Gruppe Wagner: Russische Söldnerfirma macht Blackwater-Academi Konkurrenz

Manfred Gleuber

Ein großer Unterschied zwischen dem russischen und dem Nato-Militär war bislang die massive Einsatz von privaten Söldnern durch den Westen. Söldnerfirmen erleichtern es, staatliche Schuld an Greueltaten zu vertuschen und unter dem Deckmantel der Geheimhaltung Milliarden in privaten Taschen verschwinden zu lassen. Nun will Putin auf diesem Sektor offenbar gleichziehen: Die russische Söldnerfirma „Gruppe Wagner“ tritt gegen Blackwater, DynCorp & Co an. Ihr Name soll von der Schwäche für den Komponisten Wagner des Firmengründers und Ex-GRU-Agenten Dimitri Utkin herrühren.

Private Militärunternehmen waren in Russland per Gesetz bis 2017 grundsätzlich verboten. Die Teilnahme als Söldner an bewaffneten Konflikten wurde mit bis zu sieben Jahren Haft geahndet -auch wenn diese außerhalb russischen Staatsgebiets erfolgte: Eine für Nato-Staaten unbegreifliche Einschränkung, da diese über große Söldnerheere mit einer langen kolonialistischen Tradition verfügen. Selbst kleine Länder wie Dänemark haben mächtige private Kriegsfirmen, die global in geheimen Kampfeinsätzen für große Firmen und westliche Regierungen tätig sind, führend sind Briten und Amerikaner.

USA mit Blackwater im Irak

Die USA unter Bush jr. ersetzten bei der Besatzung des Irak einen Großteil ihrer Truppen durch private Sicherheitsleute, meist als Hilfskräfte, jedoch auch für besonders schmutzige Einsätze wie Folter und Massaker. Multi-Milliarden-Dollar-Summen flossen fast unkontrolliert aus dem explosionsartig aufgeblähten US-Militäretat in dunkle Kanäle der Privatmilitärs. Diese waren meist eng und korruptiv mit Ex-Regierungsbeamten verflochten, westliche Medien schauten wie meist, wenn es um den MIK (Militärisch-Industriellen Komplex) geht, in andere Richtungen.

Aufmerksam wurde die westliche Öffentlichkeit erst, als die Söldnerfirma Blackwater im Irak nach besonders abscheulichen Verbrechen Ziel von Widerstand der Bevölkerung wurde: Im Internet konnte man Bilder von an einer Brücke in Falludscha aufgehängten Blackwater-Söldnern sehen. Aus den USA kamen Forderungen der Politik, Falludscha als Rache dem Erdboden gleichzumachen. Die Söldner hatten vorher zahllose Zivilisten, auch Frauen und Kinder massakriert und waren in die barbarischen Folterungen der US-Besatzer an politischen Gefangenen beteiligt.

In Russland waren Söldnerfirmen verboten

Anders war die Rechtslage und Politik in Moskau: Dort stand sogar auf das Bewerben, Trainieren und Finanzieren von Söldnergruppen bis zu 15 Jahre Gefängnis. Das Gesetz wurde jedoch selten angewandt. Als erste russische Söldner überhaupt wurden 2014 Wadim Gussew und Pawel Sidorow wegen des Aufbaus einer 250-köpfigen Söldnertruppe von einem russischen Gericht verurteilt. Der Zusammenhang mit dem Syrienkrieg könnte sein, dass ein in Hongkong registriertes Unternehmen namens „Slawisches Korps“ 2013 von der syrischen Regierung angeheuert wurde. Da der Nato-Staatenblock als Kriegspartei den „Bürgerkrieg“ angestiftet hatte (Dara-Zwischenfall lt. Daniele Ganser) und seine islamistischen Marionettengruppen in den Kampf schickte, traute man westlichen Söldnerfirmen vermutlich nicht.

