Pressefreiheit? Russia TV in London von Zensur bedroht

Gilbert Perry RT-Ofcom-TheInt

Oft hören wir, dass in Russland Putin die Medien dominieren und zensieren würde. Das mag sein und ist zu verurteilen. Aber nur wenige wissen in Deutschland, dass Großbritannien eine Zensurbehörde hat: „Ofcom“. Sie wird selten tätig, weil britische Medien allzu angepasst sind, sagt dazu Glenn Greenwald. Er beschreibt, wie Ofcom das russische RT jüngst wiederholt drangsalierte, weil es „antiwestliche Ansichten“ geäußert habe. Für Leute, die London bisher für das Mekka der Pressefreiheit gehalten haben, dürfte damit eine Welt zusammenbrechen.

Im Jahr 2001 nutzte ihre Majestät Königin Elizabeth II die Gelegenheit ihrer jährlichen Thronrede um ein neues Gesetz zu präsentieren, schreibt Greenwald aktuell in The Intercept, welches alle Medien in ihrem Königreich regulieren sollte: Es war die Geburtsstunde des OFCOM, des „Office of Communications“. Aufgabe des OFCOM: Alle in Großbritannien verfügbaren TV-Programme zu kontrollieren und zu bestrafen, wenn sie einen „Fehler“ („bias“) aufweisen. Nach der deutschen Verfassung mit ihrem ausdrücklichen Verbot jeglicher Zensur wäre die Einrichtung einer solchen Zensurbehörde vermutlich ein Akt der Staatskriminalität.

Ofcom hat jedoch nur selten etablierte britische Medien für einen „Bias“ bestraft, obwohl (oder weil) die britischen Medien notorisch und sklavisch loyal gegenüber dem Staat und anderen britischen politischen und finanziellen Eliten sind, merkt Greenwald an. In krassen Gegensatz dazu hat OFCOM aber wiederholt den jungen russischen Staatssender RussiaTelevision (RT) mit Widerruf seiner Lizenz bedroht.

Erst im November letzten Jahres startete RT die brit-spezifische Londoner Version seines Netzes, welches die zuvor über Rundfunk in Großbritannien gesendeten Programme übernahm. Schon damals vermerkte der Guardian, dass RT mit „sechs separaten Untersuchungen der Medienregulierungsbehörde Ofcom konfrontiert wird.“ Dieser Story zufolge wurde RT erst mit gesetzlichen Sanktionen von OFCOM bedroht, nachdem der vom Kreml unterstützte Nachrichtensender die vorgeschriebene „Unparteilichkeit“ mit seiner Berichterstattung über die Krise in der Ukraine verletzte.

RT-Führungskräfte wurden von OFCOM vorgeladen, um sich wegen angeblichen Verstoßes gegen den Code für die UK-Sender zu rechtfertigen. OFCOM beschied ihnen, dass sie mit dem Widerruf ihrer Lizenz rechnen könnten, wenn diese Verstöße gegen die „Unparteilichkeit“ fortgesetzt würde.

Am 2.März kündigte OFCOM jetzt eine neue „Bias“-Untersuchung gegen RT an. Das Verbrechen besteht diesmal, laut Guardian, in der Ausstrahlung eines „anti-westlichen Kommentares in einer late-Night-Diskussion über die Ukraine.“ Es ging um „anti-westliche Ansichten“ in der Diskussion zwischen einem RT-Moderator und drei Studio-Gästen.

Zensurbehörde OFCOM: Maulkorb für kritischen Sender RT
Glenn_Greenwald_2014-01-20_001

Glenn Greenwald, TheIntercept, enthüllte Snowdens NSA-Papers

Leider, so sagte RT zu Glenn Greenwalds Blog TheIntercept, hat OFCOM verboten, diese neue Untersuchung zu kommentieren. RT wird also nicht nur wegen des Verbrechens „anti-westliche Ansichten“ bedroht, sondern RT wird dazu noch gesetzlich verboten, über diese Bedrohung öffentlich zu diskutieren.

Dass RT „voreingenommen“ ist, ist wahr. Es wird schließlich ausdrücklich durch die russische Regierung gefördert, um eine russische Sicht der Welt zu präsentieren. Aber alle Medien, die von Menschen gemacht werden, sind „voreingenommen“. Und dazu gehören sicherlich auch die führenden britischen Sender, welche andauernd gegen Russland (und jeden anderen sichtbaren Gegner des Westens) mindestens ebenso voreingenommen sind, wie RT gegen Gegner Russlands.

