Das schwarze Herz der Bilderberger zwischen Öl und KI

John Skelton jr.

Turin. Die diesjährige Bilderberg-Konferenz läuft gut geschmiert -mit Erdöl: Die Ölriesen Chevron, Shell, Total und BP (deren Boss beim MI6 war) geben sich ein Stelldichein. Neben Bankbossen, Rüstungsmogulen, und Medientycoons sieht man diesmal vier Premierminister, zwei stellvertretende Premierminister, erstmals einen offiziellen Vertreter des Vatikan sowie den NATO-Generalsekretär und Ursula von der Leyen. Sie treffen dort High Tech-Bosse von Google, Twitter, LinkedIn und Facebook.

Im medialen Windschatten des G7-Gipfeltreffens findet das viel prominenter besetzte Bilderberger-Treffen statt: Bosse der Ölriesen Chevron, Shell, Total und BP treffen vier Premierminister, zwei stellvertretende Premierminister, erstmals einen offiziellen Vertreter des Vatican (der eigentlich  hinter den Bilderbergern immer die verhassten Freimaurer vermutete) sowie den NATO-Generalsekretär und unsere Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, als Stammbesatzung fungieren der König der Niederlande und der unermüdliche 95-jährige Henry Kissinger. Sie treffen dort High Tech-Bosse von Google, Twitter, LinkedIn und Facebook, und sie versammeln sich vermutlich nicht zufällig im Nachfolgestaat des Römischen Imperiums. Das kriselnde Italien hat mit dem Fiat-Automogul-Clan eine lange Tradition auf dem Bilderberg. Die Medienshow am G7 dort, die wichtigen Entscheidungen hier in Turin, wo Politik und Geldelite heimlich kungeln -ein Schelm der dabei das Wort „Verschwörung“ denkt.

Wie der Nestor der US-Geheimpolitik und Urgestein der Bilderberger Henry Kissinger (einst stürzte er für die US-Regierung, aber auch im Dienste des Elektroriesen ITT den demokratisch gewählten Sozialisten Allende im Kupfer-Weltmarktführerland Chile und wird wegen der dabei begangenen Massenmorde als Kriegsverbrecher gesucht), zeigt auch der Bilderberg selbst keine Anzeichen von Ermüdung. Sein Flirt mit künstlicher Intelligenz und Silicon Valley scheint zu einer stürmischen Liebesaffäre zu werden. Man will in Internet, Künstlicher Intelligenz und Biotechnologien mit seinen Milliarden auch die Zukunft dominieren. Ein paar flegelhafte Neureiche wird die alte Geldelite dafür wohl ertragen müssen.

Facebook, Google und der Griff der Plutokratie nach Künstlicher Intelligenz

Big Money greift nach der Zukunft der Welt: KI und Hightech, Robotik und Biowissenschaften sind im Fokus der alten Geldeliten. Das Bilderberger-Treffen bringt es an den Tag, wohin die Machtgier der Westoligarchen drängt: In diesem Jahr tummeln sich auf dem Bilderberg ein Twitter Vorstandsmitglied, Patrick Pichette, zum zweiten Mal schon Divesh Makan, Vertrauter von Mark Zuckerberg (Facebook) und Reid Hoffman, der LinkedIn-Mitbegründer und Bilderberger-Veteran. Demis Hassabis, Leiter des Londoner Google-KI-Projekts DeepMind, wurde ebenfalls erneut eingeladen, diesmal begleitet von seinem Kollegen Hartmut Neven, dem Leiter der Google Quantum Artificial Intelligence Lab. Die Gästeliste umfasst weitere Forscher aus den Bereichen Robotik, Mensch-Maschine-Bionik, Biotechnologie und Stammzellen.

Die Bilderberg-Konferenz 2018 vermittelt aber zu futuristischen Gefühlen auch den üblichen nostalgischen Muff, wenn neben „Quanten Computern“ auf der Tagesordnung wie immer die „US-Weltführung“ und, der Westmachthaber derzeit liebster Feind, „Russland“ thematisiert werden. Neben den Bilderberger-Plänen für eine biotechnisch aufgerüstete Smart Future, lebt zugleich eine traditionelle Machtclique neu auf: Big Oil mit Shell, Chevron und BP. Für den Bilderberger-Zirkel selbst präsentiert sich Sir John Sawers, der als BP-Direktor und Ex-MI6-Boss die Britische Verknüpfung von Ölindustrie und Auslandsspionage repräsentiert. Sein Kumper, der BP-Finanzchef Brian Gilvary, kann sicher nett mit Dambisa Moyo (Chevron) über Fracking plaudern oder wie man endlich Venezuelas Ölreserven einkassieren kann. Die königlich-niederländische Ölfirma Royal Dutch SHELL ist in Turin vom Manager-Boss Ben van Beurden vertreten und der französische Öl-Riese TOTAL schickt Top-Manager Patrick Pouyanné und Vorstandsmitglied Patricia Barbizet, die zugleich Bilderberg-Funktionärin ist.

