Gladio unschuldig? Der große Unbekannte im Luxemburger Jahrhundertprozess

Gerd R. Rueger Gladio_Logo

Auch die 170.Sitzung im Bombenleger-Prozess glänzte mit Ex-Gladio-Agenten, von denen einer erneut den selbsternannten konservativen EU-Wahlsieger Juncker belastete. Die von den Attentaten betroffene Firma Creos hat Tätern und Komplizen einen seltsamen Vorschlag gemacht: Sie will auf Ansprüche auf Schadensersatz verzichten, wenn diese ein Geständnis ablegen. Die Gladio-Affäre zog in Luxemburg weite Kreise -bis zum Sturz der Regierung Juncker -und bis zur Geheimloge P2.

Die 170. Sitzung im Bombenleger-Prozess glänzte mit zwei ehemaligen Gladio-Agenten und dem ehemaligen SREL-Mann Frank Schneider. Auch der Ex-Generalsekretär der Abgeordnetenkammer Pierre Dillenburg wurde vorgeladen. Die von den Bomben betroffene Energiefirma Creos hat ein Angebot an Täter und Komplizen der Anschläge eingereicht: Man bietet an, jegliche Ansprüche auf Schadensersatz fallen zu lassen, sofern diese bis zum 1. Juli 2014 ein Geständnis ablegen. Die Verteidigung merkte dazu an, dass ihre Mandanten sich nicht von dem Angebot betroffen fühlen, da sie jegliche Schuld oder Mitschuld an den Anschlägen bestreiten. Gladio zog in Luxemburg weite Kreise –bis zur Geheimloge P2.

Gladio unschuldig –es war der große unbekannte Geheimdienst

Zunächst wurde im „Luxemburger Jahrhundertprozess“ von den vernommenen Beamten der Eindruck erweckt, es hätten übereifrige Polizisten durch inszenierte Attentate eine Erhöhung des Polizei-Budgets erreichen wollen. Doch jetzt wurde dieses in Dänemark erfolgreich verfilmte („Kopps“), humoristische Szenario wieder durch eine Story ersetzt die eher dem Agententhriller-Milieu gerecht wird. Marco Mille, der ehemalige SREL-Chef des Großherzogtums, entwickelte vor Gericht eine wilde Verschwörungstheorie: Die mysteriösen Bommeleeër (Bombenleger) könnten doch auch eine vom Gladio-Netzwerk („Stay-Behind“) unabhängige Organisation gewesen sein, es gebe ja auch andere professionelle Geheime. Die Luxemburger Gladio-Leute, zuletzt die Zeugen Wetz und Schenten, hatten schließlich vor Gericht beteuert, statt paramilitärischer Terroraktivitäten nur logistische Aufgaben bekommen zu haben, man hätte ihnen ja nicht einmal Waffen gegeben.

Chef-Agent Mille sieht den Kriegshelden und Ex- Armeeminister Emile Krieps als möglichen Hintermann, der durch -der politischen Linken in die Schuhe geschobene- Anschläge Stimmung für den Sicherheitsapparat habe machen wollen. Marco Mille, der 2003-2010 den SREL geleitet hatte, schrieb Geheimdienstgeschichte, als er eine geheime Unterredung mit seinem Staatschef Jean-Claude Juncker mittels einer 007-Armbanduhr aufzeichnete. Offenbar misstraute der Schlapphut seinem Dienstherrn. Unter Mille verbreitete der Geheimdienst die Theorie, Gladio oder sogar eine noch geheimere Kampfgruppe namens „Action“ stecke hinter den Bombenattentaten zwischen 1984 und 1986, so das Luxemburger Wort.

Als mögliches Mastermind hinter einer solchen geheimen Partisanenarmee beschuldigte Mille den Luxemburger Nationalheld Émile Krieps, der im II. Weltkrieg gegen die Nazi-Besatzer die Résistance aufbaute, in Großbritannien eine Geheimdienstausbildung erhielt und an der Befreiung des Landes beteiligt war. 1946 wurden Krieps und einige Mitstreiter unter dem Verdacht inhaftiert, einen Staatsstreich gegen die damalige Luxemburger Regierung geplant zu haben. Nach einer militärischen Karriere hochdekoriert ging Krieps 1968 selbst in die Politik, wo er als Minister zwischen 1974 und 1984 u.a. für die Armee zuständig war. Stay Behind sei in Luxemburg ursprünglich beim Militärgeheimdienst organisiert gewesen, den zivilen Geheimdienst SREL habe es erst seit 1960 gegeben, so Mille.

