Imke Priel und Theodor Marloth
Eine Studie präsentiert den Medien mundgerechte Fakten für aktuelle Debatten -und alle freuen sich. Keiner fragt nach, von wem das kommt und warum. Es ist auch nicht leicht herauszufinden, weil die professionelle Website wenig aussagt, ebenso der sorgfältig glattgebügelte Wikipedia-Eintrag. Immerhin, soviel ließ sich nicht verschweigen: Der „Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration“ ist eine Sockenpuppe von Konzernstiftungen, u.a. Bertelsmann und Mercator (Metro AG). So schön es ist, einmal Kritik am rassistischen Medien-Mainstream zu hören: Diese Studie und ihr „Integrationsbarometer“ kommen aus dem selben Klüngel, der großflächige Lohndrückerei fördern will -und der auch gegen Migranten hetzen lässt, wie Bertelsmann mit seinem Bestsellerautor Sarrazin. Man will auf beiden Seiten der Debatte stehen, damit man andere, wirklich kritische Stimmen gar nicht mehr zu Wort kommen lassen muss.
Das Integrationsbarometer 2018 zeigt ein freundliches Klima zwischen schon länger in Deutschland Lebenden und den neu Hinzugekommenen, Flüchtlingen oder Migranten, an. Das widerspricht dem Eindruck, den man aus den Medienberichten der letzten Wochen gewinnen konnte, auf überraschende Weise. Belegt wird das durch eine bundesweite repräsentative Befragung von mehr als 9.000 Personen. telepolis
Das mag sein. Aber muss man deren Ergebnisse kritiklos ohne eigene Recherche ventilieren? Telepolis erwähnt immerhin noch ganz am Ende, dass u.a. Bertelsmann dahintersteckt (anders als die große Mehrheit der Mainstreamer, die gar nicht wissen, wie man Lobbyismus buchstabiert), genauer reflektiert wird dort aber auch nicht, was das bedeuten könnte. Was wollen die Autoren dieser Studie zur Migration -und deren Auftraggeber bzw. Finanziers? Auftraggeber Bertelsmann ließ etwa das Hartz-IV-Regime ausbrüten, das Lohnsenkungen im großen Maßstab erst möglich machte.
Es geht offenbar darum auch in diesem Konflikt auf beiden Seiten zu stehen. Nur so kann man die Öffentlichkeit in fein abgestimmter Manier nach Herzenslust hierhin und dahin manipulieren. Nebenher werden konzernunabhängige Kritiker mundtot gemacht, weil alle Medienaufmerksamkeit auf die Think Tank-kontrollierten Studien und Debatten gelenkt werden kann. Seit 2010 verschärfen die deutschen Arbeitgeber ihre Lohndrückerei und brauchen dafür dringend billige Streikbrecher. Und man schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: Die Linkspartei, die als einzige Widerstand dagegen leisten könnte, wird von Rechtsgruppen wie AfD, CSU, FDP in die Zange genommen, die ihr das Wählerpotential abgraben.
Verelendete und verängstigte Arbeitslose sollen in Rassismus und Hass auf Migranten getrieben werden, da kommt Zuwanderung in großem Maßstab gerade recht. Arbeitslose sollen keinesfalls Gesellschaftskritik und linke Ansichten entdecken und womöglich die wählen, die wirklich ihre Interessen vertreten könnten… So ergibt es Sinn, gegen Migranten zu hetzen (für die Abgehängten) und zugleich gegen Rassismus Studien zu finanzieren –Methode Bertelsmann.
