Rubikon: Rettet Julian Assange!

John Pilger

John Pilger

Wikileaks-Unterstützer, preisgekrönter Journalist und Filmemacher: Der Australier John Pilger

Die Verfolgung von Julian Assange muss ein Ende haben. Sonst endet sie in einer Tragödie.

Die australische Regierung und Premierminister Malcom Turnbull haben die historische Chance zu entscheiden, welchen Ausgang die Geschichte nehmen wird.

Schweigen sie weiterhin, wird die Geschichte das nicht verzeihen. Oder aber sie handeln im Interesse von Gerechtigkeit und Menschlichkeit und holen diesen bemerkenswerten australischen Staatsbürger nach Hause.

Assange verlangt keine Sonderbehandlung. Die Regierung hat die klare diplomatische und moralische Verpflichtung, australische Bürger vor schwerem Unrecht zu schützen: In Julians Fall vor einem krassen Justizirrtum und der außerordentlichen Gefahr, die ihn erwartet, sollte er die ecuadorianische Botschaft in London ohne Schutz verlassen.

Wir wissen vom Fall Chelsea Manning, was er zu erwarten hat, wenn der US-Auslieferungsbefehl Erfolg hat – ein UN-Sonderberichterstatter nannte es Folter.

Tsunami von Lügen

Ich kenne Julian Assange gut; ich betrachte ihn als einen engen Freund, einen Menschen von außerordentlicher Belastbarkeit und Mut. Ich habe mitbekommen, wie ihn ein Tsunami von Lügen und Verleumdungen überflutet hat, unaufhörlich, rachsüchtig, hintertrieben; und ich weiß, weshalb sie ihn verleumden.

2008 wurde in einem streng geheimen Dokument, datiert vom 8. März 2008, ein Plan entworfen, sowohl WikiLeaks als auch Assange zu zerstören. Verfasst hat ihn die Cyber-Spionageabwehr, eine Abteilung des US-Verteidigungsministeriums. Die Autoren beschrieben detailliert, wie wichtig es sei, das „Gefühl des Vertrauens“ zu zerstören, das den „Schwerpunkt“ von WikiLeaks ausmacht. Dies, schrieben sie, würde man mit der Androhung von „Entblößung“, „Strafverfolgung“ und einem unerbittlichen Angriff auf den guten Ruf erreichen. Ziel war es, WikiLeaks und seinen Herausgeber zum Schweigen zu bringen und zu kriminalisieren. Es war, als ob sie einen Krieg gegen einen einzelnen Menschen und das Prinzip der Redefreiheit planten.
Ihre Hauptwaffe sollte die persönliche Verleumdung werden. Ihre Schocktruppen sollten in den Medien eingesetzt werden – diejenigen, die eigentlich die Dinge richtig darstellen und uns die Wahrheit sagen sollen.

Vichy-Journalismus

Ironischerweise hat diesen Journalisten niemand gesagt, was sie tun sollen. Ich nenne sie Vichy-Journalisten – nach der Vichy-Regierung, die der deutschen Besatzung Frankreichs im Krieg diente und sie ermöglichte.

Im letzten Oktober interviewte die Journalistin Sarah Ferguson von der Australian Broadcasting Corporation Hillary Clinton, die sie als „die Ikone Ihrer Generation“ bauchpinselte.

Es handelte sich wohlgemerkt um dieselbe Clinton, die damit drohte, den Iran „vollkommen auszulöschen“ und die als US-Außenministerin 2011 zur Invasion und Zerstörung des modernen Staates Libyen aufstachelte, wodurch 40.000 Menschen getötet würden. Wie schon der Einmarsch in den Irak beruhte diese Intervention auf Lügen.

Als der libysche Präsident öffentlich und auf grauenvolle Weise mit dem Messer ermordet wurde, wurde Clinton dabei gefilmt, wie sie jauchzte und jubelte. Es geht zum großen Teil auf ihr Konto, dass Libyen eine Brutstätte für den IS und andere Dschihadisten wurde. Zum großen Teil dank ihr flüchteten Zehntausende über das Mittelmeer, begaben sich dabei in Gefahr, und viele ertranken.
Geleakte Emails, die WikiLeaks veröffentlichte, zeigten, dass Hillary Clintons Stiftung – die sie mit ihrem Mann betreibt – Millionen Dollar aus Saudi-Arabien und Katar erhielt, die Hauptunterstützer des IS und des Terrorismus im Mittleren Osten.

Als Außenministerin genehmigte Clinton die größten Waffenexporte, die es jemals gab – im Wert von 80 Milliarden Dollar – und zwar nach Saudi-Arabien, einen der Hauptgönner ihrer Stiftung. Heute benutzt Saudi-Arabien diese Waffen dazu, verhungernde und gepeinigte Menschen in einem völkermörderischen Angriff gegen den Jemen zu vernichten.

Sarah Ferguson, eine hochbezahlte Journalistin, erwähnte all dies mit keinem Wort, als Hillary Clinton ihr gegenübersaß.

Stattdessen forderte sie Clinton dazu auf zu beschreiben, wie Julian Assange „sie persönlich“ beschädigt habe. In ihrer Antwort diffamierte Clinton Assange, einen australischen Bürger, als „eindeutiges Werkzeug des russischen Geheimdienstes“ und „nihilistischen Opportunisten, der jedem Diktator zu Diensten steht“.