Zur Sicherung von Erdöl-Anlagen der Regierung von Baschar al-Assad in Syrien wurden für das Jahr 2013 scheinbar 200-300 Männer in Sankt Petersburg rekrutiert. Die Männer waren in As-Sukhnah, östlich von Palmyra eingesetzt, aber der Einsatz in Syrien endete nach den vorliegenden Berichten desaströs. Da die schlecht ausgerüsteten Söldner von Kämpfern des IS bei Homs umzingelt wurden, verlor die Einheit die Kontrolle über die Erdöl-Quellen und konnte nur knapp entkommen. Es ist anzunehmen, dass weniger die Tatsache des Einsatzes selbst als vielmehr ihre unprofessionelle Umsetzung durch das „Slawische Korps“ in Moskau als anstößig erschien, da man fahrlässig russische Bürger gefährdet hatte. Die Gruppe Wagner scheint diesen Mangel nun ausgleichen zu sollen. Ihre Existenz ist nicht unbekannt geblieben, Westmedien scheuen sich sich jedoch, dies an die große Glocke zu hängen, vermutlich da die Öffentlichkeit nicht auf weit größere Söldner-Aktivitäten der Nato-Staaten aufmerksam werden soll. Man spricht abwiegelnd von Private Military Contractors (PMC) und betont, dass die meisten dieser PMC-Sicherheitsleute nur in Militärkantinen Suppe servieren oder Diplomaten beschützen.

2017 legalisiert Putin Söldnerfirmen

Zu Weihnachten 2016 verfügte die Regierung von Wladimir Putin eine Gesetzesänderung und am 9.1.2017 trat das neue Gesetz über die Militärdienstpflicht in Russland in Kraft. Seit diesem Zeitpunkt gilt jeder Russe, der den Militärgrundwehrdienst absolviert hat oder Reservist ist, als russischer Militärangehöriger, wenn er „internationale terroristische Aktivitäten außerhalb des Territoriums der Russischen Föderation verhindert“. Mit dem Gesetz wird es erstmals legal möglich russische Söldner weltweit einzusetzen, was auch die Voraussetzung schafft, auch russische Söldnerfirmen legal aufzubauen.

Offizielle Stellen äußerten sich bislang nicht zur Existenz russischer Söldner. Es gab jedoch schon 2012 eine Äußerung von Ministerpräsident Putin, wonach diese “ein Werkzeug für die Durchsetzung nationaler Interessen ohne direkte Beteiligung des Staates” sein könnten.

Medienberichte besagen, dass zwei russische Kämpfer der Gruppe Wagner mit staatlichen Orden ausgezeichnet wurden. Sie starben im Winter 2015 bei der, in diesem Zeitraum umkämpften, ukrainischen Stadt Debalzewe. Demnach erhielten auch in Syrien getötete Kämpfer der Gruppe Wagner einen Tapferkeitsorden. Überraschend äußerte sich im Januar 2018 Außenminister Lawrow zur Übernahme militärischer Aufgaben im Ausland durch private Sicherheitsfirmen und zum Fehlen eines rechtlichen Rahmens dazu. Es wurde klar, dass Moskau im Söldnereinsatz mit dem Westblock gleichziehen möchte. Westliche Medien schwadronieren schon länger über russische Söldner in der Ostukraine, doch jetzt soll es in Syrien offizielle Politik Moskaus werden.

Gruppe Wagner und der GRU-Wagnerianer Dimitri Utkin

Die Gruppe Wagner ist als Unternehmen in Argentinien registriert, ihre Gründerfigur ist der Ex-GRU-Agent Dimitri Utkin. Der Oberstleutnant der Reserve und Kommandeur einer Spezialeinheit der GRU Utkin schied 2013 aus dem aktiven Militärdienst aus. Auch westliche Söldnerfirmen haben Ex-Geheimdienstler und -Militärs an führenden Stellen. 2014 kommandierte Utkin eine private Einheit der Söldnergruppe Slawisches Korps, er war einer der Überlebenden des Syrien-Einsatzes. Er hatte den Kampfnamen Wagner, nach dem deutschen Komponisten Richard Wagner, was der neuen Söldnerfirma ihren Namen gab.

Über die genaue Truppenstärke der Gruppe Wagner ist wenig bekannt, aber laut Medienberichten soll das Unternehmen bis zu 2500 Mann in Syrien im Einsatz haben. Die Kämpfer der Gruppe Wagner sind meist Ex-Soldaten der russischen Armee, aber es soll auch serbische Wagner-Kämpfern in Syrien geben. Die Gruppe Wagner trainiert auf einem Truppenübungsplatz nahe der 10. Spezialaufklärungsbrigade der GRU beim Dorf Molkino im Süden Russlands.