Sachverständige in Konzerninterresse
So ist auch dieser seriös klingende „Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration“ Teil eines undurchsichtigen Dickicht von Konzern-Think Tanks mit den üblichen Zielen (Konzernprofite am Fiskus vorbeischleusen, Politik und Öffentlichkeit i.S.v. Konzerninteressen manipulieren), darunter das berüchtigte IZA (Institut zur Zukunft der Arbeit GmbH, Deutsche Post AG, einer der größten Arbeitskräfte-Verbraucher) und vermutlich die Mercatornahe LEAD Academy:
„Zweck der Gesellschaft ist es auch, Mittel für die Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke einer anderen Körperschaft oder für die Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts zu beschaffen (58 Nr. 1 AO) und ihre Mittel teilweise einer anderen, ebenfalls steuerbegünstigten Körperschaft oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zur Verwendung zu steuerbegünstigten Zwecken zuzuwenden (58 Nr. 2 AO).“ LEAD Academy Handelsregistereintrag
Ein Prof. Thomas K. Bauer ist der Vorsitzende des „Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration“ und steht nicht nur als „Research Fellow“ dem IZA sehr nahe. Das IZA ist ein arbeitgebernaher Think Tanks übelster Sorte; seit 2003 sitzt Bauer auf dem Lehrstuhl für Empirische Wirtschaftsforschung an der Ruhr-Universität Bochum. Seine Promotion beschäftigte sich 1997 mit den Arbeitsmarkteffekten von Zuwanderung und der deutschen Zuwanderungspolitik. Danach wurde er Programmdirektor des Forschungsbereichs „Mobilität und Flexibilität von Arbeit“ am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn. Seit 6. Februar 2004 ist Thomas K. Bauer Mitglied im Vorstand vom RWI, ein Leibnitz-Institut, das vom Bund und von NRW gefördert wird, seit 2009 Vizepräsident. Leibniz-Institute pflegen u.a. enge Kooperationen mit der Industrie.
2011 wurde Prof. Bauer in den Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration berufen, seit September 2016 ist er dessen Vorsitzender. Man ahnt, dass Prof. Bauer als zentrale Figur an Dreh- und Angelpunkten der Steuerung von Arbeitsmarkt und Migration postiert wurde, um dort die immer extremer werdenden Lohndrückerei der Konzerne zu organisieren und promoten. Er ist offenbar nebenberuflich PR-Stratege einer schmutzigen Politik gegen die Arbeitnehmer, wie sie Kritiker wie Werner Rügemer fast unbemerkt von der breiten, von Bertelsmann & Co. manipulierten Öffentlichkeit immer wieder aufzeigen.
Warum lassen die Arbeitenden in Deutschland sich täglich herumschubsen? Warum sind die Gewerkschaften und Betriebsräte von Jahr zu Jahr immer machtloser gegen Schikane und Ausbeutung am Arbeitsplatz? Das ist nicht einfach „ein Trend“, sondern eine systematisch geplante und durchgeführte Verschwörung der Geldeliten gegen das Volk: Spezielle (Un-) Rechtsanwälte machen ein Geschäft daraus, Arbeitgebern schmutzige Tricks gegen ihre Arbeitskräfte beizubringen, etwa die fingierte „sexuelle Belästigung“. Wer seine Rechte einfordert, wird schikaniert, gemobbt, entlassen. Dies ist die rechtswidrige bis kriminelle Praxis der neoliberalen Areitswelt. Werner Rügemer und Elmar Wigand klären darüber auf in ihrem Buch „Die Fertigmacher“, das zur Allgemeinbildung gehören und Lehrstoff an allen Schulen und Universitäten sein sollte. Hannes Sies
Bertelsmann, Mercator, IZA: Deep Lobbying und seine Medienkampagnen
Aus Sicht von LobbyControl ist z.B. das IZA im Kontext eines erweiterten Lobbying, dem sog. deep lobbying, zu sehen. Dabei geht es darum, über die Einflussnahme auf Öffentlichkeit oder wissenschaftliche Diskurse indirekt bzw. längerfristig auf die Politik einzuwirken. Es ist recht klar, dass es eine Abhängigkeit des IZA von der Deutschen Post-Stiftung gibt, die in der Präambel des Gesellschaftsvertrags des IZA als eine „Stiftung der Deutschen Post AG, des größten Arbeitgebers in Deutschland“ bezeichnet wird. Klar, dass man da auf alles Einfluss haben möchte, was künftig die rücksichtslose Ausbeutung von Arbeitskräften erschweren könnte.
