Feigheit vor dem Freund: Wirtschaftspresse verrät ihre Anzeigenkunden

Gilbert Perry und Daniela Lobmueh ObamaTheKing

Noch im Herbst 2014 gab es von der deutschen Wirtschaft lautstarken Widerstand gegen den US-Kurs im Ukraine-Konflikt. Heute herrscht feiges Schweigen im Walde, obwohl z.B. Southstream nun von den Türken gebaut wird. Aber wirtschaftsnahe Blätter wie WELT und FAZ trompeten Obamas Parolen und kehren sich nicht um die Nöte der Firmen, die sie seit Jahrzehnten mit Anzeigen alimentieren. Ob deutsche Unternehmen sich diese Feigheit vor dem Freund unendlich lange bieten lassen? Eine Analyse.

Noch im Herbst 2014 hörte man vor allem von Seiten der deutschen Wirtschaft lautstarken Widerstand gegen die geopolitische Wende im Ukraine-Konflikt. Die deutsche Wirtschaft nebst ihr nahestehender Öffentlichkeit hatten sich im Herbst 2014 heftig gegen die immer aggressiver werdende Sanktionspolitik seitens der amerikanischen Außenpolitik zur Wehr gesetzt. Wirtschaftsblätter und Verbandsfunktionäre hatten darauf verwiesen, wie tief bei der Fortsetzung einer solchen Politik der Schnitt ins eigene Fleisch gehen würde. Heute herrscht feiges Schweigen im Walde, die Mainstream-Edelfedern wissen nichts von US-Fracking-Geschäften als Hintergrund der Ukraine-Krise.

rakete krieg

Russische Raketen -nur Aggression? Oder nicht doch notwendige Verteidigung gegen Nato und USA?

Die Mainstream-Medien trommeln stupide ihre Anti-Putin-Propaganda, stempeln Russland zum Aggressor, auch wenn etwa seine Isklander-Raketen, die an der Westgrenze in Kaliningrad stationiert werden, auch als defensive Reaktion auf das dauernde Säbelrasseln von Nato und USA rund um Russlands Staatsgebiet gesehen werden könnte. Auch wirtschaftsnahe Blätter wie WELT und FAZ trompeten Obamas Parolen und kehren sich nicht um die Nöte der Firmen, die sie seit Jahrzehnten mit fetten Anzeigen alimentieren. Eingeknickt wie abgebrannte Streichhölzer kriecht die rechte Journaille vor Washington und verrät täglich die Hand die sie füttert, wenn sie ihre Propaganda gegen Putin macht. Sind deutsche Firmen selbst schuld an 20 Milliarden Einbußen im Ostgeschäft? Sie hätten ja mutige Blätter belohnen können, die nicht ganz so flott vor Obama auf den Teppich fielen, etwa das Handelsblatt. Der US-Bellizismus triumphiert: Russland orientiert sich nach Fernost.

Obama sanktioniert, Europa zahlt

Obama erklärt Sanktionen gegen Russland, steht innenpolitisch als harter Kerl und strahlender Held da, ObamaKarikaturaber zahlen soll die EU. Die Schäden sind für viele europäische und vor allem deutsche Unternehmen beträchtlich. So kann die US-Wirtschaft sich stolz an der lästigen Konkurrenz aus Berlin vorbeimogeln. Negativ betroffen sind Unternehmen mit einem traditionell starken Interesse in Russland und in der Ukraine (also Stahl, Röhren, Maschinen-, Anlagen- und Fahrzeugbau und Energie), aber auch die Konsumgüterindustrie, der Handel, die Logistik sowie Finanzinstitute und diverse Dienstleister.