Erdöl: Das schwarze Herz der Bilderberger

In den Adern der Bilderberg-Konferenzen fließt Öl, ihr pumpendes schwarzes Herz ist die niederländische Königsfamilie und ihre Erdölinteressen. Für westliche Ölinteressen stürzen Westgeheimdienste Regierungen, installieren Diktaturen, wie einst die CIA im Iran, wie jüngst in Libyen, wie intendiert in Venezuela. Schon der Gründungspräsident der Bilderberger, Prinz Bernhard, der Großvater des jetzigen Königs Willem-Alexander, hatte seine aristokratischen Finger tief im Erdöl der SHELL. In seiner Eröffnungsrede auf der ersten Konferenz im 1954 legte Prinz Bernhard seinem konspirativen Publikum den Zweck von Bilderberg folgendermaßen dar: „weil die freien Länder Europas, die Vereinigten Staaten und Kanada als Einheit fungieren müssen, müssen Sie versuchen auf die gleiche Weise zu denken. Dies ist ein Langzeitprozess. “

Aus diesem Konsens entstand die EU, seit Jahrzehnten um den Bilderberg Konferenztisch genährt. Aber jetzt ist alles, wofür die Bilderberger so lange konspiriert haben, bedroht, denn wir stehen am Rande eines grandiosen neuen algorithmischen Zeitalters.

Ganz oben auf der Tagesordnung der Konferenz stehen die düsteren Worte: „Populismus in Europa“. Die EU, die bereits ein blaues Auge vom Brexit hat, steht vor der populistischen Koalition Italiens, und das transatlantische Bündnis stöhnt unter dem Milliardärsclan der Trumps. Deshalb war Turin die perfekte Wahl für den 2018-Gipfel.

Kissinger hat Freund bei Fiat (Exor)

Die Stadt ist die spirituelle Heimat von Fiat und der Agnellis: der extravagante Gianni Agnelli war in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine tragende Säule der Bilderberger, und ein enger Freund von Kissinger. Sein Enkel, John Elkann, betreibt Exor, die Holdinggesellschaft für die Agnelli-Milliarden, und sitzt im Bilderberg-Lenkungsausschuss, dem inneren Zirkel der Macht.

Agnelli besuchte 37 Konferenzen: sein Geist wird sich mächtig über die Turiner Versammlung legen, die im alten Fiat-Hauptquartier stattfindet. Es bietet sich eine Chance für die Bilderberger, über ihre Vergangenheit zu reflektieren,sich ihrer Siege zu erinnern und Mut zu sammeln, so dass sie sich erneut in den Kampf für noch mehr Globalisierung werfen können. Ein Kampf für noch mehr obszönen Reichtum auf Kosten der Mehrheiten, folglich ein Kampf gegen die Demokratien und gegen Gerechtigkeit.

Auch auf der Konferenz wird George Osborne, seit Kurzem bei Exor Vorsitz eines Zirkels von Business-Beratern. Der Evening Standard-Editor wurde vor kurzem für geschönte Berichterstattung im Dienste von Big Business kritisiert. Fährt Mr.Osborne in Turin nun saftige Rendite für korrupte Journaille ein? Oder könnte er darüber berichten, was hinter den verschlossenen Türen ausgekungelt wird?

Natürlich ist Osborne nicht der einzige Vertreter der Medien in Turin. In der Tat ist es ein goldenes Jahr für Journalisten: Eingeladen sind Kolumnisten, Redakteure, TV-Ankerman, vom Bloomberg -Chef bis zum Präsidenten von Turner International. Elkann ist im Vorstand der Economist Group (Exor hat die Mehrheitsbeteiligung). Scratch, ein Medienmagnat, trifft dort Antti Herlin, der die finnische KONE Corporation führt (ein globaler Marktführer in der Aufzugs-und Rolltreppen Industrie) und Vize-Boss des Unternehmens, das die Tageszeitung Helsingin Sanomat besitzt. Und doch werden wir von all diesen Medienvertretern wenig über das erfahren, was von „unseren“ Machteliten (sie sehen eher uns als „ihre Völker“) in Turin ausgeheckt wird.