Letzte Woche gab Marco Milles Ex-Operationschef Frank Schneider seinen Auftritt vor Gericht. Agent Schneider gab zu Protokoll, im SREL 2000 als Analyst für organisierte Kriminalität und Terrorabwehr begonnen und von 2004 bis 2008 alle Aktivitäten der Luxemburger Geheimen geleitet zu haben. Er habe sich immer gewundert, dass der SREL sich zur Untersuchung der Attentate nicht für zuständig befunden habe, obwohl ausländische Täter nicht hätten ausgeschlossen werden können. Die Vorsitzende Richterin Sylvie Conter süffisant dazu: „So ist es, außer, man wüsste, dass die Attentäter aus Luxemburg kommen, weil man sie identifiziert hatte.“

Richterin Conter scheint sich also der fragwürdigen Qualität mancher Aussagen der Schlapphut-zeugen vor ihrer Kammer bewusst zu sein, nimmt die Sache aber mit Humor. Auch sonst ging es im Gericht oft lustig zu, man schmunzelte über all die Irren in der Welt:

Anwalt Oswald konfrontiert Dillenbourg mit einem Schreiben eines Mannes vom 5. Mai 2013. Der Brief stammt von einem wegen Mordes verurteilten Mann. In dem Schreiben will er wissen, dass Dillenbourg die Hintergründe der Anschläge kenne. Dillenbourg: Ich kenne diesen Mann (lacht) Das stimmt alles nicht. Er hat viele solche komischen Briefe geschrieben. Er war auch der Meinung, dass die Amerikaner nie auf dem Mond waren.“ Protokoll lt. tageblatt.lu, 22. Mai 2014

Ex-SREL-Agent: Jean-Claude Juncker war informiert

Top-Agent Schneider staunte im Nachhinein auch über das Desinteresse der ausländischenJuncker2014 Geheimdienste (einer der Anschläge galt einem EU-Gipfel). Er gab zu bedenken, dass zur Zeit der Anschläge „seltsame Strategien“ seitens der USA verfolgt wurden, um einen „Linksrutsch“ in Westeuropa zu verhindern. SREL-Mann Schneider erinnerte an US-Präsident Ronald Reagans Abkehr von der Entspannungspolitik, der die „Strategy of Confinement“ durch seine „Strategy of Victory“ ersetzt habe. Damals setzten die USA auf ein neoliberales Wirtschaftsprogramm, alles Soziale in den NATO-Staaten abzutöten (Reagonomics und Thatcherism) –im Inneren die sozialen Systeme, nach außen die realsozialistischen Staaten. Die Sowjetunion wollte man mit atomaren Angriffswaffen „Enthaupten“ (Decapitation-Strategie) oder wenigstens „Totrüsten“. Dies alles gefiel vielen Europäern wenig, denn sie wären dabei atomisiert worden –die US-Parole „Lieber tot als rot“ erschien vielen als Aufforderung, sich linken Parteien und Bewegungen anzuschließen, etwa der Friedensbewegung.

Die CIA bzw. Gladio reagierten darauf vor allem im als besonders kritisch gesehenen Italien mit Terror, der den Linken untergeschoben wurde –es gab Hunderte Tote. Später kam heraus, dass Rechtsextremisten die Täter waren, doch auch dies war nur ein weiterer Lügenschleier. Der italienische Rechtsterroristen Vincenzo Vinciguerra sagte 2008, er wehre sich gegen die Behauptung, dass die Massaker in Italien faschistische Anschläge waren. Die Männer, die an solchen Operationen teilnahmen, wären alles Männer des Staatsapparates gewesen, der die Täter daher stets gedeckt habe (Ähnlichkeiten mit der NSU-Terror-Affäre der deutschen Geheimdienste sind auffällig). Erst im Dezember 1990, nach Ende des Kalten Krieges, gab damals die Regierung Kohl die Existenz von „Stay Behind“ bzw. Gladio auch in Deutschland zu, aber ohne weiterführende Informationen. Es wurde damals über die Vorläuferorganisation, den rechtsextremen „Technischen Dienst“ des „Bundes deutscher Jugend“ berichtet. Sogar ZDF-Reporter empörten sich, so TP, dass CIA und BND Alt-Nazis rekrutierten und bewaffneten, um „die Demokratie vor den Russen zu schützen“, zumal Gladio in Italien als brutale Terrortruppe entlarvt wurde.

Richterin Conter: Warum hat der Geheimdienst bei den Attentaten nicht reagiert?