Migration erleicht diese. Im Rahmen der Migrationsdebatte (Merkels angeblich „rein humanitärer“ Grenzöffnung für Balkanruten-Flüchtlinge ging bekanntlich die Forderung der Arbeitgeber nach mehr billigen Einwanderern voraus) hat sich etwa der neoliberale Vorbeter Hans Werner Sinn betätigt: „Um die neuen Arbeitskräfte in den regulären Arbeitsmarkt zu integrieren, wird man den gesetzlichen Mindestlohn senken müssen, denn mehr Beschäftigung für gering Qualifizierte gibt es unter sonst gleichen Bedingungen nur zu niedrigerem Lohn“, schrieb Hans-Werner Sinn in der WirtschaftsWoche. Ebenfalls von Vorteil für die Arbeitgeber ist, dass die in den Niedriglohnsektor zu integrierenden Neubürger kaum „aktiviert“ werden müssen, denn sie sind laut Sinn „jung und arbeitswillig“. Alternativ brachte der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, Werner Michael Bahlsen, „zeitlich befristete Ausnahmen vom Mindestlohn“ für Flüchtlinge ins Gespräch, so telepolis.
Hintergrund Stiftung Mercator
Familie Schmidt-Ruthenbeck ist ein deutscher Milliardärsclan, der einen Anteil von 15,77 Prozent am deutschen Handelskonzern Metro AG hält, Handelskonzerne haben großen Bedarf an billigen Arbeitskräften (vgl. z.B.Walmart).
Nach dem Tode der Mutter Vera Schmidt Ruthenbeck am 26. Januar 2006 kam es zum Streit zwischen den Brüdern Michael Schmidt-Ruthenbeck und Reiner Schmidt. Michael Schmidt-Ruthenbeck ließ dabei seinen Bruder Reiner Schmidt als Geschäftsführer der Gebr. Schmidt Verwaltungsgesellschaft mbH mit Hilfe der Handelskammer des Landgerichtes Essen abberufen (Feb. 2006). Bei dem Streit ging es insbesondere um den von Michael Schmidt-Ruthenbeck durchgeführten Verkauf eines Anteils von 5,39 Prozent an der Metro AG. Dieses Aktienpaket wurde zu einem Aktienpreis von 43 Euro je Aktie zu einem Gesamtpreis von ca. 750 Mio. Euro durch die Investmentgesellschaft Suprapart AG verkauft. Danach hatte die Familie noch einen Anteil von 13,15 Prozent an der Metro AG. Den Verkaufserlös von ca. 750 Mio. Euro hat Michael Schmidt-Ruthenbeck in die familieneigene Stiftung Mercator in Essen eingebracht. Diese gemeinnützige Stiftung widmet sich der Förderung der Wissenschaft, Bildung für Kinder- und Jugendliche und der Völkerverständigung.
Die Metro AG (Außenauftritt von 2002 bis 2016 als METRO GROUP) ist ein börsennotierter Konzern von Großhandels- und Einzelhandelsunternehmen. Der Konzern mit Hauptsitz in Düsseldorf beschäftigt rund 150.000 Mitarbeiter. In Deutschland betreibt das Unternehmen vor allem die Metro-Cash-&-Carry-Märkte und die Real-Handelskette. Die vormals zur Gruppe gehörende Handelsaktivitäten im Bereich der Unterhaltungselektronik mit den Ketten Mediamarkt und Saturn wurden 2017 ausgegliedert. Im Mai 2009 machte Metro Schlagzeilen, weil im Dezember 2008 in dem Zulieferbetrieb R.L. Denim in Bangladesh eine 18-jährige Arbeiterin gestorben war, deren Tod in Verbindung mit den Arbeitsbedingungen in dem Betrieb gestellt wurde. Metro lehnte jede Verantwortung ab und kündigte einfach seinen Vertrag mit dem Betrieb.