Für ihre schwerwiegenden Beschuldigungen brachte sie keinerlei Beweise vor – sie wurde auch nicht dazu aufgefordert.

Zu keiner Zeit erhielt Assange das Recht, auf dieses schockierende Interview zu antworten, obwohl Australiens aus öffentlichen Geldern finanzierter Rundfunk dazu verpflichtet war.

Und, als wäre das nicht genug, ging Fergusons Produktionsleiterin Sally Neighbour auf das Interview ein, indem sie eine boshafte Nachricht retweetete: „Assange ist Putins Hure. Wir alle wissen das!“

Es gibt viele andere Beispiele von Vichy Journalismus. Der Guardian, angeblich einst eine große liberale Zeitung, betrieb eine Hetzkampagne gegen Julian Assange. Wie ein gekränkter Liebhaber zielte der Guardian mit seinen persönlichen, kleinlichen, unmenschlichen und feigen Attacken auf einen Mann, dessen Arbeit er einst veröffentlicht und von der er profitiert hatte.

Der frühere Guardian-Herausgeber Alan Rusbridger nannte die WikiLeaks-Enthüllungen, die seine Zeitung 2010 veröffentlichte, „einen der größten journalistischen Knüller der letzten 30 Jahre“. Die Zeitung heimste Preise ein und wurde gefeiert, als ob Julian Assange gar nicht existierte.

Die Enthüllungen von WikiLeaks wurden Teil einer Marketingstrategie vom Guardian, um den Verkaufspreis der Zeitung in die Höhe zu treiben. Andere machten einen guten, oft einen sehr guten Schnitt, während WikiLeaks und Assange ums Überleben kämpften.

Während kein Cent bei WikiLeaks hängenblieb, führte ein hochgejubeltes Buch des Guardian zu einem lukrativen Hollywoodfilm-Deal. Die Verfasser des Buches, Luke Harding und David Leigh, verleumdeten Assange grundlos als „beschädigte Persönlichkeit“ und „kaltschnäuzig“.

Sie plauderten auch das geheime Passwort aus, das Julian dem Guardian vertraulich gegeben hatte und das dem Schutz einer digitalen Datei dienen sollte, die die Faxe der US-Botschaft enthielt.

Als Assange in der ecuadorianischen Botschaft gefangen war, stand Harding, der sich auf Kosten Julian Assanges und Edward Snowdens bereichert hatte, zusammen mit der Polizei vor der Botschaft und freute sich hämisch in seinem Blog, dass „Scotland Yard zuletzt lachen könnte“. Fragt sich, warum.

Auf der Abschussliste

Julian Assange hat keine Straftat begangen. Er wurde nie eines Verbrechens angeklagt. Die Schwedenepisode war an den Haaren herbeigezogen und eine Farce. Er wurde rehabilitiert.

Katrin Axelsson und Lisa Longstaff von Women Against Rape (britische Organisation zur Unterstützung von Frauen, die vergewaltigt wurden, Anm.d. Übersetzerin) brachten es auf den Punkt, als sie schrieben:

„Die Vorwürfe gegen [Assange] sind Nebelkerzen, hinter denen eine Reihe von Regierungen hart gegen WikiLeaks durchgreifen will, weil es der Öffentlichkeit enthüllt hat, wie sie insgeheim Kriege und die Besetzung anderer Länder planen mit allem, was dazugehört: Vergewaltigung, Mord und Zerstörung… Die Behörden scheren sich so wenig um Gewalt gegen Frauen, dass sie nach Belieben Vergewaltigungsvorwürfe manipulieren.“

Diese Wahrheit ging in der medialen Hexenjagd unter, die Assange schändlicherweise mit Vergewaltigung und Frauenhass in Verbindung brachte. An der Hexenjagd beteiligten sich auch Stimmen, die sich selbst als links oder feministisch einordneten. Sie haben absichtlich die Hinweise auf die außerordentliche Gefahr ignoriert, die mit Assanges Auslieferung in die USA einherginge.

Laut einem Dokument, das Edward Snowden veröffentlicht hat, steht Assange auf einer „Fahndungs-Abschussliste“. Ein offizieller Aktenvermerk, der geleakt wurde, lautet: „Assange wird im Gefängnis eine nette Braut abgeben. Fickt den Terroristen. Er wird bis an sein Lebensende Katzenfutter essen.“

In Alexandria, Virginia, wo die kriegslüsterne US-Elite zuhause ist, hat eine geheime Grand Jury – ein Atavismus aus dem Mittelalter – sieben Jahre lang versucht, Assange ein Verbrechen anzuhängen, für das er strafrechtlich verfolgt werden kann.

Das ist nicht einfach; die US-Verfassung schützt Herausgeber, Journalisten und Whistleblower. Assanges Verbrechen besteht darin, ein Schweigen gebrochen zu haben.

WikiLeaks‘ historische Leistung

Kein investigativer Journalismus, der mir im Laufe meines Lebens untergekommen ist, kann aufwiegen, was WikiLeaks geleistet hat, indem es räuberische Macht zur Rechenschaft gezogen hat. Es ist, als hätte man einen Vorhang der Scheinmoral weggezogen, um den Imperialismus liberaler Demokratien ans Licht zu zerren: das Engagement für endlose Kriege, die Spaltung und Demütigung „unwerten“ Lebens: Das reicht vom Grenfell Tower bis Gaza.