Schneider: Das kann ich mir bis heute auch nicht erklären.

Richterin Conter: Oder wusste man, wer die Täter waren?

Schneider: Das weiß ich nicht. Ich war damals nicht im Geheimdienst. Ich weiß nur, wäre ich damals dabei gewesen, es hätte im Dienst was passiert. Damals existierte bereits weltweit Terrorismus. Wäre ein kleiner Kiosk explodiert, hätten wir uns vor Anfragen aus dem In- und -Ausland nicht mehr retten können.“ Protokoll lt. tageblatt.lu, 22. Mai 2014

 Selbst im beschaulichen Luxemburg habe es damals einen Linksrutsch gegeben, so SREL-Mann Schneider, den die USA als „extrem beunruhigend“ empfunden hätten. Top-Agent Schneider widersprach auch seinen bislang vernommenen Ex-Untergebenen und bewertete es als wenig wahrscheinlich, dass es im Großherzogtum keinen paramilitärischen Arm des Stay Behind Netzwerks gegeben habe. Diese Einschätzung habe Schneider auch Regierungschef Jean-Claude Juncker mitgeteilt, der später über die Gladio-Affäre stürzte.

SREL verhaspelt sich und verweist auf Staatsräson und Geheimhaltung

SREL-Agent Schneider sprach schließlich dunkel von damaligen Verhandlungen mit US-Behörden, deren Inhalt „im Rahmen der Affäre nicht uninteressant gewesen wäre“, die aber leider Top-Secret seien. Er könne diese Information nur „auf ganz hohem Niveau“ an jemand anderen als den Staatsanwalt im Vier-Augen-Gespräch weitergeben. Der davon wenig begeisterte Staatsanwalt Georges Oswald zog die Glaubwürdigkeit Schneiders wegen Widersprüchen in seinen Einlassungen in Zweifel und drohte dramatisch, Schneider könne von seiner Geheimhaltungspflicht auch durchaus vom Verfassungsgerichtshof entbunden werden. Die Vorsitzende Richterin entschied dagegen pragmatisch, Schneider solle seine Top-Secret-Aussagen in einem verschlossenen Umschlag einreichen.

Einige Beobachter meinen nun, die Erfahrung aus den grauenhaften Terroranschlägen in Italien war, dass sich die Drahtzieher von Gladio-Attentaten letztlich nicht geheim halten ließen. Man müsse daher Polizei und Geheimdienst komplett außen vor halten, um nicht entlarvt zu werden. Ähnlich lief es ja auch in Luxemburg: Polizei und Geheimdienst, die, wenn sie über Beweise stolpern, sich für nicht zuständig halten bzw. gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Im Großherzogtum wäre z.B. das Fürstenhaus einflussreich genug, beide Sicherheitsbehörden lahmlegen zu können. So könnten unbekannte Mächte irgendwie die beiden Prinzen in die Sache verwickelt haben, um ungestört agieren zu können. Dies spräche für Agent Schneiders Verschwörungstheorie, sowohl Täter wie Befehlsgeber wären aus NATO-Kreisen gekommen. Die entsprechenden Akten, unterlägen dann militärischer Geheimhaltung, die bislang noch nie ein Staat hätte aufheben können. Warum sollte ausgerechnet eine Strafkammer im kleinen Luxemburg die NATO zur Herausgabe von Daten zwingen können?

Und dann war da noch Ex-Generalsekretär Pierre Dillenburg. Der konnte Gerüchte, dass sein Vorgänger als Generalsekretär der Luxemburger Abgeordnetenkammer, Guillaume Wagner, Dokumente zur Bommeleeër-Affäre beseitigt habe, nicht bestätigen. Agent Schneider hatte zu den verschwundenen Akten ausgesagt, er habe sich „nicht gewundert“, dass bei der Hausdurchsuchung beim SREL nichts weiter gefunden worden sei, als ein Ordner mit Zeitungsausschnitten. Der Grund sei gewesen, dass das Archiv sehr schlecht unterhalten worden sei und offenbar niemand Interesse daran gehabt habe, dies zu ändern. Viele Mitarbeiter hätten auch ihr eigenes Archiv angelegt und ihren Tätigkeitsbereich gegenüber anderen abgeschottet. Aha, der Chef wusste also von nichts. Schneider schloss seinen laut Protokoll „langen und teils in sich widersprüchlichen Exkurs“ mit dem Fazit: Weder er noch andere SREL-Mitarbeiter hätten den geringsten Ansatz gefunden, der die These vom Staatsterrorismus im Auftrag von US-Geheimdienstkreisen stützen würde. Andere fanden diverse Verbindungen -bis in Mafia und Logen-Kreise (P2).

