Arbeitslose werden entmutigt, gemobbt, vereinzelt
Theodor Marloth 27.9.2012
Ergebnis der psychischen Belastung war in diesem tragischen Einzelfall, in dem auch eine soziale Isolierung durch Sprachprobleme dazukam, eine Amoktat. Die politische Dimension des Hintergrundes wird medial kaum diskutiert: Das soziale Schlachtfeld, das die Hartz IV-Gesetze hinterlassen haben. Ziel war, die deutsche Arbeitswelt in ein Billiglohn-Paradies für Großunternehmen zu verwandeln, die Löhne zu drücken, die Sozialsysteme zugunsten von Steuergeschenken an die Reichen zu plündern.
Dazu wurde ein Klima der Angst geschaffen, das die Menschen im unteren Drittel der Gesellschaft niederdrücken und zu leichten Opfern ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse machen sollte. Aber Angst erzeugt Hass auf den, der die Angst auslöst. Die Tötung einer kleinen Sachbearbeiterin eines Jobcenters in Neuss hat mit Sicherheit die Falsche getroffen und Mordanschläge werden das Problem nicht lösen: Das Übel Hartz IV, das uns Rotgrün beschert hat, das Rotschwarz ausgebaut und Schwarzgelb zu traurigen Rekorden getrieben hat.
Helfen kann nur die Organisation der Betroffenen gegen die Bürokratie, die sie unterdrückt: Jasminrevolution berichtete jüngst über einen Sieg von Arbeitslosen gegen ihr Jobcenter, wo Betroffene eine Initiative gegründet hatten und ein Überlebenshandbuch für Hartz IV-Opfer verteilten.
Dort wurde einer fatalen Vereinzelung -die Schattenseite der vielgepriesenen „Individualisierung“- erfolgreich entgegen gewirkt. Leider bekommen solche Initiativen kaum Aufmerksamkeit von neoliberal gestimmten Medien, die ohnehin überwiegend für eine Zerstörung des Sozialstaates getrommelt haben. Auch der Tod der Sachbearbeiterin aus Neuss wird nur als individuelles Schicksal gewertet werden, ohne auf die politische Dimension hinzuweisen.
Wie die Mainstream-Medien den tragischen Fall aus Neuss darstellen ist klar: Focus legte z.B. den Schwerpunkt auf blutige Details (Halsschlagader getroffen, nahe am Herzen) und zitiert ausgiebig die BILD-Zeitung, weist auch auffällig oft auf den Migrationshintergrund des Täters hin, zu sozialpolitischen Aspekten erfährt man fast nichts:
„Das Opfer arbeitete seit 2009 für das Jobcenter Rhein-Kreis Neuss. Die Frau war Arbeitsvermittlerin für Arbeitslosengeld II-Empfänger in einem Projekt für über 50-jährige Kunden gewesen, teilte das Jobcenter mit. In diesem Projekt betreute sich auch Ahmet S.“
Polizei und Alarmknöpfe statt Sozialstaat