Oberweite bei Michelle Obama: Silikone oder Midlifecrisis?

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Washington. Brustimplantate bei der First Lady sollten eigentlich in einer modernen, aufgeklärten Nation wie den USA kein Problem darstellen. Doch bibelfeste Babtisten sollen im Buche Ruth im Alten Testament eine Passage entdeckt haben („Ehre den Herrn in deiner Brust und nur in deiner Brust“), die nur eigene Brüste gestattet. Christliche Fundamentalisten toben vor Wut und die leicht konservative Tea Party startet neue Kampagne gegen den Kryptokommunismus der Obamas, Motto: „Only a breast for the best!“

Machen Tea Party Angst: Große schwarze Brüste

Silikone oder Midlifecrisis? Amerikas First Lady spaltet die Nation. Obwohl die Bewunderung für große Brüste den texasorientierten Tea Party-Fightern immer ins Gesicht geschrieben stand, ereifern sie sich gegen Michelle Obamas Silikonimplantate. Kritiker meinen, es stecke in Wahrheit rassistischer Neid auf die ungezwungene Erotik der Afroamerikaner dahinter. Die Nacktrituale der Skull & Bones in Yale konnten der Familie Bush nur wenig in dieser Richtung bieten, weshalb die US-Republikaner auch scharf gegen Abtreibung vorgehen, vor allem nach Vergewaltigungen durch US-Soldaten. Die Obamas entzückten ihre Nation dagegen mit Stil und Eleganz, die den hinterwäldlerischen Redneck-Republikanern völlig fehlen. Warum Konservative nichts gegen Bordellbesuche, wohl aber etwas gegen Brustimplantate oder eine staatlich geförderte Geschlechtsumwandlung für Straftäter haben sollen, bleibt rätselhaft.

Assange fordert bessere Hirndurchblutung bei US-Führung

Michelle Obama: Im Kleid eines ihrer Lieblingsdesigner, Reed Krakoff, ließ sich FLOTUS – wie die First Lady of the United States im Protokoll heißt – von Starfotografin Annie Leibovitz mit ihren neuen Brustimplantaten ablichten. Vor grünem Hintergrund strahlt sie mit einer prallen Büste, durchtrainierten Armen und dem Pony, der seit der zweiten Amtseinführung ihres Mannes zum Hit in den Friseursalons wurde. Körperliche Fitness ist Markenzeichen der Obamas, Barack Obama joggt regelmäßig die Gangway seiner Airforce Nr.1 hinauf oder hinunter oder ans Rednerpult im Kongress. Lichtscheue Nerds wie Julian Assange sehen darin natürlich nur das Problem einer Unterversorgung des Hirns mit Blut bei durchtrainierten Sportlern wie den Obamas. Sportlichkeit trotz weiblicher Rundungen war immer ein Motto auch der FLOTUS: „Michelle Obama – Wie die First Lady und der Präsident für Amerika transpirieren“, nannte die Vogue die Story ihres Titelstars, der dem Magazin schon einmal im Jahr 2009 Modell gestanden hat.

Tea Party: Glück, Macht, Freunde, schöne Brüste -alles sollte käuflich sein, aber nicht für jeden.

Nur der Papst könnte der Tea Party noch weiterhelfen, deren fehlgeleitete Bibeldeutungen sie zum Sturm gegen ein besseres Gesundheitssystem führten -angeblich weil Gnade mit den Armen Zeichen für Kommunismus sei, und den habe die Bibel verboten. Statt dessen wollen die Republikaner im Sinne der Lazarus-Bibellehre in US-Schulen Zombikunde als Pflichtunterricht einführen. Die deutsche Bildungsministerin Schavan (CDU), auch Fan von Untotenfilmen, hatte ähnliches geplant. An den Obamas konnten sie bislang einiges aussetzen, aber nicht Michelle Obamas sittliches Betragen. Sittenstrenger Antikommunismus führt zu Machtgier und dem Glauben, alles sollte käuflich sein -warum nicht schöne Brüste für eine FLOTUS? Das Bibel-Zitat mag manche überzeugen, aber es könnte aus dem Zusammenhang gerissen sein. Aber Ruth aus dem Buche Ruth steht schließlich auch für Treue des Weibes zu ihrem Manne:

„Rut antwortete: Dränge mich nicht, dich zu verlassen und umzukehren. Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe auch ich, da will ich begraben sein. Der Herr soll mir dies und das antun – nur der Tod wird mich von dir scheiden.“ (Rut 1,16-17)

Das Buch Rut bzw. Ruth ist ein Buch des jüdischen Tanach bzw. des christlichen Alten Testaments und wird seit dem Mittelalter in vier Kapitel unterteilt. Es umfasst als eine Novelle in der hebräischen Bibel insgesamt 85 Verse. In der Überlieferung wird es als Anhang des Buches der Richter betrachtet und demzufolge vor den Büchern Samuels eingeordnet. Das „Fremdvölkermotiv“ (Rut, die Moabiterin) lässt jedoch viele Ausleger eine Abfassungszeit in nachexilischer Zeit vermuten (nicht vor der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr.). Im Judentum zählt das Buch Rut zu den fünf Megillot, den Festrollen, und wird in der Festtagsliturgie des jüdischen Wochenfestes gelesen. Das Buch handelt um ca 1000 v. Chr., zur Zeit der Richter in Israel. Obed, der Sohn Ruts, ist der Großvater Davids.

