Erdogan auf die Finger schauen: Die Ankara-AKP-Leaks

Gerd R. Rueger WL_Logo

WikiLeaks veröffentlichte nach Erdogans Gegen-Putsch 300.000 abgefischte interne Emails (2010-2016) aus Erdogans AKP-Parteizentrale. Die Opposition bereffende Informationen wurden aus dem Leak-Stoff herausgefiltert. Man kann die mails auf Wikileaks lesen, durchsuchen, als Quelle nutzen: Search the AKP-Email-Database. Ankara sperrte daraufhin Wikileaks.
    AKP-e-Mails. Die AKP (Partei Gerechtigkeit & Entwicklung) ist die regierende Partei der Türkei und ist die politische Kraft hinter dem Präsidenten des Landes, Recep Tayyip Erdoğan. Teil eins der Reihe umfasst 762 Mailboxes, von „A“ bis „I“, die 294.548 e-Mails mit vielen Tausenden von angehängten Dateien enthalten. Die e-Mails stammen aus „akparti.org.tr“, der offiziellen AKP Domain. Die jüngste Email wurde am 6. Juli 2016 versandt, die älteste stammt von 2010. Es wurde von Wikileaks darauf hingewiesen, dass e-Mails dieser Domaine  meist für den Kontakt mit der Allgemeinheit genutzt wurden, es geht also nicht um die empfindlichsten Interna der AKP.
Türkei wird zum Polizeistaat

Der türkische Präsident Erdogan zeigt sich entschlossen, dem missglückten Militärputsch einen Staatsstreich der Regierung folgen zu lassen und erklärte den Notstand für drei Monate, nebst Außerkraftsetzung der Bürgerrechte (wie in Frankreich). Nachdem tagelang seine radikalisierten Anhänger demonstrierten, begann Erdogan, offenbar in der AKP völlig unumstritten, mit großen Säuberungswellen, mit denen er Zehntausende von Kritikern, Oppositionellen und Gegnern aus Militär, Polizei, Justiz, Medien und Bildung entfernen oder verhaften ließ. Zuletzt wurden auch noch unliebsame Verfassungsrichter verhaftet und alle Militärrichter suspendiert. Wissenschaftler dürfen nicht mehr ausreisen, Medien wurden geschlossen -der Zugang aus der Türkei zu Wikileaks behindert (Wikileaks wurde allerdings auch schon von Westregierungen attackiert). Die Türkei wird mit diesen harten Maßnahmen endgültig zu einem totalitären Polizeistaat, zu einer Quasi-Diktatur -obgleich die Mehrheit der Türken und Türkinnen derzeit hinter Erdogan bzw. der AKP zu stehen scheint. Doch was nützt dies, wenn die Verfassung und die Gewaltenteilung ebenso wie grundlegende Rechte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit ausgesetzt sind.

Das Material wurde eine Woche vor dem Putschversuch geleakt. Allerdings hat WikiLeaks seinen Veröffentlichungsplan als Reaktion auf die Regierungsaktionen nach dem Putsch und Erdogans folgenden Säuberungsaktionen beschleunigt.Wir überprüften das Material und die Quellen, um nicht in irgendeiner Weise die Gruppe hinter dem Putschversuch oder einer rivalisierenden politischen Partei oder Staat der Staatsgewalt auszuliefern.“

Anm. d. Red.: Der Verfasser dieses Texts ist der Autor des Buchs “Julian Assange -Die Zerstörung von WikiLeaks? Anonymous…” (2011).

Baltimore: Rassenunruhen, Nationalgarde marschiert

Gilbert Perry USAflag

Freddie Gray (25) starb „in Polizeigewahrsam“ an schwersten Verletzungen, die er „sich dort zugezogen hatte“ (so der tendenziöse Kommentar der ARD-Tagesschau dazu). Ist er in seiner Zelle gestolpert? Tausende US-Bürger glauben solche Medienlügen nicht mehr und protestieren gegen die Polizisten, die Freddie Gray bei seiner Festnahme am 12. April brutal die Halswirbel verletzt hatten. Es waren schwerste Läsionen, an denen er offenbar eine Woche später starb, ohne medizinische Behandlung erhalten zu haben. Anfangs friedliche Proteste sind gestern in brutale Gewalt umgeschlagen. Als Reaktion verhängte man eine nächtliche Ausgangssperre, der zuständige Gouverneur rief die Nationalgarde. Verbrechen werden durch soziales Unrecht provoziert, Gewalt medial geschürt -Kriegsrecht, Polizeistaat und totale Überwachung werden so gerechtfertigt.