Alle Wikipedia-Einträge der Gruppierungen wirken „gut gepflegt“ von PR-Abteilungen, Kritik ist kaum vorhanden und wenn, dann glattgebügelt bis zur Unkenntlichkeit:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schmidt-Ruthenbeck
https://de.wikipedia.org/wiki/Metro_AG
https://de.wikipedia.org/wiki/Stiftung_Mercator
Prometheus
Bertelsmann schuf den “Spiegel-Griechen”, mit struppigem Schnauzbart, krummer Nase, buschigen Augenbrauen, langen, gebogenen Fingern, krummen Beinen und Sirtaki-tanzenden Plattfüßen, dazu hämisch: „Unsere Griechen“. Das spricht billige Ressentiments an, rassistische Vorurteile und niederste Instinkte -kurz: Es verkauft sich blendend! Einziger Wermutstropfen: Anders als der Stürmer-Gründer, Rassist und Hitler-Liebling Julius Streicher mit seinem „Stürmer-Juden“ muss Bertelsmann sich den Profit an der rassistischen Hetze mit Springers BILD teilen. Aber Bertelsmann-Besitzerin Liz Mohn und Friede Springer (ihr Blatt schuf den „Pleite-Griechen“) sind ja ein Milliardenerbinnenherz und eine Medienmogulinnenseele…
Spiegel-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer verteidigte das umstrittene Spiegel-Cover “Unsere Griechen” als harmlose Satire
Ist der Vergleich des „Spiegel-Griechen“ mit dem „Stürmer-Juden“ (mit gebogener Nase, hervorstehenden Augen, krummen Beinen und Plattfüßen) wirklich so weit hergeholt? Sind es nicht die selben Methoden, die heute gegen die Griechen zur Anwendung kommen, die immer wieder von Rassisten gegen die von ihnen verhetzten Minderheiten, Fremden, Außenseiter usw. eingesetzt wurden? Das Blatt kam schon mit anderen Titeln ins Gerede, so sehr, dass sogar die erzkonservative und bestimmt weder Griechen- noch Tsipras-freundliche FAZ ins Nachdenken kam. Das ebenfalls eher rechtsstehende und wirtschaftsnahe Handelsblatt sprach von einem „seltsamen Zeitschriftentitel, der das Missverständnis zwischen Deutschland und Hellas verstärkt“ und meinte dazu:
„Das Klischee des Deutschen mit seinem brachialen Humor bestärkt der „Spiegel“ mit seinem jüngsten Titelbild unfreiwillig. Unter dem Titel „Unsere Griechen. Annährung an ein seltsames Volk“ wird ein dicker Grieche mit überdimensionalen Schnauzbart, das Ouzo-Gläschen in der linken Hand, Sirtaki-tanzend mit einem deutschen Touristen gezeigt, der die Geldbörse mit den 500- und 50-Euro-Scheinen fest an sich hält. (…) Ein Nachrichtenmagazin, das in seiner „Hausmitteilung“ verspricht, sich mit der komplexen und umstrittenen Frage des Grexit aus unterschiedlichsten Perspektiven zu befassen, betreibt mit diesem Titelbild schlichtweg Irreführung. Denn es suggeriert auf demagogische Weise die Antwort: Der dumme Deutsche zahlt für tanzenden, alkoholisierten Griechen.“ Handelsblatt
Da hilft es wenig, wenn der „Spiegel“-Chef vom Dienst Klaus Brinkbäumer im Nachhinein erklärt, das wäre ja alles
ganz harmlos gemeint gewesen -denn so ein Titelblatt muss vor dem Hintergrund der ganzen und vor allem der derzeitigen Debatte in Deutschland gesehen werden. Da ist Bertelsmann nicht allein mit seiner Griechenhetze, sogar Bildungssender wie Phoenix, ARTE und 3sat machten mit beim billigen Griechen-Bashing. Da wurde Häme über Varoufakis ausgegossen, mit Merkel und Schäuble auf Teufel komm raus schon seit 2012 der Grexit beschworen (was vorsätzlich den gefürchteten Bankensturm auslöste) und sogar Syriza mit Presselügen Korruption angedichtet. Und zum einen hat das Bertelsmann-Blatt von Anbeginn der Schuldenkrise gegen Athen Position bezogen, verschärft noch seit dem Wahlsieg von Syriza. Zum anderen lesen die wenigsten die Artikel dazu -die meisten sahen nur die Hetzkarikatur am Kiosk. Sicher, man hätte die Griechen noch schlimmer darstellen können.