Die Verluste der Gruppe Wagner in Syrien lagen nach Medienberichten von 2015 bis Ende 2017 zwischen ca. 70-100 Kämpfern, die nicht in den offiziellen Verluststatistiken der russischen Streitkräfte auftauchen (dies ist ja einer der Gründe, Söldner einzusetzen). Die Besoldung eines Angehörigen der Gruppe Wagner liegt laut The Moscow Times zwischen 80.000 Rubel pro Monat ($ 1380) für den Dienst in einer Basis in Russland und 250.000 Rubel ($ 4300) für den aktiven Kampfeinsatz in Syrien. Die Hinterbliebenen erhalten demnach eine Wiedergutmachung beim Tod eines der Kämpfer.

Gruppe Wagner kämpft in Syrien gegen IS

Die ersten Wagner-Kämpfer tauchten in Syrien kurz vor dem offiziellen Ausbau der russischen Basen in Syrien im Oktober 2015 auf, also bereits vor der offiziellen Legalisierung des Söldnerwesens durch Moskau. Aufgrund militärischer Geheimhaltung drang zuvor nicht viel nach außen und die Gruppe scheint -genau wie Blackwater, DynCorp & Co im Westen- über gute Kontakte zu Regierung und Militär in Russland zu verfügen.

Zunächst seien in Syrien 1000 bis 1600 Angestellte der Wagner-Gruppe im Einsatz gewesen. Gleichzeitig begannen Bemühungen, die Einheit zu legalisieren. Spezialisten der Firma sollen Kampftruppen von Präsident Assad trainieren, ihre Kämpfer nehmen aber auch an Operationen im Syrischen Bürgerkrieg teil. Sogar eine Wagner-Einheit mit Kämpfern aus Serbien soll laut Telegraph in Syrien aktiv sein. Sie wird von dem bosnischen Serben Davor Savicic (Kampfname „Elvis“) geführt, der im jugoslawischen Bürgerkrieg gekämpft hat. In Syrien ist auch die Ausstattung der Gruppe mit schwerem Gerät belegt: Die Gruppe Wagner operierte mit russischen T-90 Panzern und Panzerhaubitzen.

Von den beiden russischen Unternehmen Evro Polis und Stroytransgaz ist bekannt, dass sie Verträge mit der syrischen Regierung abgeschlossen haben und private Söldner einsetzen (man orientiert sich offenbar am Vorbild der USA, der Briten und Franzosen in Irak, Libyen usw.). Evro Polis profitiert von den Öl- und Gasquellen, die aus den Händen des IS erobert wurden und lässt sie laut New York Times durch Söldner bewachen. Die Phosphat-Mine von Stroytransgaz war zeitweise unter der Kontrolle von Aufständischen und wurde von Söldnern befreit.

Gruppe Wagner befreite Palmyra vom IS

Angehörige der Gruppe Wagner spielten bei der Rückeroberung der Stadt Palmyra aus der Hand des IS eine wichtige Rolle. Ein ehemaliger Kämpfer der Gruppe Wagner erzählte dem britischen Sender Sky News, er und seine russischen Mit-Kombattanten hätten an vorderster Front gekämpft, es habe viele Verluste gegeben und die syrische Armee sei erst in zweiter Reihe nachgerückt.

Am 7. Februar 2018 wurde bei Deir ez-Zor ein Kampfverband in einem illegalen Angriff durch die US-Luftwaffe zerschlagen, darunter auch Kämpfer der Gruppe Wagner. Das russische Außenministerium bestätigte Tage später den Tod von fünf russischen Bürgern. Die westliche Nachrichtenagentur Reuters berichtete von 300 Toten und Verwundeten der Einheit. Drei Transportflugzeuge hätten im fraglichen Zeitraum Verwundete aus Syrien nach Russland gebracht und 80 Männer seien aus der Gruppe Wagner getötet worden… soweit die Westmedien und Wikipedia. In Wahrheit dürften ein paar Hintergründe verschwiegen worden sein: Dahinter steckte u.U. die drittgrößte Ölfirma der USA, Conoco-Öl.