Gebäude gingen in der Nacht zum Dienstag in Flammen auf, Geschäfte wurden geplündert, Polizisten mit Steinen angegriffen. Die Polizei sprach von den schwersten Unruhen in der Metropole seit Jahrzehnten. Wenige Stunden zuvor war der 25-jährige Afroamerikaner Freddie Grays (25) zu Grabe getragen worden. Gray war am 12. April festgenommen worden, angeblich erlitt er in Polizeigewahrsam eine Rückenmarkverletzung. Doch schon ein Augenzeugenvideo seiner Verhaftung zeigte ihn vor Schmerzen schreiend und offenkundig verletzt. Nach Angaben der Polizei fiel er später ins Koma und starb am 19. April im Krankenhaus. Einzelheiten seines Todes werden nur schleppend oder gar nicht aufgeklärt -die Justiz versagt auf ganzer Linie, wenn es um Rechte von Verelendeten geht, besonders, aber nicht nur, wenn diese eine dunkle Hautfarbe haben. Gouverneur Larry Hogan verhängte noch am Abend den Ausnahmezustand über die Hafenstadt und sprach von „Gangs und Schurken“, die angeblich dafür verantwortlich seien. Der US-Funktionär meinte damit natürlich nicht die gewalttätigen Polizisten. Hogans Kritik galt vielmehr den aufgebrachten schwarzen Bürgern der Stadt, die seit über einer Woche erfolglos für die Verhaftung der uniformierten Täter demonstrieren.

Der Fall ist der jüngste in einer Serie von regelmäßig wiederkehrenden Polizeiübergriffen gegen aac53-yes-we-scan-round-200nicht-weiße Bürger der USA, die oft tödlich enden. Gerade Baltimore ist berüchtigtes Gebiet der Gewaltkriminalität als Folge hemmungsloser Ausbeutung der Bevölkerung durch eine schmarotzende Schicht von (überwiegend weißen) „Besserverdienenden“. Leider schafft die US-Kultur mit Bildungskatastrophe und Medienhirnwäsche es, dass die Armen sich gegenseitig umbringen, statt ihre Unterdrücker politisch zu bekämpfen und das zynische Wirtschaftssystem zu reformieren. In der TV-Serie „The Wire“ lautet ein Spitzname der Stadt  auch „Body more, Murderland“ („noch ne Leiche, Mordland“), in Anspielung auf die volle Nennung des Namens mit Bundesstaat („Baltimore, Maryland“), wie es in den USA üblich ist. So wird aus dem gezielt installierten Terror gegen die, die Unten leben müssen, ein Riesenspaß gemacht. Ein totalitärer werdender Polizeistaat liefert den Rahmen für diese Arena der sich massakrierenden Elenden, die reichen US-Amerikaner gruseln sich genüsslich vor dem Fernseher bei diesen von ihren Führern organisierten Zirkusspielen. Obamas NSA-Überwachungsstaat sorgt dafür, dass die Proteste unpolitische Gewaltorgien bleiben und die herrschende Ordnung mit den Bluttaten stabilisiert wird.

Wie auch während der vergangenen Proteste reagieren die US-Behörden mit einer Militarisierung des Konflikts und versuchen den Protest niederzuschlagen. Tausende Polizisten mit schwerem Gerät und scharfen Waffen waren vergangene Nacht im Einsatz, 15 wurden verletzt. Nach Angaben der Polizei gab es mehr als zwei Dutzend Festnahmen. Die Ausgangsperre solle ab Dienstag für eine Woche von 22.00 Uhr abends bis 05.00 Uhr morgens gelten, erklärte Bürgermeisterin Stephanie Rawlings-Blake. Um die Gewalt in den Griff zu bekommen, rief Gouverneur Larry Hogan am Montagabend (Ortszeit) auch den Notstand aus. Bis zu 5000 Nationalgardisten sollten möglichst rasch einschreiten. Die Bilder stundenlanger Straßenkämpfe zwischen afroamerikanischen Bürgern und Polizeieinheiten in Kampfausrüstung erinnern an zahlreiche Proteste gegen Polizeigewalt, die im vergangenen August von Ferguson ihren Ausgang nahmen. Dort war der Teenager Michael Brown durch mehrere Polizeikugeln getötet worden und der Todesschütze straflos davongekommen.