Die Verbände der deutschen Wirtschaft, vor allem der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft beim BDI und der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) haben wiederholt und eindringlich vor den unübersehbaren Folgewirkungen einer verschärften Sanktionspolitik gewarnt. 6300 deutsche Unternehmen wären direkt betroffen. Sie hätten in Russland und in der Ukraine mehr als 23 Milliarden Euro investiert. Mit 250.000 Mitarbeitern würden sie dort 80 Milliarden Umsatz machen. Es wären nicht nur die schon jetzt spürbaren Umsatz- und Gewinneinbußen, die schmerzhaft wären, sondern auch die Folgeerscheinungen von  in Zukunft verlorenen Märkten. Derweil manipuliert die US-Zentralbank, also die private „Federal Reserve“, betrieben von Goldman Sachs und anderen Wallstreet-Banken, munter den Goldpreis gegen Putin und sahnt nebenbei gut ab.

Southstream von Sanktionen auf Eis gelegt -Ankara freut sich

Bestes Beispiel für die Auswirkungen der Sanktionen ist das Pipeline-Projekt „Southstream“, das im Beim Treffen in Ankara wurde die Route einer neuen Gaspipeline aus Russland in Richtung Türkei festgelegtJanuar 2015 von Gazprom erst einmal auf Eis gelegt wurde. Wie die „Northstream“ in der Ostsee sollte im südlichen Europa eine 2400 Kilometer lange Pipeline gebaut werden, in der russisches Erdgas unter Umgehung der Ukraine durch das Schwarze Meer über Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Österreich und weiter nach Westeuropa strömen sollte. Mit Kosten zwischen 19 und 24 Milliarden Euro war „Southstream“ eines der größten Energieprojekte der Welt, an dem viele EU-Unternehmen, vor allem deutsche und österreichische, an Projektierung, Finanzierung und Bauausführung beteiligt werden sollten. Wintershall, eine BASF-Tochter, mit 15 Prozent an der Gesellschaft für den Bau des Offshore-Teils beteiligt, wollte 1,5 Milliarden Euro investieren. Siemens sollte unter anderem die Kompressor-Stationen sowie Automatisierungs- und Telekommunikations-Systeme liefern.

Merkel fragt Obama: Wie kommen wir jetzt an das russische Öl?

Was? Die Türken kriegen unser Öl?

In Ankara fand am 27.Januar 2015 ein Arbeitstreffen zwischen dem Vorstandsvorsitzenden der ОАО Gazprom Alexey Miller und dem Minister für Energie und Naturressourcen der Republik Türkei Taner Yildiz statt. Die Parteien diskutierten Schlüsselfragen des Baus einer neuen Gaspipeline aus Russland in Richtung Türkei auf dem Boden des Schwarzen Meeres. Die Jahreskapazität der vier Stränge der Pipeline wird 63 Milliarden Kubikmeter Gas betragen. Die Pipeline soll 660 Kilometer im ursprünglichen Korridor des South Stream Projekts verlaufen und 250 Kilometer in einem neuen Korridor zum europäischen Teil der Türkei hin.

Die Türkei ist nach Deutschland der zweitgrößte Absatzmarkt der Gazprom. 2014 exportierte die Gazprom 27,4 Milliarden Kubikmeter Gas in die Türkei. Gegenwärtig wird russisches Gas in die Türkei durch die Blue Stream Pipeline und die Trans-Balkan Pipeline geliefert. Am 1. Dezember 2014 unterzeichneten die ОАО Gazprom und die türkische Gesellschaft Botas Petroleum Pipeline Corporation ein Memorandum of Understanding für den Bau einer Seepipeline durch das Schwarze Meer in Richtung Türkei. Die Pipeline wird eine Kapazität von 63 Milliarden Erdgas haben, von denen rund 50 Milliarden Kubikmeter an einen neuen Gas Hub an der türkisch-griechischen Grenze geliefert werden sollen. Für den Bau der Erdgasleitung ist die Gesellschaft Gazprom Russkaya zuständig -deutsche Firmen gucken dumm in ihre unverkaufte Röhre.