Am 7.2.2018 verübten amerikanische Kampfflugzeuge und Artillerie in der nordostsyrischen Provinz Deir ez-Zor ein scheinbar grundloses Massaker an bis ca. 100 regierungstreuen Kämpfern. Die syrische Regierung verurteilte den Angriff zurecht als Kriegsverbrechen und „direkte Unterstützung des Terrorismus“. Sie betonte, ihre Truppen seien von den USA angegriffen worden, während sie im Gebiet bei al-Tabiya am Ostufer des Euphrat gegen IS-Terroristen kämpften. Washington ist offenbar entschlossen, der syrischen Regierung die Kontrolle über die syrische Ölgebiete um al-Tabiya dauerhaft zu entziehen und diese praktisch zu annektieren. M.Gleuber

Die Gruppe Wagner geriet scheinbar zwischen staatlich unterstützte US-Ölräuber um den CIA-Nestor Richard Armitage und die Ölquellen, die sie stehlen wollten. Im Fazit kann man sagen, dass Russland auf bislang noch sehr niedrigem Niveau die Militärpolitik des Westens kopiert. Mit der Gruppe Wagner steht den gigantischen Gewalt-Industrien des Westens, mit ihren Hunderttausende zählenden Söldnern, ihren Privatgeheimdiensten und Folterspezialisten, auf russischer Seite ein vergleichsweise bescheidener Mittelständler gegenüber.

Aber klar wird, Moskau will endlich auch von den perversen Vorteilen des Söldnereinsatzes profitieren: Geheimhaltung, Verdunkelung von Verantwortung, Vermeidung getötete Soldaten zugeben zu müssen -auch Bush, Obama, Trump usw. machten sich dies zunutze. Leider ist zu befürchten, dass auch noch schlimmere Missstände des Söldnerwesens wie Korruption und das Delegieren schmutziger Kriegsführung an die Privaten vom Nato-“Vorbild“ übernommen werden könnten. Bislang ist jedoch noch kein russischer Söldner-Skandal ans Licht gekommen, der den Mördern und Folterknechten von Blackwater-Academi oder den Päderasten von DynCorp (als Nato-Besatzer im Kosovo) gleichkäme: 2010 wurde natürlich nicht durch Westmedien, sondern erst durch Wikileaks enthüllt, dass es massiven organisierten Kindesmissbrauch durch DynCorp-Söldner gab.

 

 

Presse-Meute heult: Hat Steinmeier zufällig was richtig gemacht?

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Sogar die ARD-Tagesschau musste es kleinlaut bringen: Unser deutscher Außenminister und Vizekanzler Steinmeier (SPD) lugte einmal ganz kurz hinter dem mächtigen Schatten der Kanzlerin hervor und murmelte etwas von Frieden mit Russland in ein Mikrofon. Sofort brach ein Sturm der Entrüstung (im Sinn von: Angst vor weniger Geld für Rüstung) los: FAZ titelte „Steinmeiers Kriegsgeheul“ und heulte selber fast: „Hatte Putin etwa Geburtstag?“ Friede Springers ideologisches Schlachtschiff „Die Welt“ posaunte von „beispielloser Illoyalität“ gegenüber den Kriegsfürsten der Nato und argwöhnt, der SPD-Mann wolle womöglich seiner Merkel von der Stange und in Richtung Rot-Rot-Grün gehen. O Graus! Untergang des Abendlandes!

Die rechtspopulistische „Welt„, die nur dank großflächiger Gratisverteilung des Blattes ihre mickrige Auflage halten kann, empört sich, wohl im Auftrag ihrer Großindustriellen (Anzeigenkunden): „Außenminister Frank-Walter Steinmeier attackiert offen die Nato. Er unterminiert eine westliche Strategie, die seine Regierung mitträgt. Sein Motiv für die Absetzbewegung: der Traum von Rot-Rot-Grün.“

Dolchstoß-Legende aus dem Springer-Verlag

Während die Nato mit Manövern in Polen und im Baltikum ihre Abwehrkräfte gegen einen möglichen russischen Angriff auf osteuropäische Bündnisstaaten erprobe, so das Propagandablatt der Multimilliardärin Friede Springer und Freundin der Bertelsmann-Erbin Liz Mohn, wartete Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit einem „rhetorischen Paukenschlag“ auf. Dass ein deutscher Außenminister „dem gesamten westlichen Verteidigungsbündnis in den Rücken fällt“ sei ein „beispielloser Akt von Illoyalität“. Dabei ging es doch bloß um für die Nato dringend nötiger Übungen, an denen auch die Bundeswehr teilnimmt. Wie kann man die nur mit Kriegslüsternheit in Verbindung bringen? Am Wochenende hatte Merkels Vize davor gewarnt, „durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen“, mit „symbolischen Panzerparaden an der Ostgrenze des Bündnisses“ könne man nicht mehr Sicherheit schaffen.