All dies unterstreicht den propagandistischen Zweck des Ausspielens angeblicher „Medien-Objektivität“ gegen einen sogenannten „Bias.“ Erstere ist einfach nicht vorhanden. Es ist aufschlussreich, dass britische Journalisten selbst am lautesten fordern, dass ihre Majestät Regierung RT aus „Bias“ Gründen zensiert: Wie autoritär muss eine Gesellschaft sein, wenn es ihre Top-Journalisten verlangen, dass der Staat Journalisten zensiert (oder inhaftiert), die er nicht mag? So fragt der Jurist, US-Journalist und Blogger Glenn Greenwald, der selbst wegen politischer Verfolgung in den USA nach Brasilien emigrierte.

Vorgeblich um Medien „Objektivität“ zu erzwingen, ginge es in Wahrheit jedoch nur darum, eine tendenziöse Agenda unter dem Deckmantel der Unparteilichkeit medial durchzusetzen. Die Vorsitzende der Zensurbehörde OFCOM ist Colette Bowe, zuvor tätig als Chief Information Officer beim Britischen Ministerium für Handel und Industrie sowie Vorstandsmitglied der Firmen Morgan Stanley und Electra Private Equity. Glaubt jemand, fragt Greenwald, dass Colette Bowe‘s Konzept der „Objektivität“ und „Unparteilichkeit“ etwas anderes repräsentieren könnte als die vorherrschenden Denk- und Wertungsmuster der britischen Machtelite?

Greenwald weist in seinem Artikel ferner daraufhin, dass gerade jene Journaille, die am lautesten über den Staatssender RT und seine politische Tendenz und „Fehler“ schreit, zufällig jene ist, die im Zuge des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges der Briten und US-Amerikaner gegen den Irak am willigsten die Lügen der CIA und der Bush-Regierung in Tony Blairs London verbreitet hatte. Ohne wegen eines „Bias“ von OFCOM gerügt zu werden versteht sich.

DLF: Jeremy Scahill und die geheime US-Söldnertruppe in Kiew

Gilbert Perry und Gerd R. Rueger Blackwater2007

Was das Web schon lange zwitschert, erreichte jetzt auch öffentlich-rechtlich Informierte: Der Deutschlandfunk (DLF) informierte über Debatten zu Blackwater-Söldnern in der Ukraine. Wie bei westkritischen Meldungen üblich in Anführungszeichen gesetzt, berichtete man über US-Debatten dazu, die von Amy Goodman (Democracy Now!) angestoßen worden waren. Blackwater ist seit Jeremy Scahill eine Größe, die für private Militarisierung und brutale Kampfeinsätze steht.

Nun konnte der DLF offenbar sein Schweigen zu dieser eminent wichtigen Information über den Hintergrund der Gewalttaten am Maidan bzw. in der Westukraine nicht mehr mit seiner Verpflichtung zur ausgewogenen Berichterstattung vereinbaren. Bei niedriger Einschaltquote kam die Meldung zu Blackwater in Kiew um 6:20 Uhr am 14.Mai 2014. Es ging um Truppen der Firma Greystone, einer Tochter der berüchtigten Söldnerfirma Blackwater, die sich inzwischen in „Academy“ umbenannte. Der DLF berichtete jedoch nur über US-Debatten zu diesem Thema, die von der als kritisches Feigenblatt der US-Medienwelt bekannten Amy Goodman, die mit ihrer TV-Sendung „Democracy Now!“ auch in Deutschland einem kleinen Publikum bekannt wurde. Amy Goodman hatte in ihrer Sendung auch das neue Buch von Scahill, dem zweiten kritischen US-Journalisten vorgestellt (dt. Schmutzige Kriege: Amerikas geheime Kommandoaktionen, München 2013).

2008 hatte der US-Publizist Jeremy Scahill in seinem Buch „Blackwater: Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt“ die Machenschaften von Blackwater aufgedeckt und sie erstmals einem breiten Publikum bekannt gemacht. Sogar die ARD hatte damals, allerdings zu nachtschlafender Zeit um 23:30, eine Doku dazu ausgestrahlt: „Die Schattenarme der USA im Irak“. Die Kritik, die dort geäußert wurde war jedoch sehr zahm gegenüber US-Interessen und der mafiösen Strukturen von US-Regierung, Öl- und Kriegsindustrie. Stattdessen wurden emotionalisierte Einzelschicksale in den Mittelpunkt gerückt.

