Schock im Bioladen: Greenpeace entdeckt Ukraine-Medienkrieg

Gilbert Perry greenpeace-logo2

Manch ein Grüner wird aus allen Wolken gefallen sein: Seine Mainstream-Medien haben ihn belogen. Sie haben Propagandalügen gegen Putin gebracht. Und das sagt nicht irgendein Blog im Internet, die ja sowieso alle von Moskau bezahlt werden, sondern –Greenpeace! Schock lass nach. Die Greenpeace-Medien-Schelte ist jedoch so lauwarm, dass sie selber schon als tendenziös gelten muss.

Das von Greenpeace heraus gegebene „Greenpeace-Magazin: politik umwelt wirtschaft“ für Spender und Mitglieder der Öko-Lieblings-NGO, entdeckt die Ukraine-Propaganda. Nachdem im Netz schon ein halbes Jahr jede Woche eine Lüge von „Spiegel“, „Zeit“, ARD & Co. aufgedeckt wurde, kamen die Öko-PR-Profis wohl darauf, dass einige ihrer Leser, deren Entpolitisierung noch nicht völlig gelungen ist, davon womöglich langsam Wind bekommen. Die deutschen Greepeacer mussten offenbar reagieren, doch allzu weit vom Mainstream wollten sie sich auch nicht entfernen.

Putin, Russland und russische Medien werden ausgiebig gescholten, aber die USA haben für Greenpeace offenbar gar nichts mit dem Ukraine-Konflikt zu tun. Obama, die CIA, die USA, die Nato werden mit keinem Wort erwähnt. Weder hat für Greenpeace in Kiew ein Putsch stattgefunden, noch haben die USA unter Obama zuvor fünf Milliarden Dollar in diesen „Regime-Change“ investiert, noch wurden Blackwater-Söldner dabei gesichtet, die faschistischen Paramilitärs von Svoboda und Rechtem Sektor auszubilden (die bei Greenpeace nur nebenbei als „Nationalisten“ erwähnt werden). Der Medienkrieg ist für die Öko-NGO eine Sache allein zwischen Poroschenko, Putin und den Medien; einzig der US-Milliardär Soros wird mit seiner prowestlichen Propaganda kurz erwähnt –hat er zu wenig für Greenpeace gespendet?

Medienkritik: Aber ausgewogen – ausgelogen

Der medienkritisch und aufklärerisch daher kommende Greenpeace-Artikel über Ukraine-Medienlügen „Die Wahrheit stirbt zuerst“ holt seine Leser da ab, wo sie vermutlich stehen, und beginnt mit einer aus dem „Spiegel“ stammenden Story. Natürlich nicht über westliche, sondern über russische Propaganda. Die OSZE-Mission wurde missbraucht, um gegen die Westmedien-Behauptung vorzugehen, Putin würde die Ostukraine mit Waffen beliefern. In russischen Medien, so Greenpace, dominiere „ein patriotischer Eifer“, weil sie fast alle auf Linie des Kreml seien. Ob dieser Eifer auch etwas mit der aggressiven Nato-Strategie der Osterweiterung zu tun haben könnte? Oder mit der kriegerischen US-Strategie der Umzingelung Russlands mit US-Militärbasen (die USA haben weltweit hunderte Basen, Russland hat nur wenige)? Greenpeace mutet seinen Lesern diese Fragen nicht zu, aber immerhin gibt man nach viel Kritik an Russland zu bedenken:

„Auch die westlichen Medien berichten häufig unausgewogen über die Ereignisse und lassen sich immer wieder von der ukrainischen Propaganda instrumentalisieren.“ Greenpeace

Aha. Die armen, dummen Westmedien lassen sich instrumentalisieren. Von der ukrainischen Propaganda. Dass diese Propaganda von einem Regime stammt, welches der Westen dort erst mittels eines blutigen Putsches installiert hat, müssen Greenpeace-Spender ja nicht wissen. Und auch die wenigen westkritischen Details, die dem Leser zugemutet werden können, müssen sorgfältig dem lang antrainierten „einerseits-andererseits“ aus den Öffentlich-Rechtlichen Medien folgen. Dass ARD und ZDF in Sachen Ukraine diese Ausgewogenheit fallen ließen, und vom eigenen Programmbeirat dafür mit fundierter Kritik gerügt wurden, erfährt der Greenpeacer nicht. Auch mit den Neonazis von Svoboda und Rechtem Sektor soll die Öko-Gemeinde nicht belastet werden. Greenpeace kritisiert die Westmedien:

„Negatives, wie der Einfluss der Nationalisten, fand erst mit der Zeit Eingang in die Berichterstattung. Zudem schien die Redaktionen dabei oft nur die Frage zu interessieren, ob die Nationalisten antisemitisch seien. Dabei spielte Antisemitismus auf dem Maidan praktisch keine Rolle, umso mehr jedoch antirussische Tendenzen.“ Greenpeace

Damit liegt Greenpeace auf Höhe der Mainstreamer, die inzwischen gewisse dubiose „Nationalisten“ unter ihren geliebten und als friedliche Freiheitskämpfer gepriesenen Maidan-Putschisten nicht mehr völlig leugnen können (den Putsch selbst übergeht Greenpeace genauso wie die faschistischen Paramilitärs).