Langfristige Folgen befürchtet: China lachender Dritter

Doch nicht nur die Türken freuen sich über Obamas Sanktionitis und die deutsche Feigheit vor dem Freund. Der Chefanalyst der Bremer Landesbank und regelmäßige Kommentator auf Cashkurs, Folker Hellmeyer, hat wiederholt die Sanktionspolitik kritisiert. Der Banker formulierte seine Bedenken im Juli 2014 so: „Das Markenzeichen Deutschlands, geprägt von Zuverlässigkeit, Qualität und schnellem Service, verliert hinsichtlich der drohenden Wirtschaftssanktionen seinen Glanz. Der Blick Moskaus geht gen Osten. Südkorea, Japan und allen voran China erfreuen sich eines verstärkten Interesses bei russischen Auftraggebern. Die Werbung in diesen Ländern stellt explizit auf sanktionsfreie Lieferungen ab… Deutsche Unternehmen (berichten), dass russische Gesprächspartner die deutschen Unternehmen nicht mehr als zuverlässige Geschäftspartner ansehen. Bereits die Diskussion über Sanktionen führe dazu, dass sich langjährige Geschäftspartner abwenden.“

Die Kritik an dem neuen Trend der deutschen Außenpolitik formulierte der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft in einer großen „Gemeinsamen Erklärung“ des BDI, Petersburger Dialog, Deutsch-Russisches Forum und Deutsch-Ukrainisches Forum noch am 7. März 2014: „Deeskalation auf allen Seiten ist bei allen laufenden und bevorstehenden Verhandlungen das Gebot der Stunde für die Beteiligten. Dazu gehört auch, dass konfliktsteigernde militärpolitische wie wirtschaftliche Maßnahmen von allen Seiten zurückgestellt werden und konfliktreduzierende Maßnahmen … absolute Priorität haben. … Der Dialog auf möglichst vielen Ebenen ist in dieser Stunde der Krise der einzige Weg, den vielfältigen Interessen an den europäisch-russischen Beziehungen gerecht zu werden.“

Gabor Steingart

Gabor Steingart, Handelsblatt

Besonders lautstark donnerte Talkshow-Darling Gabor Steingart, Leitartikler und Herausgeber des Handelsblatts warf sich für seine Anzeigenkunden in die Brust. Anders als viele feige Kollegen, die längst vor den Bilderberger-Gleichschaltern auf die Knie gegangen waren, zog er in seiner Kritik gegenüber dem den USA alle Register. Es müsse darum gehen, „der bisherigen Debatte den Schaum abzuwischen, den Scharfmachern und Scharfgemachten die Worte aus dem Mund zu nehmen und ihnen neue Vokabeln auf die Zunge zu legen.“ Realismus wäre gefordert. Die deutsche Politik täte gut daran, sich an die Politik der Verständigung und des Interessenausgleichs von Willy Brandt und Egon Bahr zu erinnern. In seinem Essay „The West on the wrong path“, der auf Deutsch, Englisch (auch auf ZeroHedge) und sogar Russisch (!) verbreitet wurde: „Der Irrweg des Westens“ (Ложный путь Запада, in der Russlandbeilage des Handelsblattes vom 08.08.14. Da wollte einer gut Wetter nach Osten machen. Aber nun ist auch diese letzte Trompete einer deutsch-egoistischen Wirtschaftspresse verstummt. Die Pfeifen von FAZ und WELT hatten schon lange ihre Klientel verraten und mit vollen Hosen aus vollen Rohren gegen Putin geschossen.

Nur Rüstungsindustrie verdient am Krieg

Zwischen FAZ und Handelsblatt kam es sogar zu einem kleinen Schlagabtausch. Die FAZ forderte im blackwaterLeitartikel „Stärke zeigen“ am 03.08.14 gegenüber Russland politisch und strategisch einen „neuen Doppelbeschluss“; der Westen müsse seine wirtschaftliche, politische und militärische Abwehrbereitschaft stärken und auch demonstrieren. Handelsblatt-Chef Gabor Steingart warf am 05.08. der FAZ vor „unverhohlen zum Losschlagen gegen Russland“ aufzurufen und bezeichnete den Leitartikel der FAZ als „geistigen Einberufungsbescheid“. Die Reaktion der FAZ: Das „Handelsblatt“ solle sich nicht „zum publizistischen Rohr eines Ökonomismus machen, dem Geschäfte über alles gehen.“ Nein, vor dem Geld kommt der FAZ ihr Bibbern vor den Machthabern in Washington und so moralisieren sie gegen den schnöden Materialismus der Konkurrenz –die freilich auch bald einknickte. Denn ihre eigene Klientel, die deutsche Wirtschaft bibberte selbst vor Obama: Sie belohnte nicht etwa den tapferen Gabor mit einem Geldregen an Anzeigen in seinem wackeren Blättchen. Ihre PR-Etats flossen weiterhin auch an FAZ und WELT. Selber Schuld.