Kissinger und der geheime Raubkrieg um Chiles Kupfer

Am 28. Jahrestag des Putsches in Chile, dem 11. September 2001, reichten Anwälte einer chilenischen Menschenrechtsorganisation wegen Massenmord und Errichtung einer Folterdiktatur Klagen gegen Henry Kissinger, Augusto Pinochet, Hugo Banzer, Jorge Rafael Videla und Alfredo Stroessner ein. Gleichzeitig erfolgte beim Bundesgerichtshof in Washington, D.C. eine Zivilklage gegen den Chef-Bilderberger Henry Kissinger und den damaligen CIA-Chef Richard Helms von Angehörigen General Schneiders, Hintergrund waren die CIA-Aktivitäten im Vorfeld des Putsches.

Kissinger wurde nie belangt. Ein Grund dafür könnte sein: Nach den WTC-Anschlägen dieses Tages errichtete G.W.Bush in den USA ein Regime, das nach Ansicht vieler US-Amerikaner den Namen Demokratie nicht mehr verdient, da Bürgerrechte abgeschafft und die staatlichen Institutionen militarisiert wurden. Westdominierte Gerichte, wie der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, halten sich bislang an Kriegsverbrecher vorwiegend schwarzer Hautfarbe (Afrikaner) oder slawischer Herkunft (Serben). Auf diesem Auge ist die Justizia wirklich blind.

Anm. d.Text  basiert  teilweise auf einer Übersetzung eines Textes von Charlie Skelton, dessen kritisches Bilder-Blog sich der Guardian 2008 einverleibte.

DPA-Interview mit Axa-Boss und Chef-Bilderberger

Gerd R. Rueger bilderbergerclublogo

Langsam taucht das Haupt der Oligarchie aus dem Sumpf: DPA lässt Chef-Bilderberger darüber maulen, dass die Machteliten, Medienbonzen und Oligarchen gerne ihre Privatsphäre hätten (Privatheit, die die Machteliten uns von ihrer NSA stehlen lassen), wenn sie hinter millionenteuren Absperrungen kungeln und schachern. Untereinander sowieso, aber auch mit den von uns gewählten Politikern. So etwas ist hochkorruptiv und bedarf schärfster öffentlicher Aufmerksamkeit. Die Medien schauen aber weitgehend weg, selbst bei diesem nichtssagenden und doch entlarvenden Interview. Nur in Dresden, wo es sich nicht mehr verbergen lässt, bringt ein Regionalblättle den Text.

Henri de Castries (61) ist seit vier Jahren im Lenkungsausschuss der Bilderberg-Konferenz und ist seit 16 Jahren Boss des französischen Versicherungskonzerns Axa. De Castries begann eine Karriere als Staatsdiener, wechselte aber 1989 zu Axa wo er mit der Privatisierung der Rentensysteme den Sozialstaat unterminierte. Er besuchte die Pariser Verwaltungselitehochschule ENA gleichzeitig mit Frankreichs Präsident François Hollande und ist somit politisch gut vernetzt. Der Lenkungsausschuss der Bilderberg-Konferenz wählt Themen und Gäste aus.

Bilderberger: das gleiche Recht auf Privatsphäre haben wie jeder normale Bürger?

DPA-Frage : Die Geheimhaltung um das Treffen gibt Anlass zu viel Argwohn und Kritik. Warum sprechen Sie hinter verschlossenen Türen?

Antwort : „Wenn ich die Frage umdrehen darf: Warum konzentriert man sich so auf die Geheimhaltung von Bilderberg, wenn es jeden Tag zehntausende Treffen gibt, deren Inhalt nicht öffentlich ist? Was wäre die Rechtfertigung? Es ist kein Parlament, keine operative Organisation. Es ist eine informelle Gruppe, die über verschiedene Themen spricht und die Diskussion hinter verschlossenen Türen führt, um die Gespräche zu erleichtern. Warum sollten diese Menschen nicht das gleiche Recht auf Privatsphäre haben wie jeder normale Bürger?“

Frage : Sie haben sehr viel mehr Einfluss als normale Bürger.