Gladio-Skandal: Nur krümelweise Wahrheit

Gerd R. Rueger 13.07.2013

Die FAZ scheint das erste hiesige Mainstream-Medium zu sein, dass seinen Konsumenten die Gladio-BND-Verbindung wenigstens andeutete -zwar nur ohne genauere Erklärungen, wer Gladio überhaupt ist, und ohne Einschätzung der Dimension des Skandals, aber immerhin. ARD und “SPIEGEL” müssten sich (selbst angesichts der desolaten Minimal-Erwähnung) mit einer aus einer FAZ gefalteten Papiertüte über dem Kopf davonschleichen. Wer mehr wissen will, muss woanders suchen.

“SpiegelOnline” (Bertelsmann) nannte Gladio eine “illegale paramilitärische Geheimorganisation“, die von “Militärs und Geheimdienstler aus mehreren europäischen Ländern” aufgebaut worden wäre (SPIEGEL-Leser wissen weniger). Der “STERN” (Bertelsmann) sprach sogar vom “Aufbau der Untergrundpolizei ‘Gladio’ durch westliche Geheimdienste”.  PHOENIX wusste gestern von Gladio und BND immer noch nichts, brachte aber ein paar historische Details ans Licht:

„Ins Rollen gebracht hat die Affäre die luxemburgische Zeitung d’Lëtzebuerger Land Ende 2012. Das Blatt veröffentlichte wortgetreu ein Gespräch, das Juncker 2007 mit SREL-Chef Marco Mille führte – dieser hatte die Unterredung heimlich mitgeschnitten. Nach Informationen der Zeitung hatte es auch das Gespräch selbst in sich: Mille teilt Juncker demnach darin mit, dass 300.000 Karteikarten oder ähnliche Aufzeichnungen mit Informationen über Bürger und Politiker vernichtet worden seien, die während des Kalten Krieges angelegt worden waren.“ PHOENIX 12.7.2013

Da wird die FAZ etwas präziser und nennt NATO und sogar BND beim Namen, allerdings eher abwiegelnd tief im Text versteckt. Unter der nichtssagenden Zwischenüberschrift „Eine ungewöhnliche Situation“ rückte die FAZ weit unten in ihrem betulich betitelten Text „Europas Dienstältester“ in gerade einmal zwei Sätzen mit einigen angedeuteten Halbwahrheiten heraus, die natürlich gleich mit einem abwiegelnden Zusatz verabreicht werden:

„Die Ermittlungen haben aber dazu geführt, dass nun ein Gerichtsprozess gegen zwei ehemalige Angehörige der Gendarmerie läuft. Um das „Bommeleeër“-Verfahren ranken sich Mutmaßungen über mögliche Verbindungen zu einer von der Nato unterstützten geheimen paramilitärischen Organisation (Gladio). Aussagen eines deutschen Historikers, der auf eine koordinierende Rolle seines für den Bundesnachrichtendienst tätigen Vaters für Gladio verwiesen hatte, sorgten kurzzeitig in Luxemburg für Aufsehen, wurden aber nicht mehr weiterverfolgt. Im Mai tauchten dann Berichte über dubiose Geschäfte luxemburgischer Geheimdienstler mit Luxusautos auf.“ FAZ 10.7.2013

Das „kurzzeitig für Aufsehen“ ist angesichts der hier auf JasminRev dokumentierten Gladio-Berichterstattung allein aus dem Luxemburger Wort wohl ein dreistes Abwiegeln. Mit „wurden aber nicht mehr weiterverfolgt“ soll der Leser abgelenkt und die Aussage im Gerichtsprotokoll wohl als unglaubhaft hingestellt werden. Die „Aussagen eines deutschen Historikers“ stammen aber von einem Karriere-Historiker, der sogar beim deutschen Bundestag beschäftigt war -eine renommierte Position, nach der sich Zehntausende arbeitslose Geisteswissenschaftler in Deutschland alle zehn Finger abschlecken- und der die Dimension seiner vor einem ordentlichen Gericht öffentlich zu Protokoll gegebenen Angaben vermutlich sehr genau einschätzen kann. Die Glaubhaftigkeit seiner präzisen Aussagen über den für das Oktoberfest 1981 Bomben bastelnden, inzwischen verstorbenen BND-Vater ist auch durch die ihm drohende Strafe mindestens wegen uneidlicher Falschaussage (sollte er gelogen haben), belegt.