2013 enthüllte Scahill mit mehr Biss in „Schmutzige Kriege“ weitere Verstrickungen der Firma in Kriegshandlungen bzw. Kriegsverbrechen der US-Besatzungstruppen in Afghanistan, wo Blackwater vier US-Militärbasen kontrollierte (Scahill 2013, S.225); Elitekräfte der Söldnerfirma sollen der CIA bzw. der geheimen US-Killertruppe JSOC (Joint Operation Special Command) unter dem Namen „Blackwater Select“ bei der Planung von Mordanschlägen auf mutmaßliche Talibankämpfer assistiert haben, wobei sie mittels sogenannter ACCMs (Alternative Compartmentalized Control Measures) Zugang zu geheimsten Pentagon-Daten erhielten (Scahill 2013, S.314) –die viele US-Militärs niemals zu Gesicht bekommen.

Von diesen Hintergründen erfuhr der DLF-Hörer nichts, dafür aber vom Dementi von Greystone/Blackwater, sie wären gar nicht in der Ukraine aktiv. Dafür gab der DLF-Reporter zu, dass die Meldung von Russia TV über die Reise des CIA-Direktors George Brennan nach Kiew, später von Washington bestätigt wurde. Dass der dieser Stippvisite folgende erste Angriff der Kiewer Putsch-Regierung auf das prorussische Slavjansk etwas mit Brennans offiziell als Routine-Besuch präsentierter Reise zu tun haben könnte, wurde natürlich nicht bestätigt –sondern vielmehr als Verschwörungstheorie hingestellt, wie so vieles an der Arbeit der CIA. Doch auch der US-Autor Scahill soll hier nicht unkritisch über den grünen Klee gelobt werden. Sein erstes Buch, von der Thematik her lobenswert, ließ in der Umsetzung doch noch viel zu wünschen übrig.

War Scahills Blackwater-Buch nur Infotainment?

Jeremy_Scahill_at_Chatham_House_2013

Jeremay Scahill

Die „Schmutzigen Kriege“ zeigen bei Scahill eine Entwicklung zu schärferer Kritik, dessen Blackwater-Buch noch sehr am Prinzip Infotainment und einer einseitigen US-Sicht orientiert war. Seine Perspektive schwankte zwischen der eines Kritikers und eines „embedded journalist“, also eines zu Zwecken der Armeepropaganda der US-Truppe zugeteilten Kriegsberichterstatters. Aber vermutlich konnte das Buch nur so trotz seiner kritischen Thematik in den USA, wo von rechts zu Wahlkampfzwecken Ängste geschürt und Patriotismus beschworen werden, zum Bestseller werden. Vielleicht war es in der militaristisch aufgeheizten US-Stimmung im Krieg „gegen den Terror“, nicht in anderer Form möglich, die US-Militärpolitik zu kommentieren.

Aus der Distanz wirkte Scahills Buch jedoch streckenweise wenig einfühlsam gegenüber den Hauptopfern, den irakischen Zivilisten, aber immerhin, die irakischen Opfer wurden erwähnt. Das unterscheidet ihn vielleicht von vielen anderen damaligen US-Berichterstattern. Dennoch: Groß ist die Differenz zwischen der lapidaren Aufzählung toter Irakis zur blutrünstig ausgeschmückten Beschreibung der Leiden von US-Besatzern. Scahills Hintergrund-Recherchen konzentrierten sich damals auf die amerikanischen Familien, vor allem auf vom Schicksal des Sohnes gebrochenen Müttern.

Das Blackwater-Massaker von Falludscha

falludscha

Tote US-Söldner von Blackwater bekamen in Falludscha den Zorn der Iraker zu spüren

Unter der Kapitelüberschrift „Wie abgeschlachtete Schafe“ nimmt der Leser von Scahills erstem Buch teil am dramatischen Schicksal von jenen vier Blackwater-Leuten, die es im März 2004 selbst in die deutsche Tagesschau schafften: Iraker töteten sie und hängten ihre Leichname an eine Brücke. Die vier Söldner Zovko, Batalona, Teague und Helvenston wurden portraitiert, vor allem sie wurden für den Leser zu Personen gemacht, in die er sich einfühlen kann: Ihr Leben und militärischer Werdegang werden beschrieben und wie sie von verantwortungslosen Vorgesetzten auf eine unnötig riskante Mission geschickt wurden. Es geht um den Transport von Küchengeräten für die US-Besatzer in Falludscha. Blackwater stellt vier leicht bewaffnete Bodygards, doch die Stadt ist gefährlich, vormittags ging eine Bombe hoch, die Straßen waren wie leer gefegt. Dann geht Scahill ins Detail:

„Niemand weiß, was Scott Helvenston sah, bevor er sein Leben aushauchte, aber es muss entsetzlich gewesen sein. Vielleicht lebte er lange genug, um sich klarzumachen, dass ihm ein grausamer Tod bevorstand. Während er blutüberströmt und tödlich getroffen im Jeep lag, sprangen mehrere Männer auf die Motorhaube des Wagens, feuerten ununterbrochen weiter und schlugen die Windschutzscheibe ein. Neben Helvenston lag Mike Teague, Blut quoll aus seinem Hals. ‚Allahu-akbar‘-Rufe erfüllten die Luft.“ (Scahill 2008, S.117)

Frage an Scahill: Warum waren die USA im Irak?