Das Handelsblatt tröstet seine Kundschaft jetzt nur noch, wenigstens seien nicht alle Branchen von den Sanktionen negativ betroffen. Die europäische Rüstungs- und Sicherheitsindustrie und das Netz ihrer Zulieferer profitiert von jeder Art Verschärfung internationaler Spannungen. Hurra auf die NATO! Nach Beschlüssen auf dem Nato-Gipfel in Wales sollen alle Nato-Staaten ihre Rüstungsetats aufstocken. Der deutsche Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann (KMW)ist mit dabei und jubiliert:

Mit dem PUMA nach Moskau?

„An Standorten in Deutschland, Brasilien, Griechenland, Großbritannien, Mexiko, den Niederlanden, Singapur, der Türkei und den USA entwickeln, fertigen und betreuen rund 3.200 Mitarbeiter ein Produktportfolio, das von luftverladbaren und hochgeschützten Radfahrzeugen, über die Aufklärungs-, Flugabwehr- und Artilleriesysteme, bis hin zu schweren Kampfpanzern, Schützenpanzern und Brückenlegesystemen reicht. …Wie erwartet bietet das Erprobungsgelände in Nord-Norwegen hervorragende Möglichkeiten den SPz PUMA in einer subpolaren Klimazone zu testen. KMW: ProTECts your Mission.“

KMW sprach für viele Rüstungsfirmen, als die Firma erklärte: „Die Nachfrage nach dem Leopard 2 hatte in den vergangenen Jahren in Europa nachgelassen, da sich die Beziehungen zu Russland verbesserten. (…) Jetzt lassen jedoch die zunehmenden Spannungen in Osteuropa die Verteidigungsbudgets in der Region wachsen. Polen, Finnland, Norwegen, Estland, Lettland und Litauen -allesamt direkte Nachbarn Russlands- sehen … mehr Geld für die Verteidigung vor.“

Hurra! Hurra! Hurra! Aller guten Dinge sind ja bekanntlich drei, das muss doch auch für Weltkriege gelten, meint unsere Journaille. Und die Wirtschaft stand nach 1918 und 1945 doch immer noch goldig da. Nach 20 Millionen Toten bei WWI und 50 Millionen in WWII dürften jetzt wohl hochgerechnet 125 Millionen Tote zu erwarten sein. Aber vielleicht steht Berlin ja endlich einmal auf der Siegerseite. Hurra! Hurra! Hurra!

Deutsche Medien: Dauer-Shitstorm gegen Athen

Prometheus Griechflag

In keinem Land Europas prügeln die Medien derart gnadenlos auf Athen, Syriza und Tsipras ein wie in Deutschland. Varoufakis, der einzige Finanzminister Europas, der wirklich etwas von Finanzen versteht, wurde wegen seines Auftretens diffamiert von BILD, ZEIT und FAZ. Die Financial Times London begrüßte sein unkonventionelles Erscheinungsbild, ohne Krawatte und Limousine auf dem Motorrad vorzufahren. Die Verhandlungen über die „Reformen“ sind auf nächste Woche vertagt.