Es dürften Russland keine Vorwände für eine Konfrontation geliefert werden, meinte Steinmeier. Schon in der Frage der Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland habe Steinmeier, so jault die „Welt“ weiter, die Kanzlerin brüskiert. Preschte er doch mit der Forderung nach schrittweiser Aufhebung der Strafmaßnahmen vor, obwohl Moskau die daran geknüpften Bedingungen „nicht ansatzweise erfüllt“ habe, meint jedenfalls das rechte Springerblatt. Es gehe doch um Putins  „anhaltende Aggression in der Ostukraine“. Aha. Dabei wirft doch Poroschenko, der Mann des Westens, dort verbotene Streubomben auf sein eigenes Volk, aber davon hat „Die Welt“ natürlich noch nie etwas gehört. Die jagt lieber wieder sowjetische, pardon russische U-Boote vor Schwedens Küste, wie einst im Kalten Krieg. Ach war das schön damals, als der Sozialist Olof Palme erschossen wurde, der Schweden in eine Entspannung mit Moskau führen wollte. Heute weiß man, dass die U-Boote, mit denen Schweden und Europa damals jahrelang Angst gemacht wurde, nicht aus Moskau, sondern aus Washington ihre Befehle erhielten. Arte brachte 2015 endlich eine Doku dazu: Die Methode Reagan (leider dreißig Jahre zu spät), doch kein Trick der Nato ist zu blöd als dass unsere Mainstream-Presse nicht mit Hurra in die Propaganda-Schlacht ziehen würde vgl. telepolis.

Steinmeiers unerwarteter Anfall von Vernunft hat die Rechtspopulisten im Land aufgescheucht wie nichts, was der SPD-Spitzenmann sonst je in seinem Leben getan hat. Die FAZ jammert am Ende ihres Artikels, der nur an Wortschwall, nicht an Inhalt oder Intelligenz den hysterischen Erguss der „Welt“ übertraf, ebenso wie diese: „Sprach hier nicht der Außenminister, sondern der Kandidat eines Linksbündnisses?“ FAZ. Die Angst sitzt den Rechten tief in den Knochen, dass in unserem Land die drei Parteien, die von sich behaupten, soziale Politik machen zu wollen, und die seit der letzten Bundestagswahl auch die Mehrheit dafür haben, nach der nächsten Wahl dies auch tun könnten. Aber nur die Ruhe, alte Kalte Kriegskameraden! Viel wahrscheinlicher als dies ist doch, dass die SPD hier nur schon mal für den Wahlkampf 2017 das Links-Blinken vor dem üblichen Rechts-Abbiegen übt. Und ob die Grünen wirklich soziale Politik wollen? Für anthroposophische Kindergartenkinder aus gutem Hause vielleicht. Aber doch nicht für Pommes fressende Proleten, igittigittigitt! Die Scheiße fressen die anderen!

Big Bohei um MH-17 Abschuss-Foto

Gilbert Perry ##MH-17_Sonnenblumen

Seit gestern geistert ein neues Foto durch die MH-17-Kontroverse. Vom russischen Fernsehen gelangte es über Telepolis in die deutsche Debatte. Auf dem Satellitenbild ist angeblich die Beschießung einer Passagiermaschine (MH-17?) durch ein Kampfflugzeug zu sehen. Echt oder Fälschung? Angeheizt wird die Diskussion durch Hobby-Militärexperten, wilde Trolle und eingeschleuste Bilder von Nazi-Untertassen, die offensichtlich West-Kritiker als Spinner hinstellen sollen.