Wenn solche brisanten Aussagen „nicht mehr weiterverfolgt“ wurden, könnte ein Journalist auch der reaktionären FAZ durchaus mal nachfragen: „Warum eigentlich nicht?“ Immerhin geht es hier um Bomben-Terror mit vielen Toten, der dieselbe Zeitung in helle Aufregung versetzt hatte, damals, als man die Leser noch glauben machen konnte, dahinter hätten Linksextremisten gesteckt. Statt Gladio-Terror und der Geheimloge P2 findet die FAZ „dubiose Geschäfte luxemburgischer Geheimdienstler mit Luxusautos“ viel bedeutsamer -subtil bebildert ist der Text mit einem Foto von Juncker vor einer schwarzen Luxuslimousine (s.o.).

Wer mehr über die brisanten Aspekte der Affäre wissen möchte, muss sich weit links im Medienspektrum umsehen. Dort erfährt man, dass der SREL seit Ende der 1980er Jahre die Bommeleeër-Ermittlungen  systematisch hintertrieben hat, um die Aufdeckung seiner Verstrickung mit „Gladio“ zu verhindern, und dass dabei über 80 Beweisstücke aus staatlichen Asservaten-Kammern auf mysteriöse Weise verschwanden. Auch dass man dem ermittelnden Generalstaatsanwalt eine Kindesschändungsaffäre anzuhängen versuchte und dass 2004 die Ermittlungen bei einer Hausdurchsuchung im SREL einen Akteneintrag des Gladio-Mitglieds Licio Gelli zu Tage förderten, der zum Zeitpunkt der Attentate in Luxemburg  war. Gespräche von Juncker mit einem Zeugen zur Gladio-Affäre wurden von SREL in mindestens sechs Fällen abgehört, aber als SREL-Chef Marco Mille Juncker-Belauschung gestand, deckte „Europas Dienstältester“ dies nicht auf: Die Inhalte seiner Gespräche und die Abhöraktion blieben „Verschlusssache“, so die RoteFahne, 11.7.2013. Viele FAZ-Leser werden dieses eher progressive Medium aber nicht kennen, ebensowenig wie die JasminRev. Schade. Dort könnten sie erfahren, was Juncker aus Sicht weniger betulicher Beobachter ist: „Ein skrupelloser Machtpolitiker des in Europa ansässigen internationalen Finanzkapitals.“ Auch dass der Finanzplatz Luxemburg durch die Ermittlungen des Untersuchungsausschusses ins Zwielicht geriet, wurde von der FAZ nicht groß diskutiert: Weder der SREL noch Juncker selbst hatten die Justiz verständigt, als sie 2006 davon erfuhren, dass der ehemalige Machthaber der Republik Kongo, Pascal Lissouba, 150 Millionen Dollar auf einem Luxemburger Konto hortet. Lissouba war zu diesem Zeitpunkt schon wegen Korruption zu 30 Jahren Haft verurteilt worden -es ging um einen 150 Mio-Dollar-Deal mit der US-Firma Occidental Petroleum.

Andere Medien haben weniger Glück bei ihrer Gladio-Berichterstattung, so ist bei Google seit Tagen noch das VoltaireNetwork gelistet, die Website selbst aber nicht mehr erreichbar:

GladioLuxembourg : Juncker contraint de démissionner Voltaire Network-11.07.2013 Inamovible Premier ministre du Luxembourg depuis 18 ans, Jean-Claude Juncker a présenté sa démission au Grand duc à l’issue de 7 heures 

Unsere Artikel zum Gladio-Skandal:

Stay behind-Gladio-Leak: Nach “Junge Welt” nun “Telepolis”

Gerd R. Rueger 01.05.2013 Luxemburg. Es brodelt im feinen Bankenstaat, üble Geheimdienstaktionen kommen ans Licht. Die deutschen Medien schweigen. Nach der Jungen Welt berichtet nun auch Telepolis von den Anschlägen der NATO auf sich selbst, die angeblichen Linksterroristen in die Schuhe geschoben wurden. Ein Strafprozess bringt Geheimdienstakten ans Licht, die von Sprengstoffanschlägen handeln. Machten Militärs […]

Luxemburg: Regierungskrise nach Gladio-Skandal

Gerd R. Rueger 08.07.2013 Der Gladio-Bombenleger-Skandal kocht weiter. Luxemburg ist reichstes EU-Land, Steuerbetrugsoase und jetzt auch als Geheimdienst-Schnüffel-Paradies enttarnt. Staatschef Juncker wird daher zum Rücktritt aufgefordert -ein Vorbild für US-Schnüffel-Skandale? Finanzgeschäfte und Spionage in großem Stil scheinen immer deutlicher zusammen zu hängen: Die Angelsachsen mit City of London, Wallstreet, Kanalinseln, Karibik bis USA/Delware haben PRISM. […]