Antwort : „Ich würde dieses Urteil voll und ganz verstehen, wenn bei Bilderberg Entscheidungen getroffen würden, die sich auf öffentliche Systeme auswirken. Es ist aber ausschließlich ein informeller Kreis, in dem Diskussionen zu breiten Themen geführt werden und Menschen Meinungen austauschen.

Frage : Kritiker argumentieren, dass Bilderberg einen Raum schafft, in dem ohne Kontrolle bestimmte Agenden vorangetrieben werden können.

Antwort : „Erstens: Was wissen sie denn darüber? Und zweitens ist es völlig klar, dass dort keine Entscheidungen getroffen werden. Kompetente Menschen stellen ihre Meinungen vor, andere fragen nach, man stellt sich manchmal gegenseitig infrage, sodass die Teilnehmer ihre eigene Meinung bilden können – was ist schlimm daran? Damit Sie echte Diskussionen bekommen und manche Leute wirklich offen sprechen können, brauchen Sie Regeln wie die Chatham House Rule.“

Frage : Wie laufen die Gespräche konkret?

Antwort : „Es ist ein großer Konferenzraum, die Gäste sitzen in alphabetischer Reihenfolge. In einem Jahr ist A vorne, im nächsten Jahr ein anderer Buchstabe. Das Format ist sehr klassisch: Es gibt ein Podium, ein Moderator stellt das Thema vor, dann können ein, zwei, manchmal drei Diskussionsteilnehmer ihre Sichtweisen vorstellen. Und dann gibt es eine offene Diskussion mit dem Saal.“

Frage : Was haben die Teilnehmer von dem Treffen?

Antwort : „Das Bewusstsein von etwa 130 Menschen zu einer breiten Auswahl von Themen ist beim Rausgehen größer als beim Reingehen. Um Ihnen ein Beispiel zu geben, wir diskutieren seit Jahren über neue Technologien. Vor vielen Jahren war es sehr interessant für mich, dort die ersten Diskussionen um Cybersecurity zu hören. Wir versuchen, die Gäste so auszuwählen, dass wir sehr verschiedene Sichtweisen hören. Wenn man nur die üblichen Verdächtigen nimmt, bekommt man nur die üblichen Gespräche.“

Frage : Sie treffen sich in Dresden, einer politisch polarisierten Stadt. Haben Sie keine Bedenken mit Blick auf mögliche Proteste?

Antwort : „Nein. Wir treffen uns jedes Jahr in einem anderen Ort. Diese Konferenzen haben manchmal Anlass zu Demonstrationen im Umfeld gegeben, aber es waren eigentlich immer friedliche Versammlungen. Und Deutschland ist bekannt für seine Organisationsfähigkeit.“

Frage : Was glauben Sie, warum es gerade um diese Konferenz so viele Vorwürfe, Fragen und auch Verschwörungstheorien gibt?

Antwort : „Menschen träumen gerne und stellen sich vor, dass es irgendwo einen Orden gibt, wo einige Leute alles entscheiden. Da steckt ein wenig Einbildung in dem Mythos um Bilderberg. Es ist aber eigentlich viel simpler. Ja, es stimmt, dass viele der Teilnehmer große Verantwortung haben, wichtige Jobs, die Akademiker einen hohen Fachkenntnisstand. Daran ist doch nichts falsch. Wenn wir unsere Welt besser verstehen wollen, ist es gut, Gespräche zwischen diesen Menschen zu erleichtern. Denn sich gegenseitig zuzuhören heißt immer, sein Verständnis zu verbessern. Und manchmal helfen widersprüchliche Sichtweisen, bessere Antworten zu finden.“

Frage : Am Ursprung des Bilderberg-Treffens stand auch ein transatlantischer Gedanke – ist das heute noch relevant?

Antwort : „Ja, ich denke, das ist relevanter denn je. Was haben wir gemeinsam? Vor allem zwei sehr grundlegende Werte: Die Überzeugung, dass die individuelle Freiheit wichtig ist, und dass jedes Individuum die anderen respektieren muss. Wir leben in einer Welt, in der die Dinge sich sehr schnell wandeln und wo es nicht unbedeutende Bedrohungen gibt. Deshalb ist es wichtig, dass wir gemeinsam zu verstehen versuchen, wie diese zwei Kernwerte am Leben gehalten werden können.“