Harold Pinter

Als Harold Pinter 2005 den Nobelpreis für Literatur annahm, sprach er vom „riesigen Lügengeflecht, von dem wir zehren“. Er stellte die Frage, weshalb „die systematische Brutalität, die verbreiteten Grausamkeiten, die skrupellose Unterdrückung unabhängigen Denkens“ vonseiten der Sowjetunion im Westen allgemein bekannt seien, während Amerikas imperiale Verbrechen „niemals geschehen sind… selbst, während sie begangen wurden, sind sie niemals geschehen“.

Durch seine Enthüllung der betrügerischen Kriege (Afghanistan, Irak) und die schamlosen Lügen der Regierungen (Chagos Inseln), hat uns WikiLeaks einen Blick darauf erhaschen lassen, wie das imperiale Spiel im 21. Jahrhundert gespielt wird. Deshalb schwebt Assange in tödlicher Gefahr.

Vor sieben Jahren verabredete ich mich in Sydney mit Malcolm Turnbull, damals prominenter liberaler Abgeordneter im Parlament. Ich wollte ihn darum bitten, der Regierung einen Brief von Gareth Peirce, Assanges Anwalt, zu überbringen. Wir sprachen von seinem berühmten Erfolg – als er in den 1980er-Jahren als junger Anwalt gegen die Versuche der Britischen Regierung kämpfte, die freie Rede zu unterdrücken und die Veröffentlichung des Buchs Spycatcher zu verhindern – eine Art WikiLeaks der damaligen Zeit, da es die Verbrechen der Staatsmacht enthüllte.

Damals war Julia Gillard Premierministerin von Australien, eine Labour Politikerin, die WikiLeaks für „illegal“ erklärte und die Assanges Pass für ungültig erklären wollte – bis man ihr erklärte, dass sie das nicht tun könne: dass Assange kein Verbrechen begangen habe: dass WikiLeaks ein Herausgeber sei, dessen Werk geschützt sei vom Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, zu deren Erstunterzeichnern Australien gehörte.

Indem sie Assange, einen australischen Staatsbürger, im Stich ließ und sich heimlich zu seiner Verfolgung verschwor, zwang das unerhörte Verhalten der Premierministerin Gillard Assange aufgrund des Problems seiner Anerkennung unter internationales Recht, als politischer Flüchtling, dessen Leben in Gefahr war. Ecuador berief sich auf die Konvention von 1951 und gewährte Assange in seiner Londoner Botschaft Zuflucht.

Gillard trat kürzlich mit Hillary Clinton auf; sie werden als Wegbereiterinnen des Feminismus angekündigt. Wenn es einen Grund gibt, sich an Gillard zu erinnern, dann ist es die kriegshetzerische, unterwürfige, peinliche Rede, die sie vor dem US-Kongress hielt, kurz nachdem sie die illegale Einziehung von Julians Pass verlangt hatte.

Rettet der australische Premier Assange?

Heute ist Malcolm Turnbull Premierminister von Australien. Julian Assanges Vater hat Turnbull geschrieben. Es ist ein bewegender Brief, in dem er an den Premier appelliert, seinen Sohn nach Hause zu holen. Er beschreibt darin die reale Möglichkeit, dass sich sonst eine Tragödie abspielen könnte.

Ich habe beobachtet, wie sich Assanges Gesundheitszustand in den Jahren in Gefangenschaft ohne Tageslicht verschlechterte. Er hat einen nicht chronischen Husten, darf sich aber nicht einmal auf den Weg ins Krankenhaus machen, um sich röntgen zu lassen.

Malcolm Turnbill kann stumm bleiben. Oder er kann diese Chance ergreifen und seinen diplomatischen Einfluss dazu nutzen, das Leben eines australischen Staatsbürgers zu schützen, dessen mutiger Dienst an der Allgemeinheit zahllose Menschen auf der ganzen Welt würdigen. Er kann Julian Assange nach Hause holen.


Redaktionelle Anmerkung von Rubikon: Dies ist eine gekürzte Version einer Ansprache von John Pilger auf einer Kundgebung in Sydney, Australien, anlässlich des 6. Jahrestages von Julian Assanges Zwangsunterbringung in der ecuadorianischen Botschaft in London. Dieses Werk ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen dürfen Sie es verbreiten und vervielfältigen.  (was hiermit geschehen wäre)

John Pilger

Dokumentarfilmer John Pilger

John Pilger, gebürtiger Australier, war viele Jahre Auslandskorrespondent und Kriegsreporter und ist heute Autor und Dokumentarfilmer. Er hat zahlreiche internationale Preise gewonnen, darunter die Goldmedaille der United Nations Association. Er ist einer von nur zwei Journalisten, die zweimal zum „Journalist of the Year“, der höchsten Auszeichnung im britischen Journalismus, ernannt wurden. Seinen Dokumentarfilm „Cambodia Year Zero” aus dem Jahr 1979 zählt das British Film Institute zu den zehn wichtigsten Dokumentationen des 20. Jahrhunderts. Sein aktueller Film ist „The Coming War on China“.

Alternativer Nobelpreis für Snowden -aber für Guardianchef Rusbridger?