Gladio-BND: SPIEGEL-Leser wissen weniger

Gerd R. Rueger 08.07.2013 Eine Rüge wert ist unser Polit-Meinungsführer-Magazin Nr.1, wo seit Beginn der Gladio-BND-Bombenleger-Affäre vor vier Monaten nichts zu lesen war. Zu Gladio findet sich dort überhaupt sehr wenig, seit 1990 scheint das Magazin dem Thema aus dem Weg zu gehen. Beim Münchner Oktoberfest-Anschlag hat der “Spiegel” (Bertelsmann) zwar schließlich die seit dem […]

Luxemburg: Juncker stürzt über Gladio-Affäre

Gerd R. Rueger 11.07.2013 Europas dienstältester Staatschef Juncker tritt zurück -die große Überraschung dabei: Bertelsmann lässt sein Polit-Flaggschiff “SPIEGEL” endlich darüber berichten: Die NATO-Geheimarmee Gladio wird erwähnt! Immerhin. Die Tagesschau traute sich das gestern nicht. Aber die Verwicklung des BND wird dem SPIEGEL-Leser weiter verschwiegen, ebenso das Gladio-Ziel: Linksextremisten als Terroristen hinstellen. Stattdessen wird eine […]

Juncker-Rücktritt: Tagesschau verschweigt weiter Gladio-Skandal

Gerd R. Rueger 12.07.2013 Die NATO-Geheimtruppe Gladio steht im Mittelpunkt der Luxemburgischen Regierungskrise. Dennoch verschweigt die Tagesschau, das wichtigste TV-Leitmedium im Land, was andere Medien längst berichten. Das Wort “Gladio” wird ebenso vermieden wie “Stay-behind”. Statt dessen langatmiger Infotainment-Video zu Junckers Gefühlen und dem Herzogssitz. Auch auf der ARD-Website keine Hintergrundinformation. Ein Medien-Skandal im Geheimdienst-Skandal. […]

Gladio-Skandal zieht Kreise: Licio Gelli und Geheimloge P2

Gerd R. Rueger 12.07.2013 Der Gladio-Skandal hat weitere Kreise gezogen als bislang bekannt wurde. Le Monde berichtet über Beziehungen der Luxemburger Staatsaffäre zur berüchtigten Loge P2 um Licio Gelli, Ex-Schwarzhemd und Freund der US-Regierungen Ford, Carter, Reagan, dem nie Verbindungen zum CIA nachgewiesen werden konnten. Der Chef der P2 (Propaganda Due) bereiste Luxemburg zur Zeit […]

Luxemburg: Regierungskrise nach Gladio-Skandal

Gerd R. Rueger 08.07.2013

Der Gladio-Bombenleger-Skandal kocht weiter. Luxemburg ist reichstes EU-Land, Steuerbetrugsoase und jetzt auch als Geheimdienst-Schnüffel-Paradies enttarnt. Staatschef Juncker wird daher zum Rücktritt aufgefordert -ein Vorbild für US-Schnüffel-Skandale? Finanzgeschäfte und Spionage in großem Stil scheinen immer deutlicher zusammen zu hängen: Die Angelsachsen mit City of London, Wallstreet, Kanalinseln, Karibik bis USA/Delware haben PRISM. Die Steueroase Luxemburg hat den SREL und ihre Gladio-Bommeleer.

Juncker: Dienstälteste EU-Marionette?

Bommeleeer-Gladio-Affäre: 20 Gladio-Bombenanschläge auf Sendemasten und Hochspannungsleitungen in den Jahren 1984-86, Srel-Chef Charles Hoffmann hatte 1985 Stay-Behind (Gladio)-Manöver beim damaligen Staatsminister Jacques Santer angefragt und genehmigt bekommen. Und der deutsche BND war immer mittendrin. Der Bommeleeer-Prozess brachte Luxemburgs Geheimdienstler ins Licht der Öffentlichkeit: Sie belauschten fast alle im Land.