Vom ersten russischen Fernseh-Kanal „Pervi“ (Freitagabend) gelangte das Bild am Samstag über Telepolis in die deutsche Debatte und erhitzt die Gemüter mehr als üblich. Auf dem angeblich aus den USA  stammenden Satelliten-Foto ist angeblich die Beschießung einer Passagiermaschine (MH-17?) durch ein Kampfflugzeug zu sehen, genauer: Der  Kondensstreifen einer Luft-Luft-Rakete, der auf MH-17 zielt. Echt oder Fälschung? Und wenn letzteres, von wem? Russen oder CIA -um die Russen bzw. die Weltöffentlichkeit zu foppen? Das brisante Satelliten-Foto präsentiert also eine Passagiermaschine und ein MIG-29-Kampfflugzeug in nur geringer Entfernung. Wenn das Foto echt wäre, wäre es wenige Sekunden vor dem Absturz der malaysischen MH 17 gemacht worden. Die Boeing 777 der Malaysia Airlines stürzte am 17. Juli dieses Jahres um 16:20 ukrainischer Ortszeit aus etwa 10.000 Meter Höhe ab, es waren 298 Opfer zu beklagen.  Der angebliche Absender des Fotos, ein US-Amerikaner namens George Bilt, hatte in seiner Begleitmail seine Version des Absturzes dargelegt, wonach die Passagiermaschine zuerst mit der Bordkanone des Kampfflugzeuges beschossen worden sei. Dann sei das Cockpit der Boeing 777 mit einer Luft-Luft-Rakete abgetrennt, schließlich das rechte Triebwerk und der rechte Flügel der Passagiermaschine mit einer Rakete beschossen worden, die sich wärmeorientiert selbst ihr Ziel sucht. Es sei eine „klassische Kampfattacke“ gewesen, so der geheimnisvolle Informant.

Veröffentlicht wurde das Foto von dem für seine scharfe, Anti-US-Rhetorik bekannten Moderator Michail Leontjew in dessen Sendung „Odnako“, so Telepolis-Autor Ulrich Heyden. Was das von dem russischen Fernsehkanal veröffentlichte Schwarz-Weiß-Bild demnach besonders brisant machen soll, ist der weiße Streifen, der sich vom linken Flügel der MIG 29 zu der Passagiermaschine zieht. Möglicherweise handele es sich dabei um den Kondensstreifen einer Luft-Luft-Rakete.

Der Zeitpunkt der Foto-Veröffentlichung sei für Russland günstig, denn der australische  Gastgeber des G-20-Gipfels wollte Wladimir Putin wegen des Abschusses der Passagiermaschine MH17 eigentlich ausladen. Damit folgte er der westmedialen Version der Story: Der russische Präsident trage eine Mitverantwortung für den Abschuss. „Putin durfte dann aber doch kommen“, meinte Telepolis. Der australische Ministerpräsident Abott habe angekündigte, er wolle sich den russischen Präsidenten „vorknöpfen“. Das Foto würde „eine Konfrontation in Australien weniger wahrscheinlich machen“, so die gewagte Spekulation.

Inzwischen meldet das Online-Magazin aber schon, Putin sei vorzeitig vom G20-Gipfel abgereist. Westliche Medien vermuten demnach hinter dem frühen Aufbruch aber keine Reibereien um MH-17, sondern eine mögliche Enttäuschung Putins über den Verlauf eines vierstündigen Gesprächs mit Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Kremlsprecher Dmitri Peskow verlautbarte, Putin habe den beiden EU-Politikern in dem Gespräch noch einmal die Position Russlands im Ukrainekonflikt dargelegt.

Fake-Fotos und russische Ingenieure

In der russischen Fernsehsendung am Freitagabend trat auch der Vizepräsident des Verbandes der Ingenieure Russlands, Iwan Andrijewski, auf. Er erklärte, seinem Verband sei das Foto „am 12ten“ (November?, U.H.) per Email zugeschickt worden. Der Absender, ein gewisser George Bilt, sei „Absolvent des MIT“ und habe nach eigener Aussage zwanzig Jahre Berufserfahrung. Wie aus der Begleitmail hervorgehe, stimme der Absender mit der These der russischen Ingenieure überein, dass die MH 17 von einem Kampfflugzeug abgeschossen wurde, so Telepolis. Das Foto von den beiden Flugzeugen, so Andrijewski weiter, sei von einem Aufklärungssatelliten aus „geringer Höhe“ gemacht worden. Die auf dem Foto angegebenen Koordinaten deuten angeblich darauf hin, dass es sich um einen britischen oder amerikanischen Spionage-Satelliten handele. Man habe das Foto genau geprüft und keine Hinweise für eine Fälschung gefunden.