SnowdenGerd R. Rueger

Die Verleihung des alternativen Nobelpreises an Snowden hat gestern kaum überrascht. Wohl aber, dass er den Preis ausgerechnet mit Guardian-Chef Alan Rusbridger teilen muss. Enthüllt hatte den NSA-Skandal Laura Poitras, die nach Snowden wohl am ehesten die Preiswürdigung verdient hat, und später Glenn Greenwald. Nobelpreis-Schnorrer Rusbridger war, als der NSA-Leak am heißesten brannte, abgetaucht und hatte die heikle Entscheidung seiner Stellvertreterin Janine Gibson überlassen. Später ließ Rusbridger sich von seinem Untergebenen Luke Harding zum Helden der Enthüllung hochstilisieren.

Ans Licht gebracht wurden die Snowden-Files durch die USA-kritische Dokumentarfilmerin Laura Poitras, die den USA-kritischen Blogger, Journalisten und u.a. Guardian-Kolumnisten Glenn Greenwald. von Snowdens Wichtigkeit überzeugte. Greenwald zeichnet in seinem Buch „Die globale Überwachung“ den schwierigen Prozess, die Guardian-Leute zur Publikation der Snowden-Files zu bewegen, minutiös nach. Letztlich mussten Snowden, Poitras und Greenwald dem Guardian ein Ultimatum stellen und mit der Veröffentlichung auf einer eigenen Website drohen, um eine Publikation zu erzwingen (Greenwald S.107).

Nobelpreis-Schnorrer Rusbridger

Wer, neben Snowden, hätte den Nobelpreis wirklich verdient? Guardian-Boss Alan Rusbridger war, als der NSA-Skandal am heißesten brannte und kurz vor dem Knall stand, unerreichbar abgetaucht und hatte die heikelste und folgenreichste Entscheidung in der 200jährigen Geschichte des Guardian seiner Stellvertreterin Janine Gibson überlassen. Später, als sich der Pulverdampf verzogen hatte, ließ Nobelpreis-Schnorrer Rusbridger sich von seinem Untergebenen Luke Harding zur pompösen Lichtgestalt bei der Enthüllung aufblasen. Guardian-Journalist Harding erzählt in seinem betulichen Buch „E.Snowden: Geschichte einer Weltaffäre“ die NSA-Story aus seiner Sicht etwa so: „Wie der heroische Guardian unter Leitung unseres geliebten Führers, meines besten Freundes Alan Rusbridger, die Welt rettete“. Die Guardian-Kollegen von der „New York Times“ jubelten Hardings Schmöker zum „cineastischen Thriller“ hoch (Harding druckte das auf seinen Buchdeckel) –die US-Journalisten wollten offenbar von Greenwalds weit besser geschriebenen und informativeren Buch ablenken, denn Greenwald wollte am Snowden-Leak auch die kriecherische Haltung der westlichen Presse demonstrieren. Greenwald kritisiert die (Washington-) „Post“ und (New York-) „Times“ scharf:

„Ebendieser ängstliche, servile Journalismus war es, der die „Times“, die „Post“ und viele andere Medien veranlasste, in ihren Berichten über die Verhörmethoden der US-Regierung von George W. Bush das Wort ‚Folter‘ tunlichst zu vermeiden, obwohl sie nicht das geringste Problem damit hatten, wenn die Regierung irgendeines anderen Staates auf der Welt exakt die gleichen Methoden einsetzte. (…) Ich war von Anfang an überzeugt, dass die Dokumente eine gute Gelegenheit sein könnten, nicht nur die geheimen NSA-Spionagepraktiken zu beleuchten, sondern auch die zerstörerische Dynamik des etablierten Journalismus.“ Glenn Greenwald, S.87/100

Wenn schon jemand vom Guardian, dann hätte am ehesten Janine Gibson, die britische Chefredakteurin der US-Ausgabe des Guardian, den halben Nobelpreis verdient. Sie fällte letztlich die einsame Entscheidung für eine Publikation des NSA-Skandals ganz auf eigene Verantwortung, während ihr Chef Rusbridger sich noch alle Optionen offen gehalten hatte. Rusbridger saß zu diesem Zeitpunkt am 5.Juni 2013 telefonisch und elektronisch nicht erreichbar im Flugzeug von London nach New York, wie Greenwald schreibt (S.106).

Guardian fiel Wikileaks in den Rücken

Wie schnell das Guardian-Duo Harding/Rusbridger den Schwarzen Peter weiter schiebt, wenn es wirklich gefährlich wird, musste 2010 Wikileaks-Gründer Julian Assange erleben. Die Guardian-Leute ließen ihren Star-Informanten fallen wie eine heiße Kartoffel als die USA ernst machten und ihn mutmaßlich nach einem schmutzigen Geheimdienst-Manöver zum Sexualverbrecher abstempeln und von Interpol zur Fahndung ausschreiben ließen. Schon vorher hatte der Guardian den von den USA gehetzten und bedrohten Assange weniger unterstützt als viel mehr bedrängt und unter Druck gesetzt als dieser seine Informationen auch an andere Medien weitergab.

