Heftige Kritik bekam die Veranstaltung gegen Datenkraken, die hier des öfteren wohlmeinend dokumentiert wurde, aktuell von Chaos-Computer-Club-Urgestein Fefe (Nickname). Der Conspiracy-Frontmann des CCC fand in seinem Blog harte Worte zur gerade vollzogenen Preisverleihung 2016. Diese harsche Kritik scheint zwar etwas überzogen, denn die Datensünder der Republik jährlich an den Pranger zu stellen ist eine gute Sache. Doch sollte die bröckelnde Unterstützung in der Netzkultur den Bielefeldern zu denken geben. Biedern sie sich wirklich nur noch dem Mainstream an? Bertelsmann wurde jedenfalls noch nie als Konzern bepreist, trotz bedeutender Stellung der Tochter Arvato in Sachen Datenschnüffelei und Kundenprofiling, die bei anderen Preisträgern zu Bertelsmann outgesourct wurden. Will man es sich nicht mit Europas größtem Medienkonzern verderben?
Kritisiert wurde die Behandlung der Vertreter von change.org durch die Big-Brother-Veranstalter, obwohl man auch kein Fan von change.org sei: Klicktivismus diene nur der Publikumsbespaßung und -beschäftigung. Doch schlimmer schien Fefe wohl der Veranstalter selbst: Der Bielefelder Trägerverein „Digital Courage“ (Neues Label des alten Föbud) wurde satrisch in „Digital Courtage“ umbenannt. Auf die berechtigte Kritik an change.org ging Fefe dagegen nicht ein: Change.org, vertreten durch die in Berlin angesiedelte Dependance des gleichnamigen US-amerikanischen Unternehmens, wurde bepreist, weil sie die personenbezogenen Daten der Menschen, die Petitionen unterzeichnet haben, in vielfältiger und nicht transparenter Art und Weise für eigene Geschäftszwecke verwende.
Das Unternehmen fertige, so die BBA-Verleiher, auf der Basis der Informationen über unterzeichnete Petitionen Analysen an: Etwa zur politischen Meinung, zur gesellschaftlichen Positionierung oder zur sozialen Situation von Einzelpersonen. Change.org verwendet diese Daten für eigene wirtschaftliche Zwecke, denn tatsächlich ist es keine „non-profit“ Bürgerbewegung, sondern ein US-Wirtschaftsunternehmen, in dessen Geschäftsmodell die Verwendung und Nutzung von sensiblen personenbezogenen Daten sowie der Handel mit E-Mail-Adressen eine zentrale Rolle einnehmen. Das ist ekelhaft, weil der gute Wille von -mäßig engagierten, aber besser als der Durchschnitt informierten- Menschen missbraucht wird.
Aber immerhin muss man es wohl mutig nennen, dass deren Vertreter zu so einer Negativ-Bepreisung überhaupt erschienen sind. Eine gute Figur haben sie dabei nicht gemacht, aber die Veranstalter ebensowenig. Haben sie, geschmeichelt durch Prominente, die auch mit dem Datenschutzthema punkten wollen, abgehoben und ihre netzkulturelle Basis inzwischen aus den Augen verloren? Das Kanzleramt kritisieren ist gut, aber zuzeiten auch wohlfeil, wenn alle Welt gerade auf Kanzleramtsminister Pofalla schimpft. Gegen echte Datenkraken wie Arvato/Bertelsmann vorzugehen, die noch nicht im Rampenlicht stehen und auch keine kleinkarierten Datenklauer sind, wie manche Pseudo-NGO, wäre endlich wieder angesagt.
Fefe schreibt: „Erinnert ihr euch, als der Big Brother Award noch mehr war als eine weitere Klingelbeutel-Veranstaltung des Föbud? Als das noch mehr als eine Clowncar-Veranstaltung war? Als die noch inhaltliche Ansprüche hatten? Ich auch nicht. Daher ignoriere ich die seit Jahren nach Kräften.
Ich bin auch kein Freund von change.org, weil ich Petitionen generell für Publikumsbespaßung halte, und weil change.org aus diesem Obama-Partisanenwahlkampf-Sumpf entstanden ist. Aus meiner Sicht sind diese ganzen Online-Pseudoaktivismus-Geschichten eher konterproduktiv, weil sie den Leuten das Gefühl geben, es kümmere sich ja jemand, und dann kann ich ja zuhause bleiben und vielleicht fünf Euro überweisen und dann war ich ja auch im Widerstand. So Plattformen wie change.org investieren die Spenden dann in den Ausbau und Betrieb ihrer Plattformen, und machen vielleicht hie und da noch eine Randgruppen-Aktion, die von der Presse ignoriert wird. Change.org wird TTIP nicht verhindern, tut aber so, als könnten sie es.
Dabei arbeiten da glaube ich durchaus Idealisten mit hehren Zielen, aber irgendwann wird aus diesem dauernden Spendensammeln und Plattformbetreiben halt ein Beruf. Und bei Digitalcourtage kann ich mich gar nicht an die letzte Aktion erinnern, die machen nur noch Spendensammeln. Oh warte, doch, an eine Sache erinnere ich mich.
Naja, lange Rede kurzer Sinn: Die Courtagisten haben jetzt jedenfalls über ihre Spendenacquiseplattform „Big Brother Awards“ change.org ausgezeichnet. Hier ist die Preisverleihung. Ja, kein Witz, ihr müsst da erstmal durch mehrere lange Minuten Mikrofonmonopolisierung und Schmutzwerfen der „Moderation“ durch, und selbst dann geben sie das Mikrofon nicht den change.org-Leuten, die sich verteidigen wollen, sondern jemand hält es ihnen hin. WTF? Was für eine erbärmliche Farce. Selbst der Bundestag behandelt seine Experten bei Anhörungen besser, auch wenn niemand die Intention hat, ihnen zuzuhören!
Aber gut, die 6 Minuten Frontal-Fremdschämen müsst ihr jetzt nicht über euch ergehen lassen, wir haben hier ja Internet und Videos mit Vorspulfunktion. Spult mal zur 7-Minuten-Marke, wenn ihr es nicht aushaltet. Der Chef von change.org Deutschland legt da grob wie folgt los: Bei uns geht es um Petitionen, die sind öffentlich, da steht ein Name dran. Also bei uns muss ja niemand seinen echten Namen eingeben, bloß die E-Mail-Adresse. Bei Digital Courtage hingegen sammelt ihr Namen, Anschrift, Bankverbindungen, …
Die Reaktion war so prompt wie unprofessionell (wenn man nach dem unterirdischen Verhalten davor überhaupt noch mit dem Wort „unprofessionell“ hantieren will): sie haben ihn zum Abendessen ausgeladen. Ob es hier am Ende bloß um die Ausschaltung von Spendensammel-Konkurrenz gehen sollte? Mir gehen so ein bisschen die Erklärungen aus, wie sich jemand so dermaßen zum Stück Brot machen kann, und das vor Publikum und wenn das Ergebnis dann auf Youtube hochgeladen wird.“ FefesBlog