Soweit bedient die heiße Publikation die andauernden Fragen kritischer Beobachter (ARD-Journaille und Grüne gehören nicht dazu) nach doch bestimmt vorhandenen derartigen US-Fotos. NSA & Co. bzw. Obama ließen bislang nur unscharfe Bildchen zu angeblicher Putin-Belastung durchsickern, was den geopolitischen Interessen der USA entspricht. Wie wahrscheinlich ist es, dass ein US-Whistleblower sich zuerst an die Russen wendet? Natürlich wäre möglich, dass New York Times bis Guardian eine Publikation abgelehnt haben. Viele Fragen bleiben offen.

Doch die Zitate von Andrijewski gehen auf Telepolis noch weiter. Er habe darauf hingewiesen , dass sein Verband schon im August eine Untersuchung vorgelegt hatte, nach der die malaysische Passagiermaschine von einem Kampfflugzeug abgeschossen wurde. Die von westlichen Medien und Politikern vertretene These, Separatisten in der Ostukraine hätten das Passagierflugzeug mit einer Buk-Rakete abgeschossen, sei nicht stichhaltig. Buk-Raketen würden beim Start einen Lärm entwickeln, der noch zehn Kilometer weit zu hören sei. Doch in dem dichtbesiedelten Gebiet Donezk habe niemand etwas von so einem Start mitbekommen. Außerdem hinterlassen die Raketen des Buk-Systems einen langen Kondensstreifen, der noch zehn Minuten in der Luft zu sehen ist. Auch der Raketenschweif sei von niemandem beobachtet worden usw. es folgen weitere russische Erklärungen, die der simplen Putin-Beschuldigung in Westmedien entgegen gehalten wurden.

Tumulte im Leserforum

Auf den Artikel hagelte es Leserbriefe, die Beweise für eine „plumpe Fälschung“ des Bildes NS_Ufo_MH-17entdeckt zu haben meinten bzw. dieses bezweifeln. Doch es blieben ihre behaupteten Beweisführungen genauso im Ungefähren wie deren Widerlegungen.  Trolle schimpften wie üblich in alle Richtungen (vielleicht sind dies ARD-Journalisten, die in ihrer üppigen Freizeit die Netzkultur diffamieren wollen?). Einige Witzbolde kamen auch mit lustigen Ufo-Fotos, die angeblich den Abschuss der MH-17  durch eine Nazi-Untertasse beweisen und wohl von einem russischen Twitterer stammen könnten.

Alles wenig inspirierend, zumindest was die Wahrheitsfindung angeht. Dafür ergibt dieses Bohei um ein Foto einen sehr guten Einblick in die Denkweisen der vielbeschworenen „Netzgemeinde“ über Propaganda, Gegen-Propaganda und den Ukraine-Konflikt in den Westmedien, auch die Anti-Putin-Fraktion ist wortgewaltig mit dabei, wenn auch meist mit Beiträgen, die den ARD-Schlachtruf „Shitstorm“ verdienen könnten. Doch viele bemühen sich wirklich im Schweiße ihres vermutlich von langen Computernächten bleichen Angesichts um eine Art Wahrheitsfindung. Ein Beispiel:

Re: Zum Glück eine Fälschung

Du redest Dir hier eine Menge Dinge schön und passend.
Fangen wir mit der Rakete an: Diese muss, wenn sie abgefeuert wurde, spätestens etwa 30 Sekunden nach Abschuss ihr Ziel gefunden haben, zu diesem Zeitpunkt ist lange Brennschluss und wenige Sekunden später deaktiviert sich der Sprengkopf.
Die Gegend ist recht dicht besiedelt, es gibt Ortschaften, Kohlezechen, Bauernhöfe und Tierfarmen. Da sind den ganzen Tag Menschen unterwegs. Die Menschen dort haben seit Mai Kampfhandlungen erlitten, vor allem Luftangriffe, aber auch Raketen- und Artilleriebeschuss. Sie haben mit Sicherheit nicht sehr auf die
Zivilflugzeuge geachtet, von denen jeden Tat 75-100 über die Region flogen, aber sehr wohl auf Militärmaschinen.
Da in der Region auch bereits Grad- und Smerch-Raketenwerfer zum Einsatz kamen, dürften die Leute auf den Krach einer Feststoffrakete besonders geachtet haben, genauso wie auf Kampfflugzeuge. Und diesen Krach hört man viele Kilometer weit, nicht bloss fünf. Die 9M22, die ein Grad verschiesst, fliegen bloss 20km weit und sind nur ein Zehntel so schwer wie die 9M38 der Buk-Komplexe, dennoch hört und sieht man sie von weitem.
Das Wetter am Unglückstag in der Region war durch eine Zweidrittelbedeckung mit hochhängenden Wolken (über 2km) gekennzeichnet, was man auch auf den Videos vom Aufschlag von MH17 und kurz darauf deutlich erkennen kann. Ein  niedrig fliegendes Kampfflugzeug war da auf jeden Fall zu  sehen, genauso wie es der eindrucksvolle Kondensstreifen  einer 9M38 gewesen wäre, der bei geringem Wind wie an  jenem Tag gut 10 Minuten in der Luft geblieben wäre. 
Insofern ist es wenig plausibel, dass niemand in der Region einen Raketenstart wahrgenommen hat, falls einer erfolgt ist (das bedeutet nicht, dass es komplett ausgeschlossen ist).
Von dem Kampfflugzeug haben insgesamt hunderte Menschen berichtet, Frauen, Männer und Kinder, der BBC, der OSZE  und russischen TV-Teams und Journalisten. Die Aussagen  klingen glaubwürdig, sie unterscheiden sich in Details  (ein oder mehrere Maschinen), stimmen aber in der Hauptsache  überein: Militärflugzeug(e), nach dem Absturz noch hör- und  zum Teil sichtbar gewesen. Das kann also weder die Rakete (die nach 15s geräuschlos flog) gewesen sein noch die abgestürzte Boeing.  Wie ich mehrfach schrieb, will ich mich da nicht festlegen, weil wir alle auf Berichte aus zweiter Hand angewiesen sind. Aber es erscheint mir wenig sinnvoll, Dinge auszuschliessen auf der Basis, dass sie einem nicht in den Kram passen.

Dies verfasste einaquadraht, der  seit dem 17.11.2000 schon mehr als 1000 Beiträge im Telepolis-Leserforum verfasste (ob 2000, 5000 oder 10.000 lässt die tp-Website nicht erkennen, aber es sind arg viele). Arg viele weitere Poster von Leserpost rangeln sich seit her dort im Leserforum -und der Tumult dauert an. Es werden bald 1000 Leserbriefe erreicht sein, normal sind dort ca. 5-150 wenn’s hoch kommt.

Ungewöhnlich für Telepolis: Der Autor des Artikels reagierte noch einmal offiziell mit einer nachgelieferten Post-Skriptum-Erklärung:

„Aufgrund des großen Echos im TP-Forum auf den Artikel, möchte ich hier etwas klarstellen. Zuerst: Der Artikel hatte nicht den Anspruch, alle im Bericht des russischen Fernsehkanals aufgestellten Behauptungen auf ihre Stichhaltigkeit und das Foto auf seine Echtheit zu überprüfen. Das wäre Aufgabe einer Untersuchung, die eine längere Zeit in Anspruch nimmt und von einem Autor allein nicht zu leisten ist. Es ging mir zunächst nur darum zu berichten, dass der erste russische staatliche Fernsehkanal – also kein bedeutungsloser Regional- oder Spartensender – etwas berichtet hat, was die Diskussion über die MH 17 beeinflussen wird. Im Übrigen bleibt der Sender bei seiner These und hat sie nicht eingeschränkt, wie ein Forumsteilnehmer schrieb. Viele Forumsteilnehmer versuchen nun, das veröffentlichte Satellitenfoto in Zweifel zu ziehen. Die vorgebrachten Überlegungen und Argumente sind sicher hilfreich, um zu klären, was am 17. Juli am Himmel über dem Donezk-Gebiet wirklich passierte. Doch die Forenten, die meinen, nun sei ja alles klar, Russland habe sich mit seiner Vermutung, die MH 17 sei von einem ukrainischen Flugzeug abgeschossen worden, vollständig blamiert und unglaubwürdig gemacht, machen es sich zu einfach. Denn auch sie argumentieren im Ungefähren und können keine Schlüsselbeweise vorlegen, wie es wahrscheinlich nur die westlichen Staaten mit ihrem Datenmaterial könnten.“