Hintergrund: Baltimore & Hungern in den USA

Baltimore (Maryland)  hat 600.000 Einwohner und ist einer der bedeutendsten Seehäfen in den Siegel von BaltimoreVereinigten Staaten, ferner der Geburtsort der Rocklegende Frank Zappa und Edgar Allan Poe ist hier begraben. Baltimore hat eine extrem ungleiche Reichtumsverteilung und selbst für US-Großstädte eine sehr hohe Verbrechensrate, mit ca. 300 Tötungsdelikten pro Jahr. Im Jahr 2008 wurden 234 Tötungsdelikte gemeldet, 2011 waren 196 Menschen Opfer von Tötungsdelikten. Die Stadt fiel somit von den hohen Tötungsraten der 90er Jahre (1993: 353 Tote) wieder auf ihren Tiefststand in den 70er Jahren (1978: 197 Opfer) zurück. In Baltimore zeigen sich die fatalen Konsequenzen einer brutalen Politik der sozialen Kälte der rechtextremen US-Republikaner unter Bush (Senior wir junior), die von Obama fast ungerührt weiter geführt wurde.

Obama gilt vielen bei uns als ein sozialer oder gar “linksorientierter” US-Präsident, nach dem Motto: Die US-Republikaner entsprechen der CDU, die US-Demokraten der SPD. Doch weder eine SPD- noch eine CDU-geführte Regierung könnten sich hierzulande ein derartiges Sozialdesaster erlauben. Über 46 Millionen Menschen hatten schon 2012 das Programm der Regierung zur Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmittel (SNAP) in Anspruch genommen. Das entspricht rund 22 Millionen Haushalten, so das amerikanische Landwirtschaftsministerium (Department of Agriculture). Betrachtet man den Trend der letzten fünf Jahren, so zeichnet sich ein düsteres Bild von Obamas Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Seit 2007 sind 4,5 Millionen Jobs verloren gegangen, dabei wuchs die Zahl der Anträge für Essensmarken und Leistungen für Behinderte um noch nie da gewesene 21 Millionen. Obamas Demokraten sind politisch links, aber nur im Vergleich zu den US-Republikanern des Bush-Clans und der rechtsextremen “Tea Party”. (Siehe: Hungern in den USA)

Der Bevölkerungsschwund in Baltimore ist so stark ausgeprägt wie in kaum einer anderen Großstadt der USA. 1950 lebten noch 949.708 Einwohner in Baltimore, damit gehörte Baltimore damals zu den größten Städten der USA. Seit 1950 ist die Bevölkerungszahl ununterbrochen gesunken, während sich die Bevölkerungszahl der USA im selben Zeitraum mehr als verdoppelt hat. 2010 lebten noch 620.691 Personen in Baltimore, 4,6 % weniger als im Jahr 2000. Laut der Forbes-Liste aus dem Jahr 2009 ist Baltimore eine der zehn gefährlichsten Städte in den USA. Des Weiteren hat eine FBI-Studie die Kriminalitätsraten in US-Städten im Jahr 2010 untersucht, auch dort war Baltimore mit Rang 8 unter den zehn gefährlichsten US-Städten aufgelistet.

In Baltimore trugen bei den aktuellen Protesten viele Demonstranten T-Shirts mit der aufgedruckten Zahl 300, die daran erinnert, dass in den USA jährlich rund 300 Afroamerikaner Opfer von Polizeigewalt werden. Die zumeist jungen Männer und Frauen sterben aus nichtigen Gründen im Zuge von Polizeikontrollen, bei denen sie -auch wegen ihrer Hautfarbe- angehalten werden.