Die Gier nach noch mehr Geld und Ruhm durch exklusiven Besitz an den Leak-Inhalten machte die Guardian-Führung fast unzurechnungsfähig. Harding plapperte im Exklusiv-Publikationswahn sogar in seinem Buch „Inside Wikileaks“ das Passwort aus, mit dem das Datenpaket geschützt war, das zur Sicherheit überall im Internet kursierte. Später mühten sie sich, die Schuld für das eigene Versagen ihrem Informanten Assange anzuhängen und beteiligten sich an dessen Verfolgung und Dämonisierung im Propaganda-Streifen „Wikileaks: Lügen und Geheimnisse“. Der Guardian war natürlich nicht alleine eingeknickt, fast alle großen Westmedien taten es gleich und schlimmer.

„Als Wikileaks die ersten als geheim eingestuften Dokumente über den Irak- und den Afghanistankrieg, vor allem diplomatische Depeschen, veröffentlichte, schrieen amerikanischen Journalisten ganz besonders laut nach strafrechtlichen Konsequenzen für Wikileaks.“ Glenn Greenwald S.120

Snowden, Poitras und Greenwald profitierten drei Jahre später vom Schicksal Julian Assange’s (und dessen Informanten Bradley Mannings): Sie wussten nun was sie von US-Geheimdiensten auf der einen und den Medien auf der anderen Seite zu erwarten hatten. Und der Guardian seinerseits hatte sich von der bis dato bei Medien üblichen Sicht verabschiedet, einen Whistleblower bzw. die von ihm auf dem Silbertablett überreichten brisanten Informationen als exklusiven Besitz zu betrachten. Greenwald und andere publizieren heute aus dem Fundus der Snowden-Files auf ihrer Website The Intercept auch ohne Konzernmedien.

Quellen

Greenwald, Glenn: Die globale Überwachung: Der Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und die Folgen, München 2014

Harding , Lukes: E. Snowden – Geschichte einer Weltaffäre, Guardian-Books 2014

Motive für Obamas Ukraine-Putsch: Snowden, Huntington, Mackinder

Gilbert Perry und Gerd R. Rueger heartland21

Vor genau einem Jahr bekam Edward Snowden in Moskau Asyl. Am 01.08.2014 muss Russland seine Aufenthaltsberechtigung verlängern. Könnte der Ukrainekrieg und der Absturz von MH-17 damit zu tun haben? London und Washington liefen 2013 Amok, um Snowden zu bekommen. Als dieser in Russland Asyl erhielt, war Obama gescheitert. Aber in der Ukraine kriselte es und mit den Beziehungen des Westens zu Russland ging es bald rapide bergab. Obamas Rache für Snowden?

London und Washington liefen 2013 auf diplomatischem Parkett geradezu Amok, um den Whistleblower Edward Snowden in die Enge zu treiben. Die US-Regierung wirft ihm Spionage vor. Sie bedrängten ihre Verbündeten, drohten sogar China und setzten dabei gerade begonnene Beziehungen auf’s Spiel. Snowden in Hong Kong enthüllte NSA-Spionage gegen Peking, doch dieser Schachzug reichte nicht aus, um im Reich der Mitte sicher zu sein. Zu immens war der Druck aus Washington, des „Verräters“ (der unvorstellbaren US-Verbrechen gegen das Menschenrecht auf Privatheit) habhaft zu werden. Man wollte ihn wie den Whistleblower Manning in einem politischen Schauprozess vor Gericht stellen, womöglich auch foltern, sicherlich lebenslang einsperren. US-Reaktionäre brüllten aus Leibeskräften in jedes Mikrofon: „Snowden ist ein chinesischer Spion!“

Regelmäßig zeigt sich Edward Snowden in den US-Medien und wird von vielen gefeiert. Glaubt man aber Umfragen, dann ist Snowden für den Großteil der Amerikaner nur ein Verräter. Das ist auch die Haltung von US-Präsident Obama. John Kerry, der Außenminister, höhnte vor einigen Tagen, wenn Snowden ein Patriot wäre, dann würde er sich stellen. Doch der frühere NSA-Angestellte sei ein Feigling, der sein Land verraten habe, so berichtet die FR.

Erst vor einigen Tagen war Snowden auf der Hacker-Konferenz „HopeX“ in New York per Videofeed aus Moskau zugeschaltet und erlebte, wie sich der legendäre Daniel Ellsberg sich für ihn einsetzte. Der heute 83 Jahre alte US-Whistleblower hatte am eigenen Leib erfahren, wie brutal die US-Regierung auf  unliebsame Enthüllungen reagieren kann. Ellsberg hatte in den frühen 70er Jahren die „Pentagon-Papiere“ veröffentlicht, wodurch die US-Amerikaner endlich erfuhren, dass ihre Regierung sie über den Vietnam-Krieg von vorne bis hinten belogen hatte. Heute glaubt die Mehrheit von ihnen wieder die Lügen aus Washington, dank perfider Propaganda und einer Gleichschaltung auch der damals noch kritischen Presse. Die Post (Washington Post), die Watergate aufdeckte, ist nur noch besseres Sprachrohr der Machteliten, die Times (New York Times), die die Pentagon-Papiere brachte, ist heute sehr klein gemacht und fragt vor Kritik erst im Weißen Haus nach, ob sie das publizieren dürfte. Snowden hatte sich darum an einen Blogger-Journalisten gewendet, um seinen NSA-Leak im britischen Guardian zu veröffentlichen: Glenn Greenwald, der heute auf The Intercept bloggt.