Angesichts der so beschriebenen Grausamkeit stellt sich die Frage nach Recht und Unrecht, nach Schuld und Verantwortung nicht mehr. Scahill hat bis hierhin übergangen, warum die US-Truppen im Irak stehen. Ob der gestürzte Diktator Saddam wirklich etwas mit dem 9/11-Anschlag zu tun oder wenigstens Massenvernichtungswaffen hatte, interessierte Scahill ebenso wenig, wie die völkerrechtswidrige Besetzung des Landes. Völlig außerhalb der Darstellung liegen Fragen nach Saddams Werdegang als von den USA aufgerüsteter Mordbube gegen dem US-Feind in Teheran. Nicht erwähnt werden die von manchen für nicht unwichtig gehaltenen Ölinterressen etwa von Bush-Intimus Dick Cheney, Halliburton-CEO (vgl. Dean 2005, S.68). Scahills Hintergrundrecherchen betreffen nichts davon, sondern konzentrieren sich auf Zovkos Mutter Danica Zovko, die über die Militärkarriere ihres Sohnes bei den Army Rangers gesagt haben soll:

„Er hat beim Staat gearbeitet, durfte aber nicht darüber sprechen… Wir wissen nicht, was es war. Ich habe nie erfahren, was er machte. Bis heute nicht.“ (Scahill 2008, S.113 f.)

Auch wir Leser erfahren es nicht, wir erfahren aber, dass er bei Blackwater anheuerte und was dann aus Zovko wurde:

„Zovkos Kopf wurde zerschmettert, Batalonas Hawaiihemd mit Kugeln durchsiebt… dann brachte jemand einen Benzinkanister und übergoss die Fahrzeuge und die Körper der beiden Männer… Die verkohlten Leichen wurden aus den ausgebrannten Wagen gezerrt und von Männern und Jugendlichen buchstäblich in Stücke gerissen. Einige trampelten auf den verstümmelten Leibern herum, andere hackten die Körperteile mit Metallrohren und Schaufeln ab. Ein junger Mann traktierte den Kopf eines der Opfer so lange mit Fußtritten, bis er abfiel. Ein anderer hielt ein Schild in die Kamera. Es trug die Aufschrift:‘Falludscha ist das Grab der Amerikaner!‘.“ (Scahill 2008, S.118)

Verständnis für andere Völker?

Die von Scahill gewählte Darstellung der Ereignisse macht es an dieser Stelle dem US-Leser nicht leicht, Verständnis auch für die irakische Seite zu entwickeln. Zumal man erst 26 Seiten später erfährt, dass zuvor „amerikanische Truppen ein Stadtviertel Falludschas gestürmt und dabei mindestens 15 Iraker getötet“ hatten (Scahill 2008, S.133) Dies war nur fünf Tage vor den blutig ausgemalten Untaten des irakischen Mobs, wie der Leser nur umständlich durch blättern und rechnen dem Text entnehmen kann. Was die US-Truppen in diesem Viertel der 350.000-Einwohner-Stadt der Bevölkerung angetan haben, ob etwa den mindestens 15 Todesopfern auch Körperteile abgeschnitten wurden –bei US-Einsätzen nicht völlig unüblich–, darüber berichtet Scahill nicht. Trotz aller Kritik ist Scahills Botschaft 2008 noch: Grausam sind die anderen.

„Nach Angaben eines Augenzeugen überlebte einer der Blackwater-Männer diesen ersten Angriff mit einem Brustschuss; er wurde aus dem Fahrzeug gezerrt und flehte um sein Leben. ‚Die Leute bewarfen ihn mit Steinen und trampelten so lange auf ihm herum, bis er tot war‘, berichtete der Augenzeuge. ‚Sie schnitten ihm einen Arm, ein Bein und den Kopf ab und jubelten und tanzten.‘ (…) Fast zehn Stunden lang baumelten die Leichen über dem Euphrat –wie ‘abgeschlachtete Schafe’…“ (Scahill 2008, S.117 f.)