Der Stürmer hätten zwar neben die fröhlich tanzenden Griechen vom Titelblatt des vorletzten „Spiegel“ statt des deutschen Touristen vermutlich eine gefesselte junge Frau (Germania) gestellt, aber die Aussage bleibt auch ohne solchen Nazi-Pathos die gleiche: Die faulen Griechen feiern und wir müssen dafür schuften -der durchschnittliche „Spiegel“-Leser wird sich das schon so zusammen reimen können. Diejenigen, die feiern, während Deutsche und mehr noch Griechen dafür schuften sollen, sind aber die Banker, die die Schulden aus ihrer Finanzkrise mittels korrupter Politik (in Athen wie Berlin) in die Staatshaushalte schieben konnten. Geholfen haben ihnen dabei Blätter wie BILD und „Spiegel“, die statt aufzuklären, die Zusammenhänge vernebeln und Sündenböcke präsentieren. Von den Multimillionären und Bankern sollten wir per Einkommens-, Vermögens- und Erbschaftssteuer die Kosten der Bankenrettung nach der Finanzkrise 2008 heute zurückholen. Doch das passt den Medienmogulen und -mogulinnen nicht. Hoffen wir, dass sie dies böse Spiel der Propaganda nicht noch weiter treiben, denn das hatten wir doch schon mal.
Hintergrund: “Fips” schuf den “Stürmer-Juden”
„“Der Stürmer” vermittelte seinen radikalen Antisemitismus im Stil einer Boulevardzeitung möglichst plakativ: Große Überschriften, die schon von weitem ins Auge fielen, gehörten dazu. Außerdem prägte der ab 1925 für die Zeitung arbeitende Karikaturist Philipp Rupprecht (1900-1975) mit seinen Zeichnungen das Blatt. Unter dem Pseudonym “Fips” schuf er Woche für Woche mit seinen Karikaturen den Typus des geldgierigen, meist unrasierten “Stürmer-Juden” mit langer, gebogener Nase, hervorstehenden Augen, krummen Beinen und Plattfüßen. “Fips” trug mit seinen zur Fratze entstellten Figuren zur Verfestigung antisemitischer Vorurteile bei. (…)
Julius Streicher gründete die Wochenzeitung „Der Stürmer. Nürnberger Wochenblatt zum Kampf um die Wahrheit“ am 20. April 1923 in Nürnberg. Unmittelbarer Anlass waren Kämpfe innerhalb der NSDAP in Nürnberg. Der NS-Agitator brauchte eine eigene publizistische Plattform. Streicher hatte am 20. Oktober 1922 die erste NSDAP-Ortsgruppe ins Leben gerufen, nachdem er sich zuvor Adolf Hitler (1889-1945) unterstellt hatte. (…)
22 Jahre lang verbreitete die Zeitung übelste, rassistisch begründete Diffamierungsparolen gegen den „Weltfeind Alljuda“, der an allem schuld sei. „Der Stürmer“ knüpfte an den Antisemitismus des Kaiserreichs an und griff alte Stereotype aus dem Mittelalter auf, etwa dass Juden so genannte Ritualmorde begingen, d.h. kleine Kinder entführen und opfern würden.
Streichers „Stürmer“ verbreitete seinen Antisemitismus mit fanatischer Wut und zugleich brutaler Primitivität. Erfundene Geschichten über angebliche Vergewaltigungen, Ritualmorde, Berichte über die „Verschwörung des internationalen Finanzjudentums“ und das „jüdisch-bolschewistische Verschwörertum“ sowie über „Rassenschande“ und Denunziationen schürten den Hass. Dazu kamen manipulierte Darstellungen über die angeblichen Zustände in Synagogen und in jüdischen Altersheimen. Vorurteile und Neid bestimmten die Beiträge. Die Juden galten als das Böse schlechthin, als der Teufel.
Zu den aggressiven Diffamierungen traten sexuelle Obsessionen und pornographische Darstellungen. Das Blatt richtete sich an Menschen geringer Bildung, u. a. mit einfach geschriebenen Artikeln über angebliche Rassenschande zwischen (alten) jüdischen Männern und (jungen) „arischen“ Frauen. Seine Leser wurden regelmäßig zu denunziatorischen Zuschriften aufgefordert. Unter der Überschrift „Lieber Stürmer“ wurden die verleumderischen Beiträge aus dem gesamten Deutschen Reich dann veröffentlicht.
Streicher feierte die sich verschärfende antisemitische Politik des NS-Regimes und forderte gleichzeitig immer offener die physische Vernichtung der Juden. Seit Kriegsbeginn intensivierte „Der Stürmer“ die Hasspropaganda gegen das „plutokratisch-bolschewistische Weltjudentum“. Je nach Kriegsverlauf wurden verschiedene gegnerische Staaten als „Judenknechte“ oder „verjudet“ angegriffen. (…)“
Quelle: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44465