Snowden in Moskau –Obama infiltriert Kiew

Die USA wollten Snowden, wie vor ihm schon Julian Assange, unbedingt in ihre Finger bekommen. Als Snowden trotz aller Drohgebärden, Intrigen und Übergriffe in Russland Asyl erhielt, war Obamas Feldzug gegen die Wahrheit vorerst gescheitert. Aber in der Ukraine ging es dann bald hoch her und mit den Beziehungen des Westens zu Russland rapide bergab. Die Ukraine gilt seit eh und je als Moskaus weiche Flanke. Schon die US-getriebene „Orangene Revolution“ machte sich dies zunutze.

Könnte auch der CIA-Feldzug in der Ukraine, der gerade jetzt, im Vorfeld dieser Entscheidung, mit dem Absturz von MH-17 radikalisiert wird, etwas damit zu tun haben? Dabei hatte man schon Putin im G7-Club der Westeliten einen Platz eingeräumt, die damit zur G8 wurden, die USA hofften auf eine Allianz gegen China. Ein deutscher Ex-Kanzler und andere hatten schöne Pipelines in die GUS gebaut, um Gas nach Europa zu leiten –vielleicht weckte schon das den Neid der USA? Jedenfalls wollte Obama auf Wirtschaftsinteressen von Berlin oder Paris keine Rücksicht nehmen.

Warum auch? Washington hatte sich nicht einmal gescheut, internationales Recht zu brechen und von willigen VasallenOAS Logo in Europa (Frankreich, Italien, Spanien) die Präsidentenmaschine von Evo Morales in Wien zur Landung zu zwingen, ein weltgeschichtlich einmaliges kriminelles Vorgehen. Dort wurde das Diplomatengepäck des gedemütigten Lateinamerikaners durchschnüffelt, denn Obama war in Panik, Snowden könnte nach Ecuador, Venezuela oder (Gott bewahre) Kuba entkommen. Doch Snowden hatte Obamas Zug vorhergesehen und war in Moskau geblieben. Die USA ignorierten den internationalen Sturm der Entrüstung, der vor allem ganz Lateinamerika erfasste, das sich durch die OAS mit Boliviens Präsidenten solidarisierte.

Sippenhaft: London jagt Snowden mit Nazi-Methoden

London setzte später noch eins drauf und brach seine eigenen Bürgerrechte, als es David Miranda, den brasilianischen Ehepartner von Snowdens Mit-Enthüller Glenn Greenwald, widerrechtlich festnahm. Miranda wurde bei einer Zwischenlandung in London inhaftiert, neun Stunden lang verhört, bedroht und genötigt die Snowden-Dateien herauszugeben (bzw. das Passwort dazu). Obamas Komplize Cameron scheute nicht die folgende Anklage seiner Regierung durch Greenwald und Miranda, die von den Kronanwälten Ihrer Majestät jedoch in einem politischen Prozess abgeschmettert wurde: Bürgerrechte? Wir sind ein Königreich und keine (my god!) Republik, am Ende wollen diese abtrünnigen Kolonien hier noch eine Verfassung einführen!

Doch sogar mit ihrer durch prädemokratische „Defence-Advisory-Notices“ geknebelten Presse [1], die zum Großteil die (vom dafür schikanierten Guardian abgesehen) die NSA-Affäre weitgehend totschwieg, konnte das Thema nicht völlig unter den Teppich gekehrt werden. Zu hoch waren die Wellen der internationalen Empörung, zumal in Deutschland. Dort war von einer kritischen Öffentlichkeit schon der Wikileaks-Skandal ganz anders aufgenommen worden. Nun schaffte es die Machtelite gerade eben, das Thema NSA bis über den Bundestagswahlkampf abzuwiegeln. Dann brach es sich Bahn in den nach Skandal gierenden Mainstreammedien, als Auslöser musste läppischerweise Merkels Handy herhalten.

Obamas JSOC unterwandert Kiew

SvobodaProtesters

Svoboda-Faschisten mit gelber Armbinde

Nun wollten die NSA- und GCHQ-Machteliten Snowden in seinem russischen Asyl mit kriegerischen Mitteln ausräuchern, sich an Putin rächen und –ohnehin lang gehegter Plan– sich die Ukraine unter den Nagel reißen. Man setzte seine faschistischen Hilfstruppen in Marsch, wie man gerüchteweise hört, von polnischen Polizeioffizieren an Waffen ausgebildet. Der zwar korrupte, aber dummerweise russlandfreundliche Janukowitsch sollte durch eine West-Marionette ersetzt werden.

Obama schickte spätestens seit Snowden Asyl in Moskau fand seine geheimen JSOC-Killer-Kommandos in die Ukraine. US-Kritiker Jeremy Scahill beschreibt JSOC (Joint Special Operations Command) in seinem neuen Buch „Die schmutzigen Kriege der USA“ ausführlich [2]. Ihr Auftrag war natürlich geheim. Aber die JSOC-Kernkompetenz ist dank Scahill jetzt bekannt: Leute aus dem Hinterhalt erschießen und die Morde anderen anhängen bzw. lokale Killer dafür ausbilden. Wer erschoss wirklich die Demonstranten und Polizisten in Kiew?