Ob es auch in der irakischen Zivilbevölkerung Menschen gab, die um ihr Leben flehten, bevor sie von den Besatzern gefoltert, vergewaltigt oder abgeschlachtet wurden, soll den Leser offenbar nicht weiter interessieren. Ebensowenig die Tatsache, dass der von Scahill aus der Washington Post zitierte Bericht eines angeblichen Augenzeugen höchst zweifelhaft ist. Nur wer die Quellenangabe aufspürt, im unübersichtlichen Verzeichnis die Fußnote 53/Kapitel 5, findet eine Relativierung:

„Anmerkung: Eine Autopsie ergab, dass die Männer sofort tot waren, was diesen Aussagen widerspricht; allerdings waren die Leichen schrecklich verstümmelt.“ (Scahill 2008, S.318)

Schrecklich verstümmelt erscheint allerdings auch die blut- und tränenreiche Darstellung, die Scahill von den Ereignissen gibt. Keine irakische Mutter wird erwähnt, dafür erneut die von Söldner Zovko:

„Jerrys Mutter Danica Zovko, die in Ohio lebte, hörte in den Radionachrichten, dass ‘amerikanische Hilfskräfte’ ums Leben gekommen waren. Nachdem sie im Fernsehen Bilder aus Falludscha gesehen hatte, schrieb sie ihrem Sohn sogar noch per E-Mail, er solle vorsichtig sein: ‘Im Irak werden Menschen umgebracht, genau wie zuvor in Somalia.’“ (Scahill 2008, S.150)

US-Medien malten ein Propagandabild vom Irak

„Im Irak werden Menschen umgebracht“ –diese erstaunte Aussage einer Söldnermutter nach einem Jahr Irakkrieg sollte eigentlich Fragen aufwerfen: Vor allem die Frage nach der US-Berichterstattung, über einen Krieg der bis dahin immerhin schon deutlich mehr als 10.000 Todesopfer unter der irakischen Zivilbevölkerung gekostet hatte, also dreimal soviel wie die 9/11-Anschläge. Wurden diese Tausenden von umgebrachten Menschen in den US-Medien nicht erwähnt, weil sie Iraker waren? Oder konnten Iraker nicht mehr beanspruchen, als Menschen betrachtet zu werden, vielleicht aufgrund der Gräuelpropaganda der US-Medien? Einer Propaganda, die womöglich pausenlos blutrünstige Moslems neben weinende US-Soldatenmütter stellt? Dies interessierte Scahill damals nicht, er wendet sich noch einer Söldnermutter zu, der des ehemaligen US-Navy Seals Scott Helvenston, eines weiteren der vier Blackwater-Bodyguards, die in Falludscha starben.

„Katy Helvenston-Wettengel, Scotts Mutter, arbeitete zu Hause in ihrem Büro in Leesburg, Florida, und hatte dabei den Fernsehapparat eingeschaltet. ‘Ich saß am Schreibtisch, im Hintergrund lief CNN’, erzählte sie. ‘Bei den Mittagsnachrichten horchte ich plötzlich auf, ich blickte zum Bildschirm und sah voller Entsetzen dieses brennende Fahrzeug.’ Da ahnte sie noch nicht, dass der Bericht vom grausamen Tod ihres eigenen Sohnes handelte.“ (Scahill 2008, S.150 f.)

Mehrere Hundertausend Menschen starben wegen der US-Interventionen im Irak –darunter blackwaterauch viele Kinder, die nicht zu einer Söldnerfirma gingen, um das große Geld zu verdienen, die nicht einmal die Chance bekamen, erwachsen zu werden. Außerhalb der USA und ihrer verbündeten Länder las sich das erste Buch von Scahill wenig einfühlsam –sein zweites Buch „Schmutzige Kriege: Amerikas geheime Kommandoaktionen“ ist jetzt glücklicherweise um einiges abgewogener gelungen und sehr empfehlenswert. Dabei haben Scahill, wie er schreibt, auch zahlreiche Insider aus JSOC- und Blackwater-Kreisen mit Information versorgt -dafür immerhin dürfte seine US-zentrierte Perspektive im ersten Buch nützlich gewesen sein. Scahill blickt heute öfter durch die Augen von Opfern der US-Drohnenmorde und er setzt sich dort wie auch in den Medien für von US-Marionetten-Regierungen verfolgte Kollegen ein.

Quellen

Dean, John: Das Ende der Demokratie: Die Geheimpolitik des George W. Bush, Berlin 2005

Scahill, Jeremy: Blackwater: Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt, München 2008

Scahill, Jeremy: Schmutzige Kriege: Amerikas geheime Kommandoaktionen, München 2013