Greenpeace geißelt die „Zeit“

Doch dann kommt der Greenpeace-Artikel zum Abschuss von MH-17: Da hätten die Westmedien Putin ohne Beweise zum Täter gestempelt und mit dreckigen Propaganda-Tricks gearbeitet. Die betuliche Wochenzeitung „Zeit“  (Ableger des Bertelsmann-Medienclans von dessen Macht Greenpeace-Leser niemals etwas erfuhren) sei bei Fälschungen erwischt worden. Sie hätte die „prorussischen“ Ostukrainer als die Absturzstelle plündernde Barbaren hingestellt:

„Das wird an Wladimir Putin für immer haften bleiben. Uniformierte Separatisten, besoffen von geraubtem Whisky, die Geldbörsen der Toten durchwühlen, ausgerüstet mit den Handys der Absturzopfer und mit Schusswaffen aus russischen Beständen: So sehen Putins Sturmtruppen in der Ostukraine also aus.“ Die „Zeit“ zitiert nach Greenpeace (ohne Datum)

Nach solcher Propaganda hätten, so Greenpeace, viele Medien das Bild eines „prorussischen Separatisten“ gebracht, der an der Absturzstelle scheinbar triumphierend ein Kuscheltier hochhält. Greenpeace berichtet, dies Bild sei aber in Propagandamanier aus einem Video geschnitten worden. Der Ostukrainer hätte das Spielzeug vielmehr anklagend hochgehalten, es dann wieder abgelegt und sich bekreuzigt (Greenpeace belegt dies mit entsprechenden weiteren Bildern aus dem Clip, das ist lobenswert!).

Die PR-Profis von Greenpeace wissen, wie man Emotionen manipuliert, in diesem Fall hoffentlich wirklich für eine gute Sache. Sie bringen nach dieser lang ausgewalzten, herzergreifenden (Toy-) Story tatsächlich sogar noch einen Absatz mit knapper Erwähnung der Maidan-Toten und des „‘Massaker von Odessa‘, wie es in Russland genannt wird“. Greenpeace nennt immerhin auch den US-Milliardär George Soros, der Anfang März im Hotel Ukraina am Maidan ein „Informations“-Zentrum für Westjournalisten finanzierte: Ein Propaganda-Motor für Poroschenkos Kriegslügen gegen Russland. Aber war dies der einzige Einfluss aus den USA im Ukraine-Propagandakrieg, gar im Ukraine-Krieg selbst?

Putin köpft Redaktion

Putin aber, so Greepeace, habe dafür westfreundliche bzw. kritische Medien in Moskau „geköpft“ das heißt, Redakteure entlassen –hier rutscht dem Greenpeacer unbewusst die martialische Propagandasprache der Westmedien heraus (liest er die SZ?)greenpeace-logo2. Ein „perfide Methode der russischen Propagandamaschine“ sei die „Weiterverbreitung von Gerüchten aus dem Internet“, so Greenpeace.

Wirklich nur der russischen Propaganda? Und warum ist diese eine „perfide Maschine“, nicht aber die viel mächtigeren Medienkonzerne im Westen, nebst der Nato-, EU- und US-Pressezentren, die unablässig gegen Moskau hetzten? Dann folgen noch ein paar Absätze –über Kiews Propaganda-Untaten und Bilder die den berüchtigten „Stoppt-Putin-Titel“ von Bertelsmanns Zentralorgan „Spiegel“, dabei auch US-Medien als einzigem Hinweis auf die Verstrickung der USA.

Nun ja, Greenpeace bringt ein paar Bröckchen Medienkritik an seine satte, wohlsituierte Klientel. Das ist zwar die richtige Richtung, aber es ist zu befürchten, dass die so verpackten Informationen auch gegen eine umfassendere Kritik immunisieren. Da gilt es nach zu setzen und unsere ökologisch behinderten MitbürgerInnen mit mehr Hintergrundwissen zu konfrontieren. Eingeklemmt war der 4-Seiten-Politartikel im Greenpeace-Magazin (getreu der Brecht-Weisheit, erst kommt das Fressen und dann die Moral) zwischen einem doppelt so langen Bericht zum „Deutschen Kulturgut Brot“ und einer Enthüllungs-Story über die himmelschreiend ungerechte Behandlung der Quittenkonfitüre durch Brüsseler Bürokraten. Guten Appetit.

Fazit

In dem medienkritisch und aufklärerisch daher kommenden Greenpeace-Artikel über Ukraine-Medienlügen „Die Wahrheit stirbt zuerst“ erfahren die grünbewegten Ökos auch nichts über die Drahtzieher im Westen, etwa die grüne Böll-Stiftung. Die USA werden komplett geschont, als hätten sie mit der Ukraine-Krise nichts zu tun –das grenzt an eine Propagandalüge durch weglassen. Die Leser werden von Greenpeace nur mit ein paar entschärften kritischen Häppchen gefüttert, die ihr neoliberales Weltbild vom rosigen Westen und den strahlenden USA nicht gefährden. Denn sie leben weiter im Tal der Seligen, sollen ihre Ablasszahlungen im Bioladen leisten (und natürlich an Greenpeace). Die ZynikerInnen unter den Ökos haben ohnehin schon lange den Kampf für eine bessere Welt aufgegeben und denken nur noch an ihre eigene gesunde Ernährung und den Endsieg ihrer Sprösslinge im sozialdarwinistischen Kampf gegen die verelendeten Hartz-4-Massen. Die Scheiße fressen die anderen.

Erst wenn der letzte Weg vermint, die letzte Hütte zerbombt und das letzte Kind erschossen ist, merken Ökos, dass man aus Birkenstocklatschen keine Särge zimmern kann –und sie sich doch beizeiten besser für den Frieden interessiert hätten. Alte Indianerweisheit.