Was zunächst nach einem Nebenkriegsschauplatz in der Gladio-Bombenleger-Affäre aussah, hat schnell eine Eigendynamik entwickelt, meint das Luxemburger Wort. Deutsche Medien schweigen die Gladio-Connection tot als wären sie von einem totalitären Regime gleichgeschaltet, dabei zieht sie weite Kreise bis hin zu deutschen Geheimdiensten und dem Oktoberfest-Anschlag, dem schlimmsten Attentat in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Nun gerät Europas dienstältester Staatschef unter Druck: Juncker lenkt das kleine Finanz-Großherzogtum seit 18 Jahren und übt große Macht in EU und Finanzwelt aus. Wusste er nichts von den geheimen Machenschaften? War er nur Marionette der Geheimen?

Gegen Luxemburgs Geheimdienst SREL stehen mittlerweile Vorwürfe wie Beschattung von Parteien und Überwachung von rund 300.000 luxemburgischen Bürgern im Raum, dabei hat das Land keine 500.000 Einwohner. Prominentestes Opfer war Juncker selbst: Sein Geheimdienstchef Marco Mille zeichnete mit einer Spezialarmbanduhr ein Gespräch auf, das er im Januar 2007 mit Juncker führte. Als Juncker Ende 2008 davon erfährt, wird Mille gefeuert -die Aufnahme taugte wohl doch nicht zur Erpressung. Aber der lauschfreudige Geheime Marco Mille findet schnell ein neues Tätigkeitsfeld: Er wird laut SZ 2010 Sicherheitschef des Siemens-Konzerns, dessen Stiftung uns trotz grandioser Korruptionsfälle im Hause Siemens immer erklären will, wie man sich ethisch verhalten soll.

Luxemburgs Politik befindet sich im Aufruhr, Grund ist ein Enquete-Bericht, in dem das Parlament den Geheimdienst SRLE (Service de renseignement de l’Etat luxembourgeois) unter die Lupe nahm, Grund: Die Gladio-Bombenleger-Affäre. Am Freitag stellte ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss  fest, dass der Christsoziale Regierungschef Juncker die „politische Verantwortung“ für die jahrelang andauernde unkontrollierbare Tätigkeit des luxemburgischen Geheimdienstes SREL  trage.

Luxemburg: Aufruhr in Rotschwarz

Wie gespalten die schwarzrote Koalition Junckers ist, zeigte sich bei der Abstimmung über dem SREL-Bericht. Die drei Sozialdemokraten (LSAP) stimmten mit der Opposition für den Bericht. Nur die fünf Christsozialen (CSV) stimmten gegen den Bericht. Der Chef der Sozialdemokraten, Lucien Lux, sagte im Anschluss, das Land brauche eine Erneuerung. Es gebe nur eine Möglichkeit: der Ministerpräsident muss zurücktreten, so die luxemburgische Zeitung Le Quotidien, die Gaston Giberyen zitiert, den Chef der oppositionellen ADR (Alternative Demokratische Reformpartei).

Am Mittwoch soll Juncker in einer Plenarsitzung noch einmal ausführlich gehört werden, um sich zu den Rücktrittsforderungen zu äußern. Regulär würden erst im Sommer 2014 die nächsten Wahlen anstehen. Tritt Juncker zurück, müsste Großherzog Henri zunächst die Abgeordnetenkammer auflösen, um für Mitte Oktober den Weg für Neuwahlen freizumachen.

„Was wirft der Untersuchungsausschuss dem Staatsminister vor? Zum einen die Verfehlungen der Srel-Mitarbeiter, für die der Ressortminister objektiv die Verantwortung trägt. Zum anderen soll Jean-Claude Juncker dafür verantwortlich sein, die parlamentarische Kontrollkommission und die Justiz nur lückenhaft über das Geschehen beim Geheimdienst informiert zu haben. (…) Wenig gut beraten wäre Jean-Claude Juncker, die Tragweite der Geheimdienst-Affäre klein zu reden oder sich als Opfer einer Intrige zu präsentieren. Wer wären denn die Täter? Irgendwelche Strippenzieher im Hintergrund? Das um Aufklärung bemühte Parlament? Die investigative Presse? Solche Verschwörungstheorien lenken von der eigenen Verantwortung ab und stärken nicht gerade das Vertrauen in die Institutionen.“ Luxemburger Wort 08.07.2013