Nun will man mit der –sich noch keinen Monat im Amt befindlichen- Regierung unter massivem Zeitdruck über die Kapitulation Athens vor den Finanzmächten verhandeln. Es geht wolkig um „Reformen“ –Syriza meint damit die Besteuerung jener Millionärseinkommen, die von IWF, EZB, EU, Troika und korrupten Athener Altparteien bislang geschont und gehätschelt wurden. Wenn aber die von Deutschland dominierte EU von Reformen redet, versteht sie darunter jedoch die Fortführung einer brutalen“ Austeritäts-„ also Sparterror-Politik. Syriza hat jedoch im Wahlkampf klar erklärt, dass sie diese Politik beenden wird und Tsipras ist dafür gewählt worden. In den vergangenen Tagen haben führende Syriza-Politiker mehrmals erklärt, dass sie die Wahlversprechen einhalten wollen. Deutsche Rechtspopulisten wie CSU-Söder, Schäuble und Merkel haben mit der Parole dagegen polemisiert, deutsche Steuerzahler würden nicht „Tsipras Wahlkampfgeschenke bezahlen“. Die deutsche Journaille hat das tausendfach nachgeplappert und hetzt wie eine wildgewordene Kläffermeute gegen Athen. Dabei bedient man abgestandenen Antikommunismus gegen Syriza ebenso wie rassistische Ressentiments, die BILD seit Jahren gegen ihre „Pleitegriechen“ aufgebaut hat.

Berliner Journaille hetzt gnadenlos gegen Tsipras

Selbst die neoliberale Financial Times gewährt Tsipras seine 100-Tage-Schonfrist. Nicht so die TsiprasBerliner Journaille: Keine 100 Tage Schonfrist wurde den Syriza-Sozialisten gewährt –ihre schwarzrote Vorgänger-Regierung aus korrupten Rechtspopulisten wurde bis zuletzt gehätschelt. Es ist als wäre die deutsche Journaille direktes Sprachrohr der kriminellen Geldeliten Athens, in deren Sinne Samaras das griechische Volk ins Elend trieb, die Millionäre aber schonte –unter strenger Kontrolle der daher bei den Griechen verhassten „Troika“ aus IWF, EZB und EU-Kommission, d.h. hauptsächlich dem dominierenden neoliberalen Duo Berlin/London.

Samaras bekam die Quittung durch seine Abwahl zugunsten Tsipras. Der Erdrutschsieg von dessen Syriza war ein demokratisches Votum gegen die Machenschaften der „Troika“, gegen die Verträge, die der korrupte Samaras gegen das eigene Volk zugunsten der Geldbarone des In- und Auslands den Griechen aufgezwungen hatte.

Diese Verträge waren so hart und unfair, dass nicht einmal Samaras selbst den dort festgelegten Schulden-dienst aus den Griechen heraus quetschen konnte. Trotz rigoroser Ausbeutung der Arbeitenden durch Lohnsenkung, Massenentlassung, Rentenkürzung, trotz Ausblutung des öffentlichen Sektors durch Privatisierungen, trotz mörderischer Sparprogramme im Gesundheitswesen, die Menschen elend verrecken ließen, sie in die Zelte von „Ärzte ohne Grenzen trieben“, als wäre Griechenland ein „gescheiterter Staat“ eines Kriegsgebietes.

Schäuble und Merkel: Oberbüttel der EU-Zinsknechtschaft

Trotz all dem Elend schaffte Samaras es nicht, die unersättlichen Forderungen Berlins bzw. der Oberbüttel der EU-Zinsknechtschaft, Schäuble und Merkel, zu erfüllen. Aber die deutschen Medien jubelten Samaras zu, verbreiteten im Wahlkampf seine Lügen über angebliche Erfolge seiner „Reform“-Politik („Der Aufschwung kommt!“).

Doch Lügen haben kurze Beine: Jetzt musste sogar Eurostat, das Statistikamt der EU, zugeben, dass dies alles gelogen war und Athen unter Samaras mit Negativwachstum weiter in die Rezession rutschte –trotz günstigen Rückenwinds durch den abgestürzten Ölpreis.

Schäuble heizte die deutsche Medienhetze gegen Griechenland aber noch an, zeigte sich unbelehrbar und missachtete die Demokratie: Er beschwerte sich, dass die Griechen falsch gewählt hätten und verweigert mit dieser Begründung jenes Geld, dass er seinem rechts-populistischen Parteikollegen Samaras hätte geben müssen.