Schwedische Regierung gibt Polizei Freibrief für Späh-Angriffe

Rick Falkvinge (übersetzt von Anna Agee-Abarelli) aac53-yes-we-scan-round-200

Schwedische Bürger erhalten all ihre Anrufe und e-Mails in Echtzeit bespitzelt. Nicht nur durch die schwedische NSA-Filiale, sondern auch von Polizei, Zoll und Steuerbehörde. Diese Pläne wurden heute zum Schrecken von Bürgerrechtlern vom schwedischen Ny Teknik Magazine enthüllt. Damit folgt man einer Gesetzesänderung, die schon dem schwedische NSA-Zweig (FRA) den Echtzeit-Zugriff auf den kompletten Internet-Verkehr erlaubte.

Unter Umgehung des üblichen  Gesetzgebungsverfahrens und jeder demokratischen Aufsicht, fordert die schwedische Polizei freiwillige Vereinbarungen von Telekom-Betreibern direkten Echtzeit-Zugriff auf Telefon, e-Mail-Verkehr usw. Dies ist mehr als nur eine Einbahnstraße in eine Orwell-Überwachungsgesellschaft, vor der Bürgerrechtler immer gewarnt haben, es ist ein rutschiger Abgrund. Die Behörden, die direkten Zugriff in Echtzeit auf die meisten Mitteilungen bekommen wären nicht nur die Polizei, sondern auch Sicherheitspolizei, Zoll und Finanzamt.

Wir sind jetzt offiziell an einem Punkt, wo das Pochen auf eine angebliche „Staatssicherheit“ (mittels des ekelhaften Kinderporno-Terrorismus-Arguments) vorgeschoben wird, um massenhaft wahlloses Abhören von jedermann und jederzeit zu rechtfertigen. Wir sind damit an einem Punkt, wo die Polizei die vollständige Beseitigung der ganzen Kategorie der bürgerlichen Freiheit mit nichts anderem rechtfertigen kann, als mit einem „weil es getan werden kann, und wir wollen es“.

Schweden: Polizeistaat oder Demokratie?

Entscheidender Unterschied zwischen einer funktionierenden Demokratie und einem Polizeistaat ist, dass in einer funktionierenden Demokratie, die Polizei nicht alles bekommt, was sie will. Während die Grenze zwischen Polizeistaat und Demokratie in einer breiten Grauzone vieler Polemik unterworfen ist, kann nicht mehr vernünftig festgestellt werden, dass polizeiliche Befugnisse unter demokratischer Kontrolle sind.

Entsprechend dem Ny Teknik-Artikel, gefolgt von vielen anderen in schwedischen Mainstream-Medien wird nicht nur Zugriff auf Telefon und e-Mail von der Polizei gefordert. Beispiele für andere Verletzungen des Datenschutzes, die im vorgeschlagenen Massen-Überwachungs-Paket enthalten sind: Wie die Telekom-Rechnungen bezahlt werden (Bargeld, Kredit, direkte Einzahlung. Falls Kreditkarte, welche, und wenn direkte Einzahlung, von welchem Bankkonto); Der PUK-Code des Teilnehmers (ermöglicht einer Polizeibehörde, die Handy-SIM-Karte ohne PIN-Code des Teilnehmers zu aktivieren). Es gibt Hinweise im Artikel, dass viele andere Aktivitäten unter das Echtzeit-Abhören fallen (unter Bezugnahme auf einen Abhör-Standard namens ITS27).

Die schwedische Tele-2 ist der einzige Telekom-Betreiber der den Forderungen der Polizei eine komplette Absage erteilt. Die Tatsache, dass die schwedische Regierung nicht jeden Polizisten mit sofortiger Wirkung feuert, der diese großflächige Abschaffung der Bürgerrechte fordert, ist praktisch eine Bestätigung für die Überwachungspläne – und das geht Hand in Hand mit dem viel kritisierten schwedischen FRA Gesetz, das die hemmungslose Ausspähung der Bevölkerung zuallererst legalisierte. (R.Falkvinge)

Rick Falkvinge ist der Gründer der ersten Piratenpartei (Schweden) und predigt Europa und der Welt seine Vorstellungen von einer vernünftigen Informationspolitik. Er hat einen Tech-Unternehmer-Hintergrund und liebt Whisky. (Originalartikel: Swedish Regime Gives Police and Tax-Authorities Realtime-access to Citizens Phone&Mail)