Hintergrund: Bombenleger-Prozess

In Luxemburg läuft seit März der Bommeleeër-Prozess, ein Prozess gegen zwei Polizeibeamte, die beschuldigt werden, sich im Auftrag einer geheimen NATO-Truppe in den 80er Jahren an Bombenanschlägen auf Strommasten beteiligt zu haben. Es geht um Straftaten, die durch das sogenannte Stay-Behind-Netzwerk, besser bekannt als “Gladio”, im Kalten Krieg verübt wurden. Gladio sollte angeblich, so die offizielle Version, nach einem Überrollen der Nato-Armeen durch die sowjetische Rote Armee im Hinterland Guerillakrieg führen. Aber Gladio verstrickte sich mit Rechtsextremisten und wurden schon im Frieden aktiv: Es flogen Bomben, es gab Tote z.B. in Bologna. Über DIE LINKE erreichte das Thema sogar den Deutschen Bundestag (der gleich geheimnisvoll A.K. genannte Zeuge wurde vom Luxemburger Wort als „deutscher Historiker Andreas Kramer“ mit Klarnamen und Bild bekannt gemacht):

Eine Zeugenaussage im sogenannten Luxemburger Bombenleger-Prozess ist Thema der Antwort der Bundesregierung (17/13615) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (17/13214). Wie die Fragesteller darin schreiben, war in dem Prozess Anfang April ein Zeuge aufgetreten, „der Aussagen zur Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes (BND) an der Anschlagserie gemacht hat, die in den 80er-Jahren Luxemburg in Atem hielt“. Der Zeuge habe ausgesagt, sein Vater, ein im vergangenen Jahr verstorbener ehemaliger Bundeswehrangehöriger, habe die 18 Anschläge in Luxemburg eingefädelt. Sein Vater sei neben seiner Tätigkeit als Hauptmann der Bundeswehr, bei der er Zugriff auf Sprengstoffe und Waffen gehabt habe, für den BND tätig und Teil der „Stay-behind“-Organisation der Nato gewesen. Auch am Anschlag auf das Münchner Oktoberfest sei der Vater beteiligt gewesen: „Er hat die Bombe mitgebaut“, habe A. K. in einem Interview geäußert. Sein Vater habe die „Anwerbungsgespräche“ für das Attentat geführt und dabei unter anderem auch den Attentäter Gundolf Köhler angeworben.

Die Bundesregierung verweist in ihrer Antwort darauf, dass sie im Rahmen mehrerer parlamentarischer Anfragen mit den Darlegungen des Zeugen A. K. in dem genannten Prozess befasst gewesen sei. In diesem Zusammenhang seien bereits mehrfach die einschlägigen Unterlagen der Bundesregierung zu der „Stay-behind“-Organisation geprüft worden. Bisher hätten darin keine Hinweise gefunden werden können, die die Darlegungen des A. K. in Bezug auf die Tätigkeit seines Vaters, J. K., bestätigen können. Ungeachtet dessen habe die Bundesregierung eine weitere Prüfung der Vorwürfe veranlasst. „Sollten sich weitere Hinweise ergeben, die die Behauptungen stützen, wird über das weitere Vorgehen zu beraten sein“, heißt es in der Antwort weiter. Darüber hinaus habe der Generalbundesanwalt (GBA) am 27. März 2013 einen Prüfvorgang eingeleitet.

Der Antwort zufolge konnte in den noch vorhandenen Unterlagen ein in der Stabsabteilung G 4 (Logistik) tätiger Hauptmann namens J. K. festgestellt werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit handele es dabei um die in der Kleinen Anfrage angesprochene Person, schreibt die Bundesregierung. Die betreffende Personalakte sei aus Datenschutzgründen nach Ende der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist vernichtet worden. Aus den noch vorhandenen Unterlagen ergäben sich keine Details seiner verschiedenen Tätigkeiten. Recherchen in den einschlägigen Abfragesystemen sowie in den zur Verfügung stehenden Unterlagen hätten „keine Hinweise erbracht, die eine Tätigkeit des J. K. für den BND bestätigen“. Quelle: Deutscher Bundestagfunkeblog

(A.K., der Historiker Andreas Kramer, der über seinen BND-Vater auspackte, soll übrigens beim dt. Bundestag als Archivar beschäftigt gewesen sein)

Und der Zweck der Bombenwerferei? Beschuldigt wurden Linksextremisten (false-flag-operations). Die Rechtspopulisten von NPD bis CDU profitierten, schlugen ihr politisches Kapital aus den Opfern. Auch in Deutschland, Stichwort: Anschlag auf das Münchner Oktoberfest. Am 22.11.1990 verurteilte das Europäische Parlament Gladio, nach dem dessen Verbrechen bekannt geworden waren, doch der Schweizer Historiker Daniele Ganser, zweifelt noch heute an, dass die paramilitärischen Geheimtruppen gänzlich aufgelöst wurden. Stay-Behind-Gladio-Leak