Goldman-Bubi Draghi: Die EZB drangsaliert mit

Von Tsipras aber fordern jetzt die deutschen Hetz-Journalisten in ARD, bei Bertelsmann (Stern, GoldmanSpiegel, RTL), BILD, ZEIT und FAZ frech und gnadenlos, er solle das Unmögliche vollbringen, das sie von Samaras nicht bekommen konnten. Sofort, ohne Schonfrist. Sonst raus aus dem Euro.

Die von Goldman-Bubi Draghi regierte EZB drangsaliert mit, lässt die griechischen Staatsanleihen abstürzen und stützt nur jene der Italiener und (vorerst noch) der Iberer. Mit der Geldkanone in bester Fed-Goldman-Manier werden die Börsenkurse (außer Athens) hochgeballert. Ob das kluge, nachhaltige Finanzpolitik ist?

Irland, Portugal, Spanien und Griechenland mussten die „ägyptischen Plagen“, d. h. die Diktatur der Troika, lange genug über sich ergehen lassen. Gezahlt haben die kleinen Leute, abgesahnt haben Großverdiener, Millionäre und vor allem die Banken. Aus Sicht der Völker ist die „Austeritätspolitik“ gescheitert, die Politik des Sparterrors gegen die Armen, Alten und Kranken, ja, gegen jeden Normalbürger. Vielen Europäern wird das immer klarer, vor allem, wenn sie nicht so gründlich belogen und manipuliert werden wie die Deutschen.

Aber damit keine Nachdenklichkeit aufkommt, wird in behauptet, dass heute alles nur von der Konkurrenz um Macht und Reichtum bestimmt wird. Jedes Land, das sich dem Hegemon USA nicht willfährig unterwirft, soll in die Schranken gewiesen werden. Das ist die neue Definitionshoheit der USA gegenüber der Europäischen Union und ein weiteres Mittel dafür ist sicherlich das „Freihandelsabkommen“, das ein Freibrief zum Ausplündern ist: TTIP. Da lacht die deutsche Export-Industrie: Im Ausland Reibach machen, im Inland freibrief zur Ausbeutung von Mensch und Umwelt –kein Wunder, das die Herren Bosse die ersten waren, die Tsipras drohten.

ARD-Medienhetze: Deutsche Industrie droht Athen

Tsipras

Alexis Tsipras Staatschef in Athen 2015

Prometheus

Die Stimmen in Athen waren kaum ausgezählt, das machte schon die Meldung die Runde „Deutsche Industrie warnt Athen vor Stopp von Sparpolitik und Schuldendiensten“. Tsipras Antwort war eindeutig: „Athen warnt deutsche Industrie vor Stopp der Korruption“ –Rüstungsmanager mit Koffern voller Schmiergeld werden demnächst in Athen keine offenen Türen mehr vorfinden. Dass Athen seine Schulden neben den internationalen Finanzgeiern vor allem auch deutschen Rüstungsfirmen verdankt, ist kein Geheimnis. Für einen Leopard-2-Deal flossen z.B. 250.000 Euro –allein an einen subalternen Beamten. Bei ARD & Co. will man von solcher Mitverantwortung für die Schulden Athens heute nichts mehr wissen. ARD-„Monitor“ nennt Tsipras lieber „Tsirpas“ und diffamiert ihn als Putins Schoßhund.

Die griechische Gesellschaft liegt in Trümmern, was SYRIZA jetzt an Erblast übernommen hat, ist eine wahre Herkulesaufgabe. Die Arbeitslosigkeit ist dramatisch, die Löhne sind in freiem Fall, Sozialsysteme, Bildung, sogar das Gesundheitswesen wurden brutal kaputtgespart, ohne Rücksicht auf Menschenrechte, Zukunftschancen und selbst das nackte Überleben vieler Griechen. Natürlich nur zu Lasten solcher Griechen, die nicht zu den kriminellen und korrupten Cliquen der Krisengewinnler gehören, den atlantischen Geldeliten rund um den Bilderberger-Club. Hämische Journaille spottet in deutschen Medien daher schon jetzt, Tsipras hätte zuviel versprochen, müsse versagen usw. Auch seine Abgrenzung von der EU-Bevormundung im Feld Außenpolitik wird mit einer Stimmung zwischen Panik und Häme aufgenommen. Athen will die besinnungslose Kriegstreiberei gegen Moskau nicht mehr widerspruchslos mitmachen? Nicht mit der ARD!

