Putins Netztrolle –am Ende nur ein Lügenmärchen?

Gilbert Perry PutinJoker

Deutsche Medien verbreiten ungerührt die längst widerlegte Mär von Putins Netz-Trollen immer weiter. Doch die Geschichte ist frei erfunden. Sie basiert auf einer windigen AFP-Story, die sich aber nur auf Kommentare in russischen Medien bezog. Dies ließen die Propagandisten in eigener Sache von ARD, RTL, ZEIT und FAZ unter den Tisch fallen, um sich selbst als gekränkte Unschuld hinstellen zu können. Unterstützt werden sie dabei vom neokonservativen Think  Tank DGAP (Dt. Gesellschaft für Auswärtige Politik). Der Guardian und die NZZ bestätigten dagegen, dass die Kritik auch von langjährigen Lesern stammt.

Aktuell wird die Story von Putins Trollen wieder frisch aufgetischt: ARD bringt auf Tagesschau24 in Endlosschleife ein Interview mit Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP). Die DGAP ist ein dem Council on Foreign Relations (CFR) nacheifernder Think-Tank, der sich als zuständig für die deutsche Außenpolitik versteht. Seine Gremien werden von Vertretern der Wirtschaft, besonders dem Oetker-Clan, und deren Lobbyorganisationen dominiert, darunter auch der Bertelsmann-Lobbyist Elmar Brok (CDU), so Lobbypedia. Die DGAP hat illustre Hintermänner und Verbindungen, etwa Werner Weidenfeld (Ex-Bertelsmann-Lobbyist und Kissinger-Vertrauter), Otto Wolff von Amerongen, Ludger Volmer (Grüne), Klaus von Dohnanyi (SPD) und grüne Prominenz wie Joschka Fischer findet sich dort traulich vereint mit dem Lambsdorff-Clan. Die Troll-Märchen scheinen also aus transatlantischen Kreisen für geopolitisch von eminenter Bedeutung gehalten zu werden.

Als 2014 der Ukraine-Konflikt heißer wurde, als Presse und Fernsehen Russland und Putin immer schärfer kritisierten, bekamen sie böse Leserbriefe. In ihren Kommentarspalten war von Tendenzberichten die Rede, von einseitiger Darstellung, Weglassungen und Lügen –Leser wollten nicht glauben, dass immer nur Putin an allem Schuld war. Zuerst war man schockiert bei der seriösen Zunft des Journalismus, einige schalteten die Kommentarfunktion ab, andere schimpften auf „das Internet“ und seine anonym pöbelnden Trolle. Doch dann fand man eine bessere Erklärung für die Leserkritik: Putin war Schuld! In St.Petersburg hatte man eine Troll-Agentur gefunden, in der von Putin bezahlte Bösewichte Tag und Nacht schlechte Kommentare für ARD, RTL und ZDF, ZEIT, FAZ; SPIEGEL, Focus, BILD, Welt und SZ in ihre Tastaturen hackten. Tagesschau und BILD brachten diese Meldung, wochenlang geisterte sie durch alle Sender und Blätter. Doch leider war sie wohl eine Falschmeldung.

Über 400 vom Kreml bezahlte „Internettrolle“ schreiben angeblich täglich in 12-Stunden-Schichten Beiträge und Kommentare, so die FAZ, abei unterhielten die Putin-Sklaven Tausende von individuellen Social-Media-Konten. Belegt wird dies mit einem Interview einer ehemaligen Mitarbeiterin und mit Dokumenten.

FAZ-Herausgeber Günther Nonnenmacher sah in der Welle abweichender Lesermeinungen schon vor einiger Zeit eine „ganz offensichtlich eine konzertierte Aktion“ und sein FAZ-Schreiberling Berthold Kohler kommentierte:

„Unverkennbar ist, dass das Internet für einen Desinformationskrieg missbraucht wird: um Lügen in die Welt zu setzen, um Zweifel an missliebigen Darstellungen zu säen und um Kommentatoren, die anderer Meinung sind, mit Beschimpfungen und Drohungen einzuschüchtern… Für den Kreml ist Propaganda ebenso ein legitimes Mittel der Politik wie militärische Gewalt.“ FAZ

Der stellvertretende Chefredakteur des ZDF, Elmar Theveßen, schürte Panik vor einer russischen „Propagandamaschine im Internet„. Der berüchtigte Putin-Hasser und Spiegel-Schreiber Christian Neef erklärt die kritischen Leserkommentare unter seinen eigenen Ukraine-Artikeln als vom Kreml „gesteuerte Propagandakampagne“.