Ruth im Feld des Boaz, Gemälde von Julius Schnorr von Carolsfeld, 1828

Das Buch Rut erzählt vom Schicksal einer jüdischen Familie, die einer Hungersnot wegen aus Bethlehem in Juda ins benachbarte Moab auswandern muss.  Eine ähnlich biblische Plage ist derzeit Angela Merkel für Griechenland, wo man sich auch über debile Zuwendung von Katrin Bauerfeind freuen durfte.

Die biblische Noomi (eine der Hauptgestalten der Novelle) und Elimelech ziehen mit ihren beiden Söhnen Machlon und Kiljon in die Fremde, wo bald danach Elimelech stirbt. Die Söhne heiraten zwei moabitische Frauen, Rut und Orpa, bleiben aber kinderlos. Nachdem auch die Söhne gestorben sind, bleibt Noomi als verwitwete Frau mit ihren nun ebenfalls verwitweten Schwiegertöchtern allein zurück. Orpa bleibt daraufhin in Moab, Rut jedoch besteht darauf, mit ihrer Schwiegermutter nach Israel zu ziehen, obwohl sie dort als Moabiterin mit Zurückweisung zu rechnen hat. In Israel arbeitet Rut als Ährenleserin bei Boas, einem Verwandten von Noomi. Boas bemerkt Rut, erkennt ihr außergewöhnliches Engagement für ihre Familie an (2,11ff.) und begünstigt sie. Daraufhin bekommt Rut von Noomi den Rat, sich nachts nach der Feldarbeit zu Boas zu legen. Boas verspricht Rut, sie zu heiraten. Es gibt jedoch noch einen anderen Verwandten, der gemäß dem Leviratsgesetz ebenfalls das Recht und die Pflicht hat, Rut zu heiraten. Da dieser ablehnt, löst Boas Rut aus und nimmt sie zur Frau. Rut gebiert ihm einen Sohn, den Obed, den Vater Isais und Großvater Davids. Rut ist somit auch mit Jesus verwandt. (vgl. Stammbaum Jesu bei Matthäus 1,5 EU und Lukas 3,32 EU) Und der Herr segne euch mit Humor.

Katrin Bauerfeind: Griechen-Bashing mit Lipgloss

Nora Drenalin 9.Oktober 2012

Gestern abend im Minoritäten-Kultur-Sender 3sat durfte deren „Generation Internet“ (Katrin Bauerfeind) über Griechenland herfallen. Fürs gehobene Publikum passend aufbereitet wurde eine optimistisch-sozialfarbige Version der Anti-Griechen-Ressentiments deutscher Medien präsentiert. Hetzen ARD, BILD und SPIEGEL gegen faule, korrupte Griechen, so zeigt 3sat pointiert „mal was ganz anderes“: Es gibt ja auch fleißige Griechen!

Davon sah man sogar zwei Kategorien: 1. Die emsigen Jungunternehmer, die mit schlauen Web-Apps in der neoliberalen Web-Economy tollen Erfolg haben; 2. Die zwar prekarisierten, arbeitslos an den Rand gedrängten Jungakademiker, die aber nicht faul rumsitzen und jammern oder gar demonstrieren gehen: Nein, die Aktion der „Athenistas“ ist es, den Besen zu schwingen und die –dank der Finanzverbrechen am griechischen Volk– verwahrlosenden Stadtteile zu putzen.

Nur war von den Finanzverbrechen bei „Bauerfeind“ nicht die Rede, Hintergrund wurde damit vielmehr die billige Hetze gegen „faule Pleite-Griechen“, von der die deutsche Medienlandschaft nur so strotzt. So präsentiert, zeigte die „Bauerfeind“-Version nur, dass die Griechen sich gefälligst zu rechtfertigen haben ob ihrer Faulheit. Sozialkritik auf Klatsch-Niveau, die darüber hinaus auch noch die muffige „Finanzmarkt sucht den Superstar“-Parole in Bilder umsetzt: Die smarten adretten Jungunternehmer der späten 90er, die im Web2.0 ein mickriges Revival feierten, wo sie nutzlose bis sozialschädliche Apps in angeblich „sozialen Netzwerken“ verbreiten: Facebook-Hype statt Wikileaks-Transparenz über Machenschaften der Machtelite.