ARD-„Monitor“ nennt Tsipras „Tsirpas“

Da fragt die taffe Blondine von ARD-„Monitor“ (einem angeblich progressiven Politmagazin) höhnisch grinsend: „Sitzt dieser Tsirpas denn schon auf Putins Schoß?“ Und gibt weiter an die ARD-„Tagesthemen“, wo eine andere taffe Blondine die Außenpolitik kommentiert und zwar die falsche Nennung von Tsipras Namen korrigiert, aber sonst der Hetze beipflichtet, bevor sie an eine (welche Überraschung) taffe Blondine weitergibt, die die neuesten Hetznachrichten verlesen darf. Auch diese bestätigen die Diffamierungen des neuen Staatschefs von Griechenland (welche Überraschung).

Selbstkritik an EU- oder gar deutscher Mitverantwortung für das griechische Elend, das die korrupten Altparteien Tsipras hinterlassen haben, kommt nicht auf. Man ventiliert lieber weiter die Wahlkampflügen, die schon der abgewählten Altregierung in Athen keiner mehr glaubte: Die griechische Krise sei überwunden und es gehe doch gerade jetzt aufwärts. Dürftiger „Beweis“: ein paar geschönte Zahlen aus Bereichen, die momentan vom billigen Öl profitieren.

Von Korruption in Griechenland, die auf deutsche Firmen zurückgeht will die ARD-Journaille nichts wissen, weil es nicht in ihr Propaganda-Programm gegen die neue Linksregierung passt. Man faselt lieber belanglos allgemein über die „Korruption der Griechen“, ohne zu sagen, wer denn auf der anderen Seite der fetten Umschläge voller Schmiergeld-Millionen stand: Die deutsche Industrie. Aber es war jahrzehntelang ein offenes Geheimnis, dass beim staatlichen Einkauf von (überzufällig oft deutschen) Militärgütern in Griechenland meist Schmiergeld floss. Wegen der Geheimhaltung ist es bekanntlich gerade im Rüstungssektor sehr schwer, solche Korruption konkret zu beweisen. Doch schließlich war doch eine korrupte Rattenlinie von Berlin nach Athen aufgeflogen.

Der Hintergrund: Unter Premierminister Costas Simitis entnahm Verteidigungsminister Akis Tsochatzopoulos viel zu viele Milliarden aus der Staatskasse, um absurde Militärausgaben zu tätigen. Oft jaulen die ARD-Journaille und ihre Bertelsmann-Kollegen uns heute die alte Geschichte der von US-Bank Goldman Sachs kriminell eingefädelten Euro-Einführung in Athen vor, schiebt dabei die Schuld auf Athen. Verschwiegen wird von ARD&Co. dabei aber, dass just zu dieser Zeit deutsche Waffenfirmen ein Freudenfest an Profiten für ihre tödliche Ware erlebten –endlich bezahlt in harter Euro-Währung. Mysteriöserweise lagen die Kaufpreise der deutschen Panzer und Kanonen dabei für die Griechen oft um ein Vielfaches höher als die üblichen Listenpreise.

Mit Verweisen auf die angeblich luxuriös verbesserte Ausstattung der Militärgerätschaften erklärten die Athener Machthaber das schuldenfinanzierte Füllhorn für die Waffenhändler. Dies blieb zwar nicht völlig unbemerkt, aber trotz nachgewiesener Schädigung der öffentlichen Kasse durch Korruption konnte Akis Tsochatzopoulos nicht zur vollen Verantwortung gezogen werden. Sonderregelungen des Parlaments schützten, ähnlich wie heute noch immer im deutschen Bundestag, die Politiker vor der vollen Härte des Gesetzes. Tsochatzopoulos  konnte sich so weitgehend herausreden und letztlich nur wegen Geldwäsche verurteilt werden. Doch dann packte einer seiner Untergebenen aus: Antonis Kantas.