Für die Westmedienmeute war das keine Frage: Putin und Janukowitsch sind schuld. Ähnlich verfahren sie jetzt im Fall des abgeschossenen oder mittels einer Bombe zerstörten Flugzeugs MH-17. Auch diese 300 Toten werden zur Propagandawaffe gegen Putin gemacht –eine effektive Klärung des Absturzes verhindert derzeit der West-Vasall Poroschenko.

Obama, Huntington, Mackinder

Im ideologischen Hintergrund von Obamas Strategie lauern noch Samuel P. Huntingtons Neorassismus und Halford J. Mackinders Geopolitik der angelsächsischen Weltherrschaft, beides heimliche Agendasetter auch der aktuellen US-Politik unter Obama. Die Ukraine ist möglicherweise gerade unter Obama zum Spielball der Kulturkampf-Ideologie der Rechtspopulisten in Washington um ihren Ideologen Huntington und die Rüstungs-, Öl- und Energiemafia geworden.

Nach Huntigtons Ethno- oder Neorassistischen Clash-of-Civilizations-Lehre geht die Grenze zwischen „westlicher“ und „orthodoxer“ Welt genau mitten durch die Ukraine. Kein Wunder: die von Obamas CIA-Infiltrationstruppen aufgehetzten Rechtsextremen von Svoboda-Partei und Rechtem Sektor folgen ähnlichen rassistischen Ideen. Die mit der deutschen NPD paktierenden Svoboda-Faschisten sehen die Russen nicht als Slawisches Volk, sondern als „Tartaro-Mongolen“.

Solche Feinheiten kennt Huntington zwar nicht, der mit us-amerikanischem Hang zur Simplifikation seine ethnorassistischen Kulturkampf-Grenzen einfach entlang dominierender Religionszugehörigkeit zieht: Polen und Westukrainer zählen damit als Katholiken zum Westen, Russen und Ostukrainer mit ihren orthodoxen Kirchen zum slawischen Ostblock.

Brzezinski -zwischen Mackinder und Huntigton

Geopolitik war immer Hauptanliegen des als Russenhasser bekannten Alt-Strategen Brzezinski. Bei seinen Strategie orientierte er sich stets implizit an Konzepten des englischen Geopolitikers Halford J. Mackinder (1861-1947). Mackinder spricht von einer globalen Zentralregion (dem Heartland) in der Mitte der eurasischen Landmasse und bezeichnet dieses Gebiet als geographischen Angelpunkt der Geschichte.

Die geopolitische Bedeutung dieser Region beruht auf ihrer geographischen Lage: Zentralasien und Sibirien sind für Mackinder uneinnehmbare Festungen, für Seemächte unerreichbar –so sieht es sein angelsächsischer Blick. Seit bald einem halben Jahrtausend ist das strategische Zentrum der Weltinsel russisch, das Zentrum einer gigantischen Landmasse, welche annähernd 60% der globalen Wirtschaftsleistung, 75% der Weltbevölkerung und 75% der bekannten Energievorkommen beherbergt. Hier wird die Frage nach einer langfristigen globalen Dominanz entschieden, glauben die machtelitären Stammtisch-Strategen mit ihrer großtuerisch als „Geopolitik“ angepriesenen Ideologie (dahinter: oft nur Wirtschaftsinteressen.)

Brzezinskis ideologischer Purzelbaum 2012

2012 vollführte Brzezinski eine politische Pirouette und proklamierte plötzlich die Annäherung an Putins Russland, nur um ein gutes Jahr später zu seiner vorherigen Russenhasserei zurückzukehren –ein Täuschungsmanöver? Oder eine Reaktion auf die für angelsächsische Weltpläne verheerende NSA-Affäre und Snowdens Asyl in Moskau? Noch 2008 hatte Brzezinski Putin mit Hitler verglichen, sehr zur Freude deutscher Reaktionäre [3].

Brzezinski sprach sich damals während der Georgienkrise für eine dauerhafte Isolierung Russlands aus, ganz i.S. einer an Mackinder orientierten Strategie der Umklammerung des russischen Heartland von der Südflanke her. Das Ausspielen von Islam und China gegen Putin sollte die GUS von zentralasiatischen Ressourcen abschneiden und diese in die Gewalt des US-Unilateralismus bringen.

In Brzezinskis „The Grant Chessboard“ (1998) ging es um die Kontrolle über Zentralasien. Er phantasierte dort von einer „neuen Seidenstraße“, geschaffen durch eine ostwärts expandierende EU und eine Nato, die sich Georgien und die Ukraine einverleiben sollte. Ähnlichkeiten mit dem Programm der CIA-gesteuerten „Europäischen Arbeiterpartei“ (die in Westdeutschland Interessen des US-Kapitals vertrat) waren wohl nicht zufällig.

Bis hin nach China, dem potentiellen Verbündeten gegen das dann fest umklammerte russische Heartland, sollte die anti-russische Zone sich erstrecken. Ein Gürtel aus Handelsrouten, Pipelines, pro-westlichen Staaten und US-Militärbasen würde diese „Seidenstraße“ zum Rückgrat einer neuen Weltordnung unter Führung Washingtons machen. Unbedingt nötig dafür: Einen Keil zwischen Russland und Deutschland treiben.

