US-Schauprozess: Bradley Manning plea of guilty

Gerd R. Rueger 01.03.2013 Judge Denise Lind. Sketch by Clark Stoeckley, Bradley Manning Support Network.

Der Wikileaks-Whistleblower Bradley Manning hat sich gestern schuldig bekannt, US-Geheimdokumente geleakt zu haben. Dies geschah, um die Öffentlichkeit über Kriegsverbrechen der US-Truppen aufzuklären. Manning verwahrte sich gegen den Hauptanklagepunkt einer „Unterstützung des Feindes“, der extrem hohe Strafe nach sich ziehen würde. Ihm wird vom Militärgericht in Fort Mead/Maryland damit unterstellt, er wollte als Spion von Al Qaida die gegen US-Truppen kämpfenden Terroristen mit kriegswichtigen Informationen versorgen. Richterin Colonel Denise Lind hatte schon eingestanden, dass Mannings Folterhaft im Militärgefängnis Quantico rechtswidrig war und ihm daher von einer verhängten Haftstrafe 112 Tage zu erlassen seien. Da die Anklage aber von ihren Dutzenden von Anklagepunkten nicht ablassen will, droht droht Bradley Manning jedoch weiterhin Lebenslänglich, was diese richterlich zugestandene Abmilderung schwierig machen dürfte.

Manning gestand ein, Dateien zu folgenden Leaks an WikiLeaks weitergegeben zu haben: Zum Video eines Helikopter-Angriffs im Irak (Collateral Murder); zum Bericht des Armee-Geheimdienstes (den ebenfalls auf WikiLeaks veröffentlichten Bericht des US-Verteidigungsministeriums über das Gefährdungspotential von WikiLeaks); Auszüge aus einer Datenbank von Berichten über den Irak-Krieg (Iraq War Logs); Auszüge aus einer Datenbank von Berichten über den Afghanistan-Krieg (Afghan War Logs); SOUTHCOM-Dateien über Guantanamo-Insassen (Gitmo Files); eine Anzahl von Depeschen des Außenministeriums (Cablegate), eine spezielle Depesche, „Reykjavik 13“, aus Island; sowie einen weiteren nicht spezifizierten Geheimdienst-Bericht, so die Auflistung bei gulli.com.

Die deutsche Juristen-Vereinigung IALANA müsste jetzt ihren Whistleblowerpreis offiziell an Manning verleihen, sie rebloggte einen Bericht der jW zu Manning, dessen Schicksal derzeit in deutschen Medien totgeschwiegen wird. Selbst  US-Mainstream-Medien wie die nicht als allzu regierungskritisch bekannte Los Angeles Times riefen die US-Regierung auf, den Hauptanklagepunkt fallenzulassen.

„Dieser Vorwurf erscheint uns mangels Beweisen für das bewußte Konspirieren Mannings mit feindlichen Nationen oder Terroristen als exzessiv«, heißt es in der Los Angeles Times. Die New York Times schloß sich der Kritik an der US-Justiz an. Die von der Anklage gegen Bradley Manning betroffene Pressefreiheit sei ebenso besorgniserregend wie die beispiellose Verfolgung von Whistleblowern und Informanten der Presse durch die Regierung. Wenn die Öffentlichkeit von der Presse erwarte, ihren „wichtigen Job“ in unserer Demokratie zu machen, dann sei Besorgnis angebracht.

Weiter erklärte die New York Times, die Behandlung Mannings sei unverhältnismäßig angesichts des „tatsächlich angerichteten Schadens“. (Die US-Justiz ist bis heute den Beweis schuldig geblieben, dass die Leaks auch nur zum Schaden eines einzigen US-Mitarbeiters oder -Soldaten beigetragen haben.) Es sei von Beginn an klar, dass die US-Regierung ein Exempel an Manning statuieren wollte, und die extremen Bedingungen seiner ersten Haftzeit und die Anklage wegen „Unterstützung des Feindes“ hätten eine „tiefgehende Feindseligkeit“ gegen den Angeklagten vermuten lassen. Damit wolle die US-Regierung bzw. die US-Justiz künftige Quellen entmutigen. Dies aber schade einzig jenen, die Bradley Manning informieren wollte: den US- Bürgern. Man kann ergänzen: Allen Menschen auf dieser Welt, die nicht dulden wollen, dass Kriegsverbrechen begangen werden. Die Unterstützerbewegung Freebradley hatte gerade erst zu einem Free-Bradley-Manning-Day aufgerufen.

Im Juni 2011 wählte die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) und die Deutsche Sektion der Juristenvereinigung (IALANA), die “Juristinnen und Juristen gegen atomare, biologische und chemischen Waffen”, zwei  Whistleblower als Preisträger aus, einer davon war als  “Anonymous” bezeichnet worden.

Bei “Anonymous” handelt es sich um jene bis dahin unidentifizierte Person, die im April 2010 das Videomaterial leakte, aus dem WikiLeaks “Collateral Murder” machte (und viele weitere US-Militärdaten). Es geht also um Dokumente über ein schweres Kriegsverbrechen, das im Irak von US-Soldaten verübt wurde, bei dem mindestens sieben Zivilisten von der Besatzung eines US-Kampfhubschraubers beschossen und gezielt getötet wurden. Bei “Anonymous” hat es sich um Bradley Manning gehandelt, das ist jetzt durch sein Geständnis belegt. Ob man dabei von einem freiwilligen, auf rechtsstaatliche Weise zustande gekommenen Geständnis reden kann, scheint angesicht der folterähnlichen Haftbedingungen jedoch zweifelhaft.

Unzweifelhaft ist die Bewertung der von den US-Offiziellen als „Geheimnisverrat“ bezeichneten Enthüllungen: Es ist die bis heute bedeutsamste Aufdeckung von Kriegsverbrechen dieses Jahrhunderts. Bradley Manning erhält die Ehrung durch den IALANA-Whistleblowerpreis völlig zu Recht. Wenn US-Medien sich jetzt besorgt zeigen, ist dies ein gutes Zeichen -obgleich man wohl kaum erwarten kann, dass der Schauprozess gegen Manning dort wahrheitsgemäß als Teil der Hexenjagd auf Wikileaks und Julian Assange dargestellt wird.

Auch bei unseren deutschen Mainstream-Medien muss man lange suchen, um in der Nerd-Ecke  beim Thema Chaos Computer Club auf ein paar Hinweise zum Thema zu stoßen: Etwa auf die Erwähnung der US-Drangsalierung von Jacob Applebaum, Wikileaks-Mitbegründer und Freund von Assange in der ZEIT. Applebaum, der den Anonymisierungsdienst TOR weiterentwickelt, hält die USA nur noch bedingt für eine Demokratie und sieht die US-Opposition unter rechtswidriger Dauer-Überwachung durch US-Geheimdienste. Die ZEIT erwähnt dies immerhin, ist aber zu feige, selber dazu politisch Stellung zu nehmen. So bleibt alles für den liberalkonservativen ZEIT-Leser eine skurrile Äußerung eines womöglich paranoiden Hackers.