Die Story entstammte ursprünglich der Nachrichtenagentur AFP, wurde von deutschen Journalisten begierig aufgegriffen und ausgeschmückt. Bei der AFP-Story von Marina Koreneva hatte angeblich eine dieser russischen Online-Trolle, Ljudmilla Sawtschuk, ausgepackt: Es gäbe 800 Euro pro Monat, die Lohnschreiber müssten in russischen Onlineforen und Blogs Putins Politik loben und „seine Gegner niedermachen“. Die Arbeit selbst fände in einem „grauen Gebäude“ in Sankt Petersburg statt. Die Firma scheint tatsächlich zu existieren, doch die bekannt gewordenen Dokumente verbinden scheinbar die ominöse Firma, welche die angebliche Trollfabrik betreibt, nur undeutlich mit Strukturen, die dem Kreml nahe stehen sollen. Niemand hat bislang harte Beweise dafür vorgelegt, dass der Kreml oder Putin wirklich dahinter stecken.

Doch weder die dürftige Beweislage störte die Edel-Journaille in Berlin, noch der alleinige Bezug auf russische Medien: Per Twitter verbreiteten leitende Journalisten der ZEIT die Kunde vom windigen FAZ-Artikel. Zunächst warb Gero von Randow, Ex-Chefredakteur von ZEIT Online, mit den Worten „Putins Trollfabrik“ für die falsche FAZ-Verwurstung der windigen Meldung von AFP.

Dem schlossen sich via Weiterleitung von Randows Untergebene Jochen Bittner und Monika Pilath, Chefin vom Dienst bei ZEIT Online, an. Erleichtert polterte es aus den Edelfedern heraus: Nicht echte deutsche Leser kritisieren die russlandkritische ZEIT-Arbeit, sondern bezahlte Handlanger Putins. Doch die hatte der AFP-Artikel überhaupt nicht behauptet –dort war nur von Putins angeblichen Manipulationen der russischen Presse die Rede gewesen.

Wenigstens von englischsprachigen Trollen, die angeblich „Medien wie die BBC oder CNN mit Kommentaren überschwemmen“, sprach ein Interview des westlichen Propagandasenders Radio Free Europe (von der CIA aufgebaut) mit dem selbsternannten Ex-Putin-Troll Marat Burkhard.

Guardian und NZZ recherchierten nach

Wie richtige Journalisten arbeiten, hätten die Edelfedern von ZEIT, FAZ und ARD im westlichen Ausland beobachten können –wenn sie nicht immerzu mit Lügenverbeiten, Kaviarfressen und Sektschlürfen beschäftigt gewesen wären: Der britische Guardian und die Schweizer NZZ haben die zahlreichen „prorussischen“ Leserkommentare analysiert, die auch bei ihnen auf prowestlich verzerrte Ukraine-Artikel hin eingingen. Sie mussten jedoch bestätigen, dass zahlreiche Beiträge, die eher beim Westen als bei Russland die Schuld für die Ukraine-Krise sehen, von langjährigen Kommentatoren stammten. Telepolis fasst zusammen:

„Vor allem in Deutschland, England und den USA hat eine Debatte über manipulierte Kommentare begonnen, doch so vielfältig die Verdachtsmomente sind, so dürftig sind die Beweise. Und nicht alle Wege führen nach Moskau.“

Aber das hindert unsere deutsche Presse nicht, weiter Putins Trollen die Schuld in die Schuhe zu schieben und dem bösen Internet. Ihre Angst vor Reputationsverlusten wurde jetzt jedoch von allerhöchster Stelle gedämpft. Sie können sich beruhigt zurücklehnen –eine Umfrage des Allensbach-Instituts bestätigt ihnen, dass eine Mehrheit der deutschen Medienkonsumenten ihre Anti-Putin-Propaganda weiterhin glaubt. Und die Allensbacher müssen es wissen. Ihre verstorbene und mit Staatsakt geehrte Gründerin, die bekannte Rechtsdrall-Demoskopin Noelle-Neumann hatte ihr Propaganda-Handwerk noch bei Hitlers PR-Mann Goebbels gelernt.