budapester Zeitung. Der Premier habe betont, dass er der Unabhängigkeit der Notenbank verpflichtet sei, es sei aber auch sinnvoll zu überprüfen, wie in anderen Ländern die Zusammenarbeit zwischen Noten­bank und Regierung funktioniere. Ob etwa das in den USA bewährte System, wo die Nationalbank (Federal Reserve) aktiv helfe, die wirtschaftlichen Ziele der Regierung zu erreichen, nicht besser sei als die EZB in Europa. Orbán habe gesagt, dass sich die Frage ganz Europa stellen müsse: Ist denn nun die absolute Unabhängigkeit der Notenbank der richtige Weg oder das amerikanische System? Leider fragt  Budapester Zeitung nicht, ob Orban bewusst ist, wer bei der Fed in den USA das Sagen hat: Goldman Sachs, J.P.Morgan und andere Großbanken -denen gehört die privatisierte US-Notenbank. Doch was ist mit den europäischen Vorbehalten gegen Orban geschehen?

EU-Justizkommissarin Reding bemängelte 2012, dass Orban das Renteneintrittsalter für Richter, Staatsanwälte und Notare in Ungarn von 70 auf 62 Jahre abgesenkt hat. Reding sieht darin eine unzulässige Altersdiskriminierung und kritisiert, dass im Jahr 2012 alleine schon 236 Richter früher in Pension gehen müssen, also zehn Prozent der ungarischen Richterschaft. Dies weckte den Verdacht, dass die Justiz damit politisch “gesäubert” werden sollte –von Orban-Kritikern nämlich. Die EU-Kommissarin beantragte ein Eilverfahren beim EU-Gerichtshof und forderte Ungarn auf, das strittige Gesetz bis zum Urteil nicht in Kraft zu setzen -und gewann gegen Orban. Die EU-Kommission betonte damals, dass Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz in Ungarn bestehen. Brüssel behält sich hier die Eröffnung eines weiteren Vertragsverletzungsverfahrens vor, weil fragwürdig scheint, dass Orbans neuer Präsident des von den Rechtspopulisten installierten neuen Justizamtes den Gerichten Fälle zuweisen darf; ferner darf er Richter ohne deren Zustimmung versetzen, sollten sie nicht wie von Orban geplant funktionieren. Ein Rechtsstaat sieht anders aus. Am rechten Rand der Medien war seinerzeit schon ein Aufatmen zu vernehmen, denn am wichtigsten nimmt man dort das Geld. Und Orbans Notenbankgesetz fand nach zähen Verhandlungen doch die Gnade Brüssels -die EZB hatte nur Einwände gegen eine Gehaltskürzung des Notenbankgouverneurs. Jetzt herrscht an dieser Front eitel Sonnenschein. Für die Menschen in Ungarn sind das keine guten Nachrichten.

Schon nach den umstrittenen Mediengesetzen sahen viele ein Horrorszenario für Europa, wenn es Viktor Orban langfristig gelänge, in Budapest eine Mediendiktatur zu installieren – nach Vorbild Berlusconis, nur schlimmer. Sie zeichnet sich bereits ab, und das auch noch ohne große Scheu vor Anleihen bei neofaschistischen Bewegungen. Vorbereitet wurde Orbans Machtübernahme auch durch militante Rechtsextreme, Skinheads und die schwarz uniformierte “Ungarische Garde” im Stil von Ferenc Szálasis Pfeilkreuzlern. In Straßenschlachten mit der Polizei übte sich das neoliberale Gegenmodell zum Sozialstaat für den individualisierten, eigenverantwortlich geführten Krieg des Homo Ökonomikus.

Vorbereitet wurde Orbans Ungarn durch die “postkommunistischen” Sozialisten der MSZE in Budapest, die der Rechtspopulist beerben konnte. Die Donausozialisten standen in der Tradition des New Labour von Blair und Schröder – quasi nach Balkan-Art aber letztlich nicht so unterschiedlich. Die hemmungslose Bereicherung einer Machtelite, die Sozialabbau und Lohndumping mit hoher PR-Kompetenz als “Notwendigkeit im scharfen Wind des internationalen Wettbewerbs” verkauft (vergleiche Agenda2010). Der Clou dabei: Weil die verantwortlichen Akteure angeblich Sozialdemokraten oder Sozialisten sind, kann man den Zorn über die Sparprogramme auf den “Sozialismus”, sprich den Sozialstaat umlenken. Am Ende greifen die solcher Medien-Bearbeitung ausgesetzten Menschen auf überkommenen Nationalismus zurück, fallen auf Hetze gegen Minderheiten herein – in Ungarn vor allem die Roma – und rufen nach einer starken, wenn nicht autokratischen Führungspersönlichkeit.

Hier kann keine Entwarnung gegeben werden. Ein jüngst in der Tageszeitung Magyar Hírlap erschienene Meinungsartikel des Publizisten Zsolt Bayer etwa hat die „Zigeunerfrage” wieder auf die rassistische Agenda gesetzt. In seinem skandalösen Kommentar hat Bayer Roma und Sinti grob denunziert: „Diese Zigeuner sind Tiere, und sie verhalten sich auch wie Tiere”. In Bayers Text sollte offenbar auch der Eindruck erweckt werden, dass ein Großteil der Roma Verbrecher sei -ein übliches Vorurteil, das nicht auf Ungarn beschränkt ist.

Der Rechtspopulist Orban profilierte sich gegenüber der MSZE als angebliches Bollwerk gegen den “wilden Kapitalismus” und überschlug sich mit sozialen Versprechungen, etwa einer 14. Monatsrente. Er spielte aber auch die nationale und die rassistische Karte gegen eine prekarisierte Roma-Minderheit und mit der erwähnten Einführung einer Auslands-Ungarn-Staatsbürgerschaft, die vor allem in der Slowakei Besorgnis auslöste. Seine Fidesz schluckte neben den Christdemokraten auch die rechtsextreme MIEP, die Orbans erste Regierung schon 1998-2002 im Parlament toleriert hatte.

Rechtsextremer Ableger des Fidesz wurde die 2004 von Studenten gegründete Jobbik-Bewegung, die sich auch aus der MIEP speiste. Nach den Budapester Unruhen 2006 gründete Jobbik 2007 die militante “Ungarische Garde”, die 2009 verboten wurde. Jobbik-Chef Vona legte trotz Verbots (auch gerade des Tragens der schwarzen Uniform wegen) am 14.5.2010 seinen Eid vor dem Parlament in der Uniformweste der Ungarischen Garde ab, die der Tracht der Pfeilkreuzler-Faschisten des mit Hitler verbündeten Horthy-Regimes nachempfunden ist. In dieser schwarzen Uniform marschierten die Neofaschisten bis zum Verbot auch durch Roma-Dörfer, um die ins Abseits gedrängte Minderheit zu terrorisieren und zu verhöhnen. Vom neoliberalen Marktglauben über heuchlerische Pseudo-Sozialisten bzw. -Sozialdemokraten führt so ein direkter Weg zu neorassistischen und neofaschistischen Bewegungen. Das wäre ein Horrorszenario für ganz Europa: Ungarn unter Orban als neorassistisches Modell für ganz Europa -als Plan B des Neoliberalismus, falls Demokratie nicht mehr im Sinne der Finanzeliten funktioniert. Also falls die plutokratisch-korrupten Politiker abgewählt würden, die heute Finanzmafia-Interessen gegen ihre von korrupten Medien getäuschten Wähler durchsetzen.