Die „Überflüssigen“ sollen sich, so der Subtext bei „Bauerfeind“, mal nicht so haben, und statt politisch aktiv zu sein, für Sauberkeit und Ordnung sorgen! (Nichts gegen die Athenistas an sich, aber so in den Kontext der deutschen Medien gestellt, wird ihre soziale Initiative zu einem moralisierenden Zerrbild  der griechischen Misere.) Von Selbstkritik an Merkels bankenfreundlicher Politik und der dabei mitwirkenden Medienhetze ihrer eigenen Journalistenzunft ist bei Katrin Bauerfeind keine Spur zu finden. Ihr Griechenbild: Hier der Dreck von Athen, da die smarten Web-Unternehmer, die künftigen „1%“, die es schaffen auf die Seite der Besserverdienenden zu wechseln, die „Erfolg haben“ (im Sinne einer FDP-Weltsicht)!

Eine Propaganda-Karotte, die man einer ihrer Chancen beraubten Jugend vor die Nase hängt, damit diese Jugend von der Notwendigkeit politischer Umwälzungen abgelenkt wird. Griechenland braucht viele Neuerungen, aber vermarktbarer Techno-Schnickschnack gehört nicht dazu, ist eine Lösung nur für ein paar auserlesene, marktkonforme Angepasste, die sich glatt in das neoliberale Medientheater integrieren lassen -wie Katrin Bauerfeind selbst.

Sie selbst kam vom Web-TV Ehrensenf (Anagramm von „Fernsehen“) und wanderte dann in den Mainstream-Medien über die RTL-Show TVTotal,  Entertainer Harald Schmidt und Hype-Magazin Polylux zu ihrer eigenen Infotainment-Show bei 3sat.  Katrin Bauerfeinds investigative Höchstleistung bestand bislang anscheinend darin, als Teil der Henri-Nannen-Preis-Jury einem Reportage-Preisträger eine Frage zu stellen, durch die herauskam, dass die schon als Gewinner auserkorene Reportage keine war, sondern ein am Schreibtisch erdachtes literarisches Konstrukt. Es ging um die weltbewegende Schicksalsfrage, ob CSU-Funktionär Seehofer einem Reporter namens René Pfister seine Modelleisenbahn gezeigt hat oder nicht.

Egon Erwin Kisch 1934

„Ausgezeichnet mit dem vielleicht wichtigsten Preis des Abends, dem Preis, der Egon-Erwin-Kisch-Preis hieß und den „Stern“-Gründer Henri Nannen 1977 ins Leben gerufen hatte. Um journalistische Qualität zu fördern. „Geo“-Chefredakteur Peter-Matthias Gaede überreichte die Bronze-Statue… Einziges Problem an der Sache: René Pfister hat nie im Leben einen Schritt in diesen Keller getan. Er hat die Modelleisenbahn nie gesehen (…)

Jeder, der den Text liest, geht davon aus, dass alles mit eigenen Augen gesehen wurde. Die Kollegen beim „Spiegel“ genauso wie die „Spiegel“-Leser und letztlich die Jury des Henri-Nannen-Preises. Offenbar hat niemand die Frage gestellt: Was muss man tun, um in diesen Keller zu kommen? Bis die – bis dahin als gar nicht so investigativ eingeschätzte und von manchem Gast belächelte – Katrin Bauerfeind an diesem Freitagabend genau das wissen möchte.Hamburger Abendblatt 9.Mai 2011

Ein großer Medien-Skandal war geboren, ein Kisch-Preis wurde aberkannt, letztlich aber eher die Jury selbst lächerlich gemacht, die ja auch, so fand man dann, etwas früher als erst beim Überreichen der Statuette hätte nachfragen können. Dabei wäre das Problem viel simpler lösbar gewesen: Einfach den Kisch-Preis in Kitsch-Preis umbenennen, was auch weitaus besser zum bepreisten Jubel-Sermon auf einen neoreaktionären Unionsfunktionär gepasst hätte. Der Kommunist Egon Erwin Kisch hätte sich vermutlich im Grabe umgedreht, wenn er die Reportagen der beteiligten Personen und Medien und die Verwendung seines Namens in diesem Zusammenhang hätte sehen können.

Zur Titelzeile: Als Lipgloss ( engl. für Lippenglanz) bezeichnet man verflüssigte, mit Pflegestoffen und feuchtigkeitsspendenden Stoffen angereicherte Make Up-Lippenfarbe, auch mit Glanz- oder Glitzereffekt erhältlich. Jüngere Frauen ziehen Lipgloss oft dem Lippenstift vor bzw. nutzen ihn als Einstiegsprodukt in die Kosmetikwelt, da er mit einem jungen, sexy look assoziiert wird – aber auch ältere Frauen tragen ihn gerne, da er kleine Lippenfältchen kaschiert.

Weitere Beiträge von Nora Drenalin:

Orientierungslos: Assassinate Assange (Theaterstück)