Brzezinski und Huntingtons Ethnorassismus

Brzezinskis wirre Weltherrschafts-Phantasien basieren auf einem unterschwelligem Rassismus. Schon als er in den 60er Jahren zusammen mit seinem Kumpel Samuel P. Huntington das Verhältnis von USA und Sowjetunion analysierte, mischten sich ethnorassistische Ressentiments mit elitärem Dünkel:

„Die Tatsache, daß die sowjetische Elite von Arbeitern und Bauern abstammt, hat ihrem Verhalten und ihren moralischen Normen den Stempel aufgedrückt. Sie kommt in der Direktheit, Derbheit und gelegentlich sogar Brutalität des offiziellen Sprachgebrauchs im Innern wie gegenüber solchen Ausländern zum Ausdruck, die die sowjetischen Führer mit Feindseligkeit betrachten.“ [4]

Das soziopolitische US-Modell einer Herrschaft der „oberen Mittelschicht“ findet seine fanatischen Ideologen im Duo Brzezinski/Huntington [5]. Sie scheuen sich dabei nicht, auf soziologische Analysen von C.Wright Mills zurückzugreifen, die dieser allerdings als Beleg für soziale Verkrustung und mangelhafte Gerechtigkeit der US-Gesellschaft gedacht hatte [6]. Die Kalten Krieger machen daraus das slawische Barbarentum, dem die stilvolle Diktatur der angelsächsischen Gentlemen gegenübersteht.

Huntington sollte diese angelsächsische Selbstbeweihräucherung später zu seiner „Kampf der Kulturen“-Ideologie weiterentwickeln, die Washington als ethnorassistische Rechtfertigung seiner unipolaren Weltmachtpolitik dienen durfte: Von Dick Cheney’s Weltherrschaftsplan „Defense Planning Guide“ (1992) [7] bis zum berüchtigten PNAC, dem „Project New American Century“, das auf mysteriöse Weise die 9/11-Anschläge „vorausahnte“. Der schon damals gigantische NSA-CIA-FBI-Komplex der USA stand vor dem 9.11.2001 unter Druck, man hatte ihm die Mittel gekürzt weil der Kalte Krieg vorbei war. Durch unwahrscheinliche Zufälle und undurchsichtige Pannen konnten die US-Geheimen die Anschläge bekanntlich nicht verhindern. Zur Belohnung bekamen sie danach einen überirdischen Geldregen aus Steuermitteln und konnten expandieren bis zu jenem Ausmaß, das erst durch die Snowden-Leaks ans Licht kam.

Obamas NSA-Debakel und seine Rachepläne

Edelste Waffe der Angelsachsen ist seit jeher der Geheimdienst. Andere auszuspionieren, zu täuschen und belügen istBlackwater2007 tief verwurzelter Teil ihrer Politik und Kultur: Vom elisabethanischen Chefspion Lord Walsingham, über den vergötterten Super-Killer James Bond 007 [8] bis zur Sitte der „Überraschungsparty“, wo schon Kinder spielerisch in Täuschung, Lüge und Spionage trainiert werden und lernen, dass dies alles guten Zwecken dient. Die Kinder der ausspionierten und belogenen Nationen nicht-angelsächsischer Herkunft bekommen leider keine Geschenke, sondern Bomben auf den Kopf.

Die globale Überraschungsparty, welche die NSA vor Snowden vorbereiten wollte, ist jetzt wohl erstmal geplatzt. Dafür hassen US-Machteliten den Whistleblower und jeden, der ihm hilft. Vor allem Putin, aber auch die nach Freiheit strebenden Lateinamerikaner. Überall spielen sie ihre Macht aus, im Geheimen wird spioniert und sabotiert, in der Finanzwelt neue Teufeleien ausgeheckt und politisch setzt man Medien und Vasallenstaaten des Westblocks in Marsch, Privatarmeen und Söldnertruppen vom Schlage Blackwater inklusive. Wie weit wird Obama gehen? Wie weit werden Merkel, Hollande & Co. mitgehen?

Kriegstreiber in den USA brüllten sogar schon nach dem Atomkrieg gegen Russland: Die beinahe US-Vize-Präsidentin Sarah Palin, Ex-Schönheitskönigin von Alaska und rechtsradikale Tea-Party-Republikanerin, hat im Ukraine-Konflikt Präsident Obama zum Atomkrieg geraten: “Stop Putin with nukes!“

Fußnoten:

[1] Harding, Luke: Edward Snowden. Geschichte einer Weltaffäre, London/Berlin 2014, S.148, 257f.

[2] Scahill, Jeremy: Die schmutzigen Kriege der USA, München 2013, S.440.

[3] Brzezinski, Zbigniew: Russlands Vorgehen ähnelt dem von Hitler, Welt Online 11.8.2008, http://www.welt.de/politik/article2296378/Russlands-Vorgehen-aehnelt-dem-von-Hitler.html

[4] Brzezinski, Z. u. Samuel P. Huntington: Politische Macht: USA/UdSSR. Ein Vergleich, Köln/Berlin 1966, S.158f.

[5] Brzezinski/Huntington ebd. S.155.

[6] Mills, C. Wright: The Power Elite, New York 1956, S.400 ff.

[7] Bauer, Rudolph: Wir befinden uns mitten im Krieg, Bremer Friedensforum, Broschüre, Bremen 2014, S.15.

[8] Harding, Luke: Edward Snowden. Geschichte einer Weltaffäre, London/Berlin 2014, S.258