Für einen Leopard-2-Deal flossen 250.000 Euro

Kantas war inzwischen pensionierter Staatsdiener unter Tsochatzopoulos und hatte  seinen Anteil an den Schmiergeldern auf Auslandskonten verschwinden lassen. Doch die gut versteckten Konten fielen der vom drohenden Staatsbankrott zunehmend motivierten Steuerfahndung auf. Ein seltenes Wunder im von den steuerhinterziehenden Machteliten immer klein gehaltenen Fiskus. Auf einem seiner geheimen Sparbücher hatte der Pensionär Kantas ca. 15 Millionen Euro versteckt, die sich mit seinem bescheidenen Gehalt der letzten Jahrzehnte kaum erklären ließen. Seine drohende Verurteilung hätte sogar zu einer lebenslangen Haftstrafe führen können, da bekam er kalte Füße. Kantas überwies seine geheimen Gelder an den Staat und legte ein lückenloses Geständnis ab.

So mussten die Griechen erfahren, dass Kantas etwa für die Zustimmung zum Leopard-2-Deal allein 250.000 Euro erhielt –und er war nur ein untergeordneter Empfänger in der Liste der dafür zu schmierenden Staatsbeamten. Die Gelder wurden dem einfachen Abteilungsleiter bar ins Verteidigungsministerium gebracht.  Kantas berichtet weiter von parteiübergreifenden, schwarzroten Koalitionen beim Rüstungskauf. Demnach waren an jedem Waffendeal sowohl die jeweilige Regierungspartei als auch die Opposition beteiligt. Bekanntlich herrschten seit 1974 bis zum Ausbruch der Krise in Griechenland die schwarze Nea Dimokratia (in Berlin entsprechend Union) und die „rote“ sozialdemokratische PASOK im Wechsel. Seit November 2011 herrschen, wie in Berlin, die beiden in der Wählergunst gesunkenen Volksparteien in einer großen Koalition, weil die Lügen der Medien und die antikommunistische Hetze gegen die linksorientierte SYRIZA deren Sieg knapp verhindern konnten. Wäre Kantas Geständnis-Bombe im Wahlkampf geplatzt, hätte SYRIZA wohl jetzt die Regierung und kein griechisches Kind müsste hungern, kein Kranker am Mangel an Medikamenten sterben.

Kantas Geständnis führte zur Aufnahme von Strafverfahren und zur Inhaftierung des Athener Vertreters der deutschen Rüstungsfirma Krauss Maffei Wegmann: Dimitris Papachristos kam in Untersuchungshaft, nachdem er auf offener Straße festgenommen wurde. Leider wagte sich die Justiz selten ernsthaft an hohe Politiker. Wenigstens gab es für einen Spross des rechtspopulistischen Politerclans Karamanlis einmal eine juristische Klatsche für besonders dreiste Bereicherung. Ein Lieblingsneffe des Nea Dimokratia-Nestors Konstantinos Karamanlis, Ex-Verkehrsminister Michalis Liapis, erhielt vier Jahre Haft: Er hatte versucht, sich um seine Kraftfahrzeugsteuern zu drücken. Doch der reiche Jetset-Bube musste nicht allzusehr leiden: Er durfte sich von seiner Haftzeit für läppische fünfzig Euro pro Tag frei kaufen.

Der unter dem von Merkel aus Berlin verordneten Spar-Terror leidenden Bevölkerung nützt dies wenig. Wirtschaft und Gesellschaft lagen weiter am Boden –die Menschenrechte in Griechenland schienen die Herrschenden weder in Berlin noch in Athen groß zu kümmern. Jetzt bekamen sie dafür eine Lektion vom griechischen Volk. Hoffentlich kann Tsipras mit all dieser Erblast und unter Feuer aus der EU (von den alten Freunden seiner korrupten Vorgänger) die Verelendung mildern und Athen wieder auf einen guten Kurs bringen. Auf einen Kurs nach links.